Essay - ETH Zürich

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Vorlesung “Menschliches Lernen”
bei Prof. Dr. Elsbeth Stern
Wintersemester 2006/07
Didaktikzertifikat ETH Zürich, 1. Semester
Essay zum Thema 1
Ana Sesartic
Rislingstrasse 7
8044 Zürich
[email protected]
Umweltnaturwissenschaften ETH Zürich, 9. Semester
07. Januar 2007
1
Einleitung
Dieser Essay zum Block 1 der Vorlesung “Menschliches Lernen” basiert auf den ersten sechs
Kapiteln des Buches “Lernen” von Gerhard Steiner (2001, S. 15-92). Die in diesen Kapiteln
erwähnten
behavioristischen1
Lerntheorien
werden
auf
persönliche
Erfahrungen
bzw.
Beobachtungen des Verhaltens anderer Personen bezogen und diskutiert. Die berücksichtigten
Lerntheorien sind das klassische und operante Konditionieren, das Lernen nach Versuch und Irrtum,
das Erlangen neuer Gewohnheiten, das Problem der Extinktion sowie die Mechanismen hinter
Verstärkung und Belohnung.
2
Diskussion
2.1
Klassisches Konditionieren
Gemäss Pawlow2 wird beim klassischen Konditionieren eine bereits vorhandene elementare
Reaktion durch einen ursprünglich neutralen Reiz ausgelöst. Im Alltag finden wir klassische
Konditionierung bei Angstreaktionen, wie sie häufig bei der Angst vor Zahnärzten auftritt.
Betrachten wir die folgende Konditionierungsgeschichte: Als neutraler Reiz kann der weisse Kittel
des Zahnarztes dienen, aber auch andere Details wie die Ausstattung einer Praxis und der Anblick
der verschiedenen Bohrmaschinen und Apparate, welche den Orientierungsreiz darstellen. Die
tatsächliche Behandlung, z.B. das Bohren oder Ziehen der Zähne ist der schmerzhafte
unkonditionierte Reiz, der die unkonditionierte Reaktion (z.B. Aufschrei, Panikattacke,
Schweissausbrüche und Ähnliches) auslöst.
Im Fall der Angst vor dem Zahnarztbesuch kommt die Verbindung zwischen Reiz und Reaktion
meist in einem einzigen Versuch zustande, da der nun konditionierte Reiz (z.B. weisser Kittel) mit
einem sehr starken unkonditionierten Reiz (schmerzhafte Behandlung) verbunden wird. Eine solche
konditionierte Reaktion (z.B. Panikattacke) ist schwer zum Verschwinden zu bringen. Ausserdem
nimmt man an, dass bei der Extinktion eine konditionierte Reaktion nicht gelöscht wird, sondern
nur aufgrund einer aktiven Hemmung ausbleibt. Dies merkt man gut daran, dass viele Menschen ein
Leben lang die Angst vor dem Zahnarzt behalten.
Ein vorbereitendes Gespräch mit dem Zahnarzt vermag die Angst vor der Behandlung etwas zu
lindern, denn die subjektive Interpretation von Reizen ist ebenfalls von Bedeutung. Weiss man im
Voraus wie die Behandlung von statten gehen wird, kommt nicht die zusätzliche “Angst vor dem
Unbekannten” dazu. Ausserdem hilft es aus eigener Erfahrung mit vertrauten Personen über die
1 Behavioristische Theorien definieren Lernen als relativ permanente Veränderung des Verhaltens in Abhängigkeit
von der Erfahrung. (Ormrod, 2003, S. 3)
2 Iwan Petrowitsch Pawlow (1849-1936), russischer Neurophysiologe.
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1
Angst zu sprechen, da durch das Verbalisieren der Angstzustände der Zahnarztbesuch häufig etwas
von seinem Schrecken verliert.
2.2
Das Problem der Extinktion
Die natürliche Reaktion auf eine bedrohliche Reizsituation ist die Flucht oder das Ausweichen,
meist verbunden mit einem Gefühl der Angst. Angst tritt aber auch bei nur indirekt “bedrohlichen”
Situationen auf, wie beispielsweise dem Lampenfieber. Die einzige Bedrohung in diesem Fall ist
das potentielle Misslingen des Unterfangen mit folgender Blamage und/oder einer schlechten
Benotung.
