VO Mathematik I für Studierende der Wirtschaftswissenschaften

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VO Mathematik I
für Studierende der Wirtschaftswissenschaften
ao. Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas J. Novák
December 3, 2015
1
1.1
Einleitung
Mathematische Schreibweisen:
∀ · · · ”für alle”
∃ · · · ”es existiert ein/eine ”
a0 + a1 + a2 + · · · + an−1 + an =
n
X
ai =
i=0
n
Y
n−5
X
ak+5
k=−5
bi = b0 b1 b2 · · · bn−1 bn
i=0
1.2
Zahlenmengen
natürliche Zahlen N = {0, 1, 2, 3, 4, · · · } oder
N = {1, 2, 3, 4, 5 · · · }
N0 = {0, 1, 2, 3, 4, 5 · · · }
N ist abgeschlossen bezüglich Addition und Multiplikation
(i.e. n, m ∈ N ⇒ n + m ∈ N, n.m ∈ N)
aber NICHT abgeschlossen bzgl. Subtraktion!
1
ganze Zahlen Z = {· · · − 4, −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, 4, · · · }
Z ist abgeschlossen bzgl. Addition, Subtraktion, Multiplikation, aber NICHT bzgl. Division.
p
rationale Zahlen Q
I =
, p, q, ∈ Z, q 6= 0
q
oder als Dezimalbruchentwicklung: a0 , a1 a2 a3 · · · wobei a0 ∈ Z, ai ∈ {0, 1, 2, · · · 9} Dezimal-
bruchentwicklung bricht nach endlich vielen Gliedern ab oder wird periodisch. z.B.: 5.17, −22.21, 7.4512851
Behauptung:
√
2 ∈
/
Q
I
Beweis: INDIREKT (d.h. man nimmt das Gegenteil an und folgert daraus einen Widerspruch)
• angenommen
√
2 = pq , oBdA p und q sind nicht beide gerade (sonst kürzen!)
• durch Quadrieren und multiplizieren → 2q 2 = p2
d.h. p2 ist gerade. → p ist gerade → p2 ist durch 4 teilbar, d.h. p2 = 4s
• 2q 2 = 4s → q 2 = 2s, d.h. q 2 ist gerade → q ist gerade! Dies ist ein Widerspruch zur
Annahme!
Als Menge der reellen Zahlen R bezeichnen wir alle Dezimalbruchentwicklungen der Form
a0 , a1 a2 a3 · · · wobei a0 ∈ Z, ai ∈ {0, 1, 2, · · · 9}
Die Gleichung x2 = −1 ist in R unlösbar
√
⇒C
I = {a + bi|a, b ∈ R} mit i = −1
2
Rechenregeln in (R, +, .) :
• Assoziativgesetze:
• Kommutativgesetze:
• Distributivgesetze:
a + (b + c) = (a + b) + c,
a + b = b + a,
a(bc) = (ab)c
ab = ba
a(b + c) = ab + ac,
(a + b)c = ac + bc
Potenzen
an
an am
= |a.a.a.
n∈N
{z· · · a}
n mal
n+m
= a
n, m ∈ N
(an )m = anm
a0
a−n
= 1
=
1
an
Wurzeln: Für jede positive reelle Zahl a ∈ R und jede natürliche Zahl n ∈ N gibt es genau
eine positive reelle Zahl b, die die
Gleichung bn = a erfüllt.
√
1
”n-te Wurzel aus a”
⇒ b = an = n a
Potenzen mit rationalen Exponenten:
x=
p
q
∈ Q,
I a > 0, a ∈ R
1
⇒ ax = (a q )p
x, y ∈ Q,
I a, b ∈ R, a, b > 0 ⇒ ax ay = ax+y , (ax )y = axy , ax bx = (ab)x
Binomialkoeffizienten:
•

 n(n − 1)(n − 2) · · · 2.1 für
n! =

1
für
3
n ∈ N, n > 0
n=0
”n faktorielle”
• Für n, k ∈ N :
n!
n
n(n − 1)(n − 2) · · · (n − k + 1)
=
=
k
k!(n − k)!
k!
