VORKURS MATHEMATIK FÜR INGENIEURE PD DR. SWANHILD BERNSTEIN, TU BERGAKADEMIE FREIBERG, WINTERSEMESTER 2007/08 Inhaltsverzeichnis 1. Mengen 2 1.1. Mengenrelationen und -operationen 2 1.2. Zahlenbereiche 4 1.3. Intervalle 4 1.4. Rechenregeln in 1.5. Betr age 2. 4 R 5 Polynomdivision 5 2.1. Umformen von Br uchen 5 2.2. Polynomdivision 7 3. L osen von Gleichungen 7 3.1. Einfache Umformungen 3.2. Was man nicht tun sollte 8 3.3. Quadratische Gleichungen 9 4. 8 Ungleichungen 15 4.1. Einfache Ungleichungen 15 4.2. Ungleichungen mit dem Absolutbetrag 16 4.3. Systeme von Ungleichungen mit einer Unbekannten 19 5. 5.1. 5.2. 6. 6.1. 6.2. 7. Ungleichungen in 2 Ver anderlichen 20 Gleichungen 20 Ungleichungen 21 Funktionen 22 Potenzen und Wurzeln 24 Exponential- und Logarithmusfunktion 27 Goniometrie 30 7.1. Sinusfunktion 30 7.2. N utzliche Formeln 32 7.3. Weitere trigonometrische Funktionen 32 7.4. Zusammenfassung: trigonometrische Funktionen 33 7.5. Erg anzung, Additionstheoreme f ur Sinus und Cosinus 34 1 SWANHILD BERNSTEIN 2 1. Mengen Was sind Mengen? Wir alle haben eine gewisse Vorstellung was Mengen sind. Eine mathematische Denition lautet wie folgt: Unter einer Menge versteht man die Zusammenfassung bestimmter, wohl unterschiedener Objekte unserer Anschauung oder unseres Denkens mit gemeinsamen Eigenschaften zu einer Gesamtheit. Definition 1. Mengen werden gern grasch als Kleckse\ (Venn-Diagramme) veranschaulicht. " Man kann Mengen durch das Aufzahlen bzw. die Angabe ihrer Elemente M = {1, 2, ◦} oder auch durch die Angabe der Eigenschaft(en) ihrer Elemente B = {r ∈ R : r < 0}, B ist die Menge aller reellen Zahlen r, die kleiner als Null sind.\ " beschreiben. Falls m eine Element der Menge M ist, so schreibt man m ∈ M, ist dagegen n kein Element von M, so schreibt man n 6∈ M. Die leere Menge, ist die Menge, die keine Elemente enthalt. Sie wird mit ∅ bezeichnet. 1.1. Mengenrelationen und -operationen. Die wichtigsten Relationen (Beziehungen) zwischen Mengen sind die Gleichheit und das Enthaltensein. Zwei Mengen A und B heien gleich (A = B ), wenn jedes Element der Menge A auch Element der Menge B ist und umgekehrt. Die Menge A heit Teilmenge (Untermenge) einer Menge B bzw. A ist in der Menge B enthalten (A ⊆ B ), wenn jedes Element von A auch Element von B ist. Eine Menge A heit echte Teilmenge der Menge B (A ⊂ B ) wenn es wenigstens ein Element von B gibt, das nicht zu A gehort. Definition 2. Die wichtigsten Operationen mit Mengen sind die Vereinigung, der Durchschnitt und die Dierenz : INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR Definition 3. Unter der Vereinigung M zweier Mengen A und B (A vereinigt mit B ) versteht man die Menge aller Elemente, die wenigstens einer der beiden Mengen A und B angehoren: oder x ∈ B}. Unter dem Durchschnitt M zweier Mengen A und B (A geschnitten mit B ) versteht man die Menge aller Elemente, die zugleich beiden Mengen A und B angeh oren: M = A ∩ B := {x : x ∈ A und x ∈ B}. Unter der Dierenz M zweier Mengen A und B (Dierenz(menge) von A und B ) versteht man die Menge aller Elemente, die zu A, aber nicht zu B gehoren: M = A\B := {x : x ∈ A und x 6∈ B}. Unter dem kartesischen Produkt M zweier Mengen A und B versteht man die Menge aller geordneten Paare (a, b) mit a ∈ A und b ∈ B : M = A × B = {(a, b) : a ∈ A und b ∈ B}. M = A ∪ B := {x : x ∈ A A\B A∩B B\A 3 SWANHILD BERNSTEIN 4 1.2. Zahlenbereiche. Wir bezeichnen die Zahlenbereiche wie folgt N = {1, 2, 3, . . .} Menge der naturlichen Zahlen, Z = {. . . − 2, −1, 0, 1, 2, 3, . . .} = {z : z ∈ N oder − z ∈ N oder z = 0} Menge der ganzen Zahlen, z Q = {q : q = , z ∈ Z, n ∈ N} n = {q : q ist eine endliche oder unendliche periodische Dezimalzahl} Menge der rationalen Zahlen, R = {r : r ist eine endliche oder unendliche Dezimalzahl Menge der reellen Zahlen. Die Menge der reellen Zahlen besteht aus den rationalen Zahlen Q und den irrationalen Zahlen R\Q. Von Bedeutung sind auerdem die folgenden Spezialfalle: N0 = {0, 1, 2, 3, . . .} = {0} ∪ N, R+ = {r ∈ R : r > 0}, R+ 0 = {r ∈ R : r ≥ 0}. 1.3. Intervalle. Intervalle sind Teilmengen der reellen Zahlen R : (a, b) [a, b) (a, b] [a, b] = ]a, b[ = {x ∈ R : a < x < b} oenes Intervall, = [a, b[ = {x ∈ R : a ≤ x < b} halboenes Intervall, = ]a, b] = {x ∈ R : a < x ≤ b} halboenes Intervall, = {x ∈ R : a ≤ x ≤ b} abgeschlossenes Intervall. 