Neuropsychologische DD AD und FTD

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Neuropsychologische
Aspekte der
Demenzdiagnostik
PD Dr. phil. Helmut Hildebrandt
Universität Oldenburg
Klinikum Bremen-Ost
Demenzen nach DSM IV
• Definiert durch erheblichen kognitiven Abbau, d.h. durch eine
funktionelle, psychologische Leistungsveränderung, nicht
primär durch Ätiologie;
• Abbau kann aufgrund einer akuten oder schleichenden
Schädigung erfolgen, muss aber unabgängig von einer akuten,
aber vorübergehenden Störung des bestehen (DD Delir);
• Er muss verschiedene psychologische Leistungen gleichzeitig
betreffen (DD Amnesie oder organisch bedingte
Persönlichkeitsstörung);
• Er muss erheblich sein (DD leichte kognitive Störung oder
organisches Psychosyndrom);
• Er muss führend gegenüber affektiven Veränderungen sein
(DD Psychose).
Klassifikation der Demenzen
• Ätiologisch im Sinne des ICDs
• Syndromspezifisch
* Alzheimer Demenz
* atypische Alzheimer Demenz
* vaskuläre Demenz
* fronto-temporale Demenz
* Lewy-Körperchen Demenz
• Amnestisches Syndrom bzw. MCI
Epidemiologie
Reischies et al., 1997
Messung des
Schweregrads
einer Demenz
Differenzialdiagnose
demenzieller
Prozesse
DD Demenz und
Pseudodemenz
(Depression)
Cut-off Score
Sensitivität
WMS-R Calabrese et al., 1999
Spezitivität
Differenzialdiagnose
zwischen verschiedenen
Formen der degenerativ
bedingten Demenz (AD, FTD,
LKD) mit neuropsychologischen
Mittel
Alzheimer-Demenz (DSM-IV, Saß et al., 1996)
A. Entwicklung multipler kognitiver Defizite, die sich zeigen in sowohl
(1) einer Gedächtnisbeeinträchtigung als auch
(2) mindestens einer der folgenden kognitiven Störungen: Aphasie, Apraxie, Agnosie,
Störungen der Exekutivfunktionen.
B. Die kognitiven Defizite aus den Kriterien A1 und A2 verursachen jeweils in
bedeutsamer Weise Beeinträchtigungen in sozialen oder beruflichen
Funktionsbereichen und stellen eine deutliche Verschlechterung gegenüber einem
früheren Leistungsniveau dar.
C. Der Verlauf ist durch einen schleichenden Beginn und fortgesetzten kognitiven Abbau
charakterisiert.
D. Die kognitiven Einbußen in Kriterium A1 und A2 sind nicht zurückzuführen auf:
(1) andere Erkrankungen des Zentralnervensystems, die fortschreitende Defizite in
Gedächtnis und Kognition verursachen (z.B. zerebrovaskuläre Erkrankungen,
Parkinsonsche Erkrankung, Huntingtonsche Erkrankung, subdurale Hämatome,
Normaldruckhydrocephalus, Hirntumor),
(2) Systemische Erkrankungen, die eine Demenz verursachen können (z.B.
Hypothyreose, Vitamin-B12-Mangel, Hyperkalzämie, Neurolues, HIV-Infektion),
(3) Substanzinduzierte Erkrankungen.
E. Die Defizite treten nicht ausschließlich im Verlauf eines Delirs auf.
F. Die Störung kann nicht durch eine Psychose (z.B. Major Depression, Schizophrenie)
erklärt werden.
Frontotemporale
Demenz: Klinischdiagnostische
KonsensusKriterien
Neuropsychologische
Kennzeichen der AD
• Ausgangspunkt im limbischen System
speziell im erweiterten hippokampalen
System
• In späterer Phase dann Übergreifen auf
sekundäre Assoziationsareale
• Nicht immer komplett symmetrisch,
jedenfalls nicht in der frühen Phase
Blick auf
den Thalamus
PET-Aktivierung Hippocampus bei leichter und schwerer AD
bei Gedächtnisaufgabe in Relation zu Ruhebedingung
Desgranges et al., Brain, 2002
Laakso et al., 2000, Biological Psychiatry
Structural MRI
Gedächtnisleistung und
hippokampale Atrophie
bei AD
Mild cognitive impairment
• Viele Patienten, die sich als kognitiv
schleichend beeinträchtigt erleben, erfüllen
nicht die Kriterien einer Demenz
• Trotzdem lassen sich bei diesen Personen u.U.