In komplexen Situationen, wie z.B. dem Halten eines Vortrags, können auch andere Nebenreize zu
konditionierten Reizen werden. Durch diesen Vorgang der Reizgeneralisierung können somit auch
ähnliche Reize wie der Anblick eines Hellraumprojektors oder eines mit Publikum gefüllten
Raumes als Angst auslösende Reize wirken, wobei vorher die Angstreaktion als Antwort auf den
Reiz „vor Publikum treten und Vortrag halten“ erlernt wurde. Die Verbindung zum konditionierten
Reiz schwächt sich jedoch mit jedem erfolgreich absolvierten Vortrag ab, wie ich selbst erfahren
durfte.
Das am Anfang meiner Schulkarriere ausgeprägte Lampenfieber vor Vorträgen oder
Konzertauftritten, hat sich durch positives Feedback von Lehrpersonen, Mitschülern und Publikum
in eine Freude am Vortragen umgewandelt. Eine gewisse Aufregung bleibt nach wie vor, hindert
mich jedoch weder am Vortragen, noch steigert sie sich ins Unangenehme. Die Erfolgserlebnisse
führten also zur Extinktion der Vortragsangst durch das Lernen einer neuen beruhigenden Reaktion
(“Es kann mir nichts passieren. Es ist nur ein Vortrag, also kein Grund zur Panik, ich habe ja häufig
Erfolg.”) welche die ursprünglich konditionierte Angstreaktion hemmt.
2.3
Lernen nach Versuch und Irrtum
Beim Lernen nach Versuch und Irrtum gemäss Edward L. Thorndike (1874-1949) verstärkt jedes
erreichte Zwischenziel die zum Erreichen erforderlichen Handlungen und dient gleichzeitig als Reiz
für die darauf folgende Handlung.
Betrachten wir als Illustrationsbeispiel das Zusammensetzen eines Puzzles. Thorndike postuliert
dabei mit dem „Effektgesetz“ die behavioristische Interpretation des Lernens nach Versuch und
Irrtum. Das Gesetz besagt, dass jedes erreichte Zwischenziel (erfolgreich verbundene Puzzleteile)
durch die Befriedigung es geschafft zu haben, als Reiz-Reaktion-Verbindung gespeichert wird
(Steiner, 2001, S. 40). Der erfolgreiche Zwischenzustand verstärkt also die dazu erforderliche
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2
Handlung und ist gleichzeitig der Reiz für die folgende Reaktion (suche und legen des nächsten
passenden
Puzzleteils).
Somit
stärkt
der
Erfolg
die
Verbindung
und
erhöht
ihre
Auftretenswahrscheinlichkeit. Thorndikes „Effektgesetz“ vernachlässigt jedoch die Idee, dass sich
der Problemlöser den erfolgreichen Endzustand
(gelöstes Puzzle) vorstellen kann, und diese
Vorstellung zu einer Verstärkung führt.
Aus kognitiver Sicht, dient die Verstärkung auch zur Information und Anleitung des Puzzlers,
welche Tätigkeiten er wie ausführen soll. Miller, Galanter & Pribram (Steiner, 2001, S. 44)
postulieren, dass das Handeln des Problemlösers von seinem Wissen und den daraus abgeleiteten
Plänen bestimmt wird. Die Testphase ist dabei das Überlegen, welche Puzzleteile von Form und
Bild her am besten zueinander passen würden und die Suche danach. Die Operationsphase ist das
Drehen und Einsetzen der passenden Teilstücke. Die Test- und Operationsphase werden so lange
nacheinander wiederholt, bis alle Puzzleteile verbunden sind und das Puzzle gelöst ist. Doch den
tatsächlichen Bewegungsablauf nochmals auf genau dieselbe Art und Weise nachzuvollziehen oder
jemand anderem zu erklären erweist sich als schwierig. Verbale Kodierung der Abläufe versagt
häufig, ausser vielleicht die grundlegenden Kniffe wie “fange zuerst mit dem Rand an” oder
“versuche zuerst die sofort ins Auge stechenden Details in kleine Grüppchen zu ordnen” zu nennen.
Man hat jedoch eine ikonische (auf Bildern basierende) Repräsentation davon, wie das fertige Bild
aussehen muss.
2.4
Neue Gewohnheiten
Gewohnheiten sind komplexe Verhaltensmuster, die durch bestimmte Reize ausgelöst werden.
Diese
Reize
können
extern
oder
intern
sein,
wobei
die
letzteren
propriozeptiven
(bewegungsinduzierenden) Reize die jeweils folgende Bewegung auslösen. Alte Gewohnheiten
aufzubrechen erweist sich als schwierig, vor allem wenn man das Beispiel der Tabakentwöhnung
betrachtet.
