IELAND ROGER W ILLEMSEN

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JAN MÜLLER-WIELAND
26.10.2010
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„DE
DER KNACKS
EDITORIAL
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EDITORIAL
04 KONZERT
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Roger Willemsen ist schon seit längerem Stammgast im Rolf-
Roger Willemsen wird dabei dem „zweifelnden Subjekt“ dieses
Liebermann-Studio des NDR. In seiner Reihe „Willemsen legt
Buches, dem die verschiedensten Erlebnisse und Bedrängnisse
auf“ hat der vielseitige Publizist, Moderator und Buchautor
zustoßen, selbst seine Stimme leihen.
EIN MELODRAM ZUR LAGE DER DINGE
hier bereits mehrfach ein großes Publikum mit seinem Gespür
JAN MÜLLER-WIELANDS UND ROGER WILLEMSENS „DER KNACKS“
für unkonventionelle Hör-Erfahrungen begeistert. Diesmal
Ich wünsche Ihnen einen anregenden Abend im Rolf-Lieber-
jedoch ist es sein 2008 erschienener literarischer Essay „Der
mann-Studio!
BIOGRAFIEN
Knacks“, der zum Mittel- und Ausgangspunkt einer neuen
Komposition geworden ist.
Ihr
VORSCHAU | IMPRESSUM
Im gemeinsamen Auftrag von NDR, Beethovenfest Bonn und
Ensemble Resonanz hat Jan Müller-Wieland ein musikalisches
Melodram verfasst, das Willemsens Texte in einen assoziativen
Bogen einspannt, welcher ihre gesellschaftskritischen, politi-
ROLF BECK
schen und persönlichen Momente aus ganz neuer und natürlich
Leitung Bereich Orchester und Chor des NDR
auch subjektiver Perspektive beleuchtet.
DIENSTAG, 26.10.2010
ROLF-LIEBERMANN-STUDIO DES NDR
OBERSTRASSE 120
20 UHR: KONZERT
ENSEMBLE RESONANZ
Dirigent: JAN MÜLLER-WIELAND
ROGER WILLEMSEN, Sprecher
Eine betagte Wienerin …(„Fundnotenprotokoll I“) –
(„Zuversicht“/Cello-Solo, fulminante, fanatico) –
Die Wachen von Guantánamo …
(„Fundnotenprotokoll II“) –
(„Brachiale Zuversicht“/fulminante, fanatico) –
Nach Wochen des Schlafens … –
(„Glückslied“/ l’ istesso tempo, euphorico) –
Ich kam in eine Stadt … –
JAN MÜLLER-WIELAND
Der Knacks
(„Weißer Schmetterling“/innig) –
Im Glauben steht die Zeit … –
(scherzoso)–
Melodram nach dem gleichnamigen Buch
von Roger Willemsen
für Sprecher, achtzehn Streicher und Klavier
Die Ratlosigkeit von Menschen … –
Er sagt im Alter … –
(„Schlaflied“/largo, irreale) –
Er sieht ohne Augen … –
ROGER WILLEMSEN & JAN MÜLLER-WIELAND
04
KDEOR KNNZERT
ACKS
Gemeinsames Auftragswerk von NDR,
Beethovenfest Bonn und Ensemble Resonanz
Der Sohn zeichnet gut … –
In Gedanken ist er … –
(giocoso, flott) –
Das Nackte des Auges …
Alle wurzeln im Märchen … –
Die Farben nehmen jetzt Patina an … –
(fluido, estatico) –
Es gibt selbst im Leben des Kindes einen Ernst … –
(fluido, deserto) –
Leerer Morgen (wie Morgentau, con vibrato, innig) –
Als Kind habe ich geglaubt … –
In der Hirnforschung wird behauptet … –
(„Angriff des Verfalls“/tempo primo, appassionato,
sich ausliefernd) –
Der traumlose Mensch … –
(molto rubato, torkelnd, blau) –
Das erste Rendezvous … –
Ein Mann stellt sich in einen Winkel … –
Die einsamen Verheirateten … –
(„Ravels Bolero unter Hoteldämpfern“) –
Das Konzert wird aufgezeichnet und am
Freitag, 12.11.2010, ab 20 Uhr auf NDR Kultur übertragen.
