4. Gleichgewicht und Effizienz in Wettbewerbsmärkten Georg Nöldeke Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Basel Intermediate Microeconomics, HS 12 4. Gleichgewicht und Effizienz 1/48 4.1 Marktnachfrage und aggregierte Konsumentenrente Die Marktnachfragefunktion für ein Gut ergibt sich aus der Addition individueller Nachfragefunktionen. Sei p der Preis des betrachteten Gutes und d1 (p), · · · , dn (p) die Mengen des betrachteten Gutes, welches die Konsumenten i = 1, · · · , n bei Preis p nachfragen. Die Preise anderer Güter und die Einkommen m1 , · · · , mn der Konsumenten werden als gegeben betrachtet. Die Marktnachfragefunktion für das betrachtete Gut ist dann n D(p) = ∑ di (p). i=1 Beachte: Grafisch erhält man die Marktnachfragefunktion durch “horizontale Addition” der individuellen Nachfragefunktionen. Man verfährt entsprechend, um die Nachfragefunktionen verschiedener Gruppen von Konsumenten zu addieren. 2 / 48 4.1 Marktnachfrage und aggregierte Konsumentenrente Die aggregierte Konsumentenrente ergibt sich aus der Addition individueller Konsumentenrenten. Sei kri = vi (xi ) − zi die Konsumentenrente von Konsument i. vi (xi ) ist die Zahlungsbereitschaft von Konsument i dafür xi Einheiten des betrachteten Gutes zu erhalten; zi ist die Zahlung, die er dafür leisten muss. Die aggregierte Konsumentenrente ist dann n n n KR = ∑ kri = ∑ vi (xi ) − ∑ zi . i=1 i=1 i=1 Beachte: Die aggregierte Zahlungsbereitschaft ∑ni=1 vi (xi ) hängt nicht nur von der aggregierten Menge ∑ni=1 xi sondern auch davon ab, wie diese Menge auf die Konsumenten aufgeteilt wird. Hingegen spielt die Aufteilung der aggregierten Zahlung ∑ni=1 zi keine Rolle bei Bestimmung der aggregierten Konsumentenrente. 3 / 48 4.1 Marktnachfrage und aggregierte Konsumentenrente In einem Wettbewerbsmarkt kann die aggregierte Konsumentenrente mit Hilfe der Marktnachfragefunktion bestimmt werden. Können alle Konsumenten die von ihnen jeweils zum Preis p nachgefragte Menge erwerben, sind die individuellen Konsumentenrenten kri (p) = vi (di (p)) − pdi (p) = Z ∞ di ( p̃)d p̃. p Die entsprechende aggregierte Konsumentenrente ist Z∞ n n Z ∞ KR(p) = ∑ kri (p) = ∑ di ( p̃)d p̃ = D( p̃)d p̃. i=1 i=1 p p R∞ Beachte: Die Gleichung vi (di (p)) − pdi (p) = p di ( p̃)d p̃ setzt voraus, dass es keine Einkommenseffekte gibt. 4 / 48 4.1 Marktnachfrage und aggregierte Konsumentenrente Abbildung: Aggregierte Nachfrage mit zwei Konsumenten: D(p) ist die Summe der individuellen Nachfragen d1 (p) und d2 (p). Die Fläche links von der Marktnachfragefunktion und oberhalb des Preises ist die aggregierte Konsumentenrente KR(p) in einem Wettbewerbsmarkt. 5 / 48 4.2 Marktangebot und aggregierte Produzentenrente Die Marktangebotsfunktion für ein Gut ergibt sich aus der Addition individueller Angebotsfunktionen. Sei p der Preis des betrachteten Gutes und s1 (p), · · · sm (p) die Mengen des betrachteten Gutes, welche die Unternehmen j = 1, · · · , m bei Preis p anbieten. Die Kostenfunktionen der Unternehmen und ihre Anzahl werden als gegeben betrachtet. Die Marktangebotsfunktion für das betrachtete Gut ist dann m S(p) = ∑ s j (p). j=1 Beachte: Je nachdem, ob man kurzfristige oder langfristige Kostenfunktionen betrachtet, spricht man von der kurzfristigen oder der langfristigen Marktangebotsfunktion. Das Lehrbuch verwendet eine abweichende Definition des langfristigen Marktangebots! 