Musterklausur zur Veranstaltung „Das öffentliche Budget“ Prof. Dr. Dr. h.c. Hans-Werner Sinn Name: .................................................................................................................... Vorname: ................................................................................................................... Matrikelnummer: ....................................................................................................... Semester: .......... Es sind alle Aufgaben zu bearbeiten! Stichwortartige Argumentation, gestützt durch Formeln und/oder Grafiken! Auf exakte Beschriftung der Grafiken ist zu achten! A 1 ♣ Aufgabe 1: Steuertariflehre (a) Die Variabeln T(y), τ und y bezeichnen den Steuertarif, den Steuersatz und das Einkommen. Zeichnen Sie den Tarif: T(y) = τ · y - b für die beiden Fälle b > 0 und b < 0 in das untenstehende, linke Diagramm sowie in das rechte Brutto-Netto-Einkommensdiagramm ein! Wie kann b in Abhängigkeit seines Vorzeichens interpretiert werden? YN T b>0 b<0 b b b>0 b<0 b τ -b y − b 1−τ y -b T =τ ⋅ y −b b y= Y N = y − T = y − (τ ⋅ y − b ) b y=− 1−τ τ b <0 kann als Lump-Sum-Steuer interpretiert werden b >0 kann als Lump-Sum-Transfer interpretiert werden (b) Was versteht man unter der Aufkommenselastizität? Wie ist diese Größe formal definiert? • Verhältnis von relativer Steueraufkommensveränderung zu relativer Einkommensveränderung • Sie gibt an, um wie viel % das Steueraufkommen T steigt, wenn die Bemessungsgrundlage Y um 1% vergrößert wird => Maß für den Grad der Progression des Steuertarifs. η= ∂T Y ∂T / ∂Y Grenzsteue rbelastung tan β ⋅ = = = ∂Y T T /Y Durchschni ttssteuerb elastung tan α 2 ♣ (c) Berechnen Sie die Grenz- und Durchschnittssteuersätze, sowie die Aufkommenselastizität für den Steuertarif T ( y ) = A ⋅ yα . • Grenzsteuersatz: ∂T ( y ) = α ⋅ A ⋅ y α −1 ∂y • Durchschnittssteuersatz: T ( y) A ⋅ yα = = A ⋅ yα −1 y y • Aufkommenselastizität: η= α ⋅ A ⋅ yα −1 ∂T ( y ) y =α ⋅ = ∂y T ( y ) A ⋅ y α −1 (d) Für welche Werte von α ist der Tarif progressiv? • Für η > 1, also für alle α > 1 ist der Tarif progressiv Aufgabe 2 Steuerinzidenz (a) Unterstellen Sie einen vollkommenen Konkurrenzmarkt und leiten Sie die Bedingungen erster Ordnung, sowie die Marktgleichgewichtsbedingung für den Fall einer Bruttowertsteuer in Höhe von τ her (Zahllast auf Seiten der Konsumenten). • Bruttowertsteuer: p = p(1 − τ ) = p • Kalkül der Haushalte x max ∫ w(u )du − p ⋅ x 0 → w( x) = p • Kalkül der Unternehmen max p ⋅ x − ∫0 c(u )du x x max p (1 − τ ) ⋅ x − ∫ c(u )du → p(1 − τ ) = c( x ) 0 c( x ) (1 − τ ) ↔ w( x )(1 − τ ) = c( x ) w( x ) = 3 ♣ (b) Erläutern sie, was das Fundamentaltheorem der Steuerwirkungslehre besagt! Zeigen Sie unter Verwendung einer geeigneten Grafik, dass das Fundamentaltheorem der Steuerwirkungslehre bei der oben genannten Bruttowertsteuer gilt (Zahllast bei den Konsumenten). Fundamentaltheorem der Steuerwirkungslehre: Das Allokationsergebnis ist dasselbe, unabhängig davon, wer die Zahllast hat. Die Verteilung der Traglast ist unabhängig von der Verteilung der Zahllast. p c(x)(1+ ) c(x) Traglast Konsument Traglast Produzent p bei Brutto‐WSt und MSt,p p* p bei Netto‐WSt,p Steuer =Zahllast Konsument bei Brutto‐WSt und MSt =Zahllast Produzent bei Netto‐WSt Wohlfahrtsverlust w(x)-t x* w(x) w(x)(1- ) x (c) Zeichnen Sie in das Diagramm von Teilaufgabe b) eine zur Bruttowertsteuer äquivalente Mengensteuer ein, die zu derselben Allokation wie die Bruttowertsteuer führt! Wie hoch ist das Steueraufkommen unter jeder der beiden Steuern? Wie erklären Sie dieses Ergebnis? Das Steueraufkommen unter der Mengen- und Bruttowertsteuer ist gleich hoch, da die Allokation äquivalent ist und der Keil, den die jeweilige Steuer zwischen Produzentenund Konsumentenpreis treibt, gleich ist). (d) Leiten Sie unter zu Hilfenahme des in Teilaufgabe (c) gefundenen Zusammenhangs zwischen dem Steueraufkommen der