Veränderungen in der kognitiven
Leistungsfähigkeit nachweisen
• Die DD des MCIs ist deshalb von besonderer
Bedeutung, weil die Konversionsrate zur
Demenz hoch ist und Personen mit MCI evt.
besser zu behandeln sind als AD Patienten
Frühdiagnose
1. Der Hausarzt sollte Hinweise auf geistige Leistungseinschränkungen,
insbesondere Gedächtnisstörungen, Wesens- und Verhaltensänderungen unter
dem Verdacht des Vorliegens einer Demenz nachgehen. Ziel der
Frühdiagnose ist der Nachweis oder Ausschluss einer organischen
Erkrankung. Hierbei kommt der Fremdanamnese besondere Bedeutung zu.
2. Beobachtungen, die einen kognitiven Abbau berichten, sollten ernst
genommen werden und eine fachärztliche Untersuchung einschließlich
Prüfung kognitiver Funktionen und bei Verdachtsmomenten weitere
Diagnostik (einschließlich kognitiver Screeningverfahren und ggf. apparativer
und Laboruntersuchungen) nach sich ziehen.
3. Im Verdachtsfall sollten kognitive Screeningverfahren eingesetzt werden. Sie
sollten jedoch nur von erfahrenen Untersuchern angewendet werden.
Besonders sensitiv, wenn auch etwas zeitaufwendiger als z.B. der MMS (30
min.) erscheint der CERAD.
4. Personen mit kognitiver Beeinträchtigung („minimal cognitive impairment“),
die nicht die Kriterien einer Demenz erfüllen, haben ein erhöhtes Risiko, in
den folgenden Jahren eine Demenzerkrankung zu entwickeln. Diagnostik
einschließlich cerebraler Bildgebung zum Ausschluss eines symptomatischen
Geschehens sowie Kontrolluntersuchungen einschließlich Wiederholung des
kognitiven Screening werden empfohlen.
Sensitivität und Spezifizität
von neuropsychologischen
Tests zur Trennung von
MCI und gesunden
Personen.
n = 140
C. A. DE JAGER,1 E.
HOGERVORST, M.
COMBRINCK, M. M. BUDGE:
Psychological Medicine, 2003, 33,
1039–1050.
Memory & MCI:
Verbal: 17/29
Räumlich: 16/29
Beides: 10
Progression in einzelnen Funktionsbereichen
Matthew et al., Brain (2003)
n = 55
Asymmetrie von Testergebnissen in der
präklinischen AD Diagnostik
Jacobson et al.,
Neuropsychology, 2002
Konversionsrate von MCI zu AD nach Beeinträchtigung
N= 929, modified Classification = nach objektiver Leistungsfähigkeit
A. BUSSE,1 J. BISCHKOPF, S. G. RIEDEL-HELLER AND M. C. ANGERMEYER:
Subclassifications for mild cognitive impairment. Psychological Medicine, 2003, 33, 1029–1038.
Lewy Körperchen Demenz:
Klinische DD zur AD
Neuropsychologische DD AD und DLB
Calderon et al., 2001
Subtests aus der VOSP
Calderon et al., 2001
Calderon et al., 2001
Figur-Hintergrund
(aus der BORB)
Unterscheidung ist
sensitiv für DLB
(speziell bei
Produktivsymptomatik)
Zusammenfassung AD/DLB
• AD in jedem Fall Gedächtnisstörung führend
(aber untypische AD!)
• DLB in jedem Fall visuoperzeptive Störungen
führend (nicht unbedingt Lesen)
• DLB durch schwankende Aufmerksamkeit
gekennzeichnet und visuelle Halluzinationen
• AD in frühem Stadium wenig „produktive
Symptomatik“
Klinische DD der FTD:
Verhaltensauffälligkeiten
und Störungen der
Sprachproduktion bzw.
Sprachrezeption
Spezifische Formen der FTD
• Primäre progressive Aphasie:
Störung der Flüssigkeit der Sprache bei erhaltener
Sprechfähigkeit; Schwierigkeiten in der Grammatik
(Verben und Funktionswörter),
Wortfindungsstörungen. Sprachverständnis über
längere Zeit in Ordnung, wird aber später einbezogen.
Spätform: Mutismus
• Semantische Demenz:
Flüssige Sprache bei inhaltsleerer Aussage. Verlust
des Wissens um Wortbedeutungen, nicht der Wörter.
Sprache
Neuropsychologische
DD AD und FTD
Gedächtnis
Nur per
Autopsie
gesicherte
Fälle
von
entweder
AD oder
FTD
Neurology,
2002
Zusammenfassung FTD/AD
• AD wieder Gedächtnisstörung führend
• FTD dagegen Sprachstörung führend
(Flüssigkeitsmarker, Comprehension)
• FTD mit exekutiven Funktionsdefiziten (wie
DLB), aber keine visuo-perzeptiven.
