Mathematik für Chemiker

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Mathematik für Chemiker
Sönke Hansen
Wintersemester 2016/17∗
∗
Fassung vom 4. Februar 2017
Dieses Vorlesungsskript wird erst nach den jeweiligen Vorlesungen aktualisiert; es gibt den
Inhalt Vorlesung skizzenhaft wieder. Für detailliertere Ausführungen wird auf entsprechende
Abschnitte in [BHK14] verwiesen; dieses Skriptum befindet unter den Materialien der Vorlesung
auf PAUL.
2
Inhaltsverzeichnis
1
Grundlagen
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
2
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Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Umkehrfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Exponentialfunktion und Logarithmus . . . . . . . .
Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . .
Folgen und Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . .
Stetige Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Unendliche Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Potenzreihen. Die Exponentialreihe . . . . . . . . .
Tangente und Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . .
Produkt- und Kettenregel . . . . . . . . . . . . . . .
Mittelwertsatz und Anwendungen . . . . . . . . . .
Extrema, Wendepunkte, Kurvendiskussion . . . . . .
Das bestimmte Integral . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
Integrationstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Taylorformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5
5
6
7
7
11
13
Elemente der linearen Algebra
3.1
3.2
3.3
3.4
3.5
4
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Analysis
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
2.7
2.8
2.9
2.10
2.11
2.12
2.13
2.14
2.15
2.16
3
5
Reelle Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rechnen mit endlichen Summen. Binomialsatz
Algebraische Gleichungen . . . . . . . . . . .
Ungleichungen und Absolutbeträge . . . . . .
Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . .
Logik, Mengen und Beweise . . . . . . . . . .
13
13
14
15
16
17
18
20
21
21
22
22
23
23
23
23
25
Der euklidische Raum . . . . . . . . .
Lineare Unabhängigkeit und Basen . .
Lineare Gleichungssysteme. Matrizen
Lösung linearer Gleichungssysteme .
Determinanten . . . . . . . . . . . . .
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25
25
25
25
26
Gewöhnliche Differentialgleichungen
27
4.1
4.2
4.3
27
27
27
Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Differentialgleichungen mit getrennten Variablen . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Anfangswertproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
4.4
4.5
Lineare Differentialgleichungen erster Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . .
Lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . .
4
28
28
1 Grundlagen
Zahlen, und das Rechnen mit ihnen; Mengen, Logik, Beweismethoden. Siehe auch [BHK14,
Kap. 1&2, Kap. 3.2].
17.10.
1.1 Reelle Zahlen
Zahlenmengen: N ⊂ N0 ⊂ Z ⊂ Q ⊂ R. Grundrechenarten (Körperaxiome). Herleitung einiger
bekannter Rechenregeln wie (b + b = b) =⇒ b = 0, a · 0 = 0 u. A. Warum keine Division durch
Null? Kürzen und Vereinfachen
von Ausdrücken. Geometrische Größen entsprechen oft irratio√
nalen Zahlen, z.B. gilt π, 2 ∈ R \ Q. Anordung (Kleiner-Relation). Intervalle heißen diejenigen
Teilmengen von R, die mit zwei Elementen auch alle dazwischenliegenden Zahlen enthalten, z.
B. [a, b], ]a, b[. Potenzen an einer Basis a zum Exponenten n; zuerst für n ∈ N, dann für n ∈ Z
√
wenn a 6= 0. Mit Hilfe n-ter Wurzeln a1/n = n a > 0, a > 0 und n ∈ N, definiert man schließlich
Potenzen ab für alle reellen Zahlen a > 0 und alle rationalen Exponenten b. Dezimalbruchentwicklungen. Gleitkommazahlen (oder Gleitpunktzahlen) sind Dual- oder Dezimalzahlen mit
endlicher Stellenzahl. Exponentielle Schreibweise für Zahlen; Basis und Exponent. Beispiel:
NA = 6, 02 · 1023 für die Avogadro’sche Zahl (Einheit: mol−1 ). Bestimmung der Anzahl der Sauerstoffmoleküle in 10m3 Luft.
1.2 Rechnen mit endlichen Summen. Binomialsatz
Endliche Summen: ∑nk=m ak := am + am+1 + · · · + an , z.B.
n
∑ k = 1 + 2 + · · · + n = . . . = n(n + 1)/2.
k=1
Rechenregeln: Linearität, Zerlegen in Teilsummen, Umbenennung des Summationsindex. Beispiel mit der Substitution ` = k + 3:
10
7
10
10
1
1
1
5
1
−
−
=
=
∑
∑
∑
2
2
2
2
4
k=1 2k
k=0 k + 6k + 9
`=3 `
k=1 k
2∑
Produkte: ∏nk=m := am · am+1 · · · · · an falls m ≤ n.
Fakultät n! := ∏nk=1 k = 1 · 2 · · · · · n einer natürlichen Zahl n. Setze 0! := 1. Eigenschaft: (n +
1)! = (n + 1) · n! für n ∈ N0 .
Erinnerung
an die (erste und zweite) binomische
Formel: (a ± b)2 = . . . . Binomialkoeffizien
n
49
ten k := n!/k!(n − k)!; im Zahlenlotto: 6 ist die Anzahl der möglichen Ziehungsergebnisse.
n
Das Pascal’sche Dreieck visualisiert die Formel nk + k+1
= n+1
k+1 .
5
19.10.
Satz 1.2.1 (Binomialsatz). Für a, b ∈ R und n ∈ N0 gilt
n n n−k k
n
(a + b) = ∑
a b.
k=0 k
Eine Folgerung: 2n = ∑nk=0 nk .
Verallgemeinerung der dritten binomischen Formel:
n
∑ ak bn−k
(a − b) = an+1 − bn+1
k=0
1.3 Algebraische Gleichungen
24.10.
Lineare und quadratische gleichungen sind Polynomgleichungen
an xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x1 + a0 = 0
(mit an 6= 0) vom Grad n = 1 bzw. n = 2. Eine quadratische Gleichung der Form x2 + 2px + q = 0
2
2
stellt man mit quadratischer
√ Ergänzung um in (x + p) − p + q = 0; und 2man erhält zwei reelle
Lösungen x± = −p ± D, wenn die sogenannte Diskriminante D := p − q positiv ist. Quadratische Gleichungen treten beispielsweise bei der Berechnung von pH-Werten auf. In einigen
Fällen können Gleichungen, die Brüche enthalten, auf quadratische Gleichungen zurückgeführt
werden.
Liegen mehrere Unbekannte und Gleichungen vor, dann spricht man von Gleichungssystemen. Um diese zu lösen, versucht man in einem ersten Schritt die Anzahl der Unbekannten
durch Elimination zu reduzieren; man stellt etwa eine Gleichung nach einer Unbekannten um
und setzt diese in eine (die) andere Gleichung ein. Beispielsweise werden die Koordinaten der
Schnittpunkte der Einheitskreislinie mit einer Geraden durch die folgenden Gleichungen beschrieben:
x2 + y2 = 1, 2x − y = 1.
Man stellt die zweite Gleichung nach y um, setzt dann y = 2x − 1 in die erste Gleichung ein und
erhält eine quadratische Gleichung für x:
x2 + (2x − 1)2 = 1.
Die löst man und erhält für x die Werte 0 und 4/5. Die gesuchten Lösungen sind die Koordinatenpaare (x, y) = (0, −1) und (x, y) = (4/5, 3/5).
Aus der Schule bekannt sind lineare Gleichungssysteme bestehend aus zwei Gleichungen für
zwei Unbekannte x und y:
ax + by = α,
cx + dy = β .
Die Koeffizienten a, b, c, d und die rechten Seiten α und β sind gegeben. Falls die Determinante
D := ad − bc 6= 0 ist, findet (z.B. mittels Elimination) genau eine Lösung.