(apatico, innig) –
— Keine Pause —
„DER KNACKS“
AUS DEM ARBEITS-MANUSKRIPT
VON JAN MÜLLER-WIEL AND
Die Bücher des Fernsehmoderators, Autors und Essayisten
Roger Willemsens Denken und Arbeiten haben den 1966 in
Melodram-Gattung bildet, wie Müller-Wieland es formuliert,
Gleich im ersten Satz „Alle wurzeln im Märchen“ berührt Roger
Roger Willemsen haben über das reine Gelesenwerden hinaus
Hamburg geborenen Komponisten Jan Müller-Wieland, der eine
„die archaische Schüssel für das deklamatorische und fabulie-
Willemsen eine hochsensible Seite des Komponisten, der sich
ihr Publikum auf vielen anderen Wegen erreicht. Ununterbro-
besondere Affinität zur Literatur, zum Theater, ja zu Wort und
rende Hinübertreten in Neuland durch ein Panorama aus Alters-
zu diesem Genre der Literatur besonders hingezogen fühlt. Der
chen ist Willemsen als Rezitator eigener Texte unterwegs. So
Gestik im Allgemeinen hat, schon immer fasziniert. Bei der
erscheinungen, Vergänglichkeitswahrnehmungen, Verletzungen
wundersame Schwebezustand, der die Märchenfiguren kenn-
ging er 2005/2006 zum Beispiel mit seinem erzählerischen
Lektüre hätten ihn der ehrliche und authentische Stil des Autors
und Todesarten.“
zeichnet und sie auf eine andere Wirklichkeitsstufe hebt, vermit-
Programm „Und Du so?“ auf Theatertournee oder lieferte sich
begeistert, erklärt Müller-Wieland. „Zugleich begann in mir eine
beim Programm „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!: Die Weltge-
Art kompositorisches Ausschluss- bzw. Einkreisungsverfahren“,
Warum aber hat Müller-Wieland aus dieser Buchvorlage ein
kommentiert er. Das Buch behandle vieles, so der Komponist,
Melodram für Sprecher und nicht für Sänger und Ensemble ge-
be und Aroma, und nur im Spott nennt man die Welt eine ‚heile
worüber man kaum sprechen könne und möge. „Das alles kann
macht? „Willemsens – im besten Sinne – schlichte Sprechdiktion
Welt‘, wohl wissend: Auch sie hat ihren Knacks. Der Knacks: Im
brandt. 2008 erschien seine zweitjüngste Veröffentlichung
Musik taktvoll präzisieren.“
zieht die Musik sicher nicht ins übertrieben Pathetische“, erklärt
Sog der Verluste ist er der Sog.“ Vehement eindringliche, fast
der Komponist, „u. a. weil das Buch selbst inhaltlich kaum mit
schon emphatische, flehende Streicherfiguren schließen sich an
diesen Satz an.
Schriften unterscheidet. Willemsen berichtet in diesem Buch
Nach seinem „Epiphanie“ genannten Melodram „König der
lyrischen Überhöhungen arbeitet, vielmehr mit geradezu lako-
unter anderem über seine Kindheit, über seinen frühen Vater-
Nacht“ (2003) wendet sich Jan Müller-Wieland bereits zum zwei-
nischer Bodenhaftung. Das evoziert Kontraste für neue Räume,
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EIN MELODR AM ZUR L AGE DER DING
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Absprünge und Formen von Klang.“ Das Melodram folgt im Prin-
Willemsens „Knacks“ ist in vielerlei Hinsicht ein sehr mutiges
zip dem Ablauf des Buches, wenn auch in stark verkürzter Form.
