2.4 Monopol, langlebige Güter und die Coase`sche Vermutung (rev. F.)

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2.4 Monopol, langlebige Güter und die Coase'sche Vermutung (rev. F.)
Im vorangegangenen Abschnitt sind wir schon auf eine temporale Interpretation der beiden Güter
eingangen. Hier werden wir dies fortsetzen und zusätzlich annehmen, daß das betreffende Gut
haltbar ist. In diesem Rahmen lassen sich zwei interessante Aspekte untersuchen. Zum einen ist
dies die Coase'sche Vermutung, daß ein Monopolist, der ein haltbares Gut anbietet, in seinen
Gewinnmöglichkeiten stark eingeschränkt ist - bis hin zu dem Extremfall, daß die möglichen
Gewinne gleich Null sind. Zum anderen beschäftigen wir uns mit einer offenen Frage des Modells
des Einproduktmonopolisten: Da es bei dem Monopolpreis pm aus 2.1 Konsumenten gibt, die
bereit sind, für eine weitere angebotene Einheit mehr zu zahlen als ihre Produktion kostet, wäre es
doch profitabel, diesen Konsumwünschen entgegenzukommen. Warum geht der Monopolist nicht
darauf ein?
Beginnen wir mit der zweiten Fragestellung. Solange der Monopolist einen einheitlichen Preis allen
Konsumenten abverlangt, ist die Antwort klar: Der Monopolist müßte den Preis senken (unter pm
aus 2.1), um auf solche Konsumentenwünsche einzugehen. Und dies ist per Konstruktion nicht
gewinnbringend. Im Grunde steht hinter der Fragestellung daher die Vorstellung, daß der
Monopolist in einer Periode an die Konsumenten zum Preis pm und in einer zweiten Periode zu
einem Preis an die noch nicht bedienten Konsumenten liefert. Dabei gehen wir der Einfachheit
halber davon aus, daß die Konsumenten entweder eine Einheit des Gutes oder keine kaufen.
Dann ist diese Situation interessant, wenn die Konsumenten einen gewissen Grad von Geduld
aufweisen. Stiftet ihnen das Gut einen Nutzen V , wenn sie das Gut sofort konsumieren, und einen
Nutzen δV , wenn sie das Gut in der nächsten Periode konsumieren, dann werden bei genügend
kleinen Unterschieden in den Preisen der beiden Perioden die Konsumenten mit den höheren
V das Gut in der ersten Periode kaufen: Wenn sie es sofort kaufen, haben sie
den Nutzengewinn (1-δ) V. Wenn dieser den Preisunterschied übersteigt, werden sie in der
ersten Periode kaufen, selbst wenn sie wissen, daß das Gut in der zweiten Periode weniger
kostet. Und die nicht versorgten Konsumenten in der zweiten Periode können mit einem
geringeren Preis noch einmal zu einem Kauf gebracht werden.
Da wir u.a. auch die Coase'sche Vermutung untersuchen wollen und sich diese auf langlebige
Güter bezieht, werden wir nun von solchen Gütern ausgehen. Der Vereinfachung wegen werden
wir annehmen, daß das Gut unendlich langlebig ist. Wir gehen weiter davon aus, daß der Nutzen,
den ein Konsument in einer Periode mit dem Gut verbindet, für jede Periode v ist. Kauft sich ein
Konsument also das Gut in der ersten Periode, dann erreicht er damit den Nutzen
2
v + δv + δ 2 v +... =
∞
∑ δ t v = 1 − δ =:V ,
v
t =0
wobei δ ein Diskontfaktor ist. Wenn er das Gut in Periode 2 kauft, erreicht er aus Sicht der
Periode 1 den Nutzen
δv + δ v +... =
2
∞
δv
∑ δ t v = 1 − δ = δV .
t =1
Zunächst gehen wir davon aus, daß der Monopolist das Gut in nur zwei Perioden verkauft, und
aus Vereinfachungsgründen, daß die Produktion kostenlos ist. Schließlich nehmen wir an, daß der
Nutzen V für jeden Konsumenten charakteristisch ist. Ein Konsument ist also durch diesen Wert
charakterisiert. Die Bevölkerung ist dadurch charakterisiert, daß V in [0,1] gleichverteilt ist.