6 / 48 4.2 Marktangebot und aggregierte Produzentenrente Die aggregierte Produzentenrente ergibt sich aus der Addition individueller Produzentenrenten. Sei pr j = r j −VC j (y j ) die Produzentenrente von Unternehmen j. VC j (y j ) die sind variablen Kosten von Unternehmen j dafür, y j Einheiten des betrachteten Gutes zu produzieren; r j ist der Erlös, den es dafür erhält. Die aggregierte Produzentenrente ist dann m PR = m m ∑ pr j = ∑ r j − ∑ VC j (y j ) j=1 j=1 j=1 Beachte: Die aggregierten Bereitstellungskosten ∑mj=1 VC j (y j ) hängen nicht nur von der aggregierten Menge ∑mj=1 y j sondern auch davon ab, wie diese Menge auf die Unternehmen aufgeteilt wird. Hingegen spielt die Aufteilung des aggregierten Erlös ∑mj=1 r j keine Rolle bei der Bestimmung der aggregierten Produzentenrente. 7 / 48 4.2 Marktangebot und aggregierte Produzentenrente In einem Wettbewerbsmarkt kann die aggregierte Produzentenrente mit Hilfe der Marktangebotsfunktion bestimmt werden. Können alle Unternehmen die von ihnen jeweils zum Preis p angebotene Menge absetzen, sind die individuellen Produzentenrenten pr j (p) = ps j (p) −VC j (s j (p)) = Z p 0 s j ( p̃)d p̃. Die entsprechende aggregierte Produzentenrente ist Z p m m Z p PR(p) = ∑ pr j (p) = ∑ s j ( p̃)d p̃ = S( p̃)d p̃. j=1 j=1 0 0 8 / 48 4.2 Marktangebot und aggregierte Produzentenrente Abbildung: Aggregiertes Angebot mit zwei Unternehmen: S(p) ist die Summe der individuellen Angebote s1 (p) und s2 (p). Die Fläche links von der Marktangebotsfunktion und unterhalb des Preises ist die aggregierte Produzentenrente PR(p) in einem Wettbewerbsmarkt. 9 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb Betrachtet wird ein Markt für ein Gut mit Käufern i = 1, · · · , n, jeweils beschrieben durch ihre Zahlungsbereitschaft vi (x) mit vi (0) = 0, v0i (x) > 0 und v00i (x) < 0. und dazugehöriger Nachfragefunktion di (p). Verkäufern j = 1, · · · , m, jeweils beschrieben durch ihre variablen Kosten VC j (y) mit VC j (0) = 0, MC j (y) ≥ 0 und MC0j (y) > 0. und dazugehöriger Angebotsfunktion s j (p). 10 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb Eine Allokation beschreibt: Die Mengen des betrachteten Gutes, welche die einzelnen Käufer erhalten: x1 , · · · , xn . Die Zahlungen, welche die einzelnen Käufer leisten: z1 , · · · , zn . Die Mengen des betrachteten Gutes, welche die einzelen Verkäufer bereit stellen: y1 , · · · , ym . Die Zahlungen, welche die einzelnen Verkäufer erhalten: r1 , · · · , rm . Im Folgenden bezeichnen wir eine Allokation mit A = (x1 , · · · , xn ; z1 , · · · , zn ; y1 , · · · , ym ; r1 , · · · , rn ). Beachte: Die Allgemeinheit der Definition einer Allokation erlaubt es, Alternativen zu dem Modell eines Wettbewerbsmarktes zu betrachten, in denen es z.B. nicht der Fall ist, dass alle Käufer den gleichen Preis pro Einheit des betrachteten Gutes bezahlen. 