Anwendungsgebiete

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Anwendungsgebiete
1) Arbeits- und Organisationspsychologie
Die psychologische Organisationsdiagnostik dient dazu, die psychologischen Aspekte des Erlebens
und Verhaltens von Mitgliedern in Organisationen zu diagnostizieren, um Regelhaftigkeiten im
Erleben, im Verhalten und in den Interaktionen zu beschreiben, zu erklären und zu prognostizieren.
a) Strukturdiagnostik = Unterschiede zwischen Organisationsstrukturen sind auf Unterschiede
in den Situationen zurückzuführen, in denen sich die jeweiligen Organisationen befinden (z.B.
Technologien oder Größe der Organisationen)
b) Prozessdiagnostik = eine Vielzahl von Merkmalen und Bedingungen in Organisationen
unterliegen einer fortwährenden Veränderung: mehrstufige Diagnose von organisationalen
Veränderungen, sozialer Interaktion und Kommunikation und Wechselwirkungen zwischen
Strukturmerkmalen, situativen Faktoren und Erleben und Verhalten in Organisationen
Instrument zur Prozessdiagnostik = Organisationsanalyseinstrumentarium OAI mit 5 Modulen:
1) Macroorganizational module (Messung der Gesamtstruktur)
2) Interunit relations module (Messung der Koordination zw. organisationalen Einheiten)
3) Organizational unit module (Aufgaben, Strukturen und Prozesse auf verschiedenen
Arbeitsebenen)
4) Job design module (Merkmale einzelner Arbeitsplätze, Anforderungen und
Arbeitszufriedenheit)
5) Performance module (Effizienz und Effektivität der versch. Arbeitsebenen)
Die Organisationsentwicklung umfasst Maßnahmen, die auf die Humanisierung der Arbeitswelt
sowie die Erhöhung von Effizienz und Commitment der Organisationsmitglieder abzielen.
Ansatz von Gebert, beruhend auf SORK-Paradigma
1) Personaler Ansatz: richtet sich auf Organismus und Reaktion (gruppendynamische Trainings,
Schulung, Weiterbildung)
2) Strukturaler Ansatz: richtet sich auf Stimulus und Konsequenz (Arbeitsgestaltung,
Rahmenbedingungen, z.B. Gruppenarbeit und Job enrichment)
Eignungsdiagnostik = Zuordnung von Personen zu geeigneten Bedingungen
Personalbeurteilung = eignungsdiagnostische Aussagen + Potentialanalyse + Zuführung zu
Personalentwicklungsmaßnahmen auf 3 Ebenen:
a) Day-to-day-Feedback = Verhaltenssteuerung
b) Leistungsbeurteilung (regelmäßig)
c) Potentialbeurteilung (für Personalentwicklung)
Eignungsdiagnostik = Bemühungen von Zuordnungen von Personen zu Situationen oder umgekehrt
mit dem Ziel der Maximierung von beruflicher Zufriedenheit und beruflichen Leistungen
1) Eignungsdiagnostik = mehrere Stellen, ein Bewerber
2) Platzierung/ Optimale Zuordnung = Anzahl Bewerber und Stellen gleich
3) Konkurrenzauslese/ Selektion = mehr Bewerber als Stellen
DIN 33430 = Richtlinien zur Verfahren der Eignungsdiagnostik
- Anforderungsbezug
- Vorab Informationen über Arbeitsplatz
- Vorgehensweise und Auswahlkriterien vorab festlegen
- Gesetzliche Vorgaben beachten (Schweigepflicht, Datenschutz usw.)
- Untersuchungssituation angemessen gestalten und Kandidaten informieren
Einstellungsinterview als beliebtes, häufig eingesetztes Instrument, strukturiert sehr valide: .51 für
Berufserfolg; unstrukturiert: .38
Seltener eingesetzt aber sehr valide für Berufserfolg:
- Kognitive Leistungstests: .51
- Arbeitsproben: .54
- Leistungstests: .48
- Persönlichkeitstests: .41
- AC: .37
- Biographische FB: .35
- (Referenzen: .26)
Leistungsmotivation (Korrelation max. .30) und Gewissenhaftigkeit (max. .27) eher geringe
Validitäten, dagegen Integritätstests sehr valide (Vorhersage kontraproduktiven Verhaltens in
Organisationen)
Assessment-Center: Multimethodales Instrument der Personalauswahl und -entwicklung
5 Prinzipien des AC:
1)
2)
3)
4)
5)
Verhaltensorientierung
Anforderungsbezogenheit
Methodenvielfalt
Mehrfachbeurteilung
Transparenz
Vorab Anforderungsanalyse notwendig:
Bottom-up = Anforderungen an gegenwärtigen Strukturen orientiert
Top-down = Anforderungen an zukünftigen Entwicklungszielen orientiert
Beispiele für Bottom-up Techniken:
1) Critical Incident Technique (CIT) Anforderungsprofil: Generierung von Situationen und
kritischen Verhaltensweisen, die erfolgreiche von weniger erfolgreichen Stelleninhabern
unterscheiden
2) Repertory-Grid-Technik (REP)Auflistung erfolgreicher und weniger erfolgreicher Mitarbeiter,
Dreier-Gruppen-Bildung, Gemeinsamkeiten (im Verhalten) zwischen 2 Personen finden =
Unterscheidung gut/ schlecht, aus Gegensatzpaaren resultiert FB mit dem MA eingeschätzt
werden können
- Objektivität, da situative Übungen
+ Auswertung: erst Datensammlung, dann Beurteilung, besser bei Manager- oder