•
”n über k”
n+1
n
n
=
+
k+1
k+1
k
Binomischer Lehrsatz
(a + b)2 = a2 + 2ab + b2
(a + b)3 = a3 + 3a2 b + 3ab2 + b3
···
···
n
n n−1 1
n 0
a b ··· +
a
b
+
1
0
Pn
n n−k k
b
=
k=0 k a
(a + b)n =
n
k
an−k bk · · · +
n
n−1
a1 bn−1 +
n
n
a0 bn =
Ungleichungen von Bernoulli
(i) (1 + x)n > 1 + nx,
für alle x ∈ R, x > 0, n ∈ N, n ≥ 2
(ii) (1 − x)n > 1 − nx,
für alle x ∈ R, 0 < x < 1, n ∈ N, n ≥ 2
Vollständige Induktion
A(n), n = n0 , n0 + 1, n0 + 2, n0 + 3, · · · sei eine Folge von Aussagen
Beweise die Gültigkeit von A(n) für alle n ≥ n0 durch folgende Schritte:
1. Induktionsanfang: Zeige, dass die Aussage A(n0 ) wahr ist.
2. Induktionsannahme: Nehme an, dass A(n) wahr ist.
3. Induktionsschritt: Zeige, dass unter der Induktionsannahme (A(n) ist wahr)
A(n + 1) wahr ist.
4
Aus den Punkten (1) - (3) folgt dann, dass A(n) für alle n ≥ n0 wahr ist. (iterativ)
Bsp: Ungl. von Bernoulli:
A(n) : (1 − x)n > 1 − nx,
∀x ∈ R, 0 < x < 1, n0 = 2
1. Induktionsanfang: A(2) ist wahr, da (1 − x)2 = 1 − 2x + x2 > 1 − 2x
2. Induktionsannahme: A(n) ist wahr, d.h. (1 − x)n > 1 − nx,
∀x ∈ R, 0 < x < 1
3. Induktionsschritt: Zeige, dass A(n + 1) wahr ist.
(1 − x)(n+1) = (1 − x) (1 − x)n > (1 − x)(1 − nx) =
| {z } | {z }
>0
>(1−nx)
= 1 − (n + 1)x + nx2 > 1 − (n + 1)x
Dreiecksungleichung:
|x + y| ≤ |x| + |y| ∀x, y ∈ R
Beweis:
• x ≤ |x|
x∈R
• Fall I: x + y ≥ 0 :
|x + y| = x + y ≤ |x| + |y|
• Fall II: x + y < 0 ⇒ (−x) + (−y) > 0 :
|x + y| = |(−x) + (−y)| ≤ | − x| + | − y| = |x| + |y|
5
2
Folgen und Reihen
2.1
2.1.1
Folgen
Definition und Darstellung:
Beispiele:
1. Wie würden die folgenden Zahlenfolgen fortgesetzt werden:
• 2, 7, 12, 17, . . .
• 3, 1, -1, -3, . . .
• 2, 8, 32, 128, . . .
• 3, -6, 12, -24, . . .
• 144, 72, 36, 18 . . .
• 1, 4, 9, 16, . . .
2. Zinseszinsrechnung: Ein Kapital wird zu einem effektiven Jahreszins von 4.5% solange
angelegt, bis es sich verdoppelt hat. Wie viele Jahre muss man warten?
3. In diesem Jahr hat ein Unternehmen Jahreseinnahmen von 100 Millionen Euro. Es wird
erwartet, dass diese Einnahmen pro Jahr um 16% während der nächsten Dekade gesteigert
werden können. Wie hoch sind die erwarteten Einnahmen im zehnten Jahr und wie groß
sind die Gesamteinnahmen, die über die Periode erwartet werden?
4. Angenommen, man legt auf das erste Feld eines Schachbretts ein Korn, auf das zweite
Feld das doppelte, also zwei, auf das dritte wiederum die doppelte Menge, also vier und
so weiter.
• Wieviele Körner liegen auf dem letzten (dem 64tem) Feld?
6
• Wieviele Körner liegen insgesamt auf dem Schachbrett?
(siehe z.B. http://de.wikipedia.org/wiki/Sissa ibn Dahir)
Definition:
1. Unter einer Folge versteht man eine Aneinanderreihung von durchnummerierten (reellen)
Zahlen.
2. Entsprechend der Anzahl der Folgenglieder kann man zwischen endlichen
und un-
endlichen Folgen unterscheiden.