1.4. Rechenregeln in R. Fur beliebige reellen Zahlen a, b, c ∈ R gilt (a + b) + c = a + (b + c) Assoziativitat der Addition a+0=a a + (−a) = 0 a+b=b+a (a · b) · c = a · (b · c) a·b=b·a a · (b + c) = a · b + a · c a · 1 = a. Kommutativitat der Addition Assoziativitat der Multiplikation Kommutativitat der Multiplikation Distributivgesetz INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 5 Fur alle reellen Zahlen a ∈ R mit a 6= 0 gilt: a · a−1 = a · 1 = 1. a 1.5. Beträge. Definition 4. Zu a ∈ R heit ( a, −a, |a| := falls a ≥ 0, falls a < 0, der Betrag von a. Geometrisch bedeutet |a − b| den (nichtnegativen) Abstand der reellen Zahlen a, b auf der Zahlengeraden. Eigenschaften: (1) (2) (3) (4) |a| ≥ 0, f ur alle a ∈ R, |a| = 0 genau dann, wenn a = 0 ist, |ab| = |a| |b|, f ur alle reellen Zahlen a, b |a + b| ≤ |a| + |b| (Dreiecksungleichung). 2. Polynomdivision 2.1. Umformen von Brüchen. Bruche sind Ausdrucke der Gestalt ab mit i. Allg. reellen Zahlen a, b ∈ R und b 6= 0. Die Division durch Null ist nicht erklärt! Oensichtlich ist a : b = ab . Man kann Bruche bilden, deren Zahler oder Nenner wiederum Bruche sind: a b c a b (b, c 6= 0), c (b, c 6= 0), Rechenregel fur Doppelbruche: a b c d = a b c d , (b, c, d 6= 0). a·d . b·c Beweis: Anwenden von Potenzgesetzen: a b c d = a · 1b a b−1 ad = = a b−1 (c d−1 )−1 = a b−1 c−1 d = ad(bc)−1 = . 1 −1 cd bc c· d • Bei Mehrfachbruchen muss der Hauptbruchstrich klar erkennbar sein, denn es ist i. Allg. a a b c 6= b c (b, c 6= 0), SWANHILD BERNSTEIN 6 zum Beispiel ist 2 1 = 2·4 = 4 a , b 6= 0, b 8 aber 2 1 4 = 2 = 0, 5 4 !! Man kann jeden Bruch mit einer reellen Zahl c 6= 0 erweitern, d.h. Zahler und Nenner werden mit c multipliziert, bzw. kurzen, d.h. Zahler und Nenner werden durch c dividiert, ohne seinen Wert zu verandern: ac a = , b bc b, c 6= 0. Man beachte, dass man nur Faktoren aber keine Summanden kurzen kann. Denn: Differenzen und Summen kürzen nur die Dummen! Das Erweitern wendet man an, um mehrere Bruche auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Denn man kann nur Bruche mit gleichem Nenner addieren oder subtrahieren: a c ad cb ad + cb + = + = , b d bd db db b, d 6= 0. Beispiele: 2 3 2·2 3·3 4+9 13 + = + = = , 3 2 6√ √ 6 6 6 √ 1 1 2+1 3 2· 2 2+ √ = √ +√ = √ =√ , 2 2 2 2 2 Fur a, b 6= 0 ist: 25ab − 40b2 27a2 b − 63ab2 (25ab − 40b2 )9a −5(27a2 b − 63ab2 ) + = + −5b 9ab −5b · 9a −5 · 9ab 2 2 2 (25ab − 40b )9a + (−5(27a b − 63ab )) = −45ab 2 25 · 9a b − 9 · 40ab2 − 5 · 27a2 b + 5 · 63ab2 = −45ab 2 (25 · 9 − 5 · 27)a b + (5 · 63 − 9 · 40)ab2 5 · 9(5 − 3)a2 b + 5 · 9(7 − 8)ab2 = = −45ab −45ab 2 2 90a b − 45ab 45ab(2a − b) 2a − b = = = = b − 2a. −45ab −45ab (−1) Man konnte aber auch anders vorgehen: 25ab − 40b2 5b(5a − 8b) 27a2 b − 63ab2 9ab(3a − 7b) = = −5a + 8b und = = 3a − 7b −5b −5b 9ab 9ab 25ab − 40b2 27a2 b − 63ab2 und damit + = −5a + 8b + 3a − 7b = b − 2a. −5b 9ab INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 7 2.2. Polynomdivision. Manchmal ist aber gar nicht klar, ob man den Nenner ausklammern kann oder nicht. Hier hilft die Polynomdivision. Die Polynomdivision wird wie schriftliches Dividieren durchgefuhrt: Beispiele: Ist a3 − b3 durch a − b fur a − b 6= 0 teilbar? (a3 − b3 ) : (a − b) = a2 + ab + b2 a3 − a2 b a2 b − b 3 a2 b − ab2 ab2 − b3 ab2 − b3 0 Ja, es ist (a3 − b3 ) : (a − b) = a2 + ab + b2 . Ist 35a2 + 24ab − 15ac + 4b2 − 6bc durch 5a + 2b fur 5a + 2b 6= 0 teilbar? (35a2 + 24ab −15ac +4b2 −6bc) : (5a +2b) = 7a + 2b − 3c. 2 35a + 14ab 10ab − 15ac 10ab + 4b2 2 2 |−4b − 15ac {z+ 4b − 6bc} = −15ac − 6bc −15ac − 6bc 0 Ja, es ist (35a2 + 24ab − 15ac + 4b2 − 6bc) : (5a + 2b) = 7a + 2b − 3c. Ist 2x2 + 8xy + 6y 2 durch x2 + 4xy + 4y 2 teilbar? (2x2 + 8xy + 6y 2 ) : (x2 + 4xy + 4y 2 ) = 2 2x2 + 8xy + 8y 2 −2y 2 Nein, da bei der Division der Rest −2y 2 ubrigbleibt, es gilt: (2x2 + 8xy + 6y 2 ) : (x2 + 4xy + 4y 2 ) = 2x2 + 8xy + 6y 2 2y 2 = 2 − . x2 + 4xy + 4y 2 x2 + 4xy + 4y 2 3. L osen von Gleichungen Grundsatz: Auf beiden Seiten der Gleichung dasselbe tun.“ ” 8 SWANHILD BERNSTEIN 3.1. Einfache Umformungen. Beispiel: 1 x 3 x + 1 = 23 +3 =2 3 = −1 x 3 = −x −3 = x. | ·3 | −3 | ·x (x 6= 0) | ·(−1) Man beachte, dass die erste Gleichung nur fur x 6= 0 deniert ist. Alle angegeben Umformungen sind aquivalent, d.h. die Losungsmenge wird durch die Umformung nicht verandert. Achtung! Durch das Ausf uhren nicht denierter Operationen (Division durch Null, Wurzeln aus negativen Zahlen ziehen, Logarithmieren negativer Zahlen) entstehen unsinnige Ergebnisse, obwohl das nicht unbedingt sichtbar sein muss! 3.2. Was man nicht tun sollte. Beispiel: a a2 a2 − b 2 (a + b)(a − b) a+b a = = = = = = b ab ab − b2 b(a − b) b 0 | ·a | −b2 |: (a − b) | −b Das Ergebnis ist unsinnig! Der Fehler wird in der 4. Zeile begangen, wo durch Null dividiert wird, da a − b = 0 fur a = b (Ausgangssituation) gilt! Beispiel: √ x = −3 | Quadrieren x = 9 √ Oensichtlich ist das Ergebnis falsch, da 9 = 3 6= −3 ist. Der Fehler entsteht √ √ dadurch, dass die Ausgangsgleichung x = −3 gar keine Losung