6
1.4 Ungleichungen und Absolutbeträge
Das Rechnen mit Ungleichungen basiert auf den Grundsetzen der Anordunung reeller Zahlen
mit der Kleiner-Relation. Für zwei reelle Zahlen a und b liegt genau einer der folgenden Fälle
vor: a < b oder a = b oder b < a. Gilt a < b und b < c, dann gilt auch a < c; dies Gesetz heißt
Transitivität der Anordung. Mit der Addition verträgt sich die Anordnung auf folgende Weise:
Aus a < b folgt a+c < b+c für alle reellen c. Im Falle der Multiplikation einer Ungleichung mit
einer Zahl c 6= 0 muss man die Fälle 0 < c und c < 0 unterscheiden: Aus a < b folgt ac < bc falls
c positiv ist, aber bc < ac falls c negativ ist. Dies ist durch eine entsprechende Fallunterscheidung
zu berücksichtigen, wenn man die Lösungsmenge einer Ungleichung, beispielsweise
1
1
<
,
x x+1
dadurch bestimmen will, dass man zunächst mit einem geeigneten Faktor (z.B. dem Produkt der
Nenner) durchmultipliziert. Die Lösungsmenge des Beispiels ist das Intervall ] − 1, 0[.
Aus den Grundgesetzen folgen weitere Eigenschaften, so beispielsweise
0 < a < b =⇒ 0 < an < bn
für n = 2, 3, . . .
und a2 ≥ 0 für reelles a.
Hat eine quadratische Gleichung x2 + 2px + q = 0 zwei reelle Lösungen x± , x− < x+ , dann
gilt folgende Zerlegung in Linearfaktoren
x2 + 2px + q = (x − x− )(x − x+ ).
Für quadratische Ungleichungen folgert man: x2 + 2px + q ≤ 0 genau dann, wenn x− ≤ x ≤ x+ .
Der Absolutbetrag |a| einer reellen Zahl a wird über eine Fallunterscheidung definiert: |a| =
a falls a ≥ 0 ist, und |a| = −a falls a < 0 ist, Es gelten stets: |a| ≥ 0, wobei |a| = 0 genau
dann gilt, wenn a = 0 ist; |ab| = |a||b|; die Dreiecksungleichung |a + b| ≤ |a| + |b|. Die Größe
|a − b| gibt den Abstand zwischen zwei Zahlen a und b auf der reellen Zahlengeraden an. Das
Rechnen mit (Un-)Gleichungen und (Absolut-)Beträgen erfordert fast immer das Arbeiten mit
Fallunterscheidungen.
1.5 Komplexe Zahlen
Die Schrödinger’sche Wellenfunktion Ψ(x, y, z) der Quantenmechanik ist notwendig komplexwertig. Drehungen in der Ebene stellt man effizient durch Multipkationen komplexer Zahlen dar.
Dies sind nur zwei Beispiele für die überragende Bedeutung der komplexen Zahlen.
Man erweitert die Menge R der reellen Zahlen zur Menge C der komplexen Zahlen durch
Einführung einer neuen Zahl i ∈ C mit der Eigenschaft i2 = −1. Eine reelle Zahl mit dieser
Eigenschaft kann es nicht geben. Man nennt i die imaginäre Einheit.
Eine komplexe Zahl z ∈ C ist von der Form
z = x + iy mit x, y ∈ R.
7
26.10.
Man x den Realteil und y den Imaginärteil von z, und man schreibt Re(z) = x und Im(z) = y. Die
komplexe Zahl z̄ = x − iy nennt man die zu z Konjugierte. Eine komplexe Zahl z ist genau dann
reell, wenn z̄ = z gilt. Es gilt
zz̄ = x2 + y2 ≥ 0,
und zz̄ > 0 wenn z 6= 0. Dies verwendet man zur Vereinfachung von Brüchen komplexer Zahlen;
man erweitert den Bruch mit dem Konjugierten des Nenners:
z
zw̄
=
,
w ww̄
wobei w 6= 0.
Ein Zahlenbeispiel:
2+i
(2 + i)(4 − 3i)
11 − 2i 11
2
=
=
=
− i.
4 + 3i (4 + 3i)(4 − 3i) 42 + 32 25 25
Zum Lösen zweier linearer Gleichungen geht man genauso vor wie im Reellen. Hier ist ein
Beispiel: Gesucht sind Lösungen z, w ∈ C von
z + 2iw =
8,
iz + 2w = 4 − 8i.
Addiert man das i-fache der zweiten Gleichung zur ersten, dann erhält die Gleichung 4iw =
16 + 4i. Ihre Lösung ist w = 1 − 4i. Durch Einsetzen in die erste Gleichung erhält man z =
8 − 2iw = −2i und damit die komplette Lösung.
Die Menge der reellen Zahlen wird durch die Zahlengerade veranschaulicht, die der komplexen Zahlen durch die Gauß’sche Zahlenebene. In der xy-Ebene mit einem rechtwinkligen Koordinatenkreuz, wird z = x + iy mit dem Punkt mit den reellen Koordinaten x und y identifiziert.
Die Addition komplexer Zahlen entspricht der Vektoraddition, die Kojugation der Spiegelung an
der reellen Achse (x-Achse).
Der Abstand von z = x + iy ∈ C zum Nullpunkt (Ursprung des Koordinatensystems) ist gleich
dem Absolutbetrag |z| von z:
p
√
|z| = zz̄ = x2 + y2 ≥ 0.
Für reelle Zahlen stimmt dieser Absolutbetrag mit dem früher für reelle Zahlen definierten überein. Die Rechengesetze für den Absolutbetrag entsprechen denen für den reellen Absolutbetrag;
speziell gilt die Dreiecksungleichung:
|z + w| ≤ |z| + |w| für alle z, w ∈ C.
Geometrisch besagt dies, dass die Länge einer Dreiecksseite nie größer ist als die Summe der
Längen der beiden anderen Dreiecksseiten. Der Abstand zwischen z und w ist gegeben durch
|z − w|.
Neben der Normaldarstellung z = x + iy einer komplexen Zahl z durch ihren Realteil x und
ihren Imaginärteil y ist ihre Polardarstellung wichtig. Die Polardarstellung drückt eine komplexe
Zahl z 6= 0 aus durch ihre Polarkoordinaten, den Radius r = |z| > 0 und den Winkel ϕ = arg(z):
z = r cos(ϕ) + i sin(ϕ) .
(1.5.1)
8
31.10.
(Der Winkel wird auch das Argument der komplexen Zahl genannt.) Der Winkel (in Radian)
von z ist nach Definition die Länge des Bogens, der von der positiven reellen Achse und dem
Halbstrahl von 0 in Richtung z aus der Einheitskreislinie (Radius 1, Mittelpunkt 0) ausgeschnitten wird. Der Vollwinkel ist die Länge der vollständigen Einheitskreislinie, also 2π. Das Gradmass des Vollwinkels ist 360◦ ; die Umrechnung zwischen Radian und Grad geschieht mittels
2π = 360◦ und Dreisatz. Der Kosinus und der Sinus eines Winkels sind die Katheten im trigonometrischen Dreieck. Diese sind 2π-periodische Funktionen des Winkels:
cos(ϕ + 2π) = cos(ϕ),
sin(ϕ + 2π) = sin(ϕ).
Die Polardarstellung (1.5.1) impliziert daher, dass gilt
z = r cos(ϕ + 2πk) + i sin(ϕ + 2πk) für alle k ∈ Z.
(1.5.2)
Daraus folgt, dass der Winkel ϕ einer komplexen Zahl nicht eindeutig ist, es sei denn man fordert
zusätzlich, dass 0 ≤ ϕ < 2π oder Ähnliches gilt (z.B. −π < ϕ ≤ π).
Man benutzt folgende Formeln zur Umrechnung zwischen Normal- und Polardarstellung:
x = r cos(ϕ), y = r sin(ϕ),
p
r = |z| = x2 + y2 , ϕ = arccos(x/r) = arctan(y/x).
√
Beispiel: 1 + i = 2(cos 45◦ + i sin 45◦ )
Die Multiplikation mit einer komplexen Zahl kann geometrisch als eine Drehstreckung der
Ebene angesehen werden. Seien zwei komplexe Zahlen gegeben:
z = x + iy = r cos(ϕ) + i sin(ϕ) ,
w = u + iv = ρ cos(ψ) + i sin(ψ) .
In Polardarstellung ist ihr Produkt
wz = ρr cos(ψ + ϕ) + i sin(ψ + ϕ) .