Beispiele:
• (1, 4, 7, 5, 8, 10) (endlich)
• (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, . . . ) (unendlich)
Bemerkung: Eine (unendliche) Folge kann man auch als Funktion von N0 nach R auffassen.
f : N 7→ R
oder kurz
n → a(n) = an
Schreibweise
7
(an )∞
n=0
2
• Endliche Folgen: (an )nn=n
= (an1 , an1 +1 , . . . , an−1 , an , an+1 , . . . , an2 )
1
• Unendliche Folgen: (an )∞
n=n1 = (an1 , an1 +1 , an1 +2 , an1 +3 , . . . )
• Es sind auch Folgen der Form (· · · , a−4 , a−3 , a−2 , a−1 , a0 , a1 , a2 , a3 , a4 , · · · ) möglich.
• Alternative Schreibweise: (an )n∈I wobei die Indexmenge I eine Teilmenge der natürlichen
bzw. ganzen Zahlen ist
(häufig I = N oder I = N0 )
• Die (reelle) Zahl an heißt Folgenglied zum Index n oder n-tes Folgenglied. n in (an )n∈I
wird als Laufindex bezeichnet
Beispiele:
• (an )5n=1 = (a1 , a2 , a3 , a4 , a5 )
• Der Kurswert einer Aktie am n-ten Tag seit dem Beginn der Aufzeichnung
• (bn )7n=4 = (b4 , b5 , b6 , b7 )
• (cn )∞
n=1 = (c1 , c2 , c3 , c4 , . . . )
• (dn )n∈{1,4,8} = (d1 , d4 , d8 )
• Anzahl der Bewohner der Häuser einer Straße (n entspricht der Hausnummer):
h1 = 23, h2 = 5, h3 = 0, h4 = 41, ..., h123 = 17
(hn )123
n=1 = (23, 5, 0, 41, ..., 17)
Darstellungsformen:
• Direkte Angabe der einzelnen Folgenglieder (z.B. Werte einer Mess-”Reihe”). Dies ist
nur bei endlichen Folgen möglich.
8
• Explizite Darstellung
an kann für jeden Index n ∈ I “unmittelbar” berechnet werden.
Beispiele
1. an =
1
n
⇒ (an )n∈N =
1
n n∈N
= 1, 12 , 13 , 14 , . . .
2. an = 1 − 3n ⇒ (an )n∈N = (1 − 3n)n∈N = (−2, −5, −8, −11, . . . )
• Rekursive Darstellung
an wird nicht direkt, sondern anhand der vorherigen Folgenglieder (mittels Rekursionsformel ) berechnet.
Beispiel: Fibonacci-Folge: a0 = 1, a1 = 1 (Anfangsbedingungen); an = an−1 + an−2
(n ≥ 2) (Rekursionsformel)
Dies ergibt die Folge (ai )∞
i=0 = (1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, · · · ).
Unterschied zwischen Mengen und Folgen:
• Mengen
– Die Abfolge der Elemente der Menge ist irrelevant.
– Die Elemente müssen unterscheidbar sein.
– Beispiel: {1, 2, 3, 4, 5} = {3, 2, 5, 4, 1}
• Folgen
– Die Abfolge der Folgenglieder ist wichtig.
– Idente Folgenglieder können beliebig oft vorkommen.
– Beispiel: (1, 2, 2, 4, 3, 5) 6= (1, 2, 3, 4, 5, 2)
9
2.1.2
Arithmetische und geometrische Folgen:
arithmetische Folgen
Definition 1a
Eine Folge (an )∞
n=0 heißt arithmetisch, falls die Differenz aufeinanderfolgender Glieder konstant (d.h. unabhängig von n) ist.
an+1 − an = d
d ist konstante Zahl
Definition 1b
Eine Folge (an )∞
n=0 heißt arithmetisch, falls es Konstanten a0 , d gibt, sodass an = a0 +nd, ∀n ∈ N.
D.h. die Folgenglieder entsprechen dem Bildungsgesetz an = a0 + nd.
Behauptung: Def. 1a und 1b sind äquivalent:
” ⇐: ”
” ⇒: ”
an+1 − an = a0 + (n + 1)d − (a0 + nd) = d
an = an−1 +d = an−2 +2d = · · · = a0 + nd
|{z}
|{z}
an−2 +d
an−3 +d
Beispiele:
• Ist die Folge (2, 5, 8, 11, 14, 17, . . . ) arithmetisch?