Psychologenbewertung; Methodenvielfalt und mehrere Bewerter (Fehlerausgleich)
- Reliabilität: Interraterreliabilität stark schwankend: .50-.90
+ Korrigierte Validität gut: .37
Mangelnde Vergleichbarkeit mit herkömmlichen Tests
+ soziale Validität: 4 Aspekte:
1) Berücksichtigung sozialpsychologischer Anforderungen
2) Partizipation der Betroffenen
3) Transparenz
4) angemessene wechselseitige Kommunikation
- geringe Ökonomie
3 Bereiche der Personalentwicklung:
1) Fach- und Methodenkompetenz (Leittextmethode)
2) Sozialkompetenz (Gruppentrainings zur Förderung sozialer Handlungskompetenzen,
Kommunikationsfähigkeit)
3) Personale Kompetenz (suggestopädagogische und kunstpädagogische Ansätze)
Beliebt: Förderung auf Managementebene:
- Entscheidungsbaum von Vroom und Yetton (Entschiedungsstile: z.B. Partizipation)
- Coaching, Mentoring
Zweifaktorentheorie der Azuf von Herzberg:
1) Hygienefaktoren, Kontextfaktoren, Dissatisfaktoren, extrinsische Motivation (können
Unzufriedenheit abbauen, keine Zufriedenheit herstellen)= Führungsstil,
Arbeitsbedingungen, interpersonale Beziehungen, Gehalt
→ Humanisierung der Arbeitswelt (Fragebogen zur Arbeitsanalyse FAA)
2) Contentfaktoren, Satisfaktoren, Motivatoren, intrinsische Motivation (können
Zufriedenheit herstellen) = Leistung, Anerkennung, Verantwortung
→ Verfahren der subjektiven Arbeitsanalyse (SAA)
3 Arbeitsgestaltungsprinzipien:
1) Job enlargement (Erweiterung des Tätigkeitsspielraums, horizontal)
2) Job rotation (Arbeitsplatztausch, horizontal)
3) Job enrichment (Autonomie- und Entscheidungsspielräume, horizontal und vertikal)
Teilautonome Arbeitsgruppen = vereinen die 3 Prinzipien, mit Gruppenarbeit in funktionalen
Einheiten mit Autonomie und Verantwortung
Qualitätszirkel = Treffen zur Analyse von Problemen und Lösungen
Ökonomische Ziele sind für Organisationen handlungsbestimmend
Gruppendiagnostik in der A&O:
1) Konfliktdiagnostik (Macht, Wettbewerb)
2) Interpersonale Kommunikation (kurze Wege, Vermeidung von Gerüchtebildung, schriftlich)
2) pädagogische Psychologie
a) Diagnostik und Intervention beim Schuleintritt
- Schulerfolg als eine Funktion der Schulreife
- Problem von Schulreifetests: hohe Grundrate
- Besser: Bewährung in der ersten Klasse
- Zusätzlich Schuleingangstests um extreme Fälle zu identifizieren und Überforderung zu
vermeiden; weitere Absicherungen durch Entwicklungstests möglich
- Zurückstellung bei mangelnder Schulfähigkeit
b) Diagnostik und Intervention bei Sonderschulüberweisung
- Folgenschwere Aufgabe der Überweisung in eine Sonderschule für Lernbehinderte (Verlust
von sozialem Status und Berufs- und Lebenschancen)
- Kriterien: mehr als einjährigen allgemeinen Leistungsrückstand, durch Klassenwiederholung
nicht zu kompensieren, Intelligenzquotient unter 85 (Intelligenzminderung), da sonst Schüler
durch strenge Benotung oder überdurchschnittlich gute Referenzgruppen fälschlicherweise
sonderbeschult würden
- Schulleistungsdefizite Ø Lernbehinderung
- Tests: häufig HAWIK IV, weniger sprachlastige Tests wie CFT oder Raven besser
- Studie hat ergeben: viele Sonderschüler mit Ø Intelligenz, da Verfahren oft veraltet sind und
nicht von Psychologen, sondern Sonderschullehrern durchgeführt werden (nicht neutral und
nicht ausreichend qualifiziert)
- Förderung statt Auslese bereits in der Grundschule, um durch rechtzeitige Diagnose
Lernprobleme zu mindern (Schema von Kornmann, S. 478)
c) Diagnostik beim Übertritt in weiterführende Schulen
- Probleme von früher üblichen Aufnahmeprüfungen und Grundschulempfehlungen
- Durch Entwicklungstests nur kurz- und mittelfristige Prognosen möglich
- Vorteile der Grundschulempfehlungen: längere Beobachtung, zuverlässigere Einschätzung als
einmalige Testung
- Nachteile: fehlende Vergleichbarkeit von Schulnoten, Zurückhaltung bei
Hauptschulempfehlungen, Antizipation der Bedingungen an weiterführenden Schule nicht
möglich
- Lösung: Bewährung in gewünschter Schulform als Kriterium, nach Bewährungsphase wird
über Verbleib entschieden: Prozess- anstatt Statusdiagnostik (in manchen Bundesländern so
praktiziert)
- Entscheidung über Verbleib durch Lehrer und schulpsychologische Dienst
d) Diagnostik beim Übertritt in tertiären Bildungsbereich
- Studienplatzknappheit als Problem; Frage nach dem richtigen Zulassungsverfahren
- Kombination von Abiturnoten, Tests (Studieneignung durch studienfach- und
studienfeldbezogene Fähigkeitstests) und Interviews (Persönlichkeit, Motivations- und
Interessenstruktur)