Steiner (2001, S. 55f) bespricht drei verschiedene Methoden zur Hemmungskonditionierung3
gemäss Guthrie: die Methode der inkompatiblen Reize, die Toleranzmethode und die
Ermüdungsmethode. Bei der ersten Methode wird der auslösende Reiz dann dargeboten, wenn die
unerwünschte Reaktion nicht auftreten kann. Im Fall des Rauchens könnte der auslösende Reiz
(z.B. das Ende einer Mahlzeit) in einem Umfeld präsentiert werden, welches das Rauchen
verhindert (z.B. Abendessen in einer Nichtraucher-Gesellschaft, man nimmt die eigene
Zigarettenpackung nicht mit und hat zwangsläufig auf das Rauchen zu verzichten). Bei der zweiten
3 Bei der Hemmungskonditionierung wird ein konditionierter Reiz unwirksam gemacht, indem eine neue
unvereinbare Reaktion auf ihn gelernt und die alte Reaktion dadurch gehemmt wird.
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3
Methode erfolgt die Darbietung des auslösenden Reizes so schwach, dass die unerwünschte
Reaktion gar nicht auftritt. Dies ist in unserem Fall schwer zu bewerkstelligen, da bei langjährigen
Rauchern
zahlreiche
kleine
Reize
bereits
im
Rauchverlangen
resultieren.
Auch
die
Ermüdungsmethode ist im Beispiel der Rauchentwöhnung nicht sinnvoll, da das Rauchen keine
reine Gewohnheit, sondern auch ein Suchtverhalten ist. Das Darbieten des auslösenden Reizes
würde deshalb zum gesteigerten Rauchverlangen führen.
Am sinnvollsten scheint mir deshalb die Methode der inkompatiblen Reize um die
Rauchentwöhnung zu unterstützen. Dies konnte ich auch bei meinem Grossvater beobachten, der
sich nach langjährigem Rauchen in der Rente entschlossen hatte damit aufzuhören. Nebst dem
Entsorgen von Zigaretten und Aschenbecher griff er deshalb auf Tricks zurück wie das Lutschen
von Minzbonbons oder das Essen eines sauren Apfels zum Nachtisch. Tatsächlich führten diese
Methoden auch zum Erfolg.
2.5
Operantes Konditionieren und sozial-kognitives Lernen
Operantes Verhalten sind Reaktionen, die von den Konsequenzen des Verhaltens abhängen. Wenn
nach der Reaktion ein positiver Verstärker auftritt, wird das Verhalten häufiger. Auch bei negativen
Verstärkern wird das Verhalten häufiger, diesmal aber weil ein aversiver Reiz beendet wird. Dabei
hängen die Lerngeschwindigkeit und der Löschungswiderstand davon ab, ob eine Reaktion
regelmässig oder nur gelegentlich verstärkt wird. Bei kontinuierlicher Verstärkung wird das
Verhalten sehr schnell aufgebaut, aber auch sehr schnell gelöscht, sobald die Verstärkung nicht
mehr erfolgt. Im Gegensatz dazu wird bei der intermittierenden Verstärkung nicht jede Reaktion
verstärkt.
Besteht zwischen Verhalten und Verstärker eine zufällige Kontingenz4, kann sich “abergläubisches”
Verhalten ausbilden: z.B. wenn ein durchschnittlicher Schüler plötzlich eine hervorragende
Mathematikklausur schreibt und am gleichen Tag zufällig die von seiner Grossmutter selbst
gestrickten Socken trägt (obwohl er dies vermeidet, da er die Farbe nicht mag), kann er diese zwei
Tatsachen verbinden und die Socken zu seinen “Glückssocken” erklären die er künftig bei
schwierigen anstehenden Prüfungen trägt. Besteht zwischen Verhalten und Verstärker keine
zufällige Kontingenz, sondern erfolgt die Verstärkung mit einem festen Intervall oder nach einer
festen Quote, spricht man von Intervall- bzw. Quotenverstärkung.
Intervallverstärkung tritt typischerweise bei Schülern auf, die erst gegen Semesterende und vor den
Abschlussprüfungen intensiver lernen. Wenn jedoch die Lehrer in unterschiedlichen Abständen
4 Zusammenhang
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4
Zwischenprüfungen schreiben liessen (Intervallverstärkung mit variablem Intervall), wäre der
Löschungswiderstand höher und die Schüler würden sich auch während des Semesters intensiver
mit dem Lernstoff auseinander setzen. Die Quotenverstärkung findet man in der Industrie, wenn
Arbeiter Stücklohn erhalten. Erfolgt die Quotenverstärkung mit einer variablen Quote, wie dies bei
Glücksspielautomaten der Fall ist, erreicht man den höchsten Löschungswiderstand überhaupt. Dies
erklärt auch das Auftreten der Spielsucht bei Glücksspielern.