• Die Folge (an )∞
n=0 mit an = 2 + 3n (n ≥ 0) ist arithmetisch.
• Von einer Folge (ck )∞
k=1 ist bekannt, dass die rekursive Beziehung
cj+1 = cj + d,
besteht. Ist die Folge arithmetisch?
geometrische Folgen
Definition 2a
10
∀j ∈ N
Eine Folge (bn )∞
n=0 heißt geometrisch, falls der Quotient aufeinanderfolgender Glieder konstant (d.h. unabhängig von n) ist, d.h.
bn+1 = bn · q
q ist konstante Zahl für ALLE n
Definition 2b
Eine Folge (bn )∞
n=0 heißt geometrisch, falls diese dem Bildungsgesetz
∀n ∈ N
bn = b0 q n ,
mit geeigneten Konstanten b0 , q folgt.
Behauptung: Def. 2a und 2b sind äquivalent:
bn+1
b0 q n+1
b0 q n q
=
=
=q
bn
b0 q n
b0 q n
bn = bn−1 q = bn−2 q 2 = · · · = b0 q n
|{z}
|{z}
” ⇐: ”
” ⇒: ”
bn−2 q
bn−3 q
Beispiele:
• Ist die Folge (3, 6, 12, 24, 48, 96, . . . ) geometrisch?
Die Folge bn = 3 · 2n−1 ,
n = 1, 2, 3, · · · ist geometrisch.(q = 2)
• Ist die Folge (32, 16, 8, 4, 2, 1, 1/2, . . . ) geometrisch?
n
Die Folge bn = 32 · 12 , n = 0, 1, 2, 3, · · · ist geometrisch. (q = 1/2)
• Verzinsung des Kapitals:
K0 · · · Kapital zum Zeitpunkt 0,
r · · · Zinssatz (p.a.)
Unter der Annahme konstanter Zinsen und Berücksichtigung von Zinseszinsen beträgt
das Kapital nach n Jahren
⇒ Kn = K0 (1 + r)n = K0 · q n ,
11
n = 0, 1, 2, 3, · · ·
• Sukzessive Auf- oder Abdiskontierung eines Gutes.
Beispiel: Ist die Folge
(an )∞
n=0
mit
an = (n − 1)2 − n2
eine arithmetische oder geometrische Folge oder keines von beiden?
Kriterium: Ist d = an+1 − an eine konstante Zahl ∀n ⇒ arithmetische Folge
Ist q =
an+1
an
eine konstante Zahl ∀n ⇒ geometrische Folge
Beispiel: Gibt es eine Folge, die sowohl arithmetisch als auch geometrisch ist?
2.1.3
Monotonie und Beschränktheit:
Monotonie: Eine Folge (an )∞
n=0 heißt
monoton wachsend ⇔ an+1 ≥ an , ∀n ∈ N0
streng monoton wachsend ⇔ an+1 > an , ∀n ∈ N0
konstant
⇔ an+1 = an , ∀n ∈ N0
monoton fallend ⇔ an+1 ≤ an , ∀n ∈ N0
streng monoton fallend ⇔ an+1 < an , ∀n ∈ N0
Beispiele:
• Die Folge (an )∞
n=0 mit an = 2 + 3n ist streng monoton wachsend. ( an = (2, 5, 8, 11, . . . ))
• Die Folge (an )∞
n=0 mit an = 13 − 2n ist streng monoton fallend. ( an = (13, 11, 9, 7, . . . ))
• (2, 2, 2, 2, . . . ): konstante Folge (gleichzeitig monoton wachsend und fallend)
• an =
n−1
n
⇒ · · · ⇒ (an )n∈N ist streng monoton wachsend
12
• an =
2n+5
5n+3
⇒ · · · ⇒ (an )n∈N ist streng monoton fallend
• an = (−1)n ⇒ · · · ⇒ (an )n∈N erfüllt keines der Kriterien
• an = 2n , 0 ≤ n ≤ 4,
an = 32, n ≥ 5 ist monoton wachsend aber nicht streng monoton
wachsend
Bemerkung: Im Fall von Folgen (an )n∈N0 mit strikt positiven (negativen) Gliedern, i.e.
an > 0(an < 0), ∀n ∈ N0 gilt:
monoton wachsend ⇔ an+1 /an ≥ (≤)1, ∀n ∈ N0
streng monoton wachsend ⇔ an+1 /an > (<)1, ∀n ∈ N0
konstant
⇔ an+1 /an = 1, ∀n ∈ N0
monoton fallend ⇔ an+1 /an ≤ (≥)1, ∀n ∈ N0
streng monoton fallend ⇔ an+1 /an < (>)1, ∀n ∈ N0
Beispiel: (an )n∈N =
n!