- Ziel: Passung von Anforderungen und Fähigkeiten/ person-job-fit, nicht nur Auswahl sondern
auch Sozialisation und Förderung im Studium oder Job notwendig
- Anforderungsanalysen notwendig
-
Ggf. gesonderte Verfahren für bestimmte Studienfächer
Studien belegen inkrementelle Validität von Interviews zur Vorhersage von Studienleistungen
e) Diagnostik und Intervention bei individueller Schülerhilfe
- Hilfe bei individuellen Lernschwierigkeiten bei negativen Abweichungen von der Klassennorm
(Ø Leistungen der Klasse) oder von der individuellen Norm
- Lernschwierigkeiten multifaktoriell bedingt; 5 Bedingungen des Schulerfolgs
1) Vom Schüler benötigte Lernzeit zur Bewältigung einer Aufgabe (Ermittlung der basalen
Lernzielebene und Entwicklung zur nächsten Lernzielebene)
2) Von der konkret aufgewandten Lernzeit des Schülers (Gründe: Lernmotivation,
Anstrengung, Fähigkeit, Aufgabenschwierigkeit; Faulheit/ Eigenaktivität als sinnlos
empfunden; Motivationsdiagnostik und Attributionstraining)
3) Von seiner Fähigkeit, Instruktionen zu verstehen (Tests zur Prüfung des
Instruktionsverständnisses: Anweisungs- und Sprachverständnistest, Hörverständnistest,
Förderung von Sprachverständnis schwierig, psycholinguistisches Training nur Effektstärke
von .20)
4) Von der vom Lehrer zugestandenen Lernzeit (wenn viele Schüler die Lernziele nicht
erreichen; Bereitstellung zusätzlicher Lernzeit bei Defiziten)
5) Von der Qualität des Unterrichts (Diagnostik der Unterrichtsqualität durch
Unterrichtsbeobachtung und Befragung der Schüler; Qualitätsmerkmale: intensive Nutzung
der Unterrichtszeit, Konzentration auf Lernziele, Kontrolle der Lernaktivitäten, Überwachung
des Lernfortschritts, Verfügbarkeit von Hilfsmaßnahmen, Vermeidung Fehlern durch präzise
Aufgabenstellung und einfache Fragen = direkter Unterricht, aber praktische Umsetzung
schwierig)
Sowie weitere Kontextfaktoren, wie Unterrichtsklima, Stimulation oder Beeinträchtigung
durch Peer-Group und Elternhaus
- Diagnostik des Unterrichtsklimas mit FB (soziale Beziehungen und allgemeines Klima)
- Verbesserung des Klimas durch Umstellung von Wettbewerbsklima auf kooperative
Arbeitsstrukturen (größere Zufriedenheit und gegenseitige Akzeptanz sowie verbesserte
Einzelleistungen sowie verminderte Verhaltensprobleme)
- Diagnose von Kontextfaktoren: sozialer Rang in der Schulklasse, aber Intervention hier
schwierig
- Familiäre Ursachen von Lernproblemen diagnostiziert über Familienskalen oder Gespräche;
Familientherapie als mögliche Lösung
Hochbegabung:
Die Feststellung einer intellektuellen Hochbegabung orientiert sich als Richtwert an einem IQ über
130 bzw. Prozentrang ab 98.
Auch Inselbegabungen bzw. Spezialbegabungen möglich = Talent ≠ Hochbegabung
Intelligenz ist nur das Potential zu kognitiven Leistungen (motivationale oder kontextuale Gründe
können dies verhindern)
2 Gruppen von Hochbegabten:
1) Underachiever: Leistungen niedriger als vom Potential zu erwarten
2) Achiever: Leistungen entsprechen dem Potential
Unter Normalbegabten bezeichnet man Personen, die höhere Leistungen erbringen als ihr Potential
erwarten lässt, als Overachiever
Intelligenztests, die Hochbegabung messen sollen, brauchen ein breites g-Maß mit vielen
Teilkomponenten (sonst Über- oder Unterschätzung des IQs) oder mehrere Intelligenztests um jeden
Bereich abzudecken.
Aktuelle Normen nötig, wg. Flynn-Effekt = Zunahme der Intelligenz mit der Zeit, sonst Überschätzung
der Intelligenz.
Zudem muss der Test im oberen Leistungsbereich gut differenzieren können (auch schwierige Items
und Normen für IQ über 130, repräsentative Stichprobe bzgl. Alter und Schulformen notwendig)
Hochbegabtendiagnostik durch Lehrer nur als Vorselektion sinnvoll, denn eine Studie hat LehrerIntelligenztest-Übereinstimmungen von nur .47- .59 gefunden
Korrelation zwischen Ratingverfahren (bei dem Lehrer die Intelligenz ihrer Schüler auf 7-stufiger
Skala einschätzten) und Intelligenztests CFT, ZVT und SPA: r=.59
Korrelation zwischen Nominationsverfahren (bei dem Lehrer 3 Schüler mit eingeschätzter
Hochbegabung nominieren sollten) und Intelligenztests CFT, ZVT und SPA: r= .47
Interventionen für Hochbegabte:
Entgegen der Erwartungen sind hochbegabter Kinder auch oft emotional und sozial intelligent und
brauchen manchmal Förderung um ihr Potential entwickeln zu können.
Zudem:
- vorzeitige Einschulung
- Überspringen einer Klasse
- Besuch einer Sonderklasse für Hochbegabte
- Stärkere innere Unterrichtsdifferenzierung
- Einsatz als Tutor im regulären Unterricht
- Spezielle Freizeitangebote für Hochbegabte (Feriencamps o.ä.)