besitzt, da x immer eine nichtnegative Zahl sein muss. Beispiel: x+1 (x + 1)2 x2 + 2x + 1 x2 + 2x − 2 √ = 3 | Quadrieren = 3 = 3 | −3 = 0 Die entstandene quadratische Gleichung wird nun gelost, man erhalt: √ √ x1,2 = −1 ± 1 + 2 = −1 ± 3. √ √ Oensichtlich erf u llt x1 = −1 + 3 die Ausganggleichung, x2 = −1 − 3 aber nicht, √ √ √ da −1 − 3 + 1 = − 3 6= 3 ist. INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 9 Die √ Ursache liegt darin, dass beim Quadrieren die Losungsmenge verapndert wird, √ 2 2 da ( 3) = (− 3) = 3 ist. Die Gleichung (x + 1)2 = 3 ist namlich zu (x + 1)2 = √ |x + 1| = 3 aquivalent. Bemerkung: Obwohl es den Anschein hat, dass das Quadrieren zur Bestimmung von Losungen ungeeignet ist, kommt man doch in vielen Fallen nicht umhin zu quadrieren, um die Losung zu erhalten. Man muss sich aber in so einem Fall ganz besonders uberlegen, was passieren kann und sollte auf alle Falle eine Probe machen. 3.3. Quadratische Gleichungen. Hier benotigt man die binomischen Formeln : (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 , (a − b)2 = a2 − 2ab + b2 , a2 − b2 = (a + b)(a − b). 3.3.1. Wurzelziehen. √ 2 b ist und erhalt die beiden Man benutzt, dass a = b ≥ 0 a quivalent zu |a| = √ √ Losungen a1 = b und a2 = − b. Beispiel: (x + 3)2 = 25 | Wurzelziehen |x + 3| = 5 Es sind jetzt 2 Falle zu unterscheiden: 1. Fall x + 3 ≥ 0, dann ist |x + 3| = x + 3 = 5 erfullt fur x = 2. 2. Fall x + 3 < 0, dann ist |x + 3| = −x − 3 = 5 ⇐⇒ −x = 8 erfullt fur x = −8. Die beiden Losungen der quadratischen Gleichung sind folglich x1 = 2 und x2 = −8. 3.3.2. Die quadratische Erganzung. Idee: Man wende die binomischen Formeln an und erhalte einen Ausdruck aus dem die Losung durch Wurzelziehen erhalten kann, d.h. 2 A A2 x + Ax + B = x + − +B 2 4 2 bzw. 2 C C2 x − Cx + D = x − − + D. 2 4 2 Beispiel: Man lose die Gleichung x2 + 6x + 1 = −4. Wir formen den Ausdruck x2 +6x+1 zunachst mit Hilfe der binomischen Formel so um, dass ein quadratischer Ausdruck entsteht: x2 + 6x + 1 = (x + 3)2 − 9 + 1 = (x + 3)2 − 8, SWANHILD BERNSTEIN 10 dies setzen wir nun in die Gleichung ein: x2 + 6x + 1 (x + 3)2 − 8 (x + 3)2 |x + 3| = −4 = −4 | +8 =4 | Wurzelziehen =2 Wir losen nun den Betrag auf und erhalten zwei Losungen: x + 3 = 2 oder −x−3=2 und damit x1 = −1 und x2 = −5. 3.3.3. Losungsformel. Mit Hilfe der quadratischen Erganzung kann man die folgende Losungsformel fur quadratische Gleichungen beweisen. Satz 1. Die quadratische Gleichung x2 + px + q = 0 mit p, q ∈ R hat fur p 2 2 p 2 2 p 2 2 − q < 0, − q = 0, − q > 0, keine reellwertige Losung, genau eine reellwertige Losung x = − p2 , q zwei reellwertige Losungen x1/2 = − p2 ± p 2 2 − q. Beweis: Wir formen zunachst x2 + px + q mittels der quadratischen Erganzung um: p 2 p 2 x + px + q = x + − + q. 2 2 2 Damit ergibt sich x2 + px + q = 0 p 2 p 2 − +q =0 x+ 2 2 p 2 p 2 x+ = −q 2 2 |+ p 2 2 −q | Wurzelziehen Ist p2 − q < 0, so gibt es keine Losung, da man die Wurzel aus einer negativen 2 reellen Zahl im Bereich der reellen Zahlen nicht ziehen kann. Ist p2 − q ≥ 0, so 2 betrachten wir zunachst den Fall p2 − q = 0, d.h. |x + p2 | = 0 ⇐⇒ x + p2 = 2 0 ⇐⇒ x = − p2 . Ist dagegen p2 − q > 0, so ergibt sich beim Wurzelziehen q 2 |x + p2 | = p 2 2 − q. Gema der Auosung des Betrags erhalten wir nun zwei INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR q q 11 p p Losungen, namlich x1 = − p2 + − q und x2 = − p2 − − q. • 2 2 Geometrische Interpretation: Dazu sind hier die Funktionen dargestellt worden: 2 2 y = x2 + 2x + 1, die eine (doppelte) reelle Nullstelle bei x = 1 besitzt, √ √ y = x2 + 2x − 2, die zwei reelle Nullstellen bei x1 = −1 − 3 und x2 = −1 + 3 besitzt, y = x2 + 2x + 3, die keine reelle Nullstelle besitzt. 3.3.4. Der Satz von Vieta. Mit Hilfe des Satzes von Vieta lassen sich Losungen raten. Satz 2. Sind x1 , x2 die beiden Losungen der quadratischen Gleichung x2 + px + q = 0, so gilt x1 + x2 = −p und x1 x2 = q. Beweis: Nach der Losungformel gibt es reellwertige Losungen x1/2 nur, wenn − q ≥ 0 ist (der Fall nur einer reellwertigen Losung dabei f ur x1 = x2 mit enthalten). In diesem Fall gilt p 2 2 x1/2 p =− ± 2 r p 2 2 − q. Oensichtlich ist dann p x1 + x2 = − + 2 r p 2 2 p −q− − 2 r p 2 2 − q = −p 12 SWANHILD BERNSTEIN und ! ! r r p p 2 p 2 p x1 x2 = − + −q − − −q 2 2 2 2 p 2 p 2 − −q =q • = − 2 2 3.3.5. Kubische Gleichungen. Die Gleichung 3. Grades bzw. kubische Gleichung lautet x3 + ax2 + bx + c = 0, mit a, b, c ∈ R. Mit einem trickreichen Verfahren, dass auf Cardano zuruckgeht, kann man auch fur diese Gleichung explizite Losungsformeln angeben. Eine schone Darstellung dieser Formeln ndet man hier: http://matheplanet.com/default3.html?call=article.php?sid=483 Die