Vorlesung 10 vom 30.06.05

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**neu**
Ergebnis:
Kontext 1
Kontext 2
Mean % responses
30
S+
S–
90°
0°
0°
90°
=> Kontextreize können
instrumentelles Verhalten
kontrollieren.
Sie können als Modulatoren
wirken, wenn von ihnen die
Bedeutung von S abhängt.
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10
0
0
15
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45
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75
90
Line angle (degrees)
1
**neu**
Besonders intensiv wurden hierarchischen Relationen beim KK untersucht.
Gängige Versuchsanordnung:
verstärkte Trials
wechseln zufällig ab mit
Modulator
CS
US
Zeit
Bsp:
15 s langer Ton (Modulator);
10 s nach Beginn des Tons geht für 5 s
ein Licht (CS) an;
am Ende der 15 s gibt es Futter (US).
nichtverstärkten Trials
Modulator
CS
US
Zeit
Bei 5 s Licht ohne Ton gibt es
kein Futter.
Der Modulator erleichtert die Auslösung der CR (deshalb: Facilitation oder
Facilitator [statt Modulator]; vgl. Rescorla, 1985);
bzw. der Modulator „setzt die Gelegenheit“ für die CS-US-Paarung (deshalb:
Occasion-Setting oder Occasion-Setter [statt Modulator]; vgl. Holland, 1985).
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1
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Extinktion konditionierten Verhaltens
**neu**
Dieses Kapitel weicht von den vorhergehenden ab.
Wir betrachten eine Prozedur, die zu einem Abbau von Verhalten führt:
Extinktion (= Löschung).
Wenn gelerntes Verhalten eine Anpassung an Umweltveränderungen ist,
dann sollte auch der Abbau solchen Verhaltens weit verbreitet sein.
Extinktion beim KK: wiederholte Präsentation des CS ohne US;
beim IK: kein Verstärker (O) mehr bei Ausführen von R
! Verhalten (CR, R) wird reduziert.
Extinktion ist nur möglich, wenn zuvor eine Reaktion oder Assoziation durch
Konditionieren (Akquisition) etabliert worden ist.
Durch Akquisition wird Verhalten aufgebaut, durch Extinktion abgebaut.
Ist Extinktion dann das Gegenteil von Akquisition?
Die Antwort vieler Lerntheorien ist „ja“.
Die richtige Antwort aber ist „nein“.
Abgrenzung von Vergessen:
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Vergessen = Rückgang von Reaktionen als Folge des Vergehens von Zeit.
9.2
Extinktion und ursprüngliches Lernen
**neu**
Oft ist es das Ziel, durch Extinktion die Effekte der Akquisition wieder
rückgängig zu machen. Eine wirkliche Aufhebung ist allerdings kaum zu
erreichen und vielleicht sogar prinzipiell nicht möglich.
Phänomene wie „Spontanerholung“, „Erneuerung“ (renewal) und
„Wiedereinsetzen“ (reinstatement) zeigen, dass Extinktion das ursprünglich
Gelernte nicht zum Verschwinden bringt.
Studien zur Devaluation von Verstärkern zeigen, dass Extinktion keinen
messbaren Einfluss auf S-O- und R-O-Assoziationen hat.
Stattdessen scheint durch Extinktion eine neue inhibitorische S-R-Assoziation
gelernt zu werden, die sich dem ursprünglich Gelernten überlagert.
=> Also wird in der Extinktion etwas Neues gelernt, das dem bisher Gelernten
überlagert wird (ohne dass das bisher Gelernte verloren geht).
=> Dies hat sehr weitgehende Implikationen für die Verhaltenstherapie.
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2
9.2.1
**neu**
Erneuerung (renewal) der ursprünglichen
exzitatorischen Konditionierung
Experiment von Bouton & King (1983) mit Ratten im CER-Paradigma:
Phase 1: Akquisition
Drei Gruppen werden in Kontext A mit CER-Paradigma trainiert.