11 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb In einer Allokation muss die Gesamtmenge des Gutes, welche die Käufer erhalten, mit der Gesamtmenge, welche die Verkäufer bereit stellen, übereinstimmen: n m ∑ xi = ∑ y j . i=1 j=1 Wir gehen zudem davon aus, dass in einer Allokation auch die Summe der Zahlungen, welche die Käufer leisten, und die Summe der Zahlungen, welche die Verkäufer erhalten, übereinstimmen: n m ∑ zi = ∑ r j . i=1 j=1 12 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb In einer Allokation A erhält Käufer i die Konsumentenrente kri = vi (xi ) − zi . erhält Verkäufer j die Produzentenrente pr j = r j −VC j (y j ). beträgt die aggregierte Konsumentenrente KR = ∑ni=i kri . beträgt die aggregierte Produzentenrente PR = ∑mj=1 pr j . Die Summe aus aggregierter Konsumentenrente und aggregierter Produzentenrente, die in einer Allokation resultieren, bezeichnet man als die aggregierten Handelsgewinne: HG = KR + PR. 13 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb Die aggregierten Handelsgewinne werden oftmals als Wohlfahrtsmass verwendet. Dieses Wohlfahrtsmass ignoriert die Frage der Verteilung der Handelsgewinne auf die einzelnen Marktteilnehmer: Satz Für jede Allokation gilt, dass die aggregierten Handelsgewinne der Differenz zwischen aggregierter Zahlungsbereitschaft und aggregierten Bereitstellungskosten entsprechen, d.h.: n m HG = ∑ vi (xi ) − ∑ VC j (y j ). i=1 j=1 14 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb Das Konzept einer Pareto-Verbesserung stellt im Unterschied zu dem Wohlfahrtsmass der aggregierten Handelsgewinne darauf ab, ob alle Käufer und Verkäufer duch eine Änderung der Allokation besser gestellt werden. Definition (Pareto-Verbesserung) Eine Allokation  heisst eine (strenge) Pareto-Verbesserung einer Allokation A, wenn in der Allokation  jeder Marktteilnehmer einen grösseren Handelsgewinn als in der Allokation A erzielt: ci > kri und pc kr r j > pr j gilt für alle i und j. 15 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb Definition (Pareto-Effizienz) Eine Allokation A heisst Pareto-ineffizient, wenn es zu ihr eine Pareto-Verbesserung gibt. Eine Allokation heisst Pareto-effizient, wenn es zu ihr keine Pareto-Verbesserung gibt. Pareto-ineffiziente Allokationen sind in einem offenkundigen Sinne “schlecht”. Umgekehrt gilt aber nicht, dass jede Pareto-effiziente Allokation als “wünschenswert” anzusehen ist. 16 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb Ist eine Allokation  eine Pareto-Verbesserung einer d > HG gelten. Allokation A, so muss HG d > HG, so muss  nicht unbedingt eine ParetoGilt HG Verbesserung von A sein, jedoch lässt sich durch Abänderung der Zahlungen in  – die Gewinner kompensieren die Verlierer - eine Pareto-Verbesserung erreichen. Satz Eine Allokation A ist genau dann Pareto-effizient, wenn sie die aggregierten Handelsgewinne maximiert, d.h. für alle Allokationen  gilt: d HG ≥ HG. 17 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb Frage: Wie kann man Allokationen, welche die aggregierten Handelsgewinne maximieren und somit Pareto-effizient sind, identifizieren? Welche Institutionen sind geeignet, sie zu erreichen? 