2n n∈N
⇒ · · · ⇒ (an )n∈N ist m.w.
Beschränktheit:
Eine Folge (an )n∈I heißt
• nach oben beschränkt wenn es eine Zahl Mh ∈ R gibt, sodass für alle n ∈ I gilt, dass
an ≤ M h .
• nach unten beschränkt wenn es eine Zahl Ml ∈ R gibt, sodass für alle n ∈ I gilt, dass
an ≥ M l .
• beschränkt, wenn sie nach oben und nach unten beschränkt ist., d.h. es gibt eine reelle
Zahl M , sodass |an | ≤ M, ∀n ∈ I.
Definition:
13
• Unter dem Supremum sup(an )n∈I versteht man die kleinste obere Schranke der Folge.
• Unter dem Infimum inf(an )n∈I versteht man die größte untere Schranke der Folge.
2.1.4
Konvergenz und Grenzwert
Konvergenz:
1. Eine Folge (an )n∈N heißt Nullfolge, falls für jede beliebige noch so kleine Zahl > 0
eine Zahl N () existiert, sodass
|an | < für alle n ≥ N ().
(”ab einem hinreichend großen Index N sind alle Folgenglieder beliebig nahe bei 0”)
2. Eine Folge (an )n∈N heißt konvergent gegen eine reelle Zahl a, wenn die Folge (an − a)n∈N
eine Nullfolge ist.
lim an = a
n→∞
(a · · · Grenzwert oder Limes der Folge)
3. Mathematisch exakte Definition des Grenzwertes:
a ist Limes von (an )n∈N0 , falls es für jedes (noch so kleine) ε > 0 ein N (ε) ∈ N0 gibt,
sodass für alle n ≥ N (ε) gilt: |an − a| < ε (oder kompakter: ∀ε > 0 ∃N (ε) ∈ N0 sodass
∀n ≥ N (ε) : |an − a| < ε).
(d.h. ab einem hinreichend großen Index N () liegen alle weiteren Folgeglieder beliebig
nahe zum Grenzwert a.)
Beispiele:
1. Bsp: Die harmonische Folge
1 ∞
n n=1
ist eine Nullfolge.
14
Folgenglieder werden immer kleiner, bleiben aber immer > 0. Die Folge geht “beliebig
nah” an 0, erreicht dies jedoch nie.
Beweis:
Wähle ein beliebig kleines > 0 (z.B. ein Millionstel, i.e. 0.000001)
Wir betrachten nun die Funktion f : R 7→ Z, die jeder reellen Zahl x die gr´’oßte ganze
Zahl ≤ x zuordnet, i.e.
dxe = größte ganze Zahl ≤ x
z.B. d2.77e = 2, d4.e = 4, d−2.54e = −3
Sei N () = 1 + 1. ⇒ N () > 1
Dann gilt für alle n ≥ N () :
1 1
1
|an | = = ≤
<
n
n
N ()
2. Weitere Nullfolgen
• an =
(−1)n
n
• an =
1
nα
3. an = L +
⇒ limn→∞ an = 0
mit α > 0 ⇒ limn→∞ an = 0
(−1)n
.
n
limn→∞ an = L
Divergenz
• Folgen, die nicht konvergent sind, heißen divergent.
15
• Bestimmt divergente Folgen: Falls die Folgenglieder systematisch jede Schranke
überschreiten (bzw. unterschreiten). Man schreibt limn→∞ an = ∞ (bzw. limn→∞ an =
−∞).
• Unbestimmt divergente Folgen: Divergente Folgen, die weder gegen +∞ noch gegen
−∞ streben.
Beispiele für divergente Folgen:
n ∞
• Die Folge (an )∞
n=0 = ((−1) )n=0 = (1, −1, 1, −1, 1, · · · ) ist unbestimmt divergent.
• Der Limes der Folge an = nα mit α ∈ R, α > 0 ist ∞; i.e. ⇒ limn→∞ nα = ∞
• Die Folge (bn ) mit bn = (−1)n +1/n, n ∈ N ist unbestimmt divergent. Die Häufungspunkte
dieser Folge sind {−1, 1}.