(1.5.3)
Dies folgt aus (und ist äquivalent zu) den Additionstheorem für Kosinus und Sinus:
cos(ψ + ϕ) = cos(ψ) cos(ϕ) − sin(ψ) sin(ϕ),
(1.5.4)
sin(ψ + ϕ) = cos(ψ) sin(ϕ) + sin(ψ) cos(ϕ).
(1.5.5)
Die Formel (1.5.3) besagt, dass in der Multiplikation komplexer Zahlen die Winkel addiert werden und die Beträge multipliziert.
Anwendung: Will man Punkte (oder Figuren) der Ebene um −90◦ = −π/2 (rechter Winkel im
Uhrzeigersinn) drehen, so multipliziere man die den Punkten entsprechenden komplexen Zahlen
mit
−i = cos(−π/2) + i sin(−π/2).
Beispielsweise wird z = 1 + 2i in den Punkt −iz = 2 − i gedreht. (Man veranschauliche sich
dies anhand einer Skizze.) Entsprechend realisiert man Drehungen um andere Winkel durch
komplexe Multiplikation.
9
2.11.
Die Polardarstellung der n-ten Potenz von z = r(cos ϕ + i sin ϕ lautet:
zn = rn cos(nϕ) + i sin(nϕ) .
n
D.h., der Winkel wird mit n multipliziert, und
√ der Betrag von z ist die n-te Potenz des Betrages
von z. Beispiel: Der Betrag von z = −1 + i 3 ist r = 2 und der Winkel ist ϕ = 2π/3 = 120◦ .
Die fünfte Potenz von z ist wegen
5 · 120◦ = 600◦ = 240◦ + 360◦ = 4π/3 + 2π
wie folgt gegeben
√
√
z5 = 25 cos(4π/3) + i sin(4π/3) = 32(−1 − i 3)/2 = −16 − i16 3.
Aus (1.5.2) folgt, dass für jede ganze Zahl k die Zahl
wk = r1/n cos((ϕ + 2πk)/n) + i sin((ϕ + 2πk)/n)
(1.5.6)
eine n-te Wurzel aus z ist, d.h. wnk = z. Die Wurzeln w0 , w1 , . . . , wn−1 sind paarweise verschieden;
jedes andere wk ist einer dieser Wurzeln gleich. Also: Jede von Null verschiedene Zahl z besitzt
genau n verschiedene Wurzeln, diese sind die Eckpunkte eines regulären n-Ecks, das dem Kreis
mit Mittelpunkt Null und dem Radius |z|1/n einbeschrieben ist. Die n-ten Wurzeln aus z = 1
heißen n-te Einheitswurzeln.
Anders als in den reellen Zahlen sind quadratische Gleichungen in den komplexen Zahlen
immer lösbar, da die Quadratwurzeln aus komplexen Zahlen immer existieren. Wir bezeichen
√
mit ± z die Quadratwurzeln aus z ∈ C, z 6= 0. Diese Schreibweise ist nicht ganz korrekt, denn es
macht keinen Sinn, eine komplexe Zahl positiv oder negativ zu nennen; es sei denn die Zahl ist
reell. Die Vorgehensweise zur Lösung quadratischer Gleichungen ist die Übliche (quadratische
Ergänzung bzw. Anwendung der pq-Formel). Hier ist ein Zahlenbeispiel: Die Gleichung (1 +
i)z2 − 2z − 1 = 0 bringen wir zunächst in eine Form, in der der Koeffizient von z2 gleich Eins ist:
z2 −
2
1
z+
= 0.
1+i
1+i
Nach der pq-Formel sind die Lösungen wie folgt gegeben:
√
1
± D,
1+i
1
1
−i
−
=
.
(1 + i)2 1 + i (1 + i)2
√
√
Die Quadratwurzeln aus −i sind (i − 1)/ 2 und (1 − i)/ 2. Die Lösungen der quadratischen
Gleichung sind daher
z1/2 =
z1/2 =
D=
1−i
1
1
1
1 ± √ (1 − i) =
1 ± √ (1 − i) = . . .
1+i
2
2
2
Der Fundamentalsatz der Algebra sagt, dass jedes Polynom über den komplexen Zahlen vollständig in Linearfaktoren zerfällt:
an zn + an−1 zn−1 + . . . a1 z + a0 = an (z − z1 )(z − z2 ) · · · (z − zn )
10
7.11.
wenn an 6= 0. Hier sind z1 , . . . , zn die Nullstellen des Polynoms. (Die Nullstellen müssen nicht
paarweise verschieden sein.) Die Nullstellen des Polynoms zn − a sind die n-ten Wurzeln aus der
Zahl a ∈ C. Man erinnere, dass aus negativen reellen Zahlen keine reelle Quadratwurzel gezogen
werden kann; i.A. ist im Reellen kein Linearfaktorzerlegung von Polynomen möglich.
Reelle Zahlen kann man mit der Kleiner-Relation anordnen, und es gelten Rechengesetze, die
die Anordnung mit Addition und Multiplikation verknüpfen. Eine entsprechende Anordnung der
komplexen Zahlen gibt es nicht.
1.6 Logik, Mengen und Beweise
Wir befassen uns mit der Sprache der Mathematik. Die Logik behandelt den korrekten Umgang
mit Aussagen. Aussagen sind entweder wahr (w) oder falsch (f). Mittels logischer Verknüpfungen („und“, „oder“ usw.) bildet man neue Aussagen. Die folgende Wahrheitstafel gibt an, welche
Wahrheitswerte logisch verknüpfte Aussagen haben; A und B seien vorliegende Aussagen.
A
w
w
f
f
B
w
f
w
f
¬A
f
f
w
w
A∧B
w
f
f
f
A∨B
w
w
w
f
A =⇒ B
w
f
w
w
A ⇐⇒ B
w
f
f
w
Mit dem Allquantor ∀ und dem Existenzquantor ∃ bildet man weitere Aussagen. Wahre Aussagen sind beispielsweise
(1) ∀x ∈ R : x2 ≥ 0,
(2) ∃x ∈ R : x2 < 1.
Die erste Aussage besagt, dass die Quadrate reeller Zahlen stets nichtnegativ sind, und die zweite, dass es mindestens eine reelle Zahl gibt, deren Quadrat echt kleiner als Eins ist.
Einfache endliche Mengen gibt man manchmal durch Aufzählung ihrer Elemente an. Im Allgemeinen gibt man Mengen an, indem man die Eigenschaft A(x) angibt, die ihre Elemente x
charakterisiert: M = {x | A(x)}. hier ist M die Menge aller Elemente x, für die die Aussage
A(x) wahr ist. Mengenoperationen wie Durchschnitt, Vereinigung, Differenz und Komplement
drückt man durch entsprechende logische Verknüpfungen definierender Eigenschaften aus. Eine
weitere wichtige Mengenbildung ist das kartesische Produkt zweier Mengen A und B:
A × B = {(a, b) | (a ∈ A) ∧ (b ∈ B)}.
Die Elemente eines kartesischen Produkts A × B sind Paare von Elementen der Faktoren A und
B. Die Punkte der xy-Ebene sind Elemente von R2 := R × R; Tabellen sind weitere Beispiele für
kartesische Produkte.
Mathematische Sätze formulieren wahre Aussagen, für die ein Beweis angeben werden kann.
Einige Beweismethoden (mit beispielhaften Anwendungen): direkter Beweis, Beweis durch Widerspruch.
Oft liegen unendlich viele Aussagen A(n) vor, für jedes n ∈ N eine, deren Richtigkeit man
zeigen möchte. Durchprobieren ist hier kein gangbarer Weg. Man benutzt hier das Beweisprinzip
der vollständigen Induktion. Mit vollständiger Induktion beweist man beispielsweise, dass für
alle n ∈ N gelten:
11
9.11.
(i) 1 + 2 + 3 + · · · + n = 12 n(n + 1)
(ii) (1 + x)n ≥ 1 + nx wenn x ≥ −1 (Bernoulli-Ungleichung)
Der binomische Lehrsatz und viele andere Sätze werden ebenfalls mit vollständiger Induktion
bewiesen.