Welche Konsumenten werden nun in der ersten Periode das Gut nachfragen, wenn der Preis in
der ersten Periode p1 ist? Dies wird auch von den Preiserwartungen der Konsumenten für die
p2e . Es werden dann diejenigen Konsumenten kaufen, die durch
V − p1 ≥ δ(V − p2e ) ⇔ (1 − δ)V ≥ p1 − δp2e ⇔ v ≥ p1 − δp 2e
und
V − p1 ≥ 0 ⇔ v ≥ p1 − δp1
charakterisiert sind.
1
p2
p1
V1
1
V
Wer fragt nun in Periode 1 nach? Dafür kommen nur Konsumenten mit V ≥ p1 in Betracht. Die
Anzahl dieser Konsumenten ist 1 - p1. Der kritische Nutzenwert ist also p1. Je nach
Preiserwartung planen aber diejenigen, in Periode 1 statt Periode 2 kaufen, für die gilt
(1 − δ)V ≥ p1 − δp2e ⇔:(1 − δ)V ≥ (1 − δ)V1 ,
3
wobei V1 der kritische Wert
V1 =
p1 − δp2e
1−δ
ist. Dieser ist natürlich nur so lange relevant, wie V1 > p1. Dies ist äquivalent zu p2e < p1. Wir
werden nun argumentieren, daß nur solche Preiserwartungen rational sein können. Würde nämlich
das Gegenteil gelten, wäre die Nachfrage in der ersten Periode gleich 1-p1. Der Gewinn des
Monopolisten wäre folglich
p1 (1 − p1 ) ,
welcher bei p1 = 1/2 maximal ist. Das bedeutet, daß die Konsumenten mit V ≥ 1/2 in der ersten
Periode kaufen. Es bleibt daher eine unbefriedigte Nachfrage von Konsumenten mit kleinerem
Nutzen. Bei einem Preis p2 in der zweiten Periode würden alle kaufen, die einen höheren Nutzen
als p2 haben. Die Nachfrage wäre folglich 1/2 - p2 und der damit erzielbare Gewinn
p2 ( 1 2 − p2 ) .
Dieser wird bei p2 = 1/4 < p1 = 1/2 maximal. Die Erwartung der Konsumenten, daß der
Monopolist in der zweiten Periode einen höheren Preis verlangt, ist also nie konsistent.
Deshalb beschränken wir uns nun auf den Fall p2e < p1. Daher ist die Nachfrage in der ersten
Periode gleich
1 − V1 = 1 −
p1 − δp2e
1−δ
und in der zweiten Periode gleich
V1 − p2 =
p1 − δp2e
− p2 .
1− δ
Welchen Preis wird nun der Monopolist in der zweiten Periode wählen? Er wird den Preis
 p1 − δp2e

p2 
− p2 
 1− δ

maximiert. Der entsprechende Preis ist
4
1 p1 − δp2e V1
p2 =
= .
2 1− δ
2
Die Erwartungen der Konsumenten sind rational, wenn p2e = p2 und dies führt zu
p2 = p2e =
p1
< p1,
2−δ
da δ < 1. Nachdem wir den Preisspielraum des Monopolisten in der zweiten Periode nun in
Abhängigkeit seiner Preissetzung in der ersten Periode charakterisiert haben, können wir uns der
Bestimmung des Preises in der ersten Periode zuwenden. Wir werden davon ausgehen, daß der
Monopolist durch den Diskontfaktor ρ charakterisert ist. Dann können wir den Gesamtgewinn
schreiben als
p1 (1 − V1 ) + ρ(V1 −
V1 V1
) .
2 2
Da
V1 =
p1 − δp2e
2 p1
=
,
1− δ
2−δ
haben wir
2 p1 
p12

p1  1 −
.
 +ρ
 2 − δ
(2 − δ) 2
Berechnen wir hieraus den gewinnmaximalen Preis, so erhalten wir
p1 =
(2 − δ ) 2
,
2( 4 − 2δ − ρ)
p2 =
2−δ
.
2( 4 − 2δ − ρ)
Als Gewinn ergibt sich dann (Güth, S. 114)
(2 − δ )2
.
4( 4 − 2δ − ρ)
Daraus lassen sich nun mehrere Schlüsse ziehen. Erstens ist das Resultat deutlich anders als im
Einproduktfall. Dieser ergibt sich oben für δ = ρ = 0, wenn also Monopolist und Konsumenten
extrem myopisch sind. Zweitens sind die Preise umso höher, je geduldiger der Monopolist ist (je
5
größer ρ). Drittens sind die Preise in der ersten Periode und die Gewinne umso niedriger, je
geduldiger die Konsumenten sind. Allerdings sind dann die Preise in der zweiten Periode höher.