kubische Gleichung hat immer mindestens eine reelle Losung, es konnen aber auch zwei (in diesem Fall ist eine der beiden reellen Losungen eine doppelte) oder maximal drei reelle Losungen sein. Geometrische Interpretation: Dazu sind hier die Funktionen dargestellt worden: y = x3 − 2x2 − 2x + 5, die nur eine reelle Nullstellen besitzt, y = x3 − 2x2 − 2x + 2, die 3 reelle Nullstellen besitzt, y = x3 − 3x − 2, die zwei reelle Nullstellen bei x = −1 (diese ist doppelt) und bei x = 2 besitzt, 3 2 y = x − 2x − 2x − 5, die nur eine reelle Nullstelle besitzt. Wir wollen uns mit der Losungsformel nicht weiter beschaftigen, was uns interessiert, ist wie man Losungen erraten kann. Dazu gehen wir davon aus, dass INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 13 c1 , c2 , c3 ∈ R beliebige reelle Zahlen sind. Dann ist (x − c1 )(x − c2 )(x − c3 ) = (x2 − (c1 + c2 )x + c1 c2 )(x − c3 ) = = x3 − (c1 + c2 + c3 )x2 + (c1 c3 + c2 c3 + c1 c2 )x − c1 c2 c3 , d.h. eine Losung der kubischen Gleichung kann als Teiler des Absolutglied c der kubischen Gleichung erraten werden. Bemerkung: Es gibt nur fur Gleichungen bis maximal 4. Grades explizite Losungsformeln. Fur Gleichungen 5. oder hoheren Grades hat bereits Galois nachgewiesen, dass es keine Losungsformeln geben kann. Beispiel: Man bestimme alle reellen Nullstellen von x3 −26x2 +167x−238. Oensichtlich ist 2 Teiler von 238, aber ist x = 2 eine Losung von x3 − 26x2 + 167x − 238 = 0? Wir uberprufen dies durch einsetzen: 23 − 26 · 22 + 167 · 2 − 238 = 8 − 104 + 334 − 238 = 0. Folglich ist x = 2 eine Nullstelle von x3 − 26x2 + 167x − 238. Die ubrigen Nullstellen werden nun durch abdividieren (Polynomdivision) des Terms x − 2 bestimmt: (x3 − 26x2 +167x −238) : (x − 2) = x2 − 24x + 119 x3 − 2x2 −24x2 + 167x −24x2 + 48x 119x − 238 119x − 238 0 Wir haben folglich x3 − 26x2 + 167x − 238 = (x − 2)(x2 − 24x + 119) Die anderen Nullstellen bestimmen wir nun aus der Losungformel fur die quadratische Gleichung bzw. durch quadratisches Erganzen: x2 − 24x + 119 (x − 12)2 − 144 + 119 (x − 12)2 − 25 (x − 12)2 |x − 12| = = = = = 0 0 0 | +25 25 | Wurzelziehen 5 und wir erhalten die beiden Losungen x = 17 und x = 7. Wie man leicht nachrechnet ist (x − 7)(x − 17) = x2 − 24x + 119. Beispiel: Man bestimme alle reellen Nullstellen von x3 − 12x2 + 47x − 60. Oensichtlich ist 2 Teiler von 60, aber ist x = 2 eine Nullstelle von x3 − 12x2 + 47x − 60? 14 SWANHILD BERNSTEIN Wir uberprufen dies durch einsetzen: 23 − 12 · 22 + 47 · 2 − 60 = 8 − 48 + 94 − 60 = −6 6= 0! Also ist x = 2 keine Nullstelle. Versuchen wir es mit x = 3, durch einsetzen ergibt sich 33 − 12 · 32 + 47 · 3 − 60 = 27 − 108 + 141 − 60 = 0. Wir haben also eine reelle Nullstelle, namlich x = 3 gefunden. Die ubrigen Nullstellen wollen wir nun ebenfalls wieder durch Abdividieren ermitteln: (x3 − 12x2 +47x −60) : (x − 3) = x2 − 9x + 20 x3 − 3x2 −9x2 + 47x −9x2 + 27x 20x − 60 20x − 60 0 Folglich ist x3 − 12x2 + 47x − 60 = (x − 3)(x2 − 9x + 20) und wir bestimmen die beiden anderen Nullstellen durch quadratisches Erganzen: x2 − 9x + 20 2 2 x − 29 − 29 + 20 2 x − 29 − 14 2 x − 92 |x − 92 | = 0 = 0 = 0 | + 14 = 41 | Wurzelziehen = 21 Die beiden anderen Nullstellen sind damit x = 92 + 12 = 5 und x = 92 − 21 = 4. Wie man leicht nachrechnet ist x3 − 12x2 + 47x − 60 = (x − 3)(x − 4)(x − 5). Beispiel: Man bestimme alle reellen Nullstellen von x3 −5x2 +9x−45. Oensichtlich teilt 5 die 45. Ist x = 5 eine Nullstelle? Einsetzen ergibt: 53 − 5 · 52 + 9 · 5 − 45 = 0. Die erste Nullstelle ist also x = 5. Durch Abdividieren ergibt sich (x3 − 5x2 +9x − 45) : (x − 5) = x2 + 9 x3 − 5x2 9x − 45 9x − 45 0 D.h. x3 − 5x2 + 9x − 45 = (x − 5)(x2 + 9), da nun aber x2 + 9 = 0 keine reellwertigen Losungen besitzt, ist x = 5 die einzige reellwertige Nullstelle. INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 15 4. Ungleichungen 4.1. Einfache Ungleichungen. Beispiel: −x + 5 < 9 | +x 5 < x + 9 | −9 −4 < x Man muss aber beim Umformen von Ungleichungen beachten, dass sich das Relationszeichen umkehren kann, z.B. ist −3 < −1 ⇐⇒ 1 < 3. Wird also auf beiden Seiten mit einer negativen reellen Zahl multipliziert, so dreht sich das Relationszeichen um, auerdem ist 1 1 1 1 < und a < b < 0 ⇐⇒ < . b a b a 1 1 Andererseits ist −2 < 5 ⇐⇒ − 2 < 5 . 