• Konversionsrate MCI ohne Gedächtnisstörung
in andere Formen der Demenz weitgehend
unbekannt
Möglichkeiten psychologischer Therapie
• In den frühen Phasen und bei leichter kognitiver
Störung ist eine funktionelle Therapie wirksam.
• Frühes Überlernen extrem wichtiger persönlicher
Information und des Umgangs mit externen Hilfen ein
Ansatz der Therapie.
• Bei schwereren Formen ist eine Konzentration auf
biographische Information und Angstreduktion ein
sinnvoller Ansatz (Romeo Selbsterhaltungstraining).
• Angehörigenberatung
Kritik psychologischer Therapie
• Sinnlos, weil progressiver Prozess
aber: dann ist medikamentöse Therapie
auch sinnlos, denn neurobiologisch
wenig Unterschied
• Belastend, weil Patienten auf ihre Defizite
gestoßen werden
aber: Krankengymnastik bei Parkinson?
aber: Beleg dieser Aussage würde nur
unsachgemäßes Vorgehen der
Psychologen beweisen
Patienten wollen Behandlung
2001
N = 11, mild to moderate stage of AD (mean
MMS: 23), mean age: 79, splitted in two groups: 7
training, 4 control. Stimulation training & physical
fitness vs. Physical fitness training alone. Smaller
(none) MMS decrease in the training group
significant
Quayhagen & Quayhagen, 2001: Stimulationstraining by caregivers, one
hour a day, 5 days a week, for 12 weeks. 7 weeks memory training, 3
weeks problem solving, 2 weeks fluency and communication
significant
Quayhagen & Quayhagen, 2001: Stimulationtraining by caregivers, one
hour a day, 5 days a week, for 8 weeks. Mixed intervention schedule
No improvement in memory performance
Kognitive Therapie und Alzheimer Prävention
n = 25, 9 Monate Zeitraum, ca. 50 Stunden Therapie
Ishizaki et al., 2002
Positiver Effekt nachweisbar auch für Affektzustand!
That‘s it!
Leitlinien medikamentöse Therapie
1. Cholinesterasehemmer sind bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer AD
wirksam. Ihre Wirksamkeit ist jedoch individuell verschieden, daher sind
Erfolgskontrollen erforderlich.
2. Positive Ergebnisse liegen für Donepezil, Rivastigmin und Galantamin und
Memantine vor.
3. Vor Verordnung soll eine Baseline von kognitiven, globalen und Verhaltenssowie ADL-Funktionen erstellt werden. Compliance ist sicherzustellen. Eine
Kontrolluntersuchung soll nach 2-4 Monaten erfolgen, danach in 6monatigen Abständen.
4. Bei DLB können sich kognitive Funktionen, Verhalten und Halluzinationen
unter ChE-Hemmern bessern.
5. Zur Wirksamkeit von Amantadin bei AD liegen einzelne positive Ergebnisse
vor. Die Studienlage für Gingko biloba ist derzeit nicht eindeutig.
6. Zur Wirksamkeit von Pirazetam, Nicergolin, Hydergin liegen für Kollektive
dementer Patienten ohne differentialdiagnostische Zuordnung positive
Ergebnisse vor. Eine Aussage zur Wirksamkeit bei AD und DLB ist nicht
möglich.
Atypische AD
• Atrophie parieto-okzipital;
• Funktionelle Einbußen schleichend für die
Funktionen, die dort lokalisiert sind, d.h. primär
Sehstörungen;
• Dyslexie (Zeilenverlust, Oberflächendyslexie)
• Agnosie (incl. Simultanagnosie, eher
apperzeptive denn assoziative Agnosie)
• Im späteren Verlauf dann komplettes Balint
Syndrom
1998
Fallzahl Demenz/MCI 2003
25
20
15
Demenz
MCI
10
5
0
Tagesmedizin
PP/amb.&stat.
Gesamt 61 (von ca. 130 Anforderungen TM & PP/ambulant/stationär)
Reischies et al., 1997
Tests für die Demenzdiagnostik
Klinischer Eindruck: schwere oder leichte Demenz
• Schwere Demenz: CERAD-NP, Sprachverstehen,
Sehen, Rechtschreibung, Rechnen, Lesen
• Leichte Demenz: CERAD-NP ohne Gedächtnisteil,
stattdessen CVLT, Rey Figur, Sprachverstehen,
Sehen (VOSP und Poppelreuther), Rechtschreibung,
Rechnen, Lesen, u.U. RBMT und Fahrtauglichkeit
• MCI: CVLT, (WMS-R), Rey Figur, MT,
Sprachverstehen, TAP Arbeitsgedächtnis, TAP
Reaktionswechsel, TAP Inkompatibilität, BORB
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