Die Kenntnis über Effekte von Verstärkern ist sehr wichtig für den Schulalltag. Die Tatsache, dass
intermittierende Verstärkung über einen besonders hohen Löschungswiderstand verfügt,
unterstreicht die Forderung nach Konsequenz in der Erziehung. Denn gibt die Lehrerin einem
störenden Schüler gelegentlich nach, wird sein “erfolgreiches” nerviges Verhalten sich häufen.
An solche “Erziehungsfehler” kann ich mich vor allem aus meiner Grundschulzeit erinnern.
Während gewisse Lehrer konsequent blieben und sich nach anfänglichem Missmut seitens der
Schülerinnen und Schüler ein hervorragendes Klassenklima aufbauen konnte (mit nun vom Lehrer
begeisterten SchülerInnen), gelang es anderen Lehrpersonen nicht eine ruhige Lernumgebung zu
schaffen und die paar Störenfriede und Klassenclowns dominierten schliesslich den Schulalltag,
was auch zu schlechteren Leistungen der ganzen Klasse führte. Ausserdem konnte die Lehrperson
nicht mehr neutral reagieren und nahm die Störungen der Schüler persönlich.
Es fragt sich natürlich was die betreffende Lehrperson hätte berücksichtigten sollen, um dem
entgegenzuwirken. Nebst Nichtbeachtung des störenden Verhaltens ist besonders das Ersetzen des
unerwünschten Verhaltens durch Alternativen (sogenannte Verhaltensformung) von Bedeutung.
Dabei kann die Lehrperson differentiell verstärken (unerwünschte Verhaltensweisen ignorieren und
erwünschte verstärken) oder das gewünschte Verhalten durch sukzessive Annäherung ausformen.
Beim Letzteren werden alle kleinen Zwischenschritte und Erfolge verstärkt, die zum erwünschten
Verhalten hinweisen. Zu beachten ist aber, dass Verhaltensformung keine Gegenkonditionierung
ist, sondern auf der Extinktion des unerwünschten Verhaltens und dem Aufbau neuer ReaktionsKonsequenz-Verbindungen durch operante Verstärkung basiert.
Zu diskutieren bleiben noch die Strafmethoden wie zusätzliche Hausaufgaben oder nachsitzen.
Steiner (2003, S. 71) zitiert Bower & Hilgard, die sich ihrerseits auf Skinner berufen und zum
Schluss kommen, dass “Bestrafung5 ein relativ unwirksames Mittel zur Erzeugung irgendeiner
dauernden Verhaltensänderung sei”. Dem stimme ich zu, denn bei der Bestrafung muss man auf
viele Details achten (Steiner, 2003, S. 72f), um sie tatsächlich erfolgreich einzusetzen und nicht eine
Gegenreaktion zu bewirken. Die im Buch besprochene Bestrafung durch Entzug von positiver
5 Darbietung eines aversiven Reizes oder das Entfernen eines positiven Verstärkers als Verhaltenskonsequenz.
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5
Verstärkung oder der Reduktion konditionierter Verstärkung, bietet eine praxisnahe, in der Schule
umsetzbare Lösung. Man sieht also, dass in einer einzigen Lektion eine Vielfalt an Lernprozessen
abläuft und vieles auch von der Lehrperson abhängt.
2.6
Verstärkung und Belohnung
Gewisse Verstärkungen können auch zur Hemmung oder dem Abbau von Verhalten führen, wenn
dieses aus sich heraus schon interessant ist. Steiners Beispiel (2003, S. 80ff) wie Rita die Freude am
Zeichnen verlor, kann ich sehr gut nachvollziehen, da ich auf eine ähnliche Weise ebenfalls
aufhörte regelmässig zu zeichnen.
Wie Rita, zeigte ich ebenfalls von früh auf Interesse und Talent am Zeichnen, und wurde von
meinen Eltern unterstützt. Häufig zeichneten wir auch zusammen zum Spass, ich hatte ausreichend
Material zur Verfügung und durfte auch die Zeichnungen im Haus aufhängen. In der Grundschule
lobten die Lehrer und Mitschüler meine Zeichenkünste und die Lektüre von Comics und das
Schauen von Disney Trickfilmen bekräftigten zusätzlich meine Zeichenmotivation. Doch im
Gymnasium hatte ich zunehmend weniger freie Zeit zum Zeichnen und nutzte meine Freizeit immer
mehr für die Musik. An dieser Entwicklung waren rückblickend meine Gymnasiallehrer
massgebend verantwortlich. Wie beim Zeichnen, zeigte ich schon früh Interesse an der Musik, da
ich in einer Familie aufwuchs in der häufig zusammen musiziert wurde und ich mich in der ersten
Klasse entschied, mit dem Klavierunterricht zu beginnen. Im Gegensatz zur Zeichenlehrerin am
Gymnasium, war unser Musiklehrer jemand, der meine musikalische Entwicklung stark positiv
beeinflusste und förderte.