Bruttowertsteuer und der Mengensteuer die formale Beziehung zwischen dem Wertsteuersatz τ und dem Mengensteuersatz t her. [Wenn Sie bei (c) keine Lösung haben, gehen Sie von einem gleich hohen Steueraufkommen beider Steuern aus!] Zusammenhang Bruttowertsteuer und Mengensteuer: TWertsteuer = τ ⋅ x1 ⋅ p, TMengensteuer = t ⋅ x2 x1 = x2 t =τ ⋅ p (e) Zeichnen Sie in das obere Diagramm eine Mengensteuer im Monopolfall mit Zahllast bei den Konsumenten und kennzeichnen Sie das Steueraufkommen. In das untere Diagramm zeichnen Sie ebenfalls für den Monopolfall eine zur Mengensteuer äquivalente Bruttowertsteuer (mit ♣ 4 Zahllast bei den Konsumenten), die zu derselben Allokation führt wie die Mengensteuer. Kennzeichnen Sie auch das Steueraufkommen der Bruttowertsteuer! p pM = pM c(x) pM w( x) GE (x) p xM x w( x ) − t pM = pM c(x) pM w( x) GE (x) xM x w( x )(1 − τ ) (f) Geben Sie eine kurze intuitive Erklärung, warum im Monopolfall das Steueraufkommen aus der Mengensteuer geringer ausfällt als bei der äquivalenten Bruttowertsteuer! Der Staat kann bei einer Wertsteuer einen größeren Keil zwischen Konsumenten- und Produzentenpreis treiben als bei einer Mengensteuer und dennoch die gleiche Allokation erzielen, da der Monopolist bei der Reduktion seiner Menge die negative Auswirkung einer Preiserhöhung auf die Steuerschuld des Konsumenten berücksichtigt: Durch die Mengenreduktion kann der Monopolist zwar einen höheren Preis vom Konsumenten verlangen, doch steigt der Preis, den er bei einer Wertsteuer verlangen kann, weniger stark als der Preis, den er bei einer Mengensteuer verlangen kann, da ein höherer Preis mit einem höheren Wert und damit einer höheren Steuerschuld verbunden ist. Der Produzent wird in Folge bei einer Wertsteuer die Menge weniger stark reduzieren als bei einer Mengensteuer. 5 ♣ Aufgabe 3: Subvention im Zwei-Güterfall Erläutern Sie die Verhaltenswirkungen des staatlichen Wohngeldes grafisch und erklären Sie Ihr Vorgehen. (a) Zeigen Sie, warum die Subventionierung des Wohnraums gegenüber einer bedingungslosen Unterstützung der Armen Wohlfahrtsverluste bringt. Punkt A: ohne Subvention z und bedingungsloser Unterstützung (Numeraire-Gut x, Einkommen E0 und Wohnraum y) Punkt B: mit Subvention z E0 = x + ( p − z ) ⋅ y y= E0 1 − x p−z p−z Punkt C: mit bedingungsloser Unterstützung bei gleichen Kosten und höherem Nutzen Punkt D: mit bedingungsloser Unterstützung bei gleichem Nutzen und niedrigeren Kosten Kosten, die eingespart werden könnten, beschreiben Wohlfahrtsverlust. y B z C D E0 p A x EB Zweckgebundene, spezifische Subvention ist nicht sinnvoll. Bei allgemeiner Subvention hat der Haushalt mehr Handlungsspielraum und muss nicht mehr Wohnraum konsumieren, um in den Genuss der Subvention zu kommen. Wohlfahrtsverlust durch Verzicht auf Verwendungszweck der Subvention vermeidbar. Der Staat könnte bei gleichem Subventionsvolumen wie im Punkt B, ohne Excess Burden, ein höheres Nutzenniveau für die Individuen ermöglichen, wenn die Verwendung des Geldes nicht bestimmt ist (Punkt C) Alternativ: Der Staat könnte bei gleichem Nutzenniveau für die Individuen wie im Punkt B das Subventionsvolumen senken, wenn die Verwendung des Geldes nicht bestimmt ist (Punkt D). 6 ♣ (b) Erläutern Sie, warum es aus allokativen Gründen dennoch gerechtfertigt sein kann, Wohngeld statt Pro-Kopf-Transfers zu leisten. externe Effekte: wenn eine steigende Zahl von Obdachlosen ein möglicher Ausgangspunkt sozialer Unruhen und gewalttätiger Verteilungskämpfe ist, könnte dieses Problem durch Zahlung von Wohnungsgeld internalisiert werden. (c) Nennen Sie meritorische Gründe für die Zahlung von Wohngeld und diskutieren Sie diese Gründe aus der Sicht des methodologischen Individualismus der Wohlfahrtsökonomik. Ein Paternalismus-Argument kann zulässig sein, wenn die Wohlfahrt von Kindern beeinträchtigt wird, da diese (noch) nicht selbst entscheiden können/dürfen. Hier sollten