Buch, mit seinen vielen autobiographischen Bezügen ist es viel-
Jan Müller-Wieland entdeckt dabei eine Geistesverwandtschaft
leicht sogar sein offenstes überhaupt geworden. Wie der Fort-
mit dem Autor, mit dem Ich des Buches: „Dieses Ich wandert
lauf des Melodrams mit den Sätzen „Das erste Rendezvous … –
durch unsere heutige Welt. Es erinnert sich. Es überlegt. Es
Ein Mann stellt sich in einen Winkel … – Die einsamen Verhei-
hadert. Es trauert auch, und es erlebt dolle Geschichten. Zum
rateten … – Ravels Bolero unter Hoteldämpfern – Eine betagte
Beispiel in unscheinbaren Gaststätten. Damit konnte ich mich
Wienerin … (Fundnotenprotokoll I) – Zuversicht (Cello-Solo, fulmi-
identifizieren. Dieser Willemsen liebt das Leben. Das spürt man
nante, fanatico) – Die Wachen von Guantánamo … (Fundnoten-
dauernd. Damit hat er mich. Darum bin ich dabei.“
protokoll II)“ zeigt, wird die Perspektive zwischen persönlichen
Eindrücken, Erlebnissen und Ansichten ständig gewechselt. Eini-
Schlagen wir Willemsens Buch einmal auf und suchen nach
ge Stellen hätten bei ihm tiefe Betroffenheit ausgelöst, gesteht
diesem „Ich“ des Autors, seinem Spiegel in der Empfindungs-
der Komponist. Willemsen schreibt beispielsweise von einem
welt des Komponisten und den Anknüpfungspunkten zu den
Mann, der sich in einen Winkel zwischen zwei Wohnblocks stellt
und völlig regungslos sein Umfeld betrachtet. „Niemand sieht,
verlust, über Nächte in fremden Städten und Gegenden, über
ten Mal der Melodram-Gattung zu, die auch bei anderen Gegen-
28 ausgewählten Abschnitten. „Der Knacks ist in der Welt, aber
Afghanistan, über die Wachen von Guantánamo und vieles mehr.
wartskomponisten wieder auf reges Interesse stößt (man denke
der Knacks ist auch in uns – in unserem Scheitern so sehr wie
wohin er blickt, aber er ist anwesend“, interpretiert Müller-Wieland.
Zunächst einmal ist diese Sammlung scheinbar loser Gedanken
nur an Beat Furrers Adaption einer Episode aus Arthur Schnitz-
in unseren vermeintlichen Siegen (...) Der Knacks ereilt Helden
„Das ist der mittellose Mann. Der hat nichts mehr. Das ist der
Leiermann, den man in unseren Städten und Dörfern dauernd
und Beobachtungen, zeit- und sozialkritischer Episoden also
lers „Fräulein Else“ in seinem Melodram „Recitativo“ von 2005) .
und Verlierer, Paare und Einzelgänger, der Knacks ereilt uns
mehr oder weniger offen auch autobiographisch gefärbt.
Mit „Der Knacks“ freilich ist nun – im Auftrag des NDR Hamburg,
beim Weg durch die Zeit.“ Müller-Wieland ging es darum, hierfür
sieht. In Paris liegen sie inzwischen auch einfach nackt auf
Die zuweilen assoziativ ineinandergeschalteten Gedankenfolgen
des Ensemble Resonanz und des Beethovenfestes Bonn, wo das
klanglich Transzendenzen zu erfinden, die das Phänomen des
Hauptstraßen. Sie zeigen ihr Ende. Da geht es nicht mehr um
verästeln sich dabei immer weiter und werden durch das Bild
Werk am 29. September zur Uraufführung gelangte – ein Melo-
Knackses aus anderen Perspektiven, auch der ganz individuellen
Hartz IV oder so. Da geht es um den Tod. Bei Willemsen kommt
vom „Knacks“ zusammengehalten. Mit „Knacks“ meint Willem-
dram für Sprecher, Streichorchester und Klavier entstanden,
des Komponisten beleuchten. Dabei bedient er sich zuweilen
dann eine Person auf diesen Mann zu und spricht ihn an. Naja.
sen den Bruch und im übertragenen Sinn das Scheitern, das uns
das sich in mancherlei Hinsicht von zeitgenössischen Vergleichs-
des Fremdzitats, lässt etwa ein Bach-Präludium oder den Ravel-
Mehr verrate ich jetzt nicht. Doch hat es Züge wie in Bildern von
selbst und unsere Umgebung in vielen Ausprägungen umgibt:
fällen unterscheidet. Denn selten wurde ein Text bereits zwei
Bolero anklingen oder auch schlicht nur ein tonloses Rauschen.