Meine intrinsische Motivation für das Zeichnen ging wegen dem Verlust an Attraktivität,
Unabgeschlossenheit und Kontrolle mit der Zeit verloren. Ausserdem wurde das Zeichnen
instrumentalisiert, indem es nun einen gewissen Standard erfüllen musste (sprich den Geschmack
der Lehrerin treffen) um eine gute Note zu erhalten. Die Attraktivität war nicht mehr gegeben, da
die Zeichenaufgabe häufig langweilig, uninteressant oder unter meinen Fähigkeiten lag. Die
Unabgeschlossenheit zeigte sich dadurch, dass man in einer bestimmten Zeit fertig werden musste.
Falls ich also früher fertig wurde, langweilte ich mich, bzw. geriet in Stress, wenn ich noch weiter
an einer Zeichnung feilen wollte, die Zeit aber um war. Auch die Kontrollierbarkeit lag nicht mehr
in meiner Hand, sondern wurde von der Lehrerin bestimmt.
Im Gegensatz dazu war der Musikunterricht attraktiv, da nicht unsere musikalischen Fähigkeiten,
sondern die Kenntnis der Musiktheorie geprüft wurde. Die Unabgeschlossenheit wurde insofern
gewährleistet, dass stets neue Lieder gelernt wurden und der Schulchor, in dem ich mit sang, ein
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sehr breites und abwechslungsreiches Programm hatte. Das Mitmachen im Chor war freiwillig, und
somit nicht instrumentalisiert. Man hatte also selber die Kontrolle über seinen Singerfolg, je
nachdem ob man regelmässig zur Probe erschien oder nicht. Ausserdem durften wir die Auswahl
der Lieder bei grösseren Chorprojekten mitbestimmen.
Es ist also wichtig zu beachten, dass verstärkende Reize, je nach ihrer Interpretation durch das
lernende Individuum wirken. Externale Verstärker haben also nur bei attraktiven heuristischen 6
Tätigkeiten einen schädigenden Effekt. Eine Verstärkung bleibt unter Umständen wirkungslos,
wenn sie nicht den Erwartungen des Empfängers entspricht.
3
Schlussfolgerungen
Die hauptsächliche Limitation des reinen Behaviorismus liegt in seinem Ausschluss der inneren
Zustände und Erkenntnisprozesse. Er reduziert das Verhalten auf rein äussere Ursache-Wirkung
Reaktionen und definiert Lernen als erfolgreiche Wiedergabe von Informationen. Komplexe
Lernprozesse, bei denen kein beobachtbares Verhalten auftritt, können durch behavioristische
Theorien nicht erklärt werden. Trotzdem haben Erkenntnisse des Behaviorismus auch wichtige
Folgerungen für den Schulunterricht. Die Anwendung der sogenannten Osterhasenpädagogik7 ist
dringend zu vermeiden, allerdings kann auch bereits verfügbares jedoch aus Bequemlichkeit nicht
gezeigtes Verhalten durch Verstärkung gesteuert werden. So sind Erfolgserlebnisse der wichtigste
Verstärker in der Schule. Gleichzeitig muss man darauf achten, dass nicht bereits intrinsisch
motiviertes Verhalten überflüssig verstärkt wird, und dadurch seine Attraktivität verliert. Auch
lassen sich Probleme im Klassenzimmer nur dann mit Bestrafung lösen, wenn gleichzeitig
Verhaltensalternativen aufgezeigt werden.
4
Literaturverzeichnis
Ormrod, Jeanne Ellis (2003). Human learning. 4th ed. Harlow: Prentice Hall.
Steiner, Gerhard (2001). Lernen: zwanzig Szenarien aus dem Alltag. 3., korr. Aufl. Bern: Huber.
Stern, Elsbeth (2006). Vorlesung menschliches Lernen. WS 06/07. Folien Block 2. ETH Zürich.
URL: http://www.ifvll.ethz.ch/education/ws0607/Folien/Block_II.pdf . Zugriff am: 07.01.2007
6 Ablauf frei, und nicht durch Algorithmen fest vorgegeben.
7 Auf die Lehrperson zentrierter Unterricht. Die Lehrperson versteckt das Wissen und die SchülerInnen müssen
danach suchen, indem sie Fragen beantworten.
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