12
2 Analysis
Hauptziel ist die Differential- und Integralrechnung. Wir befassen uns mit Funktionen, Grenzwerten und unendlichen Reihen.
2.1 Funktionen
Eine Funktion f zwischen nichtleeren Mengen A und B ist eine Zuordnung von Elementen aus
B zu Elementen aus A. Man schreibt hierfür
f : A → B,
x 7→ y = f (x).
Eine reelle Funktion f : R → R ist oft durch eine Zuordnungsvorschrift y = f (x) gegeben, welche
eventuell nicht für alle x definiert ist; in diesem Falle nennen wir die Menge D f aller x ∈ R, in
denen f definiert ist, den (maximalen) Definitionsbereich von f . Die Bildmenge von f ist die
Menge B f aller Funktionswerte f (x), x ∈ D f . Das Schaubild (oder der Graph) einer reellen
Funktion ist eine zweidimensionale Skizze der Menge
G( f ) := {(x, y) | x ∈ D f ∧ y = f (x)}.
Wir heben einige Eigenschaften hervor, die reelle Funktionen f besitzen können:
(i) Symmetrie: gerade / ungerade
(ii) Periodizität mit Periode p > 0: ∀x : f (x + p) = f (x)
(iii) Beschränktheit: f heißt beschränkt, genau dann, wenn
∃C > 0∀x ∈ D f : | f (x)| ≤ C
(iv) Monotonie: (streng) monoton wachsend / fallend
Einschränkung, Summe, Produkt und Verkettung von Funktionen.
2.2 Umkehrfunktionen
Durch Funktionen werden Bestimmungsgleichungen gegeben, beispielsweise Nullstellengleichungen. Die Frage nach der eindeutigen Lösbarkeit solcher Gleichungen führt auf die Begriffe
injektiv, surjektiv und bijektiv. Strenge Monotonie impliziert Injektivität. Eine Umkehrfunktion
f −1 einer Funktion f gibt es genau dann, wenn f bijektiv ist als Funktion von seinem Definitionsbereich auf seinen Bildbereich. Die defierende Beziehung zwischen f und f −1 ist:
y = f −1 (x) ⇐⇒ x = f (y).
Der Graph von f −1 ist die Spiegelung des Graphen von f an der 45◦ -Diagonalen.
13
14.11.
Durch geeignete Einschränkung des Definitionsbereiches (z.B. auf [0, ∞[ im Falle y = x2 oder
auf einen striktes Monotonieintervall) erhält man injektive Funktionen. Sieht man ein injektive
Funktion als Funktion auf ihren Bildbereich an, dann sieht man sie als bijektiv an, und man
von ihrer Umkehrfunktion sprechen. Beispielsweise ist die Normalparabel y = x2 eine bijektive
Funktion [0, ∞[→ [0, ∞[; ihre Umkehrfunktion ist die Quadratwurzelfunktion
√
[0, ∞[→ [0, ∞[, x 7→ x.
Mit Verkettung und den Identitäten idA und idB auf A bzw. B drückt man die Beziehung
zwischen einer bijektiven Funktion f : A → B und ihrer Umkehrfunktion f −1 : B → A wie folgt
aus:
f −1 ◦ f = idA , f ◦ f −1 = idB .
2.3 Exponentialfunktion und Logarithmus
Die Exponentialfunktion zu einer Basis b > 1,
expb : R →]0, ∞[,
x 7→ bx ,
ist bijektiv. Es gelten die Potenzgesetze:
bx+y = bx by ,
b0 = 1.
Ist b > 1, dann ist expb streng monoton wachsend und eine bijektive Abbildung von R auf die
positive reelle Achse. Die Umkehrfunktion ist der Logarithmus zur Basis b:
logb :]0, ∞[→ R,
x 7→ logb (x).
Also
y = logb (x) ⇐⇒ x = by .
Den Logarithmus zur Basis b = 10 nennt man den dekadischen Logarithmus; man schreibt hierfür lg x = log10 x und in den Naturwissenschaften auch log x = log10 x. Wie wir später sehen werden, ist Euler’sche Zahl e = 2, 7183 . . . als Basis von besonderer Bedeutung; der Logarithmus
zur Basis e heißt natürlicher Logarithmus und wird meist ln x = loge x geschrieben. (Mathematiker verstehen unter log x in der Regel den natürlichen Logarithmus, nicht den dekadischen.) Aus
den Rechengesetzen für expb folgen entsprechende Rechengesetze für logb :
logb (xy) = logb (x) + logb (y),
logb (1/x) = − logb (x),
logb (xt ) = t logb (x)
und logb (1) = 0, logb (b) = 1.
Basiswechsel: Der Logarithmus ändert sich nur um einen festen Faktor, z.B.
logb (x) =
ln x
= logb (e) ln x.
ln b
Die Graphen von Logarithmusfunktionen zu verschiedenen Basen unterscheiden sich daher nur
um eine Streckung längs der y-Achse.
14
16.11.
2.4 Trigonometrische Funktionen
Wir haben Winkel und deren Sinus und Kosinus bereits im Zusammenhang mit der Polardarstellung komplexer Zahlen kennengelernt als Längen von Kreisbögen (Winkel im Bogenmaß
Radian) und als Längen von Katheten in einem trigonometrischen Dreieck. Die (Ko-)SinusFunktion
cos, sin : R → R
ist definiert als Real- bzw. Imaginärteil einer komplexen Zahl z vom Betrag Eins:
z = cos(t) + i sin(t),
wenn |z| = 1.
Den Winkel t nennt man das Argument von z; unter der Zusatzbedingung 0 ≤ t < 2π ist t eindeutig. Die Funktionen cos und sin sind 2π-periodisch. Nach dem Satz von Pythagoras gilt
cos2 t + sin2 t = 1
für alle t ∈ R. Die Additionstheoreme (1.5.4) und (1.5.5) sind äquivalent dazu, dass bei einer
Multiplikation komplexer Zahlen die Winkel addiert werden.
Folgende Einschränkungen der Sinus- und Kosinusfunktion sind bijektiv:
sin : [−π/2, π/2] → [−1, 1],
cos : [0, π] → [−1, 1].
Ihre Umkehrfunktionen heißen Arkussinus y = arcsin(x) = sin−1 (x) und Arkuskosinus y =
arccos(x) = cos−1 (x).
Die Tangensfunktion
sin(t)
tan : R → R, tan(t) =
,
cos(t)
ist definiert im Komplement der Nullstellenmenge des Kosinus:
π
+ πZ.
2
In den Nullstellen des Kosinus hat der Tangens Polstellen. Der Tangens bildet das Intervall
] − π/2, π/2[ bijektiv auf die reelle Achse R ab; die Umkehrfunktion arctan : R →] − π/2, π/2[
heißt Arkustangens.
Die trigonometrischen Funktionen treten auf bei der Berechnung von Größen in Dreiecken.
Dabei dienen die Arkusfunktionen zur Bestimmung von Winkeln aus anderen Daten. In einem
Dreieck mit Seitenlängen a, b, c und diesen Seiten gegenüberliegenden Winkeln α, β , γ gilt der
Kosinussatz:
c2 = a2 + b2 − 2ab cos(γ);
R \ Dtan = {t | cos(t) = 0} =
der Satz von Pythagoras ist der Spezialfall γ = π/2 = 90◦ . Kennt man die Längen der Seiten
eines Dreiecks, so kann man mit dem Kosinussatz (und der Arkuskosinusfunktion) die (Innen)Winkel des Dreiecks bestimmen. Der Flächeninhalt F des Dreiecks ist die Hälfte des Produkts
aus einer Seitenlänge und der Höhe des Dreiecks über der Seite:
1
1
F = ah = ab sin(γ).
2
2
15
Hier wurde in der letzten Gleichung die Formel h = b sin(γ) für die Höhe h über a benutzt; die
Formel ergibt sich bei Betrachtung eines rechtwinkligen Dreiecks, das von der Höhe aus dem
Ausgangsdreieck ausgeschnitten wird.
Die Geometrie von Isomeren von N2 F2 -Molekülen kann mittels trogometrischer Formeln bestimmt werden; für Einzelheiten siehe [BHK14, Beispiel 3.2.10]. In [BHK14, Beispiel 3.2.11]
wird ferner der Innenwinkel eines Tetraeders mittels Trigonometrie berechnet.