3) Klinisch-psychologische Diagnostik
-
Störungswissen und Veränderungswissen als Voraussetzung
Ist- und Soll-Zustand muss festgestellt werden
5 wichtige diagnostische Aufgaben:
1) Qualitative und quantitative Beschreibung der vorliegenden psychischen Störung (Dauer,
Intensität, Häufigkeit der Symptome und ihre Auftretensbedingungen und andere
beeinflussende Faktoren)
2) Klassifikation der psychischen Störung (Inforeduktion zur Kommunikation und
Interventionsplanung auf Klasse zugeschnitten)
3) Exploration von besonderen lebensgeschichtlichen Bedingungen bei Entstehung und
Verlauf der Störung (für Planung der Behandlung)
4) Beobachtung des Verlaufs, der Intervention und Veränderung der Symptomatik (adaptive
Diagnostik, Verlaufsdiagnostik; Prozessbeobachtung und -modifikation)
5) Überprüfung des Therapieerfolgs (Qualitätssicherung an objektiven Kriterien)
Klassifikation diagnostischer Methoden:
1) Nach dem System, welches sie beobachten
a) Körperliche Aspekte (z.B. physiologische Erregung)
b) Gedanken und Gefühle (kognitiv-emotionale Ebene)
c) Verhalten (motorisch, sprachlich)
2) Nach der eingesetzten diagnostischen Methode
a) Offenes diagnostisches Gespräch
b) Strukturierte und standardisierte Interviews
c) Fragebogen- und Testverfahren
d) Beobachtungsmethoden
e) Psychophysiologische und biologische Verfahren
Klientenbezogene Rahmenbedingungen
- Vorliegen einer Störung
- Motivation zur Veränderung
- Grund des Aufsuchens professioneller
Hilfe
- Notwendigkeit einer ambulanten oder
stationären Behandlung
- Beratung oder Therapie
- Gruppen- oder Einzeltherapie
- Finanzielle Möglichkeiten
- Sozioökonomische Faktoren
therapeutenbezogene Rahmenbedingungen
- Fachliche Qualifikation und Ausbildung
- Theoretische und praktische
Orientierung
- Art der Diagnostik, Methodik und
Therapie
- Klassifikatorische Diagnostik, Verhaltensund Situationsanalyse oder
Psychoanalytische und
tiefenpsychologische Diagnostik
Das diagnostische Gespräch:
- Verständnis für Patienten, der mit verschiedenen Ausgangspunkten Hilfe sucht:
Schwellenängste, Hoffnung Hilfe zu bekommen, Unsicherheit an richtiger Stelle zu sein,
Scham psychologische Hilfe zu benötigen
- Empathische und parteiliche Haltung des Therapeuten wichtig mit Wahrung der
Professionalität
- Aufbau einer therapeutischen, problemorientierten Arbeitsatmosphäre
- Patient sollte Vertrauen, Offenheit, Veränderungsmotivation und Angstfreiheit ggü. Gespräch
zeigen
- Das diagnostische Interview dient dazu, das Problem zu beschreiben, gegenwärtige
aufrechterhaltende und Entstehungsfaktoren aus der Lebensgeschichte zu verstehen
Exploration der aktuellen Problematik:
- Aktuelle Symptomatik und gegenwärtiges Problem (Häufigkeit, Dauer, Intensität, Grad der
Beeinträchtigung, antezendente und konsequente Bedingungen)
- Problemstrukturierung (Verständlich und individuell, patientenorientiert, Psychoedukation,
Transparenz beim therapeutischen Vorgehen)
- Problemvorgeschichte (erstes Auftreten, warum aus Sicht des Patienten)
- Andere Probleme, eigene Lösungsversuche, Vorbehandlungen, Biographische Anamnese
- Subjektive Theorie der Entstehung und Aufrechterhaltung wichtig
Klassifikation psychischer Störungen:
Voraussetzungen für die Diagnose einer psychischen Störung:
- Persönliches Leid (Ich-syntone vs. Ich-dystone Störungen)
- Abweichung von Normen (statistisch, gesellschaftlich, individuell) kulturabhängig
- Funktionseinschränkung und/ oder Behinderung (psychischer Art oder Folge psychischer
Probleme)
- Selbst- oder Fremdgefährdung
2 gebräuchliche Klassifikationssysteme:
1) ICD-10 der WHO (International)
2) DSM IV der APA (Westlich orientiert)
Beide beruhen auf der operational und deskriptiv definierten Diagnostik (Unabhängig von
ätiologischen und nosologischen Kriterien, dadurch allgemeingültiger für verschiedene
Interessengruppen)
ICD-10:
- 10 Hauptgruppen psychischer Störungen (Kapitel V/ F-Kodierungen F0 bis F9), neuerdings
auch multiaxial vorhanden, in Europa als zentrales Klassifikationssystem verwendet
F0 Organische und symptomatische psychische Störungen
F1 Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
F2 Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen
F3 Affektive Störungen
F4 Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
F5 Verhaltensauffälligkeiten in Verbindung mit körperlichen Störungen und Faktoren
F6 Persönlichkeits- (8) und Verhaltensstörungen
F7 Intelligenzminderung
F8 Entwicklungsstörungen
F9 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
DSM IV:
- Multiaxiale Struktur mit 5 Achsen (nicht nur Klinische Störung, auch weitere relevante
Aspekte), eher zu Forschungszwecken in Europa verwendet
Achse I: Klinische Störungen (15 psychische Störungen)
Achse II: Persönlichkeitsstörungen und geistige Behinderungen (10 Persönlichkeitsstörungen)
Achse III: Medizinische Krankheitsfaktoren
Achse IV: Psychosoziale und umweltbedingte Probleme
Achse V: Globale Beurteilung des Funktionsniveaus (GAF)
Vergleich und Bewertung:
- Durch Klassifikation erhöhen sich Reliabilität und Validität von Diagnostik
- Abwendung vom organisch orientierten Krankheitsmodell
- Diagnosen aus ICD-10 und DSM IV gut vergleichbar
- Komorbiditätsprinzip (außer einige Ausnahmen), keine hierarchische Ordnung der Störungen
beim ICD-10 (mehrere Störungen möglich), zudem oft Symptomüberlappung zwischen
verschiedenen Störungen, dadurch Komorbiditätsrate sehr hoch
Verfahren zur klassifikatorischen Diagnostik/ strukturierte und standardisierte Interviews:
- Internationale Diagnose Checklisten für Persönlichkeitsstörungen (IDCL-P)
- Strukturiertes Klinisches Interview für DSM IV, Achse I (SKID-I)
- Strukturiertes Klinisches Interview für DSM IV, Achse II (SKID-II)
- Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen (DIPS)
- Composite International Diagnostic Interview (CIDI)
- International Personality Disorder Examination (IPDE)
-
Checklisten ökonomisch aber konfirmatorisch (übersehen Komorbiditäten)
Klinische Interviews aufwendig aber sinnvoll (umfassende Differentialdiagnostik)
CIDI kann ohne klinische Ausbildung durchgeführt werden, da keine Symptomeinschätzung
stattfindet
Verhaltenstheoretisch und kognitiv orientierte Fragebogenverfahren:
- FB sind ökonomisch, günstig und erfüllen weitesgehend die Anforderungen an Objektivität,
Reliabilität und Validität
Bereiche:
- Eingangsdiagnostik: FPI-R Frankfurter Persönlichkeitsinventar, F-SozU Fragebogen zur
sozialen Unterstützung uvm.