Phase 2: Extinktion
Gruppe Ext-A erhält Extinktion in Kontext A.
Gruppe Ext-B erhält Extinktion in einem anderen Kontext B.
Gruppe NE erhält keine Extinktion.
Phase 3: Test
Test aller Gruppen (ohne US) in Kontext A.
• Zu Beginn des Tests zeigt Gruppe Ext-B wieder
starke konditionierte Furcht (fast wie Gruppe NE)
[ABA-Renewal].
=> Extinktion ist kontextspezifisch
renewal
Ergebnis (die Abbildung enthält nur Phase 2 und 3):
• Zu Beginn der Extinktion vergleichbare
konditionierte Furcht, obwohl sich Gruppe Ext-B
in einem neuen Kontext B befindet.
=> Akquisition generalisiert (kontextunspezifisch)
Ext-A
Ext-B
Ext-B
Ext-A
NE
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**neu**
Der Renewal-Effekt beschreibt das erneute Auftreten der ursprünglich gelernten
Reaktion, wenn der Extinktionskontext verändert wird.
Renewal ist weit verbreitet: KK mit aversiven und appetitiven US, konditionierte
Hemmung, IK. Außerdem muss es sich nicht um externale Kontexte (z.B. Käfig)
handeln, sondern sie können auch internal sein (z.B. Wirkung von Pharmaka).
Erklärung des Renewal-Effekts (z.B. Bouton, 1993, 1994):
Akquisition generalisiert über Kontexte hinweg. Extinktion ist dagegen
kontextspezifisch.
- Dafür spricht, dass der Renewal-Effekt auch in einem neuen Testkontext C
auftreten kann [ABC-Renewal].
Warum ist Extinktion, aber nicht Akquisition kontextspezifisch?
Nach der Akquisition ist der CS „eindeutig“: Er signalisiert den US.
=> Der Kontext ist „bedeutungslos“ und übt keine Kontrolle aus.
Nach der Extinktion ist der CS „zweideutig“: Er signalisiert den US
(Akquisition) oder nicht (Extinktion).
=> Der Kontext ist „bedeutsam“ und übt Kontrolle aus: Nur wenn der
Extinktionskontext gegeben ist, signalisiert der CS keinen US.
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**neu**
Exkurs: Der Renewal-Effekt und die Behandlung von Phobien
Pathologische Furcht, die in einem Kontext erworben wurde (CS-US-Paarung),
wird wahrscheinlich auch in anderen Kontexten auftreten.
Wenn die Furcht in einem Kontext erfolgreich gelöscht wurde (wiederholte
Darbietung des CS ohne US), dann wird sie wahrscheinlich in anderen Kontexten
zurückkehren.
In der Praxis dürfte ABC-Renewal weit verbreitet sein: Der Therapiekontext (B),
in dem furchtauslösende Reize gelöscht werden, unterscheidet sich gewöhnlich
vom Akquisitionskontext (A), in dem die Furcht erworben wurde. Prompt kommt
es dann in Alltagssituationen (C) zu einem erneuten Auftreten der Furcht.
So könnte z.B. ein Spinnenphobiker während einer Verhaltenstherapie
lernen, dass Spinnen ungefährlich sind – im Behandlungszimmer.
=> Renewal lässt sich z.B. verringern, durch Extinktion in mehreren Kontexten.
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**neu**
9.2.4
Wiedereinsetzung (reinstatement) der konditionierten
Exzitation
Nachdem der CS gelöscht wurde, kann auch die erneute Erfahrung des US
(ohne CS) dazu führen, dass sich die exzitatorische Konditionierung wieder
„erholt“: reinstatement (Wiedereinsetzung).
Exkurs: Reinstatement und Phobien
Auch Reinstatement kann zu einem Problem in der Therapie werden.