0 < a < b ⇐⇒ Die Ursache fur diesen Sachverhalt liegt darin, dass sich das Relationszeichen bei der Anwendung einer monoton fallenden Funktion umkehrt, bei der Anwendung einer monoton steigenden Funktion jedoch nicht. Hieraus ergeben sich die folgenden Regeln, • wird auf beiden Seiten der Ungleichung eine reelle Zahl addiert oder subtrahiert, so ändert sich das Relationszeichen nicht, • wird auf beiden Seiten der Ungleichung mit einer positiven reellen Zahl multipliziert (oder dividiert), so ändert sich das Relationszeichen nicht, • wird auf beiden Seiten der Ungleichung mit einer negativen reellen Zahl mulipliziert (oder dividiert), so kehrt sich das Relationszeichen um, • die Kehrwertbildung kann auf den Fall einer zweimaligen Multipli- kation zuruckgefuhrt werden, wobei eine Fallunterscheidung durchzufuhren ist, ob der Ausdruck mit dem multipliziert wird positiv oder negativ ist. Die letzte Fall soll noch einmal erlautert werden: Beispiel: Man bestimme alle reellen x, die die Ungleichung −8 < x1 + 6 erfullen. Wir subtrahieren zunachst auf beiden Seiten der Ungleichung 6 und erhalten −14 < x1 . Da stets x1 6= 0 gilt, mussen wir eine Fallunterscheidung vornehmen: 1. Fall −14 < x1 < 0, d.h. x < 0 und die Multiplikation auf beiden Seiten mit x SWANHILD BERNSTEIN 16 ergibt nun −14x > 1, nun wird auf beiden Seiten durch −14 < 0 dividiert, d.h. wir erhalten x < − 141 . 2. Fall 0 < x1 , auch in diesem Fall ist −14 < 0 < x1 ! Hier folgt aus der Multiplikation mit x > 0 auf beiden Seiten der Ungleichung x > 0. Ergebnis: Fur alle x ∈ R mit x < − 141 oder 0 < x ist −8 < x1 + 6. Die Losungsmenge ist L= −∞, − 1 14 ∪ (0, ∞). Beispiel: Man bestimme alle reellwertigen x, die die Ungleichung (3x − 8)(x − 3) ≤ 7(x − 3) erfullen. Wir mochten auf beiden Seiten durch x − 3 dividieren, dazu mussen wir aber eine Fallunterscheidung vornehmen je nachdem welches Vorzeichen x − 3 hat. 1. Fall: x − 3 > 0 ⇐⇒ x > 3 ergibt die Division durch x − 3 auf beiden Seiten der Unlgeichung 3x − 8 ≤ 7 ⇐⇒ 3x ≤ 15 ⇐⇒ x ≤ 5. D.h. wir haben eine Teillosungsmenge erhalten, namlich alle reellen x mit 3 < x ≤ 5. Nachster Fall ist 2. Fall: x − 3 = 0 ⇐⇒ x = 3, da in der Ungleichung das Gleichheitszeichen zugelassen ist, ist x = 3 ebenfalls Losung. Der letzte Fall ist 3. Fall: x − 3 < 0 ⇐⇒ x < 3, bei der Division durch x − 3 dreht sich jetzt das Relationszeichen um und wir erhalten 3x − 8 ≥ 7 ⇐⇒ 3x ≥ 15 ⇐⇒ x ≥ 5. Da x ≥ 5 der Voraussetzung x < 3 widerspricht, erhalten wir keine Losung. Folglich erfullen alle reellen x mit 3 ≤ x ≤ 5 die Ungleichung. Die Losungsmenge ist L = [3, 5]. 4.2. Ungleichungen mit dem Absolutbetrag. Ungleichungen mit Betragen fuhren zu einer Fallunterscheidung: {x ∈ R : |x| < a} = {x ∈ R : x < a und − x < a} = {x ∈ R : x < a} ∩ {x ∈ R : −x < a}, = {x ∈ R : 0 ≤ x < a} ∪ {x ∈ R : 0 ≤ −x < a}. (1) (2) bzw. {x ∈ R : |x| > a} = {x ∈ R : x > a oder − x > a} = {x ∈ R : x > a} ∪ {x ∈ R : −x > a} (3) Die entsprechenden Mengen sind hier noch einmal graphisch veranschaulicht. Als erstes der Fall |x| < a, wobei selbstverstandlich a > 0 sein muss, damit die Losungsmenge nicht leer ist. INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 17 f(x)=|x| f(x)=a { x∈IR: |x| < a } f(x) = -x f(x) = x f(x)=a f(x)=a { x∈IR: -x < a } { x∈IR: x < a } { x∈IR: 0 < -x < a } { x∈IR: 0< x < a } und zum anderen der Fall |x| > a, wobei hier, falls a ≤ 0 ist, alle reellen Zahlen Losung sind. f(x)=|x| f(x)=a {x∈IR: |x| > a} f(x) = -x f(x) = x f(x)=a { x∈IR: -x > a } f(x)=a { x∈IR: x > a } Beispiel: Man lose die Betragsungleichung |x − 1| < 2x. (4) SWANHILD BERNSTEIN 18 1. Variante gema (1) und der Veranschaulichung mittels der roten Linien im Bild zum Fall |x| < a. Die Losungsmenge L setzt sich folglich aus zwei Teillosungsmengen L1 und L2 zusammen, wobei L1 die Losungsmenge von x − 1 < 2x ist, d.h. x − 1 < 2x | (−x) −1 < x und damit ist L1 = {x ∈ R : −1 < x}. Weiterhin ist L2 die Losungsmenge von −(x − 1) < 2x ist, d.h. −(x − 1) = −x + 1 < 2x | (+x) 1 < 3x |: 3 1 <x 3 und somit L2 = {x ∈ R : 13 < x}. Wir erhalten deshalb fur die Losungsmenge L der Ungleichung (4): L = L1 ∩ L2 = {x ∈ R : −1 < x} ∩ {x ∈ R : 1 3 < x} = {x ∈ R : 1 < x}. 3 2. Variante gema (2) und der Veranschaulichung mittels der gelben Linien im Bild zum Fall |x| < a. Hierfur ist zusatzlich eine Fallunterscheidung x − 1 ≥ 0 bzw. x − 1 < 0 erforderlich: Fallunterscheidung: 1. Fall: x − 1 ≥ 0 ⇐⇒ x ≥ 1 : |x − 1| = x − 1, x − 1 < 2x | (−x) −1 < x Damit erhalt man als Teillosungsmenge L1 = {x ∈ R : x ≥ 1 und − 1 < x} = {x ∈ R : x ≥ 1}. Der 2. Fall ist: x − 1 < 0 ⇐⇒ x < 1 : |x − 1| = −x + 1, −x + 1 < 2x | (+x) 1 < 3x |: 3 1 <x 3 Damit erhalt man als Teillosungsmenge L2 = {x ∈ R : x < 1 und R: 1 3 1 3 < x} = {x ∈ < x < 1}. Die Losungsmenge ist folglich: L = L1 ∪ L2 = {x ∈ R : x > 13 }. Beispiel: Man lose die Betragsungleichung 2x < |x − 1|. Dies geschieht gema (3). Die Losungsmenge L = L1 ∪ L2 mit L1 ist die Losungsmenge von 2x < x − 1 | (−x) x < −1. INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 19 Damit erhalt man als Teillosungsmenge L1 = {x ∈ R : x < −1}. und der Losungsmenge L2 von 2x < −(x − 1) = −x + 1 | (+x) 3x <1 |: 3 1 x <3 Damit erhalt man als Teillosungsmenge L2 = {x ∈ R : x < 31 }. Die Losungsmenge ist folglich: L = L1 ∪ L2 = L2 = {x ∈ R : x < 13 }. 