- symptomorientierte Screeningverfahren: SCL-90-R Symptom Checklist, BSI Brief Symptom
Inventory
- störungsbezogene Verfahren: Depressivität (BDI Beck Depressions Inventar, ADS Allgemeine
Depressionsskala, uvm.), Angststörungen (AF Angstfragebogen, HZI Hamburger Zwangs
Inventar, uvm.), körperliche Beschwerden und somatoforme Störungen (BL Beschwerden
Liste, KSI Kieler Schmerz-Inventar, uvm.)
- andere Störungs- und Problembereiche: EDI Eating Disorder Inventory, FEV Fragebogen zum
Essverhalten, PFB Partnerschaftsfragebogen, uvm.
Kognitive Diagnostik:
- Fragebogen irrationaler Einstellungen (FIE)
- Frankfurter Selbstkonzeptskalen (FSKS)
- Fragebogen zu Kontrollüberzeugungen (IPC)
- Fragebogen zum Körperbild
- Repertory-Grid-Technik (Hier: Ermittlung kognitiver Konstrukte zur Strukturierung der
sozialen Beziehungen, Einstufung von eigener Person und Bezugspersonen)
Beobachtungsmethoden:
- In- vivo-Beobachtung (natürliche Umgebung, Eingreifen des Beobachters, besser
Videoaufzeichnung)
- Strukturierte Beobachtung (Labor/ künstliche Umgebung, z.B. Rollenspiele; Beobachtung
nach Kriterien wie Häufigkeit, Intensität von Verhalten)
- Selbstbeobachtung (Protokollierung von Verhalten, Kognitionen, Emotionen oder
körperlichen Reaktionen z.B. Essverhaltens- Tagebuch)
- Verhaltenstests/ -experimente (Kombi aus strukturierter Beobachtung und
Selbstbeobachtung im Feld, z.B. Angstsituation beobachten und protokollieren)
Häufig unzureichende Reliabilität von Beobachtungsmethoden (Verzerrungen, Halo-Effekte etc.) und
nicht bekannt oder geringe Validität (Repräsentativität der Situation und des Verhaltens).
Hawthorne-Effekt: durch die Tatsache der Beobachtung entsteht Reaktivität und das Verhalten
ändert sich ohne dass eine intendierte Intervention stattgefunden hat.
Problem-, Verhaltens- und Plananalyse:
- Diagnostik funktionaler Zusammenhänge
- antezendente/ situative und konsequente Bedingungen explorieren
- Wichtig für Ätiologie, Ziel- und Therapieplanung
3 Beschreibungsebenen bei der Problemanalyse nach Bartling, Kanfer und Schulte
1) Physiologie (Körperliche Faktoren, Vorgänge)
2) Kognition und Emotion (persönliches Erleben)
3) Verhalten (beobachtbar)
Funktionales Bedingungsmodell (Erklärungsmodell) aus Erkenntnissen der Problemanalyse nach den
Paradigmen von klassischer und operanter Konditionierung erstellen
Daraus resultierend das S-O-R-C-K Model von Saslow und Kanfer
S = Stimulus oder Situation
O = Organismus (Erleben physiolog., kogn, und emotional)
R = Reaktion (Verhalten)
C = Konsequenz (verstärkende Komponenten)
K = Kontingenz (Regelmäßigkeit)
Methoden zur Erfassung: Verhaltensbeobachtung, Rollenspiele, Beschreibungen (Drei bzw. FünfSpalten-Technik zur Verhaltensanalyse)
Horizontale Verhaltensanalyse = Beschreibung von Verhalten in Situationen
Dagegen vertikale Verhaltensanalyse/ Plananalyse = Beschreibung handlungsleitender Kognitionen
Persönlichkeitstests in der klinischen Psychologie:
- Einsatz für Therapieevaluation (Größe der Veränderung geringer als bei störungsbezogenen
Verfahren)
- Einsatz als Explorations- und Screeninginstrument
- Verwendete Tests: MMPI, FPI-R, TPF und NEO-FFI oder nur einzelne störungsrelevante Skalen
Verfahren der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie:
- Verfahren nur als Ergänzung zum Gespräch, da der Patient selbst den Inhalt und Verlauf der
Therapie bestimmt ( da er über seine Störung selbst am Besten Bescheid weiß)
- Ziel der Verfahren: Perspektive des Klienten abbilden
- Ideographische Methoden, die das Individuum für sich betrachten, statt es mit einer Norm zu
vergleichen
- Beispiel: Q-Sort-Technik (Erfassung des realen oder idealen Selbstbild indem der Patient
Karten mit Eigenschaften so sortiert, wie sie auf ihn zutreffen, auch als Therapieevaluation
eingesetzt, da das Ziel der Therapie die Annäherung an das reale Selbstbild ist)
-
Fragebögen der klientenzentrierten Ansätze: Berger-Skala zur Erfassung der Selbstakzeptanz,
Skal zur Erfassung der Selbstakzeptierung SESA, Veränderungsfragebogen des Erlebens und
Verhaltens VEV, Kieler Änderungssensitive Symptomliste KASSL uvm.