18 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb Sei p∗ der Wettbewerbspreis für den betrachteten Markt, bei dem Marktangebot und Marktnachfrage übereinstimmen: D(p∗ ) = S(p∗ ). Die dazugehörige Wettbewerbsallokation A∗ ist wie folgt gegeben: xi∗ = di (p∗ ) und z∗i = p∗ di (p∗ ) für alle i. y∗j = s j (p∗ ) und r∗j = p∗ s j (p∗ ) für alle j. Die aggregierte Konsumentenrente in der Wettbewerbsallokation ist KR∗ = KR(p∗ ), die aggregierte Produzentenrente ist PR∗ = PR(p∗ ). Satz (Effizienz der Wettbewerbsallokation) Die Wettbewerbsallokation A∗ ist Pareto-effizient. 19 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb Intuition für die Effizienz der Wettbewerbsallokation: Es gibt keine Möglichkeit, durch eine bilaterale Transaktion zwischen zwei Marktteilnehmern ihre jeweiligen Handelsgewinne zu vergrössern und damit auch keine Möglichkeit zu einer Pareto-Verbesserung. Beachte: In jeder Pareto-effizienten Allokation erhalten die Käufer die Wettbewerbsmengen x1∗ , · · · , xn∗ und die Verkäufer die Wettbewerbsmengen y∗1 , · · · , y∗m . Dennoch gibt es viele Pareto-effiziente Allokationen, da die Höhe der individuellen Zahlungen keinen Einfluss darauf hat, ob eine Allokation effizient ist oder nicht. 20 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb Da die Wettbewerbsallokation A∗ Pareto-effizient ist, maximiert sie die aggregierten Handelsgewinne. Da die aggregierten Handelsgewinne HG∗ in der Wettbewerbsallokation gleich der Summe von KR(p∗ ) und PR(p∗ ) sind, können diese maximalen aggregierten Handelsgewinne mit Hilfe der Marktnachfragefunktion und Marktangebotsfunktion bestimmt werden. 21 / 48 4.3 Allokationen, Effizienz und Wettbewerb Abbildung: Aggregierte Produzentenrente PR∗ und aggregierte Konsumentenrente KR∗ in einem Wettbewerbsgleichgewicht. Die Summe von aggregierter Konsumenten- und Produzentenrente entspricht den aggregierten Handelsgewinnen HG∗ . 22 / 48 4.4 Wohlfahrtsauswirkung einer Mengensteuer Wie in Kapitel 1 der Vorlesung betrachten wir ein Wettbewerbsgleichgewicht mit Mengenbesteuerung. Wettbewerbsgleichgewicht mit Mengensteuersatz τ ist durch p∗s (τ), p∗d (τ) und die dazugehörige aggregierte Menge q∗ (τ) beschrieben. In einem solchen Gleichgewicht resultieren die aggregierte Konsumentenrente KR∗ (τ) := KR(p∗d (τ)), die aggregierte Produzentenrente PR∗ (τ) := PR(p∗s (τ)) und die Steuereinnahmen T ∗ (τ) = τ · q∗ (τ). Die aggregierten Handelsgewinne sind HG∗ (τ) = KR∗ (τ) + PR∗ (τ) + T ∗ (τ). Wieso werden die Steuereinnahmen bei den aggregierten Handelsgewinnen berücksichtigt? 23 / 48 4.4 Wohlfahrtsauswirkung einer Mengensteuer Frage Was sind die Wohlfahrtsauswirkungen einer Mengensteuer mit Satz τ > 0? Da p∗d (τ) steigend in τ ist, ist die aggregierte Konsumentenrente KR∗ (τ) um so niedriger, desto höher der Mengensteuersatz ist. Da p∗s (τ) fallend in τ ist, ist die aggregierte Produzentenrente PR∗ (τ) um so niedriger, je höher der Mengensteuersatz ist. Die Steuereinnahmen T ∗ (τ) sind für kleine τ steigend in τ und für grosse τ fallend in τ. 24 / 48 4.4 Wohlfahrtsauswirkung einer Mengensteuer Obgleich die Steuereinnahmen mit τ steigen können, ist der Gesamteffekt einer Erhöhung des Mengensteuersatzes auf die aggregierten Handelsgewinne immer negativ: Satz (Wohlfahrtsauswirkungen einer Mengensteuer) Die aggregierten Handelsgewinne HG∗ (τ) sind für τ > 0 fallend in τ. Intuition: Die aggregierten Handelsgewinne sind durch die Handelsmengen bestimmt: HG = ∑ni=1 vi (xi ) − ∑mj=1 VC j (y j ). Eine Erhöhung der Mengensteuer führt zu einer Reduktion der Handelsmengen. Da bei τ > 0 die marginale Zahlungsbereitschaften v0i (xi ) die Grenzkosten c0j (y j ) übersteigen, führt die Reduktion der Mengen zu einer Reduktion der Handelsgewinne. 