2.5 Folgen und Grenzwerte
Siehe die Abschnitte 4.1 bis 4.3 in [BHK14]. Folgen reeller Zahlen sind Funktionen a : N → R,
n 7→ an . Man schreibt dafür auch (an )n∈N oder kurz (an ). Man nennt an das n-te Folgenglied.
Man interessiert sich für das Verhalten von Folgen für n gegen Unendlich. Eine Folge (an ) heißt
konvergent gegen den Grenzwert g, wenn gilt
21.11.
∀ε > 0 ∃N ∈ N; ∀n ≥ N : |an − g| < ε;
vergleiche [BHK14, Definition 4.2.1]. In diesem Fall schreibt man
g = lim an
n→∞
oder an → g für n → ∞.
Eine gegen Null konvergente Folge heißt Nullfolge.
√
Für einige einfache Folgen wie (1/n) oder (1/ n) kann man ausgehend von der Konvergenzdefinition nachweisen, dass diese Nullfolgen sind. Für Summen, Produkte und Quotienten
konvergenter Folgen gibt es einfache Rechenregeln; [BHK14, Satz 4.3.1]. Eine Folge (bn ) wird
von den Folgen (an ) und (cn ) eingeschlossen, wenn a≤ bn ≤ cn für alle n ∈ N gilt; konvergieren
in solch einer Situation sowohl (an ) als auch (cn ) gegen g, dann tut dies auch (bn ) (Einschließungskriterium). Ein wichtiges Beispiel einer Nullfolge ist die geometrische Folge:
lim qn = 0,
n→∞
wenn |q| < 1.
(2.5.1)
Da Folgen Funktionen sind, ist klar, was es bedeutet, dass eine Folge monoton (wachsend oder
fallend) oder beschränkt ist. Konvergente Folgen sind stets beschränkt. Aber es gibt beschränkte
Folgen, die nicht konvergent sind, beispielsweise die alternierende Folge ((−1)n )n∈N .
Der folgende Konvergenzsatz ist fundamental.
Satz 2.5.1. Monotone, beschränkte Folgen sind konvergent.
Dieser Satz gilt nicht, wenn man Grenzwerte in Q haben möchte; ein Grenzwert g = limn→∞ an
einer konvergenten Folge (an ) ist im Allgemeinen keine rationale Zahl auch wenn alle Folgenglieder
√an in Q liegen. Mit dem obigen Satz leitet man beispielsweise Folgendes her:
(i) 2 = limn→∞ an für a1 = 2 und an+1 = (an + 2/an )/2.
(ii) Der Grenzwert e := limn→∞ (1 + 1/n)n existiert.
Sei (an ) eine Folge reeller Zahlen an , und sei (nk )k∈N eine streng monoton wachsende Folge
natürlicher Zahlen nk . Dann heißt die Folge (ank )k∈N eine Teilfolge von (an )n∈N . Man hat nk ≥ k
für alle k. Hiermit und mit der Konvergenzdefinition für Folgen zeigt man:
16
23.11.
Satz 2.5.2. Teilfolgen konvergenter Folgen sind konvergent, und die Grenzwerte sind gleich.
Divergente Folgen können konvergente Teilfolgen haben. Grundlegend ist folgender Satz.
Satz 2.5.3 (Bolzano–Weierstraß). Jede beschränkte Folge besitzt eine konvergente Teilfolge.
Es ist sinnvoll, bestimmten divergenten Folgen den „uneigentlichen“ Grenzwert +∞ oder −∞
zuzuordnen. Man spricht hier von bestimmter Divergenz. Ist (an ) eine Folge positiver Zahlen,
d.h. an > 0 für alle n, dann gilt:
lim an = ∞
n→∞
⇐⇒
lim 1/an = 0.
n→∞
(2.5.2)
2.6 Stetige Funktionen
Abschnitt 4.6 in [BHK14]. Stetige Funktionen f : D f ⊆ R → R vertragen sich mit Grenzwerten:
lim f (xn ) = f ( lim xn )
n→∞
n→∞
gilt für jede Folge (xn ) in D f , die konvergiert und deren Grenzwert in D f liegt. Beispiele
stetiger Funktionen sind Polynomfunktionen, e-Funktion, Logarithmus, Sinus, Kosinus, Tangens und viele andere mehr. Auch Zusammensetzungen stetiger Funktionen, beispielsweise
2
f (x) = cos(x5 )esin(x +1) sind stetig. Funktionen mit Sprungstellen sind unstetig. Stetige Funktionen auf Intervallen haben keine Lücken in ihren Wertebereichen und Graphen:
Satz 2.6.1 (Zwischenwertsatz). Seien f : [a, b] → R stetig und y0 ∈ R mit f (a) < y0 < f (b).
Dann gibt es (mindestens) ein x0 ∈ [a, b] mit y0 = f (x0 ).
Eine Folgerung ist der Nullstellensatz: Wechselt eine stetige Funktion in einem Intervall ihr
Vorzeichen, dann hat sie mindestens eine Nullstelle. Die (effiziente) Bestimmung einer solchen
Nullstelle erfordert weitere Überlegungen, die hier nicht angestellt werden sollen.
Der Zwischenwertsatz wie auch der nachfolgende Satz vom Maximumm gelten für unstetige
Funktionen im Allgemeinen nicht mehr. Außerdem ist die Verwendung reeller Zahlen wesentlich; bei Beschränkung auf rationale Zahlen sind sie falsch!
Satz 2.6.2 (vom Maximum). Eine stetige Funktion f : [a, b] → R nimmt ihr Maximum an, d.h.,
es gibt eine Stelle xm ∈ [a, b], sodass f (x) ≤ f (xm ) gilt für a ≤ x ≤ b.
Eine Funktion f besitzt bei einer Stelle x0 den Grenzwert y0 , wenn gilt:
∀ε > 0 ∃δ > 0 ∀x ∈ D f , 0 < |x − x0 | < δ : | f (x) − y0 | < ε.
Man schreibt dann y0 = limx→x0 f (x). Man setzt hier voraus, dass x0 Grenzwert (mindestens)
einer Folge in D f \ {x0 } ist. Eine Funktion f ist genau dann stetig, wenn
f (x∗ ) = lim
x→x∗
für alle x∗ ∈ D f
gilt. Beispiel einer Grenzwertbestimmung an einer Undefiniertheitsstelle:
x−1
lim √
= 2.
x→1 x − 1
√
√
Zum Beweis beobachtet man, dass x − 1 = ( x + 1)( x − 1) gilt, vereinfacht man den Bruch
durch Kürzung und nutzt schließlich die Stetigkeit der Wurzelfunktion.
17
28.11.
2.7 Unendliche Reihen
Unter einer Reihe ∑∞
k=0 ak versteht man eine Folge, die Folge (sn )n ihrer Teilsummen sn =
n
∑k=0 ak für n = 0, 1, 2, . . .. Falls diese Folge konvergiert heißt auch die Reihe konvergent, und
man bezeichnet den Grenzwert
∞
∑k=0 ak = limn→∞ sn
als Summe der Reihe. Der Summationsanfang einer Reihe muss nicht bei k = 0 liegen. Für eine
n
Reihe ∑∞
k=m ak lauten die Teilsummen entsprechend sn = ∑k=m ak für n ≥ m ganz.
Die geometrische Reihe
∞
1
∑ qk = 1 − q
konvergiert wenn |q| < 1.
k=0
Die zugehörige n-te Teilsumme ist die geometrische Summe
n
sn =
∑ qk =
k=0
1 − qn+1
1−q
wenn q 6= 1.
Wenn die Summation nicht bei Null, sondern erst bei m ∈ N beginnt, dann gilt
∞
∑
k=m
qk =
qm
1−q
für |q| < 1,
k
m ∞
`
denn ∑∞
k=m q = q ∑`=0 q .