Psychoanalytisch bzw. psychodynamisch orientierte Verfahren:
1) Diagnostisches Gespräch/ Interviewkonzepte: OPD Operationalisierte Psychodynamische
Diagnostik erfasst:
- Krankheitserleben und Behandlungserwartung
- Beziehungseben
- Zeitlich überdauernde Konflikte
- Psychische Struktur
- Symptom- und Syndromebene, auch Klassifikation nach ICD-10
2) Zentrale Beziehungskonfliktthemen (ZBKT) erhebt subjektiv bedeutsame
Beziehungsepisoden, soziale Kontakte und Interaktionen
3) Psychischer und sozial-kommunikativer Befund (PSKB) ist ein anamnestisches Gespräch indem
Symptome und Ich-Erleben, soziale Bewältigung und Reaktionen auf belastende
Lebensereignisse exploriert werden
4) Gießen Test (GT) erfasst soziale Einstellungen und soziales Verhalten, Selbst-, Fremd- und
Idealbild, wird auch außerhalb der Psychoanalyse eingesetzt (siehe Testverfahren Paare)
Systemische Therapie und interpersonale Diagnostik
- Systemische Therapie konzentriert sich auf pathogene Muster in sozialen
Beziehungssystemen (insb. Familie)
- Patient, der in Behandlung kommt ist der Indexpatient oder Problemträger, gestört ist aber
das gesamte soziale Gefüge der Person
- Methode des zirkulären Fragens (alle Systemmitglieder werden über die anderen Mitglieder
und ihre persönlichen Einschätzungen in Anwesenheit der anderen Mitglieder befragt)
- Darstellung von Genogrammen: Familienorganigramm hinsichtlich familiärer Beziehungen
und biographischen Angaben bis mehrere Generationen zurück
- Interpersonelle Verfahren: SASB Strukturelle Analyse Sozialer Beziehungen, IIP Interpersonelle
Probleme, Fragebogen zur sozialen Unterstützung
Neuropsychologische Diagnostik:
- Aktuelle Funktionseinschränkungen feststellen
- Diagnostische Bereiche: Kognitive Fähigkeiten, Psychomotorik, Persönlichkeit, Berufseignung
- Instrumente: Intelligenztests, Konzentrationsleistungstests, Persönlichkeitstests und
Berufseignungstests
- Spezifische Verfahren: Wisconsin-Card-Sort-Test WCST, Aachener Aphasietest AAT, Lern- und
Gedächtnistest LGT3, Tempo- und Merkfähigkeitstest für Erwachsene TME, Diagnosticum für
Cerebralschädigung DCS, Recurring-Figures-Test, Benton-Test
- Psychomotorischer Test: Wiener Reaktions- und Determinationsgerät
- Testbatterien: TÜLUC Tübinger Luria-Christensen neuropsychologische Untersuchungsreihe
zur Messung von neurologischen, kognitiven, motorischen, sensomotorischen und
psychologische Funktionen
Psychophysiologische Diagnostik:
- Körperliche Funktionen spielen bei fast allen psychischen Störungen eine Rolle
- Nicht weit verbreitet, wg. Apparativen Aufwand
- Wichtige Frage: korrelative oder kausale Zusammenhänge zwischen den Maßen und
psychischen Störungen
- Verfahren: EMG (elektrische Aktivität der Muskeln), EKG (Herzaktivität),
Photoplethysmograph (Durchblutungsstärke), transkranielle Dopplersonographie
(Durchblutung im Gehirn, zerebral), Hautleitfähigkeit (physiologische Erregtheit, Niveau und
Änderung), bildgebende und strukturelle Verfahren (EEG, MRT, CT, fMRT, PET usw.)
- Zur Abklärung körperlicher Erkrankungen, zum Biofeedback bei Angst- oder Panikstörungen,
zur Messung der Stressbelastung
Verbindung von Diagnostik und Intervention: Indikation
- Praktischer Wert von Diagnostik misst sich an dem Umfang der Handlungsanweisungen für
die Therapie
- Selektive Indikation = Zuordnung zu Interventionen, Selektion
- Adaptive Indikation = Anpassung der Intervention an den Einzelfall, Modifikationsstrategie
3 Aufgaben der Indikationsstellung:
- Psychotherapie-Indikation (Ja/Nein)
- Behandlungsbezogene Indikation: differenzielle Indikation, welche Behandlung angezeigt ist;
Hinweise aus der Therapieforschung
- Adaptive oder prozessuale Indikation: Wie können die Maßnahmen an den Einzelfall und
den Verlauf der Behandlung angepasst werden?
Kognitiv-verhaltenstherapeutische Verfahren:
1) Operante Verfahren (Veränderung des Verhaltens durch nachfolgende Konsequenzen, z.B.