Tim Eitel, und es ist ganz direkt politisch. Grundsätzlich behagt
„Alle erhalten ihre Wunde. Alle scheitern, alle brechen oder wer-
Jahre nach Erscheinen zum Gegenstand einer Komposition und
„Wir-Formulierungen, soziologische Abhandlungen und litera-
mir Willemsens politische Einstellung nämlich. Nicht jeder traut
den schließlich von Erfahrungen der Niederlage und der Vereite-
selten wurde dafür eine derart aktuelle, essayistische, gesell-
rische Zitate aus dem Buch sind für diese Art von Komponieren
sich über Guantánamo und Afghanistan zu schreiben und eine
lung, der Entsagung, wenn nicht der Resignation ereilt. Mancher
schaftskritische Vorlage gewählt. Willemsens Musikliebe und
nicht nötig bzw. bringen meinen Ideen da nichts.“
klare, öffentliche Meinung zu vertreten.“
erhält seinen Knacks durch einen Verlust, einen Schmerz, einen
umfangreiche Musikkenntnis haben den Textdichter und den
Schrecken, ein Trauma …“
Komponisten dabei ganz unmittelbar zueinander geführt. Die
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ROGER WILLEMSEN & JAN MÜLLER-WIELAND
schichte der Lüge“ auf den Bühnen der Schauspielhäuser einen
JAN MÜLLER-WIELANDS UND ROGER WILLEMSENS „DER KNA
ROGER WILLEMSEN & JAN MÜLLER-WIELAND
aus“, sagt Willemsen, „alles bricht und vergeht, alles ändert Far-
rasanten Schlagabtausch mit dem Kabarettisten Dieter Hilde„Der Knacks“, die sich in vielfacher Hinsicht von seinen früheren
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telt eine trügerische Sicherheit. „Alles dunkelt nach oder bleicht
ROGER WILLEMSEN & JAN MÜLLER-WIELAND
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Jan Müller-Wieland hat sich ganz bewusst für die Form des Melo-
die Frage, inwieweit er die Mittel der Ironie aufs Musikalische
drams entschieden, weil sie den Text in seinem Sprechduktus,
übertragen habe, „dass Fritz Kortner zu einem grünen Berliner
JAN MÜLLER-WIELAND, Komponist
und Dirigent
und dem Sinfonieorchester des MDR zu
Gast. 2006 leitete er eine Lukas Leuen-
in seiner Betonung und seinem Fluss weitgehend belässt und
Wackelpudding gesagt haben soll: ‚Zittre nicht. Ich fress Dich
trotzdem den musikalischen Kommentar zulässt, ja ihn sogar
nicht!‘ Das ist meines Erachtens eine äußerst mehrdeutige,
1966 in Hamburg geboren, ging Jan
anlässlich der Neueröffnung des Berliner
evoziert. Willemsens Text sei unterm Strich zudem kein Singtext.
mehrstimmige Ironie. Der Wackelpudding wird angeredet, wird
Müller-Wieland im Alter von zwanzig Jah-
Admiralspalastes. Nur selten verzichtet
Stets habe er gefühlt, dass in diesen Texten das besagte „Ich“
zum Gesprächspartner, zum Menschen – als ob Menschen mit
ren nach Lübeck, um Kontrabass bei
der Komponist Jan Müller-Wieland auf die
ganz direkt und unverhohlen zu ihm spreche. Die Musik also
Wackelpuddings vergleichbar wären – und wenn ein Mensch
Willi Beyer, Dirigieren bei Günter Behrens
Kraft des Wortes und die latent szenische
müsse sich wie seine Psyche, sein Himmel und seine Hölle ver-
schon anfängt mit seinem Dessert zu reden, ist es offenbar
und Komposition bei Friedhelm Döhl zu
Vision. In seiner Laudatio zum Hindemith-
halten. Auf die bewusst provokativ gestellt Frage, ob eine melo-
recht verrückt um und in ihm. Da haben wir fast schon wieder
studieren. Als Dirigierassistent des
Preis 1993 sprach Peter Ruzicka in Hin-
dramatische Musik zwangsläufig bildhaft sein müsse, antwortet
den Leiermann. Jedenfalls ticken da ganz viele Bedürftigkeiten
Hochschulorchesters und Gründer eines
blick auf Müller-Wielands Werke dement-
Jan Müller-Wieland: „Musik muss nichts müssen. ‚Wer muss
in einer Brust. Darum geht es in meiner Musik. Angeblich To-
Ensembles für neue Musik sammelte er
sprechend von einem „wortgezeugten
schon müssen‘, sagt doch Lessings Nathan zu Saladin. Das geht
nales oder Banales meint oft Atonales, Unstimmiges, Falsches,
erste praktische Erfahrungen. 1988 nahm
Komponieren“.