4.3. Systeme von Ungleichungen mit einer Unbekannten. Die Losungsmenge L eines Systems von Ungleichungen ist der Durchschnitt der Losungsmenge der einzelnen Ungleichungen. Beispiel: Man bestimme alle reellen x, die das folgende Ungleichungssystem erfullen. 5 − 2x ≥ 3 − x, x2 − 5x − 6 < 0. Wir bestimmen zunachst die Losungsmenge L1 der ersten Ungleichung. 5 − 2x ≥ 3 − x | +2x 5 ≥ 3 + x | −3 2 ≥x und erhalten L1 = (−∞, 2]. Nun zur Losungsmenge L2 der zweiten Ungleichung. Den quadratischen Ausdruck spalten wir mit Hilfe der Nullstellen in ein Produkt zweier Terme um: x2 − 5x − 6 = x − 5 2 2 − 5 2 2 −6 =0 2 2 = 52 + 6 = x − 25 |x − 52 | = |+ 49 4 5 2 2 +6 | Wurzelziehen 7 2 und wir erhalten als Nullstellen x1 = 6 und x2 = −1, d.h. x2 − 5x − 6 = (x − 6)(x + 1). Das setzen wir nun die Ungleichung ein und bestimmen L2 . D.h. wir betrachten (x − 6)(x + 1) < 0. Dazu dividieren wir durch x − 6 und fuhren dazu eine Fallunterscheidung durch: 1. Fall x − 6 > 0 ⇐⇒ x > 6 ergibt x + 1 < 0 ⇐⇒ x < −1 ergibt keine Losung, da x > 6 und x < −1 nicht gleichzeitig erfullbar sind. 2. Fall x − 6 = 0 ⇐⇒ x = 6 da die Gleichheit nicht zugelassen ist, ist x = 6 keine Losung. 3. Fall x − 6 < 0 ⇐⇒ x < 6 ergibt x + 1 > 0 ⇐⇒ x > −1 und wir erhalten die (Teil)losungsmenge −1 < x < 6. Damit ist L2 = (−1, 6) 20 SWANHILD BERNSTEIN und die Losungsmenge des Ungleichungssystems ist L = L1 ∩ L2 = (−∞, 2] ∩ (−1, 6) = (−1, 2]. f(x)=x2- 5x- 6 f(x)=2-x 5. Ungleichungen in 2 Veranderlichen 5.1. Gleichungen. Die allgemeine Gestalt einer Gleichung mit zwei Veranderlichen oder Unbekannten x und y lautet ax + by = c (5) mit reellen Zahlen a, b c. Spezialfalle ergeben sich, wenn a oder b gleich Null sind. Die Gleichung (5) beschreibt eine Gerade. Die Gleichung kann fur b 6= 0 umgeformt werden zu a c y =− x+ . b b Fur x = 0 ist y = cb und die Gerade schneidet bei cb die y-Achse. Analog ist im Fall y = 0 der zugehorige x-Wert f ur a 6= 0 gleich x = ac . Folglich schneidet die Gerade die x-Achse in ac und aus geometrischen Uberlegungen folgt, dass der Anstieg der a Geraden tan α = b ist. INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR . 21 α α C a C b 5.2. Ungleichungen. Die Menge aller (x, y) mit ax + by > c liegt folglich oberhalb der Geraden ax + by = c und die Menge aller (x, y) mit ax + by < c liegt folglich unterhalb der Geraden ax + by = c. „>“ . C b α α C a „<“ Beispiel: Man bestimme alle (x, y) ∈ R2 fur die gilt | − 5x + 3y| ≥ 2. Um die Losungsmenge zu bestimmen, mussen wir zunachst wie beim Losen von Betragsungleichungen zwei Falle betrachten. Die Losungsmenge L1 ist die Menge aller (x, y) ∈ R2 f ur die gilt: 5 2 −5x + 3y ≥ 2 ⇐⇒ y ≥ x + 3 3 und die Losungsmenge L2 ist die Menge aller (x, y) ∈ R2 fur die gilt: 2 5 −(−5x + 3y) = 5x − 3y ≥ 2 ⇐⇒ y ≤ x − . 3 3 Damit ist die Losungsmenge L aller (x, y) ∈ R2 fur die gilt | − 5x + 3y| ≥ 2 gegeben durch 5 2 5 2 2 2 L = L1 ∪ L2 = (x, y) ∈ R : y ≥ x + ∪ (x, y) ∈ R : y ≤ x − . 3 3 3 3 SWANHILD BERNSTEIN 22 e ng e y Lös ung sm „≥“ x 3y≤5x-2 eife ng e hö rt n ich t zu r 3y≥5x+2 Die ser S tr „≤“ 6. Funktionen Definition 5. Seien M und N Mengen. Unter einer Funktion von M in N versteht man eine Vorschrift, die jedem Element x ∈ M genau ein Element y ∈ N zuordnet. Man schreibt: f : M → N, y = f (x). heit Denitionsbereich, N heit Werte-, oder auch Bildbereich von f. Die Menge M {(x, f (x)) : x ∈ M } ⊂ M × N heit Graph der Funktion f . Zu A ⊂ M heit f (A) := {f (a) : a ∈ A} das Bild von A unter der Funktion f ; zu B ⊂ N heit f −1 (B) := {a ∈ M : f (a) ∈ B} das Urbild von B unter der Funktion f. INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 23 y f(A) y=f(x) x A Graph der Funktion y=f(x), A Teilmenge des Definitionsbereichs, f(A) Bild von A unter f = Teilmenge des Wertebereichs. Im Zusammenhang mit Funktionen tritt haug das Problem der Losung bzw. Losbarkeit von Gleichungen auf, d.h., zu gegebenem y ∈ N wird eine Losung x ∈ M der Gleichung y = f (x) gesucht. Oder anders ausgedruckt, das Urbild von y, d.h. f −1 (y) = {x ∈ M : f (x) = y}. y B y=f(x) x f-1(B) Graph der Funktion y=f(x), B = Teilmenge des Wertebereichs, Urbild f-1(B) von B ist eineTeilmenge des Definitionsbereichs. SWANHILD BERNSTEIN 24 6.1. Potenzen und Wurzeln. Fur beliebige reelle Zahlen a, b, c ∈ R und naturliche Zahlen n ∈ N gelten die folgenden Potenzgesetze : (ab )c = a(bc) ab+c = ab ac (ab)c = ac bc 1 , falls a 6= 0 ab ab ab−c = c , falls a 6= 0 a √ 1 a n = n a, falls a ≥ 0. a−b = Der Verlauf der Potenzfunktion f (x) = xb hangt entscheidend vom