Beziehen wir dieses Ergebnis kurz zurück zu der Betrachtung in 2.3. Dann sehen wir erstens, daß
dies nur ein Spezialfall der dort betrachteten Situation ist. Hier haben wir nur genauer die
Nachfrage spezifiziert. Hier wie dort führen die rationalen Erwartungen der Konsumenten dazu,
daß der Monopolist seine Marktmacht nicht voll ausschöpfen kann. Insbesondere folgt daraus,
daß das Modell des Einproduktfalls nicht geeignet ist, die Entscheidungen eines Monopolisten mit
langlebigen Gütern abzubilden. In dieser Situation ist der Monopolist sich selbst über seine
Tätigkeit in mehreren Perioden Konkurrent in einer bestimmten Periode.
Wir haben gegen Ende von 2.3 auch darüber nachgedacht, ob der Monopolist Instrumente
einsetzen könnte, um seine Marktmacht wieder herzustellen. Das dort diskutierte Instrument der
Meistbegünstigungsklausel ist in dem hier betrachteten Kontext handhabbar. Der Monopolist
würde seinen Gewinn insgesamt maximieren, wenn er ankündigt, daß er in beiden Perioden den
Preis 1/2 fordert und ihm die Konsumenten dies glaubten. Denn dann würde er den Gewinn 1/4
machen, was eindeutig größer ist, als der oben angeführte Gewinn, solange der Monopolist nicht
geduldiger ist als die Konsumenten:
(2 − δ )2
1
< ⇔ 4 − 4δ + δ 2 < 4 − 2δ − ρ ⇔ δ (δ − 1) − ( δ − ρ) < 0 .
4( 4 − 2δ − ρ) 4
In diesem Fall (ρ ≤ δ) wäre es für den Monopolisten gewinnbringend, wenn er den
Konsumenten, die in der ersten Periode bei ihm kaufen, einen Vertrag anbietet, in dem er sich zu
Erstattungen verpflichtet, falls er in der Zukunft einen geringeren Preis fordert. Dies würde ihn,
wie in der Situation in 2.3, in die Lage versetzen, seinen unrestringiert maximalen Gewinn zu
realisieren. In diesem Fall würden alle Konsumenten in der ersten Periode kaufen.
Bevor wir auf die Coase'sche Vermutung zurückkommen, werden wir uns nur kurz ein weiteres
Instrument anschauen, nämlich die Möglichkeit, das Gut nicht zu verkaufen, sondern zu vermieten.
Wenn die Konsumenten nun nicht mehr die Möglichkeit haben, das Gut zu kaufen, sondern nur
noch zu mieten, werden sie dies dann tun, wenn v ≥ pi . Die Nachfrage ist dann 1/(1-δ) - pi. Der
entsprechende Gewinn ist pro Periode
pi (
und der gewinnmaximale Mietpreis ist
1
− p1 )
1− δ
6
1
.
2(1 − δ )
Daraus ergibt sich für die beiden betrachteten Perioden der Gewinn
1+ ρ
,
4 (1 − δ) 2
woraus man leicht nachrechnen kann, daß der Gewinn höher ist als im oben untersuchten Fall des
Verkaufs, obwohl nun ab der dritten Periode das Gut nicht mehr genutzt wird. Der Grund liegt
darin, daß der bei der Verkaufssituation auftretende Effekt des Preisdrucks auf den Preis der
ersten Periode über die rationalen Erwartungen der Konsumenten nicht auftritt und daß in diesem
einfachen Modell dies den negativen Effekt der Nichtausnutzung der Langlebigkeit durch den
Monopolisten dominiert. Zentrales Fazit ist hier, daß die Vermietung eines langlebigen Gutes dem
Verkauf überlegen ist. Diese Überlegung läßt natürlich viele Gesichtspunkte, wie zum Beispiel
den der Sorgfaltspflicht der Konsumenten außer acht. Bei einer reinen Betrachtung der
Preispolitik eines Monopolisten bleibt jedoch das Resultat bestehen.
Kommen wir nunmehr zu der Coase'schen Vermutung und damit zurück zu der Situation, in der
der Monopolist nur einen Verkauf seines Gutes erwägt. Sie besagt, daß der Gewinn des
Monopolisten auf Null reduziert wird, wenn unendlich viele Perioden betrachtet werden. Hier
wird der Monopolist also nicht nur in zwei Perioden, sondern in unendlich vielen Perioden sein
Gut verkaufen können.