die Eltern im besten Sinne für ihre Kinder entscheiden. Sollten sie diese Pflicht nicht erfüllen, ist ein paternalistisches Eingreifen des Staates zulässig. Im Beispiel entspricht dies z. B. dem Fall, dass ein alkoholkrankes Elternteil zusätzliches Einkommen lieber für Alkoholkonsum als für eine größere Wohnung ausgibt. In diesem Fall sind zweckgebundene Transfers wohlfahrtssteigernd, da sie die Wohlfahrt der Kinder berücksichtigen. Aufgabe 4: Kurzfragen Es können mehrere Antworten richtig sein. Sie erhalten die volle Punktzahl für eine Teilaufgabe, wenn Sie alle richtigen Antworten ankreuzen und alle falschen Antworten nicht ankreuzen. Für das Ankreuzen einer richtigen Antwort und jedes nicht Ankreuzen einer falschen Antwort erhalten Sie einen Punkt. Falls Sie fälschlicherweise eine richtige Antwort nicht ankreuzen oder eine falsche Antwort ankreuzen, wird Ihnen ein Punkt abgezogen. Bitte kreuzen Sie erst dann die richtigen Antworten an, wenn Sie sich sicher sind. Sollten Sie dennoch Ihre Wahl im Nachhinein verändern wollen, machen Sie dies bitte hinreichend deutlich. a) Grundlagen Wahr Falsch Gebühren fallen bei tatsächlicher individueller Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen an. X Der (durchschnittliche) Steuersatz ist das Verhältnis von Steuerbetrag zu Bemessungsgrundlage. Der Steuertarif hingegen definiert den Zusammenhang von Steuerbetrag und Bemessungsgrundlage. X Steuern sind Zwangsabgaben, die von privaten oder öffentlichen Institutionen allen auferlegt werden, bei denen der relevante Tatbestand zutrifft. X Ein Steuertarif wird als progressiv bezeichnet, wenn der Grenzsteuersatz immer größer ist als der Durchschnittssteuersatz. Dies ist bei einem linearen Steuertarif mit Freigrenze der Fall. X In Deutschland ist die Körperschaftssteuer im Hinblick auf das Steueraufkommen die zweitwichtigste Steuer nach der Einkommensteuer. X 7 ♣ b) Laffer-Kurve und Excess Burden Wahr Falsch Auf dem ineffizienten Ast der Laffer-Kurve führt eine Reduktion des Steuersatzes zu einer Erhöhung des Steueraufkommens. X Bei der Bestimmung des optimalen Steuersatzes bei einer fiskalischen Steuer steht der Staat vor dem Zielkonflikt, einerseits die Summe von Produzentenrente und Konsumentenrente zu maximieren, und andererseits genügend Steueraufkommen zu generieren. X Der effiziente Bereich der modifizierten Laffer-Kurve ist der absteigende rechte Ast, der effiziente Bereich der originären LafferKurve ist der linke Ast. X Der Excess Burden einer Steuer resultiert aus der Ausweichreaktion der Akteure, d. h. durch eine Abweichung von den eigentlichen, effizienten Wirtschaftsplänen. Bei sehr elastischen Angebots- und Nachfragekurven führt die Einführung einer Steuer zu einer vergleichsweise großen Ausweichreaktion und zu einem großen Excess Burden. X Das Fundamentaltheorem der Steuerwirkungslehre besagt, dass die Zahllast und die Traglast identisch aufgeteilt sind. X c) Steuerinzidenz Wahr Falsch Nehmen Sie an, die Regierung führt eine vom Winzer zu zahlende Steuer auf Rotwein ein, lässt aber Weißwein unbesteuert. X Wenn Rotwein und Weißwein perfekte Substitute sind, reagiert die Nachfrage nach Rotwein vollkommen elastisch. X Im Extremfall einer vollkommen elastischen Nachfrage nach Rotwein und vollkommen unelastischen Angebot tragen die Winzer die Rotweinsteuer kurzfristig komplett. X X X Da die Winzer spezifische Weinstöcke bereits gepflanzt haben und kurzfristig nicht von Rotwein auf Weißweinproduktion umstellen können, ist die kurzfristige Angebotskurve horizontal. Durch die Rotweinsteuer, deren gesetzliche Inzidenz bei den Anbietern liegt, ändert sich die marginale Zahlungsbereitschaft der Nachfrager. Langfristig können Winzer ihr Angebot flexibel von Rotwein- auf Weißweinproduktion umstellen; bei perfekter Anpassung könnten dann Rotweinproduktion und damit die Steuereinnahmen aus Rotweinbesteuerung langfristig auf Null fallen. 8 ♣