Parameter b ∈ R ab. Der typische Verlauf f ur b ≥ 1 ist wie folgt: Potenzfunktion y=f(x)=xb. Exponent b=2, 4, 6. Exponent b=1, 3, 5, 7. INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 25 Der typische Verlauf fur b ≤ −1 ist wie folgt: Potenzfunktion y=f(x)=xb. Exponent b=-10, -8, -6, -4, -2. Exponent b=-9, -7, -5, -3, -1. Die n-te Wurzel, n ∈ N, aus einer reellen Zahl a, a ≥ 0, ist diejenige nichtnegative reelle Zahl b (also b ≥ 0), fur die gilt bn = a. √ Man schreibt b = a. Definition 6. n Wurzeln können nur aus nichtnegativen reellen Zahlen gezogen werden! Begrundung: (1) Fur gerade n = 2, 4, 6, . . . existiert fur a < 0 keine Wurzel b mit bn = a. (2) Fur gerade n und positives a hat die Gleichung bn = a, grundsatzlich zwei reelle Losungen. Zum Beispiel hat die Gleichung b2 = 4 die Losungen b1 = 2 und b2 = −2. Um die Rechenoperation des Wurzelziehens eindeutig zu gestalten und damit eine Wurzelfunktion denieren zu konnen, muss man sich fur eine Losung entscheiden, man gibt dabei der positiven Losung den Vorzug. (3) Fur ungerades n = 1, 3, 5, . . . und a ≥ 0 hat bn = a immer eine eindeutige nichtnegative Losung. (4) Fur ungerades n und a < 0 hat die Gleichung bn = a immer eine eindeutige negative Losung, also z.B. b3 = −8 hat die eindeutige Losung b = −2. SWANHILD BERNSTEIN 26 Man muss also fur gerades n = 2, 4, 6, . . . die Forderungen a ≥ 0, b ≥ 0 auf alle Falle stellen, da sonst die Wurzel entweder uberhaupt nicht existiert oder mehrdeutig ware. Fur ungerades n = 1, 3, 5, . . . konnte man die auf diese Forderungen verzichten. Das hat aber den Nachteil, dass man fur alle moglichen Falle verschiedene Wurzelgesetze aufstellen musste. Daher trit man√auch bei ungeradem n die oben genannten Festlegungen und schreibt z.B. −2 = − 3 8. Zur Unterscheidung: Die dritte Wurzel aus −8 ist nicht definiert, trotzdem hat die Gleichung x3 = −8 die Lösung x = −2. Man beachte auerdem, dass gilt √ ( a2 = |a| = a f ur a ≥ 0, −a f ur a < 0. Der typische Verlauf der Wurzelfunktion fur −1 < b ≤ 1 ist wie folgt: Wurzelfunktion y=f(x)=xb Exponent b=0,1, 0,25, 0,4, 0,55, 0,7, 0,85, 1,0. Exponent b=-0,9, -0,75, -0,6, -0,45, -0,3, -0,15. INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 27 6.2. Exponential- und Logarithmusfunktion. Der typische Verlauf der Exponentialfunktion ist wie folgt: Exponentialfunktion y=f(x)=aa. Exponent a=1,1, 1,3, 1,5, 1,7, 1,9. Exponent a=2,1, e, 3,1, 4,1, 5,1, 6,1, 7,1, 8,1, 9,1. Logarithmieren ist die Umkehrfunktion zum Potenzieren: bx = y ⇐⇒ x = logb y, fur alle x ∈ R, und b, y ∈ R+ . Oder in Worten: Definition 7. Unter dem Logarithmus einer positiven reellen Zahl a zu einer positiven, von Eins verschiedenen reellen Basis b versteht man diejenige reelle Zahl c, mit der die Basis b zu potenzieren ist, um a zu erhalten. Man schreibt dafur: c = logb a. SWANHILD BERNSTEIN 28 Beispiele: log2 16 = 4, da 24 = 16 ist, log10 100 = 2, da 102 = 100 ist, loge e3 = 3, da e3 = e3 ist. Dabei bezeichnet e die Eulersche Zahl, e = 2, 71828182845904523 . . . und man schreibt loge = ln . Folglich ist ln e = 1. Logarithmengesetze: Es seien x, y > 0 positive reelle Zahlen und b > 0, b 6= 1 eine reelle Zahl, dann gilt logb (x · y) = logb x + logb y, logb x = logb x − logb y, y logb xa = a logb x, f ur alle a ∈ R, logb √ n x= 1 logb x, n ∈ N. n Beweis: Diese Logarithmengesetze ergeben sich aus den Potenzgesetzen. Es sei y = ax , dann gilt: loga (y z ) = loga ((ax )z ) = loga (axz ) = xz = z loga y. Es sei y1 = ax1 und y2 = ax2 dann gilt: loga (y1 · y2 ) = loga (ax1 ax2 ) = loga (ax1 +x2 ) = x1 + x2 = loga y1 + loga y2 bzw. loga y1 y2 = loga ax 1 ax 2 = loga (ax1 −x2 ) = x1 − x2 = loga y1 − loga y2 .• Der Zusammenhang zwischen Logarithmen unterschiedlicher Basis ergibt sich wie folgt: Es seien a, b, c ∈ R+ positive reelle Zahlen mit b, c 6= 1. Dann gilt x = logb a ⇐⇒ bx = a ⇐⇒ logc bx = logc a ⇐⇒ x logc b = logc a ⇐⇒ x = Also ist logb a = logc a logc b logc a logc b (b, c 6= 1). und man braucht nur eine Logarithmusfunktion, da man alle anderen daraus berechnen kann. Im Allgemeinen nimmt man den naturlichen Logarithmus ln . Weiter ubliche Logarithmen sind lg der Logarithmus zur Basis 10 und ld der Logarithmus zur Basis 2. INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 29 Beispiel: Man forme den folgenden Ausdruck um und gebe an welche Bedingungen a, b erf ullen mussen, damit die Ausdrucke wohl deniert sind. 1 ln 2 b + a r ! √ 1 b2 1 √ − 1 − ln + ln a. 2 a 2 b − b 2 − a2 √ √ q Damit ln a wohldeniert ist, muss a > 0 sein. Damit b2 − a2 sowie ab 2 − 1 wohldeniert sind, muss b2 > a2 sein, d.h. es muss gelten b2 > a2 > 0 und a > 0. Dann ist auch b−√b12 −a2 fur b > 0 wohldeniert, da b− 2 √ √ b 