mir andauernd durch den Kopf. Aber eigentlich ist es schwer zu
Verlogenes. Angeblich atonaler Wust oder komplexe Kontra-
Jan Müller-Wieland ein externes Kompo-
berger-Produktion der „Dreigroschenoper“
beantworten. Schubert meinte sinngemäß, Musik schildere die
punktik meint oft einfach trotzige oder wütende Energiezufuhr
sitionsstudium in Köln und Rom bei Hans
Tat in Kraft und Bild. Damit kann ich etwas anfangen, denn ich
und Leidenschaft. Ich versuche aber auch immer wieder eiskalt
Werner Henze auf, was für seine spätere
höre immer mit einer Unzahl von inneren Bildern. Es sind stän-
zurückzutreten vor meinen Noten oder meinen Wackelpuddings,
Laufbahn vor allem mit Blick auf seine
dige Träume ohne Schlaf.“ Die besondere Instrumentalbeset-
um möglichst Wechselstimmungen, Umschwungsgefühle zu spü-
Musiktheaterwerke prägend sein sollte.
Roger Willemsen wurde in Bonn geboren.
zung seines Melodrams mit 18 Streichern und Klavier, aber eben
ren, zu erkennen und zu forcieren. Dann bilden sich zuweilen
Zahlreiche Stipendien (u. a. der Chopin-
Er studierte Germanistik, Kunstgeschich-
ohne Schlagzeug und Bläser, bedeutet für den Komponisten
Schnitte und Brüche. Es geht eben die ganze Zeit um Rhetorik,
Akademie Warschau, der Cité des Arts in
te und Philosophie in Bonn, Florenz,
eine ganz bewusste Einschränkung in der Klangentfaltung, die
um musikalische Rhetorik – und Rhetorik ohne Ironie ist zu
Paris, der Leonard Bernstein-Foundation
München und Wien. 1984 promovierte er
aber große Intimität ermöglicht.
harmlos.“ Aber auch noch um etwas anderes gehe es letztlich:
und der Academia Tedesca „Villa Massimo“
über die Dichtungstheorie Robert Musils.
um „Haltung, nicht nur um Unterhaltung. Das Tollste ist, wenn
in Rom) gaben ihm die Möglichkeit
Anschließend unterrichtete er zweiein-
sich beim Schreiben oder Aufführen plötzlich diese Flugzustän-
zu ausgedehnten Auslandsaufenthalten.
halb Jahre als Assistent für Literaturwis-
So wenig, wie sich Willemsens zwar logisch ineinander verfloch-
ROGER WILLEMSEN
tene, aber dennoch assoziativ sprunghafte Erzählweise typisch
de ergeben, wo man wirklich die Höhe hat, wo kein Gegenatmer
Im Jahre 1993 erhielt er den Förderpreis
senschaft an der Universität München.
für ein thematisch durchstrukturiertes Buch ist, so wenig lässt
ist. Dann plötzlich ist der eigentliche Sinn der künstlerischen Ar-
des Hamburger Bach-Preises sowie den
Danach arbeitete Willemsen als Essayist,
sich Müller-Wielands Behandlung der Melodramform mit den
beit da: Eine seelische Mitteilung.“
Hindemith-Preis des Schleswig-Holstein
Herausgeber und Übersetzer u. a. von
Musik Festivals. Seit dieser Zeit wirkte
Thomas Moore und Umberto Eco. 1988
großen Vorläufern dieser Gattung im 20. Jahrhundert wie etwa
er freischaffend in Berlin und nahm mehr-
ging er für drei Jahre nach London, wo er
gibt es keinen Teufel“, kommentiert Müller-Wieland. „Keine Art
fach die Position eines „Composer-in-
auch als Korrespondent für verschiedene
Soldaten-Jedermann, und Ramuz ist ganz anders als Willemsen.