Token Economy)
2) Reizkonfrontation (Auseinandersetzung mit einem bedeutsamen Reiz, z.B. bei Essstörungen
Essen, systematische Desensibilisierung immer in sensu mit Entspannung)
3) Exposition (Konfrontation mit dem angstauslösenden Reiz/ der Situation, in sensu, in vivo,
massiert oder graduiert, ohne Entspannung)
4) Modelllernen und Rollenspiele (z.B. in Gruppen zum Abbau von Ängsten)
5) Kognitive Therapien (z.B. Rational-Emotive-Therapie nach Ellis oder kognitive Therapie nach
Beck oder multimodale Verhaltenstherapie nach Lazarus)
6) Kommunikations- und Problemlösetrainings (für interpersonale Probleme, Fertigkeiten der
sozialen Interaktion einüben, insb. bei Ehe-, Paar- und Familientherapie)
7) Euthyme Behandlungsstrategien (Nutzung individueller Ressourcen und Förderung seelischer
Gesundheit durch Konzentration auf Positives)
8) Biofeedback (Rückmeldung von Körperreaktionen bei Muskelverspannungen, Hypertonie
Angststörungen und chronischen Schmerzen)
Es liegen kognitiv verhaltenstherapeutische Manuale für die Behandlung nahezu jeder psychischen
Störung vor.
Psychodynamische Verfahren
- Freie Assoziation
- Deutung von Inhalten nach psychodynamische Erklärungen
- Arbeiten mit Widerstand, Träumen und Phänomenen der Therapeut-Klient-Beziehung:
Übertragung und Gegenübertragung
- Verdrängte Gefühle und Konflikte sollen aufgearbeitet werden und so die Probleme lösen
(Katharsis)
- Früher 3-5 Sitzungen pro Wo. und insg. 200, heute eher mehrere Kurzzeittherapien:
Fokaltherapien mit 1 Sitzung pro Wo. Und 30-100 insg. und mehr Bezüge zu aktuellen
Problemen
klientenzentrierte Gesprächspsychotherapie:
- Humanistischer Ansatz mit der Annahme, dass der Mensch Potential zur Selbstverwirklichung
und Lösung seiner Probleme hat
- Gegenstand: aktuelle Problematik und Lebenssituation; Spiegelung von Gefühlen und
Verbalisieren emotionaler Erlebnisinhalte
- Ziel der Therapie: Potential aktivieren, Lösungswege und Therapieziele werden von Patienten
festgelegt (Selbstverwirklichung)
- Wirkmechanismus innerhalb der therapeutischen Interaktion: unbedingte Wertschätzung,
Empathie und Echtheit des Therapeuten
Erfolgskontrolle und Qualitätssicherung:
- Evaluation von Verlauf und Erfolg der Behandlung
- Indirekte Veränderungsmessung durch Differenzbildung Vorher-Nachher-Messung
(Anamnese/ Katamnese)
- Direkte Veränderungsmessung durch retrospektive Befragung der Verbesserung zu vor der
Therapie/ Zielerreichungsbeurteilung
- Instrumente: Goal Attainment Scale, KASSL, Stundenbogen Klient oder Therapeut, VEV,
Veränderungsfragebogen für Lebensbereiche, Veränderungsprozessbogen
VEV = Veränderungsfragebogen des Erlebens und Verhaltens
- Aus klientenzentrierter Gesprächspsychotherapie, aber auch für andere
Therapieevaluationen eingesetzt
- 42 Items: retrospektive Befragung von negativen und positiven Veränderungen, 7-stufiges
Antwortformat (von -3 entgegen Itemaussage bis +3 für Itemaussage, 0= keine Veränderung)
- Itempool wurde durch Literaturhinweise auf Veränderungsmerkmale nach Therapie und
Aussagen von Patienten gewonnen
- Validierung an 2 Stichproben (Patienten vs. KG), Items die gut zwischen den Gruppen
differenzierten wurden in den FB aufgenommen (bei Patienten höhere Vorher-NachherDifferenz als bei unbehandelter KG)
- Faktoriell bestätigt
- Interne Konsistenzen sehr gut .95; mäßige Retestreliabilität von .61 nach 8 Wo. Intervall, aber
erwartungskonform, da ein nicht stabiles Merkmal gemessen werden soll
- Validitätsbelege durch Studie (s.o) und Korrelation der Differenzwerte von Patienten mit
ähnlichen Messinstrumenten zu .50 und zu Null mit konstruktfernen Merkmalen
-
Normen: Grenzwerte verschiedener Signifikanzniveaus um eine Veränderung als statistisch
relevant anzusehen
Probleme der direkten Veränderungsmessung: Soziale Erwünschtheit, Erinnerung verzerrt/
verfälscht; auch bei unbehandelter KG wurden 22 % Änderungseffekte festgestellt
Fazit: Einsatz des VEV nur in Kombination mit anderen Verfahren
Kriterium der klinisch bedeutsamen Verbesserung:
Oben beschriebener Ansatz der Erfolgskontrolle ist ein gruppenstatistischer/ nomothetischer
Ansatz, deren Ergebnisse über Mittelwerte und Streuungen, also Effektstärken ermittelt wird.
Dieser Ansatz hängt von stichprobenrelevanten Merkmalen (Stichprobengröße, Streuungen) ab, die
für die klinische Diagnostik meist irrelevant sind. Relativ geringe Ergebnisse zu Veränderungen mit
großen Stichproben werden statistisch signifikant, obwohl sie eine geringe klinische Bedeutung
haben.
Klinische Relevanz von Veränderungen bezieht sich auf den Einzelfall (idiographischer Ansatz),
bezieht sich oft auf Ziele und Standards, die Therapeuten, Patienten oder Einrichtungen festgelegt
haben.