25 / 48 4.4 Wohlfahrtsauswirkung einer Mengensteuer Die Veringerung der aggregierten Handelsgewinne, die aus einer Besteuerung resultieren, wird als Zusatzlast der Steuer bezeichnet. Diese Zusatzlast einer Mengensteuer lässt sich an Hand von Marktnachfrage- und Marktangebotsfunktion bestimmen. 26 / 48 4.4 Wohlfahrtsauswirkung einer Mengensteuer Abbildung: Aggregierte Produzentenrente PR∗ (τ), aggregierte Konsumentenrente KR∗ (τ) und Steuereinnahmen T ∗ (τ) in einem Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung. Die Zusatzlast der Besteuerung entspricht der Fläche des grün gefärbten Dreiecks. 27 / 48 4.4 Wohlfahrtsauswirkung einer Mengensteuer Da die aggregierten Handelsgewinne bei einer Mengensteuer mit Satz τ > 0 kleiner als in einem Wettbewerbsgleichgewicht ohne Besteuerung sind, ist die resultierende Allokation in einem Wettbewerbsgleichgewicht mit Besteuerung ineffizient. Also muss es eine Pareto-Verbesserung geben, die bei unveränderten Steuereinnahmen zu einer Vergrösserung der aggregierten Handelsgewinne führt. Eine Möglichkeit, eine solche Pareto-Verbesserung zu erreichen, besteht darin, die Mengensteuer duch eine geeignete Kopfsteuer zu ersetzen, die zu Steuereinnahmen in gleicher Höhe führt. 28 / 48 4.4 Wohlfahrtsauswirkung einer Mengensteuer Beachte: Auch eine Mengensubvention führt zu einem Wohlfahrtsverlust, der steigend in dem Subventionssatz ist. Durch die Subvention steigen die Konsumentenrenten und Produzentenrenten, aber um weniger als die Höhe der Subventionszahlungen. 29 / 48 4.5 Wohlfahrtsauswirkung anderer Markteingriffe Beispiel 1: Staat setzt einen Stützungspreis p > p∗ fest: Konsumenten fragen zu diesem Preis die Menge D(p) nach. Produzenten bieten zu diesem Preis die Menge S(p) an. Staat kauft das Überschussangebot S(p) − D(p) > 0 zum Preis p auf. Frage Was sind die Wohlfahrtsauswirkungen eines solchen Markteingriffs? Um diese Frage zu beantworten, muss man wissen, was mit dem aufgekauften Überschussangebot geschieht. Darstellung im Lehrbuch unterstellt kostenfreie Vernichtung. 30 / 48 4.5 Wohlfahrtsauswirkung anderer Markteingriffe Aggregierte Produzentenrente steigt von PR(p∗ ) auf PR(p) Agggregierte Konsumentenrente fällt von KR(p∗ ) auf KR(p). Es entstehen Staatsausgaben T = (S(p) − D(p))p. Die Summe aus aggregierter Konsumentenrente und Produzentenrente steigt auf Grund des Markteingriffs an ... aber die aggregierten Handelsgewinne fallen: KR(p∗ ) + PR(p∗ ) > KR(p) + PR(p) − T. Genauer: Die aggregierten Handelsgewinne entsprechen denjenigen aus einem Wettbewerbsgleichgewichts mit einem Mengensteuersatz τ, der so gewählt ist, dass D(p) die Gleichgewichtsmenge ist, abzüglich der Herstellungskosten der Einheiten, die vernichtet werden. 