Residence“ ein, u. a. beim Menuhin-Festi-
Rundfunkstationen, Zeitschriften und Zei-
Der Plot auch. Die Entstehungszeiten auch. Alles unvergleichlich.
val in Gstaad, beim Tschaikowsky-Sinfo-
tungen arbeitete. Nach seiner Rückkehr
Aber die Chuzpe Strawinskys ist ungemein clever. Wunderbar
nieorchester in Moskau und beim Beaux
1991 nahm Willemsens Fernsehlaufbahn
sind auch Janáčeks ‚Intime Briefe‘ und sein Herr Brouček, der
Arts Trio (USA). 2007 wurde er zum Pro-
ihren Anfang. Seitdem moderiert er Inter-
auf den Mond will und ins 15. Jahrhundert um Jan Hus zu treffen.
fessor für Komposition an der Münchner
views und Kulturveranstaltungen, macht
Das ist alles sehr komisch und selbstironisch.“
Musikhochschule ernannt. Als Dirigent
filmische Porträts über Künstler und Poli-
war Jan Müller-Wieland bei Orchestern
tiker und produziert mit seiner eigenen
Ironie spielt in Willemsens Texten eine ebenso tragende Rolle
wie der Staatskapelle Berlin, dem Tangle-
TV-Produktionsfirma NOA-NOA Fernseh-
wie in Müller-Wielands gesamtem Schaffen. Die Anwendung des
wood Festival Orchestra, dem Bundes-
produktion GmbH Dokumentationen, In-
Ironie-Begriffs auf die „Knacks“-Melodrammusik sei sicher ge-
jugendorchester, dem Deutschen Sym-
terviewformate, Themenabende und Gala-
eignet, aber doch auch nur als Teil eines ganzen, viel komple-
phonie-Orchester, der Südwestfälischen
Veranstaltungen. Daneben ist Willemsen
xeren Konzepts. „Neulich las ich“, antwortet Müller-Wieland, auf
Philharmonie, der Hamburger Camerata
als Herausgeber, Buchautor und Essayist
Igor Strawinskys „L’Histoire du Soldat“ vergleichen. „Bei uns
Helmut Peters
BIOGRAFIEN
09
tätig. Seine kulturkritischen Beiträge ver-
ROGER WILLEMSEN & JAN MÜLLER-WIELAND
10
URY, Dirig
FAN ASB
von Tradition
zuent
Gegenwart und
STEBogen
öffentlicht er u. a. in „Die Zeit”, „Spiegel”,
suchen den Kontrast und die Verbindung
„Süddeutsche Zeitung” und „Neue Zürcher
zwischen alten und zeitgenössischen
Zeitung”. Bücher von ihm wurden in zahl-
Meistern. Mit Leidenschaft widmen sie
reiche Sprachen übersetzt und sowohl
sich der Förderung und Entwicklung neu-
von der „Deutschlandreise” als auch von
en Streicherrepertoires und der zeitge-
seinem Guantánamo-Buch existieren Büh-
mäßen Interpretation klassischer Werke.
nen-Fassungen, die verschiedentlich zur
Als Schnittstelle zwischen Kammer-
Aufführung gebracht wurden. Bekannt ist
orches ter und Solistenensemble ist das
Willemsen zudem für sein soziales Enga-
Ensemble in den Abonnementreihen der
gement. Er hat Afghanistan verschiedent-
führenden Konzerthäuser ebenso vertre-
lich bereist, unterhält ständige Verbin-
ten wie auf Festivals für Neue Musik. Es
dung mit den Mitarbeitern am Ort und
gastiert auf Bühnen und Festivals im In-
organisiert Benefiz-Veranstaltungen.