Bsp.: Ein Mensch entwickelt eine Phobie vor Aufzügen, weil er in ihnen
Panikattacken erlebte. Im Rahmen einer Verhaltenstherapie wird seine
Angst vor Aufzügen gelöscht. Nachdem er aber eine Panikattacke in seinem
Büro erlebt, fürchtet er sich auch wieder vor Aufzügen.
Auch hier große Kontextabhängigkeit: Reinstatement, wenn der US im gleichen
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Kontext auftritt, in dem anschließend der gelöschte CS getestet wird.
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9.2.5
Sensitivität gegenüber der Devaluation des Verstärkers
**neu**
In Kapitel 4 hatten wir gesehen, dass beim KK S-S-Assoziationen gelernt
werden. Diese bleiben auch trotz Extinktion bestehen:
Mit der Methode der US-Devaluation konnte Rescorla (1996) zeigen,
dass eine Abwertung des US die Reaktionen auf den gelöschten CS
beeinflusst.
=> Die ursprünglich gelernte CS-US-Assoziation muss auch nach der
Extinktion noch intakt sein.
Beim IK lässt sich zeigen dass auch R-O- und S-O-Assoziationen trotz
Extinktion intakt bleiben (z.B. Rescorla, 1993).
(Für Interessierte „food for thought“ auf S. 263-266 in Domjan.)
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9.3
Was wird bei der Extinktion gelernt?
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Es wurde argumentiert, dass beim KK S-S-Lernen wichtiger ist als S-R-Lernen
(Kap. 4) und dass beim IK S-O- und R-O-Assoziationen wichtiger sind als S-RAssoziationen (Kap. 7).
Jetzt haben wir gesehen, dass Extinktion nicht zum Verlernen führt:
- S-O-Assoziationen beim IK (bzw. S-S-Assoziationen beim KK) und
- R-O-Assoziationen beim IK bleiben intakt.
Warum wird dann durch Extinktion Verhalten reduziert?
Nachdem in den neueren Ansätzen S-R-Assoziationen im Sinne Thorndikes
an Wichtigkeit eingebüsst hatten, führen die Ergebnisse im Bereich Extinktion
zu einer Refokussierung:
S-R-Assoziationen werden wieder wichtig, jedoch nicht exzitatorische (im
Sinne Thorndikes) sondern inhibitorische S-R-Assoziationen.
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9.3.1
Inhibitorische S-R-Assoziationen
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Nichtverstärkung einer Reaktion in Anwesenheit eines spezifischen Stimulus
führt zu einer inhibitorischen S-R-Assoziation.
=> Wenn S vorhanden ist, wird R unterdrückt.
Diese Annahme passt zur beschriebenen Kontextabhängigkeit von Extinktion.
! Wenn bei der Extinktion eine inhibitorische S-R-Assoziation entsteht, dann
scheinen Extinktion und konditionierte Hemmung auf gleichen Mechanismen
zu basieren.
=> Die frühere Auffassung, dass es sich hier um unterschiedliche Phänomene
handelt, ist angesichts vieler neuerer Untersuchungen nur noch schwer
aufrecht zu erhalten (vgl. Domjan, S. 268 f):
Summationstests und Tests zur verzögerten Akquisition (vgl. Kap. 3)
haben gezeigt, dass ein gelöschter CS ähnliche Eigenschaften aufweisen
kann, wie ein Inhibitor.
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Zu einer inhibitorischen S-R-Assoziation kommt es aber nur, wenn eine
Verstärkung erwartet wird (durch eine Vorgeschichte mit Verstärkung von R).
Nichtverstärkung bei Erwartung von (appetitiver) Verstärkung führt zu
Frustration.
Bsp.: Nur wenn man es gewohnt ist, morgens einen Kaffee zu bekommen, ist
man enttäuscht, wenn er nicht fertig ist.
Man nimmt an, dass diese Frustration entscheidend zum Abfallen der Reaktion
beiträgt, also dass durch diese aversive Emotion eine inhibitorische S-R-Assoziation
entsteht.