16
Eigenschaften und Rechenregeln:
• Jede konvergente Folge (an )∞
n=0 ist beschränkt
wähle z.B. = 1.
Konvergenz ⇒ ∃N sodass |an − a| < 1 bzw. a − 1 < an < a + 1 ∀n ≥ N.
Weiters gilt:
min{a0 , a1 , a2 , · · · aN −1 } ≤ ai ≤ max{a0 , a1 , a2 , · · · aN −1 },
|
|
{z
}
{z
}
endlich viele
endlich viele
i = 0, 1, · · · N − 1
⇒ min{a0 , a1 , · · · aN −1 , a − 1} ≤ ai ≤ max{a0 , a1 , · · · aN −1 , a + 1},
∀i ∈ N.
• Die Summe zweier konvergenter Folgen ist konvergent und es gilt
lim (an + bn ) = ( lim an ) + ( lim bn )
n→∞
n→∞
n→∞
Sei limn→∞ an = a und limn→∞ bn = b. Sei > 0.
⇒ ∃N1 sodass |an − a| <
⇒
2
∀n ≥ N1
∃N2 sodass |bn − b| <
2
∀n ≥ N2
|an + bn − (a + b)| = |an − a + bn − b| ≤
≤ |an − a| + |bn − b| < ∀n ≥ max{N1 , N2 }
• Das Produkt einer Nullfolge mit einer beschränkten Folge ist eine Nullfolge
beschränkte Folge (bn )∞
n=0 , i.e. |bn | < C,
∀n ∈ N.
Nullfolge (an )∞
n=0 , i.e. für beliebiges > 0 ∃N, sodass |an | <
C
⇒ |an bn | = |an ||bn | < C|an | < ∀n ∈ N.
17
∀n > N.
• Das Produkt zweier konvergenter Folgen ist konvergent und es gilt
lim (an bn ) = ( lim an )( lim bn )
n→∞
n→∞
n→∞
Sei limn→∞ an = a und limn→∞ bn = b, sowie > 0.
⇒ Die Folge (an )∞
n=0 ist beschränkt, i.e.|an | < C
⇒ ∃N1 sodass |an − a| <
2(|b| + 1)
∀n ≥ N1
∀n ∈ N.
∃N2 sodass |bn − b| <
2C
∀n ≥ N2
|an bn − ab| = |an bn − an b + an b − ab| ≤
≤ |an bn − an b| + |an b − ab| ≤
≤ |an ||bn − b| + |b||an − a| <
< C |bn − b| +|b| |an − a| < ∀n ≥ max{N1 , N2 }
| {z }
| {z }
< 2C
< 2(|b|+1)
• Konvergiert eine Folge gegen einen Grenzwert ungleich 0, so konvergiert auch
die Folge der Kehrwerte und es gilt:
1
1
=
n→∞ an
limn→∞ an
lim
Sei oBdA lim an = a > 0.
Es existiert ein N1 sodass
a
2
< an
∀n ≥ N1
a2 sowie ein N2 sodass |an − a| < 2 ∀n ≥ N2 .
1
a − an 2
1
− =
an a aan < a2 |an − a| < ∀n ≥ max{N1 , N2 }
18
Einschachtelungsprinzip:
Gilt an ≤ bn ≤ cn für alle n ∈ N und limn→∞ an = limn→∞ cn = L, so gilt auch limn→∞ bn = L.
Beispiel: Sei bn = sin( n1 ). Zeigen wir dass limn→∞ bn = 0.
Sei an = 0 und cn = n1 , für alle n ∈ N. Dann gilt:
1
1
0 ≤ sin( ) ≤ ,
n
n
∀n ∈ N
und nachdem limn→∞ an = limn→∞ cn = 0, es folgt limn→∞ bn = 0.
Proposition:
• Eine Folge, die monoton wachsend und nach oben beschränkt ist, ist konvergent.
• Analog gilt: Eine Folge, die monoton fallend und nach unten beschränkt ist, ist konvergent.
Folgerung: Sei (an )n∈N eine monotone Folge (monoton wachsend oder monoton fallend).
Dann gilt:
(an )n∈N ist konvergent ⇔ (an )n∈N ist beschränkt.