Notwendig für die Konvergenz einer Reihe ist: Die Folge (ak ) der Reihenglieder bildet eine
Nullfolge. Die Divergenz der harmonischen Reihe ∑k=1 1/k zeigt, dass diese Bedingung nicht
hinreichend für Konvergenz ist. Andererseits ist die alternierende harmonische Reihe
∞
1
1
1
∑k=1 (−1)k+1 k = 1 − 2 + 3 ∓ . . .
konvergent. Dies folgt aus dem
Satz 2.7.1 (Leibniz-Kriterium). Sei (ak ) eine monoton fallende Nullfolge. Dann konvergiert die
k
Reihe ∑∞
k=0 (−1) ak .
Im Falle der alternierenden harmonischen Reihe zeigt man mit tieferliegenden Sätzen, dass
ihre Summe gleich ln(2) ist.
Für die Summen konvergenter Reihen gelten
∞
∞
∞
∑k=0 (ak + bk ) = ∑k=0 ak + ∑k=0 bk ,
∞
∞
∑k=0 λ ak = λ ∑k=0 ak ,
mit λ ∈ R. Dies folgt aus den entsprechenden Gesetzen für konvergente Folgen. Für Produkte
von Reihen gibt es ebenfalls eine Formel, das weiter unten angegebene Cauchy-Produkt, falls
die Reihen nicht nur konvergent, sondern sogar absolut konvergent sind.
18
30.11.
∞
Eine Reihe ∑∞
k=0 ak heißt absolut konvergent, wenn die Reihe ∑k=0 |ak | konvergiert. Eine absolut konvergente Reihe ist konvergent. Allgemeiner gilt das Majorantenkriterium: Gilt |ak | ≤ bk
für alle k und ist ∑k bk konvergent, dann ist ∑k ak konvergent. Es gibt konvergente Reihen, die
nicht absolut konvergieren, beispielsweise die alternierende harmonische Reihe.
Cauchyprodukt absolut konvergenter Reihen ist
∞
∞
∞
(2.7.1)
∑k=0 ak ∑k=0 bk = ∑n=0 cn ,
wobei cn := ∑nk=0 ak bn−k . Ein Beispiel ist das Quadrat der geometrischen Reihe; hier ist ak =
bk = qk und daher cn = (n + 1)qn . Wenn |q| < 1 ist, dann gilt
∞
∑k=0 qk
2
∞
= ∑n=0 (n + 1)qn .
Folgerungen sind:
1
∞
∑n=0 (n + 1)qn = (1 − q)2 ,
1
∞
1
q
∑n=0 nqn = (1 − q)2 − 1 − q = (1 − q)2 .
Mit Hilfe des Majorantenkriteriums sieht man die Konvergenz unendlicher Dezimalbruchentwicklungen ein:
0 ≤ ∑k=−m dk · 10−k < ∞
wobei dk Ziffern in {0, 1, 2, . . . , 8, 9} sind. Hier zwei Beispiele periodischer Dezimalbruchentwicklungen:
1/10
= 1,
1 − 1/10
1/100
4
∞
0.12 = ∑k=1 12 · 100−k = 12
= .
1 − 1/100 33
0.9 = 0.999 . . . = ∑k=1 9 · 10−k = 9
∞
Man kann zeigen, dass eine reelle Zahl genau dann rational ist, wenn ihre Dezimalbruchentwicklung abbricht oder periodisch ist.
Mit der geometrischen Reihe als Vergleichsreihe im Majorantenkriterium erhält man das
Quotienten- und das Wurzelkriterium für die Konvergenz einer Reihe ∑∞
k=0 ak . Quotientenkriterium: Ist
ak+1 < 1,
lim k→∞ ak
dann konvergiert die Reihe; ist der Grenzwert > 1, dann divergiert sie. Wurzelkriterium: Ist
p
lim k |ak | < 1,
k→∞
dann konvergiert die Reihe; ist der Grenzwert > 1, dann divergiert sie. Konvergenznachweise
für konkrete Reihen erhält man durch Anwendung der Kriterien.
19
Folgen und Reihen komplexer Zahlen und ihre Konvergenz definiert man wie im bisher behandelten reellen Fall. Seien ak ∈ C für k = 0, 1, 2, . . .. Dann gilt
∞
s = ∑k=0 ak ⇐⇒ s = limn→∞ sn
⇐⇒ limn→∞ |sn − s| = 0,
wobei wieder sn = ∑nk=0 ak die n-te Teilsumme ist. Beispiel einer komplexen geometrischen
Reihe:
1
2
4 2
i k
∞
∑k=0 2 = 1 − i/2 = 2 − i = 5 + 5 i.
2.8 Potenzreihen. Die Exponentialreihe
Wie betrachten Funktionen y = f (x), die wie folgt durch Reihen dargestellt werden:
∞
f (x) = ∑k=0 ak xk .
5.12.
(2.8.1)
Man spricht von einer Potenzreihe mit Koeffizientenfolge (ak ). Es gibt zu einer Potenzreihe
genau ein 0 ≤ R ≤ ∞, sodass (2.8.1) konvergiert für |x| < R und divergiert für |x| > R. Man
nennt R den Konvergenzradius der Potenzreihe, und, falls R > 0 ist, heißt das Intervall ] − R, R[
k
das Konvergenzintervall der Potenzreihe. Beispiel: Die geometrische Reihe (1 − x)−1 = ∑∞
k=0 x
ist eine Potenzreihe; ihr Konvergenzradius ist R = 1. Aus dem Quotientenkriterium leitet man
folgende Formel für den Konvergenzradius her:
ak+1 1
,
= lim R k→∞ ak
falls der hier auftretende Grenzwert der Quotientenfolge existiert. (Hier erlaubte Lesart: 1/0 = ∞
und 1/∞ = 0.)
Die (reelle) Exponentialfunktion exp : R → R ist gegeben durch die (reelle) Exponentialreihe:
∞
exp(x) = ∑k=0
xk
.
k!
Dies ist eine Potenzreihe mit Konvergenzradius R = ∞. Eigenschaften:
exp(0) = 1,
exp(1) = e,
exp(x + y) = exp(x) exp(y).
Diese rechtfertigen die Potenzschreibweise: ex = exp(x). Beispielsweise ist
√ k
√
√
√
2 2
∞ ( 2)
2
e = ∑k=0
= 1+ 2+1+
+...
k!
3!
Potenzen reeller Zahlen definiert man wie folgt:
ab := eb ln a ,
a, b ∈ R, a > 0.
20
Die Exponentialreihe ez = ∑ k = 0∞ zk /k! definiert die komplexe e-Funktion C 3 z 7→ ez ∈ C.
Für reelles z ist dies die oben vorgestellte reelle Exponentialfunktion. Im Falle rein imaginären
Argumente gilt die Euler’sche Formel
eit = cost + i sint
für t ∈ R.
Man hat daher
1
cost = Re(eit ) = (eit + e−it ),
2
1
it
sint = Im(e ) = (eit − e−it ),
2i
hieraus folgen die Darstellungen von cos und sin durch Potenzreihen:
cost =
(−1)k t 2k
∑ (2k)! = 1 − t 2 /2 + t 4 /24 ∓ . . . ,
k=0
sint =
(−1)k t 2k+1
= t − t 3 /6 + t 5 /5! ∓ . . . .
(2k
+
1)!
k=0
∞
∞
∑
Die Polardarstellung einer komplexen Zahl lautet kurz:
z = reit
mit r = |z| > 0 und t = arg(z).
2.9 Tangente und Ableitung
Siehe [BHK14, 5.1]. Eine Funktion f : I → R, I ⊂ R Intervall, ist differenzierbar bei x0 ∈ I,
wenn der Grenzwert
f (x) − f (x0 )
f 0 (x0 ) := lim
x→x0
x − x0
existiert; man nennt f 0 (x0 ) die Ableitung von f bei x0 . Geometrisch ist f 0 (x0 ) die Steigung der
Tangente an y = f (x) bei x0 ; die Differenzenquotienten sind Sekantensteigungen. Ist f in I differenzierbar, d.h. die Ableitung f 0 (x0 ) existiert für jedes x0 ∈ I, dann ist die Ableitung ebenfalls
eine Funktion f 0 : I → R.