31 / 48 4.5 Wohlfahrtsauswirkung anderer Markteingriffe Abbildung: Die aggregierten Handelsgewinne bei einem Unterstützungspreis p entsprechen der rot schraffierten abzüglich der blau schraffierten Fläche. Der Verlust an aggregierten Handelsgewinnen im Vergleich zum Wettbewerbsgleichgewicht entspricht der blau schraffierten zuzüglich der grünen Fläche. 32 / 48 4.5 Wohlfahrtsauswirkung anderer Markteingriffe Beispiel 2: Der Staat setzt Ausgleichungszahlung wie folgt fest: Liegt der Marktpreis p unterhalb von p > p∗ erhalten die Produzenten pro verkaufter Einheit den Betrag p − p ausgezahlt. Produzenten bieten unabhängig vom Marktpreis die Menge S(p) an. Marktpreis p∗ ist durch die Bedingung D(p∗ ) = S(p) bestimmt. Staat zahlt S(p) · (p − p∗ ) als Subvention an die Produzenten. Bemerke: Die Konsequenzen sind identisch zu denjenigen einer Mengensubvention mit Satz −τ = p − p∗ . 33 / 48 4.6 Langfristiges Marktgleichgewicht und Marktzutritt Entsprechend zu unserer bisherigen Unterscheidung zwischen kurzer Frist und langer Frist kann man kurzfristiges und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht unterscheiden: In der kurzen Frist gibt es fixe Inputs; ein kurzfristiges Wettbewerbsgleichgewicht wird durch den Schnittpunkt der entsprechenden kurzfristigen Marktangebotsfunktion mit der Marktnachfragefunktion bestimmt. In der langen Frist sind alle Inputs variabel; das langfristige Wettbewerbsgleichgewicht wird durch den Schnittpunkt der langfristigen Marktangebotsfunktion mit der Marktnachfragefunktion bestimmt. 34 / 48 4.6 Langfristiges Marktgleichgewicht und Marktzutritt Für die komparative Statik macht es einen Unterschied, ob die kurze oder lange Frist betrachtet wird, da die langfristige Marktangebotsfunktion typischerweise elastischer als die kurzfristige Marktangebotsfunktion ist. Beispiele: Verschiebung der Marktnachfragefunktion: Auswirkung auf den Wettbewerbspreis in der langen Frist kleiner als in der kurzen Frist. Für die Wettbewerbsmenge gilt gerade das umgekehrte. Änderung eines Inputpreises: Ist der Input in der kurzen Frist fix, gibt es keine Auswirkung auf das Wettbewerbsgleichgewicht. In der langen Frist ist die komparative Statik durch die Auswirkung der Faktorpreisänderung auf die Grenzkostenkurve der Unternehmen bestimmt. 35 / 48 4.6 Langfristiges Marktgleichgewicht und Marktzutritt In der Bestimmung der langfristigen Marktangebotsfunktion sind wir davon ausgegangen, dass die Anzahl der Unternehmen, die das betrachtete Gut produzieren können, gegeben ist. Dies erscheint dann problematisch, wenn die Unternehmen in einem langfristigen Wettbewerbsgleichgewicht streng positive Gewinne erzielen. Beachte: In einem langfristigen Wettbewerbsgleichgewicht kann es nie geschehen, dass die Unternehmen Verluste erleiden. Wird die Produktion stillgelegt, resultiert ein Gewinn von Null. Frage Was hindert ein weiteres Unternehmen daran, in den Markt einzutreten, sich die zur Produktion erforderlichen Inputs zu beschaffen und ebenfalls einen streng positiven Gewinn zu erwirtschaften? 