Bemerkung: Das heißt nicht, dass konvergente Folgen monoton sein müssen.
Anwendungen:
1.
lim 1 + n2 − n272 + n23
1 + n2 − n272 + n23
n3 + 2n2 − 27n + 2
=
lim
=
= lim
n→∞
n→∞
4n3 + 8n − 2
4 + n82 − n23
lim 4 + n82 − n23
=
2.
lim 1 + lim n2 − lim n272 + lim n23
1
=
8
2
4
lim 4 + lim n2 − lim n3
12
5
2
2
12
5
−
+
lim
−
+
2n3 − 12n2 + 5
2
4
2
4
n
n
n n
lim
=
= lim n n2
=
2
2
n→∞ 4n4 + 2n2 − 2
n→∞ 4 + 2 − 24
−
lim
4
+
n
n
n2
n4
19
lim n2 − lim n122 + lim n54
0
=
=0
2
2 =
4
lim 4 + lim n2 − lim n4
3.
lim n + n32 − n13
n + n32 − n13
n4 + 3n − 1
=
=
lim
= lim
n→∞ 2n3 + n2 − 2
n→∞ 2 + 1 − 23
lim 2 + n1 − n23
n
n
lim n + lim n32 − lim n13
⇒ unbeschränkt, divergent
=
lim 2 + lim n1 − lim n23
4.
lim
√
n→∞
n2 + 4n + 2 −
2+
= lim q
n→∞
1+
4
n
+
2
n2
+
√
(n2 + 4n + 2) − (n2 + 2n − 1)
√
n2 + 2n − 1 = lim √
=
n→∞
n2 + 4n + 2 + n2 + 2n − 1
3
n
q
1+
a−b=
2
n
−
1
n2
=q
lim(1 +
4
n
lim(2 + n3 )
q
2
+ n2 ) + lim(1 +
(a − b)(a + b)
a2 − b 2
=
a+b
a+b
20
2
n
−
=1
1
)
n2
2.2
Reihen
Gegeben sei eine Folge (aj )∞
j=1 .
Dann können folgende Partialsummen gebildet werden:
s1 = a1
s2 = a1 + a2
s3 = a1 + a2 + a3
.. .. ..
. . .
sk = a1 + a2 + · · · + ak
Definition:
Die Folge (sk )∞
k=1 = (a1 , a1 + a2 , a1 + a2 + a3 , · · · ) heißt Reihe mit Gliedern an .
Beispiele:
• Schüler bekommen die Aufgabe, die natürlichen Zahlen zwischen 1 bis 100 aufzusummieren. Wie kann dies leicht berechnet werden?
100
X
i =?
i=1
Die Folge
(ai )100
i=1
mit ai = i bildet eine arithmetische Folge.
• Schachbrettbeispiel: Angenommen, man legt auf das erste Feld eines Schachbretts ein
Korn, auf das zweite Feld das doppelte, also zwei, auf das dritte wiederum die doppelte
Menge, also vier und so weiter.
Wieviele Körner liegen insgesamt auf dem Schachbrett? Die Anzahl der Körner entsprechen
einer geometrischen Folge, i.e.
Ki = 2i−1 ,
21
i = 1, 2, · · · 64
d.h. wir suchen
64
X
Ki =
2i−1
i=1
i=1
2.2.1
64
X
Summenformeln
Sei (an )∞
n=0 eine arithmetische Folge, n, m ∈ N, m ≥ n. Dann gilt:
Anzahl der 1.Glied letztes Glied
Summanden
z}|{
z
}|
{ ( z}|{
an +
am
)
ai = (m − n + 1)
2
i=n
m
X
formaler Beweis (vollständige Induktion)
oBdA:n = 0
A(m) :
m
X
ai = (m + 1)
i=0
1. A(0) ist wahr, da
2. A(m) :
Pm
i=0
P0
i=0
(a0 + am )
2
0)
ai = a0 = (0 + 1) (a0 +a
2
m)
ai = (m + 1) (a0 +a
2
3. A(m + 1) :
Pm+1
i=0
ai =
Pm
i=0
m)
+ am+1 =
ai + am+1 = (m + 1) (a0 +a
2
=
1
[(m
2
+ 1)a0 + (m + 1)am + 2am+1 )] =
=
1
[(m
2
m+1
z
}|
{ z }|
{
+ 1)a0 + (m + 1)am + a0 + (m + 1)d + am + d] =
=am+1
=a
=(m+2)am+1
}|
{
z
= 12 [(m + 2)a0 + (m + 2)am + (m + 2)d) =
(m+2)
(a0
2
anschaulicher Beweis:
=a +a
n
z
}| m
{
an + an+1 + · · · an+k + · · · + am−k + · · · + am−1 +am
|
{z
}
=an +am
22
+ am+1 )
(an+k + am−k = a0 + (n + k)d + a0 + (m − k)d = a0 + nd + a0 + md= an + am )
Generell (bei beliebigen Folgen) ändert sich die Summe nicht, wenn sowohl an+k als auch
am−k durch den Mittelwert
an+k +am−k
2
ersetzt werden. Da bei arithmetischen Folgen an+k +
am−k = an + am gilt, ändert sich die Summe nicht, wenn jedes ai in der Summe durch
an +am
2
ersetzt wird. Die Summe ist daher gleich der Anzahl der Summanden multipliziert mit dem
Mittelwert des ersten und des letzten Gliedes.