und Ausland und begeisterte auf Konzert-
Willemsen ist außerdem Botschafter von
reisen durch Indien, Sri Lanka und Pakis-
amnesty international, er sitzt im Kura-
tan, Israel und Ägypten sowie von Kopen-
torium von CARE International und unter-
hagen über New York bis Mexiko sein
stützt terres des femmes. Mit Musikern
Publikum. 2010 beginnt das Ensemble
hat Roger Willemsen in der Vergangenheit
Resonanz eine intensive Zusammenarbeit
bereits zahlreiche Bühnen- und Fernseh-
mit Jean-Guihen Queyras als Artist in Re-
programme realisiert, darunter mit
sidence. Weitere Partner des Ensembles
Giuseppe Sinopoli, Daniel Hope, Frank
sind nicht nur namhafte Solisten und
Chas tenier, dem Münchener Rundfunk-
Dirigenten, sondern auch Medienkünstler,
orchester, dem Ensemble Resonanz, dem
Regisseure sowie darstellende und bil-
Ensemble Disinvolto, der WDR Bigband
dende Künstler. In den letzten Jahren
u. a. Für sein Buch „Der Knacks“ erhielt
waren dies u. a. Ingo Metzmacher, Fazil
der mit vielen nationalen und internatio-
Say, Kaija Saariaho, Falk Richter, Matthias
nalen Preisen ausgezeichnete Willemsen
Goerne, Roger Willemsen, Renaud
den Rinke-Preis 2009.
Capuçon, Bill Morrison, Tabea Zimmermann, Helmut Lachenmann, Peter Rundel
Die nächsten Konzerte in der Reihe NDR das neue werk
MATHIAS SPAHLINGER
„FARBEN DER FRÜHE“
B. A. ZIMMERMANN
& CHARLES IVES
Herausgegeben vom
Norddeutschen Rundfunk
Programmdirektion Hörfunk
KAMPNAGEL, JARRESTRASSE 20
NDR, ROLF-LIEBERMANN-STUDIO
Leitung Bereich Orchester und Chor:
Rolf Beck
SAMSTAG, 27.11.2010
FREITAG, 18.02.2011
Abschlusskonzert der
Hamburger Klangwerktage
19 UHR: EINFÜHRUNG
19.30 UHR: KONZERT
„Wenn für begeisternde, junge Musiker in
dence der Laeiszhalle mit großem Erfolg
der Kategorie ‚Zeitgenössische Musik‘ ein
die Konzertreihe Resonanzen etabliert hat.
Oscar zu vergeben wäre, müsste er dem
Ensemble Resonanz überreicht werden“,
begeisterte sich der Schauspieler Christian Quadflieg. In der Tat repräsentiert
das Ensemble Resonanz eine neue Generation von Musikern: Sie spannen den
Textnachweis: Der Einführungstext von
Helmut Peters ist ein Originalbeitrag für den NDR.
BERNHARD FOGRASCHER
BERND ALOIS ZIMMERMANN
CHARLES IVES
CHRISTOF HAHN
JENNIFER HYMER
IRMELA ROELCKE
FUMIKO SHIRAGA
SAMSTAG, 19.02.2011
20 UHR: KONZERT 2
Leitung: RENÉ GULIKERS
Gesprächskonzert mit YORK
HÖLLER und JOHANNES KALITZKE
MATHIAS SPAHLINGER
ADRIAN BRENDEL, Violoncello
farben der frühe
CHRISTOF HAHN, Klavier
für sieben Klaviere
BERNHARD FOGRASCH ER, Klavier
MORTON FELDMAN
STADLER QUARTETT, SALZBURG
Five Pianos
In Kooperation mit den
Hamburger Klangwerktagen
Redaktion des Programmheftes:
Dr. Richard Armbruster, Julius Heile
JEROEN BERWAERTS, Trompete
Werke von
ist das Ensemble Resonanz seit 2002 in
Hamburg, wo es als Ensemble in Resi-
Dirigent: PETER RUNDEL
SEBASTIAN BERWICK
NINON GLOGER
Koordination:
Sabine Kus
NDR SINFONIEORCHESTER
Klaviere:
und der RIAS Kammerchor. Beheimatet
ENSEMBLE RESONANZ
20 UHR: KONZERT 1
Redaktion NDR das neue werk:
Dr. Richard Armbruster
Werke von
BERND ALOIS ZIMMERMANN
CHARLES IVES
JOHANNES KALITZKE
YORK HÖLLER
(einschließlich einer Uraufführung)
Fotos: Steve Haberland | photoselection (Porträt
Titel), Gita Mundry | NDR (Studio Umschlag),
ullstein – Laible (S. 2)
VORSCHAU
11
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