Eine gewisse Tendenz können wir schon bisher festzustellen: Falls der Monopolist nur in einer
Periode verkaufen könnte, wäre der Preis gleich 1/2 und der Gewinn 1/4. Wir haben oben
ρ ≤ δ der Preis in beiden Perioden kleiner sein wird. Dasselbe gilt für
den Gewinn. Wir haben schon dort argumentiert, daß dies u.a. damit zu begründen ist, daß dem
Monopolisten einer Periode Konkurrenz aus der folgenden Periode erwächst. Wählt er einen
hohen Preis, werden viele Konsumenten auf die zweite Periode ausweichen, weil sie dort rational
einen niedrigeren Preis erwarten. Sein Preissetzungsspielraum in der ersten Periode ist daher
durch diese Ausweichmöglichkeit begrenzt. Je mehr Perioden jedoch zugelassen werden, desto
mehr Ausweichmöglichkeiten haben die Konsumenten. Folglich wird der Druck auf den Preis in
Betrachten wir diese Situation bei drei Perioden und konzentrieren wir uns zunächst auf die letzten
beiden Perioden. Dann sind wir gerade in der Zweiperioden-Situation, die wir oben betrachtet
haben. Während bei alleiniger Betrachtung der ersten beiden Perioden die Konsumenten, die in
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der zweiten Periode kaufen wollen, keine Ausweichmöglichkeiten haben, ist dies in der 3periodigen Welt der Fall. Genauso wie im 2-Periodenfall die zweite Periode einen Druck auf den
Preis in der ersten Periode ausübt, übt nun die dritte Periode einen Druck auf den Preis in der
zweiten Periode aus. Dieser nun niedrigere Preis übt seinerseits einen Druck auf den Preis in der
ersten Periode aus. Folglich wird dieser in einer 3-periodigen Situation unter dem Niveau liegen,
das sich bei 2 Perioden einstellt. Fazit: Der Preis wird umso niedriger liegen, je längerfristig die
Marktbeziehungen vorhergesehen werden.
Diese heuristische Argumentation kann auch formal geführt werden. Beispielsweise findet sich
eine solche Analyse in Güth, S. 116ff. Dies werden wir hier nicht im einzelnen wiedergeben. Wir
werden jedoch das Endresultat seiner formalen Analyse betrachten. Dieses lautet für den Gewinn
bei einem unendlichen Horizont und rationalen Erwartungen der Konsumenten
1− δ
.
2 (1 − δ + 1 − ρ )
Daraus lesen wir ab, daß der Gewinn für ρ ≤ δ immer kleiner ist als 1/4 und noch wichtiger, daß
dieser Gewinn gegen Null konvergiert, falls δ sich 1 nähert, während ρ < 1 bleibt. Dasselbe gilt
auch für den Fall ρ = δ =1. Dies ist also der Fall, der die Coase'sche Vermutung stützt. Was
steht nun hinter einem Diskontfaktor nahe bei 1. Betrachten wir dazu die Interpretation, den die
Perioden hier haben. Sie bilden ab, in welchem Abstand der Monopolist seine Preise ändern
kann. Die Länge der Periode hängt also von dieser Fähigkeit ab. Der Diskontfaktor, den die
Akteure hier in Ansatz bringen, werden jedoch von dieser Länge abhängen. Bei stetiger
Verzinsung ergibt er sich als
δ = e − rT ,
wobei T die Länge der Periode und r den relevanten Zinssatz angibt. Daraus sieht man
unmittelbar, daß sich δ 1 nähert, wenn die Länge der Periode, also die Zeit, nach der der
Monopolist sinnvoll seinen Preis ändern kann, gegen Null strebt.
Als Ergebnis haben wir also, daß die Marktmacht des Monopolisten vollständig untergraben
wird, falls der Monopolist die Preise sehr schnell ändern kann und die Konsumenten maximal den
Zinssatz des Monopolisten in Ansatz bringen. Dies ist auch einleuchtend: Je kürzer die Perioden,
je weniger müssen die Konsumenten warten, wenn sie in preiswertere Folgeperioden ausweichen
wollen. Folglich werden wir dann einen höheren Anreiz haben, die Ausweichmöglichkeiten
wahrzunehmen. Dadurch erhöht sich der Druck auf die Preise in den einzelnen Perioden.
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Literatur:
Güth, Werner (1994): Markt- und Preistheorie, Springer Verlag, Kapitel 3.3
Tirole, Jean (1988): The Theory of Industrial Organization, MIT-Press, Kapitel 1.5.2
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