Sei (bn )∞
n=0 eine geometrische Folge mit q 6= 1, n, m ∈ N, m ≥ n. Dann gilt:
Anzahl der
Summanden
z
}|
{
1.Glied
m
X
z}|{ 1 − q (m − n + 1)
bi = bn
1−q
i=n
Beweis:
S :=
Pm
i=n bi
= bn + bn q + bn q 2 + · · · + bn q m−n
Sq
= bn q + bn q 2 + bn q 3 + · · · + bn q m−n+1
S − Sq
= bn − bn q m−n+1
q 6= 1
⇒ S = bn 1−q1−q
m−n+1
Falls |q| < 1 :
∞
X
i=n
bi = lim bn
m→∞
1 − q (m−n+1)
bn
=
1−q
1−q
Beispiele:
• Summe aller natürlichen Zahlen von 1 bis 1000
23
•
•
•
•
P200
n=3 (5
P20
n=0
P19
n=7
P10
n=0
+ 3n) = . . .
3 n
2
4·
= ...
8 n
9
= ...
2−n = . . .
Unendliche Reihen:
Für eine Folge (an )n∈N0 heißt sk :=
Pk
n=0
an die k-te Partialsumme der Folge (an )n∈N0 .
Konvergente vs. Divergente Reihe Die “unendliche Summe”
∞
X
n=0
an := lim sk =: s,
k→∞
P∞
n=0
an ist definiert als
falls dieser Limes existiert.
Existiert der Grenzwert limk→∞ sk , so heißt die Reihe konvergent (gegen s ∈ R), ansonsten
divergent.
Bemerkungen
• Konvergieren die Summanden einer Reihe nicht gegen Null, so ist diese offensichtlich
divergent.
• Für Folgen (an )n∈N0 mit limn→∞ = 0, konvergiert die zugehörige Reihe
P∞
n=0
an nicht
notwendigerweise!
• Es gibt relativ einfache Kriterien, um herauszufinden ob eine Reihe konvergiert oder nicht
(Konvergenzkriterien). Den genauen Wert zu bestimmen ist oft schwieriger.
24
Beispiele
• Die harmonische Reihe
P∞
1
n=1 n
sn =
ist divergent.
n
X
1
k=1
k
=1+
1 1
1
+ + ··· +
2 3
n
Konvergiert (sn )?
Betrachten nun die Teilfolge (s2n ):
Es gilt: (s2n ) ≥ 1 + n2 . Also ist sn unbeschränkt, und damit nicht konvergent.
• Die Reihe
P∞
1
n=1 n2
ist konvergent
2
2
Sei sn = 1 + 12 + 13 + · · · + ( n1 )2 . Beweisen Sie dass (sn )n∈N konvergiert.
Die Folge ist streng monoton wachsend. Zeigen wir noch dass (sn )n∈N von oben beschränkt
ist.
Es gilt
2
2 2
1
1
1
1 1 1 1
1
1
+
+ ··· +
≤ 1 + × + × + ··· +
sn = 1 +
× =
2
3
n
1 2 2 3
n−1 n
1+
1 1
−
1 2
+
1 1
−
2 3
+ ··· +
Es gilt limn→∞ an = π6 .
25
1
1
−
n−1 n
=2−
1
≤2
n
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