Differenzierbare Funktionen sind stetig. Durch Potenzreihen darstellbare Funktionen sind in
ihrem Konvergenzintervall differenzierbar, und ihre Ableitung erhält man durch gliedweise Differentiation der Reihe. Linearität der Ableitung. Erste Beispiele für Ableitungen.
2.10 Produkt- und Kettenregel
Siehe [BHK14, 5.2]. Die Formeln der Produkt- und Quotientenregel haben die Gestalt
f 0
f 0 g − f g0
=
.
g
g2
( f g)0 = f 0 g + f g0 ,
21
7.12.
Die Kettenregel besagt, dass Verkettungen differenzierbarer Funktionen selbst differenzierbar
sind, und gibt folgende Formel („äußere mal innere Ableitung“) für ihre Ableitungen an:
(g ◦ f )0 (x) = g0 (y) f 0 (x),
y = f (x).
Beispiele und Anwendungen der Rechenregeln.
Ableitung von Umkehrfunktionen: Ist f : I → R diiferenzierbar, f 0 (x) 6= 0 für alle x ∈ I, dann
ist die Umkehrfunktion f −1 : J → R differenzier auf dem Bildintervall J = f (I). Die Ableitung
ist durch
1
( f −1 )0 (y) = 0 , y = f (x),
f (x)
12.12.
gegeben. Diese Formel erhält man durch Anwendung der Kettenregel auf x = ( f −1 ◦ f )(x). Beispiele: (ln x)0 = 1/x, (arctan x)0 = 1/(1 + x2 ) u.A.
2.11 Mittelwertsatz und Anwendungen
Siehe [BHK14, 5.3]. Maximum- und Minimumstellen bezeichnet man zusammenfassend als
Extremstellen. Liegt in einem inneren Punkt x0 ∈ I eine Extremstelle für f : I → R vor, dann ist
f 0 (x0 ) = 0. Nullstellen von f 0 sind somit Kandidaten für Extremstellen.
Mittelwertsatz (MWS): Ist f : [a, b] → R stetig und differenzierbar in ]a, b[, dann existiert
(mindestens) ein z, a < z < b, sodass gilt
f (b) − f (a)
= f 0 (z).
b−a
Der genauer Wert der Zwischenstelle ist in aller Regel unbekannt.
Aus dem MWS folgen wichtige Sätze differenzierbare Funktionen f auf Intervallen: f ist
konstant genau dann, wenn f 0 = 0 ist; f ist monoton wachsend genau dann, wenn f 0 ≥ 0. Beispiele.
Mit einer Verfeinerung des MWS leitet man die Regeln von de l’Hospital zur Berechnung von
Grenzwerten in „Null-durch-Null“-Situationen her:.
limx→a
f (x)
f 0 (x)
= limx→a 0
g(x)
g (x)
falls f (a) = 0 = g(a).
Anwendung zur Berechnung konkreter Grenzwerte.
Einführung der Hyperbelfunktionen.
2.12 Extrema, Wendepunkte, Kurvendiskussion
Lokale Extremstellen einer Funktionen. Verschwinden der ersten Ableitung als notwendige Bedingung; sie ist hinreichend, wenn die zweite Ableitung 6= 0 ist. Ist f 00 > 0, dann ist f konvex
(nach links gekrümmt). Ist f 00 < 0, dann ist f konkav (nach rechts gekrümmt). Kurvendiskussion: Bestimmung von Extrem- und Wendestellen, von Monotoniebreichen und Konvexitäts/Konkavitätsintervallen.
22
14.12.
2.13 Das bestimmte Integral
Siehe [BHK14, 6.1-2]. Der Flächeninhalt F, der vom Graphen einer (integrierbaren)R Funktion
f : [a, b] → R mit der x-Achse eingeschlossen wird, ist das bestimmte Integral F = ab f (x) dx.
Das Integral ist ein Grenzwert von Riemannsummen. Stetige Funktionen sind integrierbar. Additivität bezüglich Zerlegungen des Integrationsintervalls, Linearität, Monotonie, Integralabschätzung. Mittelwertsatz der Integralrechnung.
19.12.
2.14 Der Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung
Siehe [BHK14, 6.3]. Das bestimmte Integral ist eine differenzierbare Funktion
Z x
I(x) =
f (t) dt
a
der (oberen) Integrationsgrenze (hier: x). Die Ableitung ist I 0 = f , d.h. I ist eine Stammfunktion
für f . Da sich zwei Stammfunktionen nur um eine Konstante unterscheiden, folgt
Z b
f (t) dt = F(b) − F(a) wenn F 0 = f .
a
Damit ist die Berechnung von Flächeninhalten auf das Auffinden von Stammfunktionen (unbestimmte Integrale) zurückgeführt. Beispiele für Stammfunktionen und für Integralberechnungen
mit Stammfunktionen.
2.15 Integrationstechniken
Siehe [BHK14, 6.4]. Rechenregeln für das Differenzieren werden in Rechenregeln für das Integrieren übersetzt. Die partielle Integration
Z b
0
f (x)g(x) dx =
a
f (x)g(x)|ba −
folgt über den Hauptsatz aus der Produktregel ( f g)0 =
regel
Z b
f (g(t))g0 (t) dt =
a
Z b
f (x)g0 (x) dx
a
0
f g+
f g0 . Beispiele. Die Substitutions-
Z g(b)
f (x) dx
g(a)
folgt über den Hauptsatz aus der Kettenregel der Differentialrechnung. Weitere Integrationsmethoden sind das Vereinfachen der Integranden mittels Linearität und Partialbruchzerlegung.
2.16 Die Taylorformel
Ist f :]a, b[→ R n + 1-mal differenzierbar, dann besitzt f eine Taylorentwicklung
f (x) = f (x0 ) + f 0 (x0 )(x − x0 ) + · · · +
+
1 (n)
f (x0 )(x − x0 )n
n!
1
f (n+1) (z)(x − x0 )n+1
(n + 1)!
23
21.12.
um einen gegebenen Entwicklungspunkt x0 ∈]a, b[. Der rechts stehende Ausdruck besteht aus
einem Polynom vom Grade ≤ n, genannt Taylorpolynom, und dem Restterm, in dem eine (i.A.
unbekannte) Zwischenstelle z ∈]x0 , x[ auftritt. Man beweist die Taylorformel durch wiederholte
partielle partielle Integrationen. Beispiele für Taylorentwicklungen. Potenzreihen. Dass f 0 (x0 ) =
0 und f 00 (x0 ) > 0 hinreichend für das Vorliegen einer lokalen Minimumstelle sind, ist eine Folgerung aus der Taylorformel.
24
3 Elemente der linearen Algebra
3.1 Der euklidische Raum
Siehe [BHK14, 7.1]. Elemente des n-dimensionalen euklidischen Raumes Rn sind (Koordinaten)Vektoren x = (x1 , . . . , xn ). Speziell stellt R2 die Ebene dar und R3 den Raum. Vektoren können
addiert und mit Skalaren (Zahlen) multipliziert werden. Ihre geometrische Länge ist die euklidische Norm
q
p
kxk := x12 + . . . xn2 = hx, xi,
9.1.
wobei hx, yi := x1 y1 + . . . xn yn das Skalarprodukt von x mit y ist. Weitere geometrische Eigenschaften wie Winkel und Orthogonalität werden durch das Skalarprodukt ausgedrückt.
3.2 Lineare Unabhängigkeit und Basen
Siehe [BHK14, 7.2]. Definition der linearen (Un-)Abhängigkeit von m Vektoren a1 , . . . , am ∈ Rn .
Von solchen Vektoren aufgespannte Unterräume. Basen und die Dimension von Unterräumen.
11.1.
3.3 Lineare Gleichungssysteme. Matrizen
Siehe [BHK14, 7.3-4]. Lineare Gleichungssysteme aus m Gleichungen und n Unbekannten werden kompakt in der Form Ax = b beschrieben, wobei A ∈ Rm×n die m × n-Matrix der Koeffizienten ist. Hier sind x und b Spaltenvektoren und Ax ist das Produkt der Matrix A mit dem Vektor
x. Allgemein definiert man das Produkt AB zweier Matrizen, wenn die Anzahl der Spalten von
A gleich der Anzahl der Zeilen von B ist. Matrixmultiplikation ist assoziativ, distributiv aber i.A.
nicht kommutativ.