2 − a2 > 0 | + b 2 − a2 √ b > b2 − a2 hieraus ergibt sich die Forderung b > 0 √ b > b2 − a2 | Quadrieren und beachten, dass b2 > a2 ist b2 > b2 − a2 | −b2 0 > −a2 , was erfullt ist, da a > 0 sein soll. Zusammengefasst ist der obige Ausdruck wohldeniert fur reelle Zahlen a, b mit b > a > 0. Nun zur Umformung: ! r √ b 1 1 b2 √ + ln + − 1 − ln a= a a2 2 b − b 2 − a2 ! r √ 1 b2 b 1 1 = ln + − 1 + ln(b − b2 − a2 ) + ln a = 2 2 a a 2 2 # " ! r √ 1 b b2 = ln + − 1 · a · (b − b2 − a2 ) = 2 a a2 i √ √ 1 h 2 2 2 2 = ln (b + b − a )(b − b − a ) = 2 √ 1 = ln[b2 − (b2 − a2 )] = ln a2 = ln |a| = ln a, 2 1 ln 2 da a > 0 ist. Beispiel: Man berechne x. Wie bereits erwahnt bezeichnet lg den Logarithmus zur Basis 10. Es ist x = p 3 1 10 2 (lg 2+lg 32) | (.)3 1 x3 = 10 2 (lg 2+lg 32) lg(x3 ) = 3 lg x = 12 (lg 2 + lg 32) = 21 lg(64) = lg √ lg x = 13 lg 8 = lg 3 8 = lg 2 x = 2. √ | lg 64 = lg 8 | · 13 | 10(.) SWANHILD BERNSTEIN 30 Der typische Verlauf der Logarithmusfunktion ist wie folgt: Logarithmusfunktion y=f(x)=loga x. Exponent a=1,1, 1,3, 1,5, 1,7, 1,9. Exponent a=2,1, e, 3,1, 4,1, 5,1, 6,1, 7,1, 8,1, 9,1. 7. Goniometrie 7.1. Sinusfunktion. Die Sinusfunktion f (x) = sin x ergibt sich aus den Beziehungen im rechtwinkligen Dreieck. ∙ a b β α c INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 31 Wir haben: a sin α = . c Oft wird statt eines Winkels die Lange des zum Winkel α gehorigen Bogenstucks = Bogenma x des Einheitskreises in die Sinusfunktion eingesetzt. Auf diese Weise ist sin x fur alle x ∈ R erklart, sie ist eine periodische Funktion mit Periodenlange T = 2π :, d.h. k ∈ Z, sin x = sin(x + 2kπ), und alle x ∈ R. Auerdem ist, sin φ0 = sin(φ0 + 2π) = sin φ1 = sin(π − φ0 ) = sin ψ0 = sin(ψ0 + 2π) = sin ψ1 . φ0 ψ0 φ1 ψ2 Die Cosinusfunktion, am rechtwinkligen Dreieck ist: b cos α = . c Wiederum nimmt an Stelle des Winkels α das Bogenma x und erhalten die Cosinusfunktion cos x fur alle x ∈ R. Die Cosinusfunktion ist auch ein 2π -periodische Funktion, d.h. cos x = cos(x + 2kπ) fur alle k ∈ Z und alle x ∈ R. cos(x). SWANHILD BERNSTEIN 32 7.2. Nützliche Formeln. Am rechtwinkligen Dreieck ergibt sich die Beziehung: sin2 α + cos2 α = 1 bzw. im Bogenma sin2 x + cos2 x = 1, x ∈ R. Spezielle Werte: φ 0 sin φ 0 cos φ 1 √ π 6 1 2 3· π 1 2 √4 2· √ 2· π 1 2 1 2 √3 3· π 2 1 2 1 2 1 0 Weitere Werte im Gradma: Winkel 0 45 90 135 180 225 270 315 360 5π 3π 7π Bogenlange 0 π4 π2 3π4 π 2π 4 2 4 Zum Umformen von Gleichungen sind die folgenden Formeln nutzlich: sin(−x) = − sin x cos(−x) = cos x sin x + π2 = cos x. ungerade Funktion, gerade Funktion, 7.3. Weitere trigonometrische Funktionen. Weiterhin gibt es die Tangensfunktion tan x = sin x . cos x Sie ist oensichtlich fur cos x = 0, also fur x = π2 + 2kπ, k ∈ Z nicht erklart, auerdem ist sie eine periodische Funktion mit der Periodenlange T = π. tan (x). Sowie die Cotangensfunktion cot x = cos x . sin x INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR 33 Sie ist oensichtlich fur sin x = 0, also fur x = 2kπ, k ∈ Z nicht erklart, auerdem ist sie eine periodische Funktion mit der Periodenlange T = π. cot (x). 7.4. Zusammenfassung: trigonometrische Funktionen. Funktion Denitionsbereich nicht deniert fur Wertebereich Periodenlange sin x R | [−1, 1] 2π cos x R | [−1, 1] 2π tan x R\{ π2 + kπ, k ∈ Z} cot x R\{kπ, k ∈ Z} π 2 + kπ, k ∈ Z R π kπ, k ∈ Z R π SWANHILD BERNSTEIN 34 7.5. Ergänzung, Additionstheoreme für Sinus und Cosinus. Skizze zu Additionstheoremen M α π/2-α α H D β α O A G Diese Skizze und die Herleitung gilt fur spitze Winkel. Alle anderen Falle lassen sich aber darauf zuruckrechnen. In der Konstruktion gibt es 4 rechtwinklige Dreiecke, namlich 4(OAM ), 4(OGD), 4(ODM ) und 4(HDM ). Dann ist sin(α + β) = AM OM im rechtwinkligen Dreieck 4(OAM ) und sin α = GD OD cos α = HM MD im 4(OGD), INGENIEURE VORKURS MATHEMATIK FUR im 4(HDM ), cos β = im 4(ODM ). Dann gilt sin(α + β) = OD OM und sin β = 35 MD OM AH + HM GD + HM GD HM AM = = = + OM OM OM OM OM HM M D GD OD · + · = sin α · cos β + cos α · sin β. OD OM M D OM Der Spezialfall α = β ergibt = sin(2α) = 2 sin α cos α. Analog erhalt man cos(α + β) = OA OG − AG OG − HD OG HD = = = − OM OM OM OM OM OG OD HD M D · − · = cos α · cos β − sin α · sin β OD OM M D OM Der Spezialfall α = β ergibt nun = cos(2α) = cos2 α − sin2 α. Diese Formeln sind auch geeignet Quadrate von Sinus bzw. Cosinus durch den Cosinus des Doppelwinkels auszudrucken. Es gilt und cos(2α) = cos2 α − sin2 α = cos2 α − (1 − cos2 α) = 2 cos2 α − 1 1 ⇐⇒ cos2 α = (1 + cos(2α)) 2 sin2 α = 1 − cos2 α = 1 − 1 1 (1 + cos(2α)) = (1 − cos(2α)) . 2 2 sin(2α) = 2 sin α cos α, cos(2α) = cos2 α − sin2 α, 1 cos2 α = (1 + cos(2α)) , 2 1 sin2 α = (1 − cos(2α)) . 2