36 / 48 4.6 Langfristiges Marktgleichgewicht und Marktzutritt Mögliche Hinderungsgründe: Marktzutrittsbeschränkungen. Potentielle Marktzudringlinge verfügen nicht über die gleichen technologischen Möglichkeiten, wie die bereits im Markt etablierten Unternehmen. Potentielle Marktzudringlinge antizipieren, dass ihr Marktzutritt den Outputpreis reduzieren und/oder Inputpreise erhöhen wird – so dass sich entgegen des ersten Anscheins doch keine Gewinne in dem Markt erzielen lassen. Im Folgenden soll ein einfaches Modell des langfristigen Wettbewerbsgleichgewichts vorgestellt werden, welches bewusst von solchen Hinderungsgründen abstrahiert. Ziel eines solches Modelles mit freiem Marktzutritt ist es neben Wettbewerbspreis und Wettbewerbsmenge insbesondere auch die Anzahl der im Markt aktiven Unternehmen zu erklären. 37 / 48 4.7 Ein Modell des freien Marktzutritts Es gibt eine sehr grosse Anzahl M von Unternehmen, die das Gut potentiell produzieren können. Was “sehr gross” bedeutet, wird später noch erklärt. Alle Unternehmen verfügen über die gleiche Technologie und sehen sich identischen Faktorpreisen gegenüber. Im Gegensatz zu der bisherigen Betrachtung gibt es nur zwei mögliche Einsatzmengen des fixen Inputs: x̄2 = 0. Ein solches Unternehmen kann nicht produzieren und wird im folgenden als inaktiv bezeichnet. x̄2 = 1. Ein solches Unternehmen produziert mit der kurzfristigen Produktionsfunktion f (x1 , 1) und wird im Folgenden als aktiv bezeichnet (selbst wenn es sich entscheiden sollte, y = 0 zu produzieren). Beachte: In der kurzen Frist ist die Anzahl der aktiven Unternehmen fix. 38 / 48 4.7 Ein Modell des freien Marktzutritts Die kurzfristige Kostenfunktion eines aktiven Unternehmens ist C(y) mit C(0) = F > 0, MC(y) ≥ 0, MC0 (y) > 0. In der langen Frist kann ein Unternehmen entscheiden, ob es aktiv oder inaktiv ist. Für die langfristige Kostenfunktion aller Unternehmen gilt: ( 0 falls y = 0 Cl (y) = C(y) falls y > 0 Bemerke: In der kurzen Frist handelt es sich bei F um Fixkosten eines aktiven Unternehmens. In der langen Frist handelt es sich bei F um sogenannte quasifixe Kosten. Diese können - im Gegensatz zu echten Fixkosten - durch y = 0 vermieden werden, fallen aber ansonsten unabhängig von der produzierten Menge an. Die langfristige Kostenfunktion hat einen Sprung bei y = 0. 39 / 48 4.7 Ein Modell des freien Marktzutritts Abbildung: Kurzfristige Kostenfunktion für ein aktives Unternehmen mit der dazugehörigen Grenzkosten- und Durchschnittskostenfunktion. Beachten Sie, dass die Durchschnittskosten u-förmig verlaufen. Die langfristige Kostenfunktion unterscheidet sich nur dadurch, dass C(0) = 0 gilt. 40 / 48 4.7 Ein Modell des freien Marktzutritts Sei ŷ > 0 die sogenannte effiziente Betriebsgrösse, d.h. die (eindeutig bestimmte) Menge, bei welcher die Durchschnittskosten eines aktiven Unternehmens minimal sind. p̂ = AC(ŷ) bezeichnet dann die minimalen Durchschnittskosten eines aktiven Unternehmens. Die folgende Annahme formalisiert, was es bedeutet, dass es “sehr viele” Unternehmen gibt, die in den Markt eintreten können: Annahme Produzieren alle Unternehmen mit der effizienten Betriebsgrösse, so übersteigt das resultierende Angebot die Menge, die zum Preis p̂ im Markt abgesetzt werden kann: M · ŷ > D( p̂) > 0. 41 / 48 4.7 Ein Modell des freien Marktzutritts Das kurzfristige Angebot s(p) eines aktiven Unternehmen entspricht der Inversen der Grenzkostenfunktionen; ist also durch die Bedingung MC(s(p)) = p gegeben. Das langfristige Angebot sl (p) eines Unternehmens ist hingegen wie folgt bestimmt: Für p < p̂ ist 0 die eindeutige gewinnmaximierende Menge. Für p = p̂ sind 0 und ŷ gewinnmaximierende Mengen. Für p > p̂ ist s(p) > ŷ die eindeutige gewinnmaximierende Menge. 