Die allgemeine Lösung eines inhomogenen Systems Ax = b ist von der Form x = z + y, wobei
z eine spezielle Lösung des inhomogenen Systems ist und y allgemeine Lösung des zugehörigen
homogenen Systems Ay = 0 ist. Die Lösungsmenge des homogenen Gleichungssystems nennt
man den Kern der Koeffizientenmatrix A. Die Menge aller Vektoren b, für die Ax = b eine
Lösung besitzt, heißt das Bild von A. Kern und Bild sind Unterräume; sie besitzen daher jeweils
Basen und wohldefinierte Dimensionen. Die Dimensionen sind durch eine Formel verknüpft.
Spezielle Matrizen: Einheitsmatrix I, Diagonalmatrizen, Dreiecksmatrizen.
3.4 Lösung linearer Gleichungssysteme
Siehe [BHK14, 7.6]. Lineare Gleichungssysteme Ax = b mit invertierbarer (insbesondere quadratischer) Koeffizientenmatrix A können prinzipiell durch Multiplikation mit der Inversen ge-
25
16.1.
löst werden: x = A−1 b. Umgekehrt erhält man die Inverse A−1 – falls existent – durch Lösen
linearer Gleichungssysteme: Die j-te Spalte von A−1 ist die Lösung von Ax = e j , wobei e j den
j-ten Einheitsvektor (die j-te Spalte der Einheitsmatrix) bezeichnet.
Das Gauß’sche Eliminationsverfahren und seine Varianten überführen ein gegebenes lineares Gleichungssystem in ein gleichwertiges gestaffeltes Gleichungssystem, dessen Koeffizientenmatrix eine obere Dreiecksmatrix ist (Treppenform). Man benutzt hierfür elementare Zeilenumformungen. Zur Vereinfachung der Rechnungen verwendet man die erweiterte Koeffizientenmatrix. Das gestaffelte System kann dann mittels Rücksubstitution einfach gelöst werden.
Auch den Kern einer Matrix kann man mittels elementarer Zeilenumformungen berechnen.
Den Zeilenumformungen entsprechen Multiplikationen von links mit unteren Dreiecksmatrizen. LU-Zerlegung PA = LU von quadratischer Matrix A mit Permutationsmatrix P (entspricht
Zeilenvertauschungen) und Dreiecksmatrizen L und U (untere und obere, lower and upper).
18.1.
3.5 Determinanten
Siehe [BHK14, 7.5]. Die Determinante det A einer quadratischen Matrix A ist eine Zahl. Es ist
det A 6= 0 genau dann, wenn A invertierbar ist. Verhalten der Determinante unter Zeilen- und
Spaltenoperationen. Sarrus-Regel für 3 × 3-Determinanten. Die Determinante eines Matrixproduktes ist das Produkt der Determinanten: det(AB) = det(A) det(B). Cramer’sche Regel.
26
23.1.
4 Gewöhnliche Differentialgleichungen
Differentialgleichungen sind Gleichungen, deren Unbekannte nicht Zahlen sondern Funktionen
sind.
4.1 Beispiele
Siehe [BHK14, 8.1]: Die Schwingungen eines mechanischen Pendels oder eines elektrischen
Schaltkreises, die zeitliche Entwicklung von Konzentrationen in einer chemischen Reaktion und
viele andere Vorgänge werden durch Differentialgleichungen und ihre Lösungen beschrieben.
Beispiele aus der Mechanik und der Reaktionskinetik.
4.2 Differentialgleichungen mit getrennten Variablen
Siehe [BHK14, 8.2]: Bauart: y0 = g(t)h(y). Lösungsstrategie: Berechne die Integrale auf beiden
Seiten von
Z
Z
dy
= g(t) dt
h(y)
und löse nach y auf, um y(t) zu erhalten. Die auftretende Integrationskonstante wird aus einer
Anfangsbedingung bestimmt, falls eine solche gegeben ist. Beispiele.
4.3 Das Anfangswertproblem
Eine Differentialgleichung erster Ordnung y0 = f (t, y) ist gegeben durch eine Funktion f (t, y),
die in der ty-Ebene ein Richtungsfeld definiert. Lösungen sind differenzierbare Funktionen y(t),
deren Tangentensteigung in jedem Punkt des Graphen mit dem vorgegebenen Richtungsfeld
übereinstimmt. Ist f „glatt“, dann gibt es unemdlich viele Lösungen. Eine Formel, die die Gesamtheit der Lösungen angibt, heißt allgemeine Lösung der Differentialgleichung. Meist interessiert man sich für eine spezielle Lösung, die zusätzliche Bedingungen erfüllt. Am wichtigsten
ist die Lösung der Anfangswertaufgabe:
y0 = f (t, y),
y(t0 ) = y0 .
Ein Satz besagt, dass es zu glattem f und gegebenen Anfangsdaten (t0 , y0 ) genau eine maximal
fortgesetzte Lösung gibt.
Der ebengenannte Satz gilt allgemeiner für Differentialgleichungssysteme erster Ordnung bestehend aus n Differentialgleichungen für n gesuchte Funktionen y1 (t), . . . , yn (t). Differentialgleichungen höherer Ordnung können auf gleichwertige Systeme erster Ordnung zurückgeführt
27
25.1.
werden. Beispielsweise ist die Newton’sche Bewegungsgleichung (Ordnung = 2) äquivalent zu
einem 2 × 2-System:
(
ẏ1 = y2 ,
mẍ + δ ẋ + ω 2 x = F(t) ⇐⇒
2
ẏ2 = − ωm y1 − mδ y2 + F(t).
Der Zusammenhang ist durch y1 (t) = x(t) und y2 (t) = ẋ(t) gegeben.
4.4 Lineare Differentialgleichungen erster Ordnung
Siehe [BHK14, 8.3]. Hier geht es um (skalare) Differentialgleichungen folgender Gestalt:
y0 + a(t)y = f (t)
(4.4.1)
Die Gleichung heißt homogen, wenn f die Nullfunktion ist, sonst inhomogen. Man nennt
y0 + a(t)y = 0
(4.4.2)
die zu (4.4.1) gehörige homogene Differentialgleichung. Ist A(t) eine Stammfunktion für a(t),
dann ist y(t) = Ce−A(t) , C ∈ R, die allgemeine Lösung von (4.4.2). Die Methode der Variation
der Konstanten macht folgenden Lösungsansatz für (4.4.1):
y(t) = K(t)e−A(t)
Einsetzen in (4.4.1) führt zu K 0 (t) = f (t)eA(t) , d.h., der Ansatz liefert eine (spezielle) Lösung der
inhomogenen Differentialgleichung (4.4.1), wenn K als eine Stammfunktion von f eA gewählt
wird. Beispiel: y0 + y = sint.
Die allgemeine Lösung der inhomogen Differentialgleichung (4.4.1) ist darstellbar als Summe aus einer speziellen Lösung (beispielsweise mittels Variation der Konstanten gewonnen)
und der allgemeinen Lösung der zugehörigen homogen Differentialgleichung (4.4.2). Beispiel:
Differentialgleichungssytem für Folgereaktionen A → B → P.
4.5 Lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung
Siehe [BHK14, 8.4]. Dies sind Differentialgleichungen der Gestalt
y00 + a(t)y0 + b(t)y = f (t).
Ist f die Nullfunktionen, dann heißt die Gleichung homogen, anderenfalls inhomogen. Sind
die Koeffizienten a und b unabhängig von t, dann liegen konstante Koeffizienten vor. Im Fall
konstanter Koeffizienten gewinnt man Lösungen homogener Differentialgleichungen
y00 + ay0 + by = 0
mit einem e-Ansatz y(t) = eλt . Einsetzen des Ansatz führt auf folgende quadratische Gleichung
für λ :
λ 2 + aλ + b = 0;
man nennt dies die charakteristische Gleichung für λ . Beispiele.
28
1.2.
Literaturverzeichnis
[BHK14] D. Bothe, H. Hembd, und N. Köckler, Mathematik für Chemiker, 2014, Vorlesungsskript Uni Paderborn.
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