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9.3.2
„Paradoxe“ Effekte der Verstärkung
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Intuitiv würde man vielleicht erwarten, dass eine Reaktion dann besonders
löschungsresistent ist, wenn mit ihr eine hohe Verstärkererwartung verbunden
ist: Durch kontinuierliche Paarung mit einem intensiven Verstärker über viele
Trials hinweg.
Aber: Wenn das Absinken von Verhalten durch Extinktion auf dem unerwarteten
Ausbleiben von Verstärkung basiert, dann sollte die Extinktion schnell gehen,
wenn das Vortraining hohe Verstärkererwartungen erzeugt.
Und tatsächlich gilt:
1) Sehr extensives Verstärkungstraining (viele Trials) führt zu rascherer
Löschung (vor allem bei Immerverstärkung):
! overtraining extinction effect
2)
Große Verstärkungsmengen führen zu rascherer Löschung (vor allem bei
Immerverstärkung):
! magnitude reinforcement extinction effect
3) Immerverstärkung führt zu rascherer Löschung als intermittierende
Verstärkung:
! partial reinforcement extinction effect (PREE; partieller
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Verstärkungseffekt)
**neu**
9.3.3
Mechanismen des partiellen Verstärkungseffektes
Extinktionseffekte auf der Verhaltensebene und der motivationalen Ebene
hängen in erster Linie vom Verstärkungsplan vor der Extinktion ab.
Die Unterschiede zwischen verschiedenen partiellen Verstärkungsplänen sind
weniger deutlich als zwischen partieller und Immerverstärkung.
Extinktion verläuft deutlich langsamer und mit weniger Frustration, wenn
vorher partiell verstärkt wurde:
! PREE
Beispiel: Getränke- vs. Spielautomat
• Getränkeautomat: Immer, wenn man Geld einwirft, kommt ein Getränk (FR-1).
Ist der Apparat kaputt, hört man bald damit auf, Geld einzuwerfen (man schlägt
aber auf den Automaten ein).
• Spielautomat: Manchmal, wenn man Geld einwirft, kommt ein Gewinn (z.B.
VR-20). Ist der Apparat kaputt und kann keinen Gewinn mehr produzieren,
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wird ein Spieler noch viel Geld einwerfen, bevor er aufgibt.
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**neu**
Wie kann man den PREE erklären?
a) Diskriminationshypothese:
Da vorher nicht immer verstärkt wurde, merkt man nicht, dass man in der
Extinktion ist (siehe Beispiel: Getränke- vs. Spielautomat).
Aber: Experiment von Jenkins (1962)
EG: Phase 1 partielle Verstärkung, Phase 2 Immerverstärkung.
KG: In Phase 1 und 2 Immerverstärkung.
In beiden Gruppen Extinktion in Phase 3.
Beobachtung: PREE in EG (obwohl Beginn der Extinktion diskriminierbar).
=> Anscheinend wird bei partieller Verstärkung gelernt, nicht so schnell
aufzugeben. Und diese erlernte Ausdauer wird auch nach einer
Immerverstärkung beibehalten.
Wie kommt es zu dieser Ausdauer?
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**neu**
b) Frustrationshypothese (z.B. Amsel, 1958):
Bei partieller Verstärkung gibt es verstärkte und nichtverstärkte Durchgänge.
Nichtverstärkte Durchgänge führen zu Frustration.
Die Erwartung von Nichtverstärkung führt auch zu Frustration
[vgl. rg-sg-Mechanismus, Kap. 7].
Während Individuen frustriert sind, werden sie dennoch für die Ausführung der
Reaktion oftmals belohnt.
=> Dies führt zu einem paradoxen Resultat:
Man lernt, die instrumentelle Reaktion auch dann auszuführen, wenn man
keine Verstärkung erwartet. (! Man lernt, unter Frustration zu arbeiten.)
Wenn die instrumentelle Reaktion auf Frustration konditioniert wurde, wird
auch unter Extinktionsbedingungen länger reagiert.
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