42 / 48 4.7 Ein Modell des freien Marktzutritts Abbildung: Die kurzfristige Angebotsfunktion eines aktiven Unternehmens (braun) und langfristige Angebotsfunktion (rot) stimmen für p > p̂ überein. Für p < p̂ ist in der langen Frist y = 0 gewinnmaximierend, während in der kurzen Frist die gewinnmaximierende Menge durch die Bedingung erster Ordnung MC(y) = p bestimmt ist. 43 / 48 4.8 Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Kurzfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Die Anzahl der aktiven Unternehmen ist gegeben: m ≥ 1. Die kurzfristige Marktangebotsfunktion ist Sm (p) = m · s(p). Der kurzfristige Wettbewerbspreis p∗m und die kurzfristige Wettbewerbsmenge q∗m sind durch D(p∗m ) = Sm (p∗m ) = q∗m gegeben. 44 / 48 4.8 Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht: Für p < p̂ bieten alle Unternehmen sl (p) = 0 an. Also übersteigt die Marktnachfrage das langfristige Marktangebot, da 0 < D( p̂) < D(p) gilt. Für p > p̂ übersteigt hingegen das langfristige Marktangebot die Marktnachfrage, da jedes Unternehmen mehr als ŷ anbietet: Msl (p) = Ms(p) > M ŷ > D( p̂) > D(p). Also ist p = p̂ der einzige Kandidat für einen langfristigen Wettbewerbspreis. 45 / 48 4.8 Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Satz Für den langfristigen Wettbewerbspreis muss p∗ = p̂ gelten. Die dazugehörige Wettbewerbsmenge ist q∗ = D( p̂). Merksatz: In der langen Frist bestimmen die Kosten den Preis und die Nachfrage bestimmt die Menge. Beides zusammen bestimmt die Anzahl der Unternehmen, m∗ , die in einem langfristigen Wettbewerbsgleichgewicht aktiv sind: Angebot und Nachfrage müssen bei dem Wettbewerbspreis übereinstimmen. Es muss also m∗ · s(p∗ ) = D(p∗ ) ⇔ m∗ = D( p̂) ŷ gelten, so dass m∗ eindeutig bestimmt ist. 46 / 48 4.8 Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Satz In einem langfristigen Wettbewerbsgleichgewicht ist die Anzahl der aktiven Unternehmen durch m∗ = D( p̂)/ŷ gegeben. Merksatz: In der langen Frist bestimmen die Grösse des Marktes und die effiziente Betriebsgrösse die Anzahl der im Markt aktiven Unternehmen. Beachte: Im langfristigen Wettbewerbsgleichgewicht erzielen alle Unternehmen Nullgewinne – daher gibt es weder für inaktive Unternehmen einen Anreiz in den Markt einzutreten noch für aktive Unternehmen einen Anreiz aus dem Markt auszutreten. 47 / 48 4.8 Kurz- und langfristiges Wettbewerbsgleichgewicht Diese Ergebnisse erlauben es, komparative Statik bezüglich des langfristigen Wettbewerbsgleichgewichts zu betreiben. Probleme einer solchen Vorgehensweise: Macht es Sinn, von einem Wettbewerbsmarkt auszugehen, wenn die Anzahl der aktiven Unternehmen klein ist? Wie ist die Analyse zu interpretieren, wenn die Berechnung der im Markt aktiven Unternehmen einen Wert wie m∗ = 14.5 ergibt? Um diese Probleme zu lösen, bedarf es einer expliziten Modellierung der strategischen Interaktion zwischen den Unternehmen, welche die Marktzutrittsentscheidungen und den Preisbildungsprozess umfasst. 48 / 48