Ansatz von Jacobson:
Klinisch bedeutsame Verbesserung = Symptomreduktion oder –freiheit
Dazu 3 Operationalisierungen von Therapieerfolg:
1) Ausmaß der Symptomatik soll mind. 2 Standardabweichungen unter dem Mittelwert der
Störungspopulation liegen (als einziges Kriterium berechenbar wenn Normalpopulation nicht
verfügbar)
2) Ausmaß der Symptomatik sollte nach der Therapie innerhalb von 2 Standardabweichungen
der Normalpopulation liegen (bei kleinen Überlappungen der Normal- und
Störungsverteilung)
3) Stärke der Symptomatik sollte näher am Mittelwert der Normalpopulation liegen als am
Mittelwert der Störungspopulation (wenn größere Überlappung der beiden Verteilungen)
Man benötigt für alle Kriterien Mittelwerte und Standardabweichungen von der Störungspopulation,
der Normalpopulation und dem Patienten.
Die Beurteilung kann unterschiedlich ausfallen, je nachdem welches der 3 Kriterien zugrunde gelegt
wird (mancher konservativer als andere, je nach Ausgangswerten).
Stärke der Veränderung über den Veränderungsindex (reliable change index) berechenbar:
RC = (x2-x1)/ sdiff und der Standardfehler der Differenz: sdiff =
und der Standardfehler des
Messinstruments SE = s1
Wenn RC dann größer ist als der kritische Z-Wert für p< .05 = 1.96, dann ist die Differenz signifikant
und zu 95% auf eine wahre Veränderung zurückzuführen.
Wenn RC kleiner 1.96 dann ist die Differenz nicht signifikant und wahrscheinlich auf Messfehler
zurückzuführen.
4) Anwendung in der Neuropsychologie
Wichtige Funktionsbereiche, die bei einer Hirnschädigung betroffen sein können:
- Intelligenz
- Aufmerksamkeit
- Reaktionsfähigkeit
- Gedächtnis
- Sprache (Aphasie)
- Planung und Kontrolle von Verhalten
- (Psycho-)Motorik
- Affektivität, Persönlichkeit
Erkrankung
Schlaganfall/ akute zerebrale Zirkulationsstörung
Spontane intrakranielle Blutung
Schädel-Hirn-Trauma
Gehirntumore
Bakterielle und virale Entzündungen des Gehirns
oder der Hirnhäute
Epilepsien (zerebral bedingte Krampfanfälle)
Morbus Parkinson
Multiple Sklerose
Demenzen u.a.Erkrankungen vom Alzheimer-Typ
-
-
Neurologische Symptome
Ausfall von Teilfunktionen: Neglect =
Wahrnehmung- oder Aufmerksamkeitsstörung
mit Vernachlässigung einer Körperseite, Aphasie
= Sprachstörung
Bewusstseinstrübung
Leichte Bewusstseinsstörungen bis Koma, auch
Aufmerksamkeitsstörung
z.B. Kopfschmerz, epileptische Anfälle
z.B. Kopfschmerz, Überempfindlichkeit ggü.
Licht, Geräusche, Bewusstseinsstörung
Verschiedene Formen, versch. Symptome
Ruhetremor, der unter Belastung zunimmt: Rigor
= Erhöhung der Muskelspannung, Akinese
=verminderte Spontanmotorik
Ataxie = Koordinationsstörung mit unter- oder
überschießenden Bewegungen
Gedächtnisstörungen, Wortfindungsstörungen
Aufgabe der neuropsychologischen Diagnostik: Defizite entdecken und beschreiben,
medizinische Befunde als Ausgangspunkt
Hypothesengeleitetes Vorgehen
Therapiemaßnahmen planen, Krankheitsverlauf beobachten, Auswirkungen auf Alltagsleben
und Beruf beschreiben
Psychische Folgen erkennen, ggf. Begutachtung
Instrumente: diagnostisches Interview, Leistungstests (z.B. Benton-Test = Nachzeichnen von
1-3 einfachen geometrischen Figuren aus dem Gedächtnis, misst visuelle Merkfähigkeit; bei
motorischer Beeinträchtigung Form B zum Wiedererkennen von Figuren), Aufmerksamkeits-,
Konzentrations-, Gedächtnis-, Persönlichkeits- und Intelligenztests, Tests zu Sprache,
Motorik, Affektivität und Reaktionsfähigkeit
Simulation einer Schädigung erkennen
Entwicklungs-, Lern- und Teilleistungsstörungen bei Kindern diagnostizieren
Demenz bei älteren Menschen feststellen (z.B. mit Nürnberger-Alters-Inventar NAI)
5) Anwendung in der Rechtspsychologie
Fragestellungen:
- Strafverfahren: z.B. Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage
- Zivilverfahren: z.B. Umgangs- und Sorgerechtsentscheidungen
- Sozialgerichtsverfahren: z.B. Berufsunfähigkeit
- Strafvollzug: z.B. Kriminalprognose (vorzeitige Entlassung, Sicherheitsverwahrung)
Zeugenaussagen und Schuldfähigkeit:
- Beobachtungen decken sich oft nicht mit den Fakten
- Studien zu Zeugenaussagen von Loftus (gravierende Beobachtungsfehler)
- Entstehungsbedingungen der Aussage und Bedingungen der Aufnahme der Aussage
müssen analysiert werden
- Wichtig: keine suggestive Befragung
- Bewertung der Aussage nach Vorliegen von Realkennzeichen:
Logische Konsistenz, Schilderungen von Komplikationen, Schilderung ausgefallener
Einzelheiten, Schilderung eigener psychischer Vorgänge, Eingeständnis von
Erinnerungslücken
- Motive für eine Falschaussage analysieren; Zurechnungsfähigkeit überprüfen (psychische
Störung, Alkohol- oder Drogenmissbrauch)
- Verfahren der Begutachtung: über Akteninformationen, diagnostisches Interview, ggf.
klinisches Interview oder Testverfahren (Intelligenz, Konzentration, Gedächtnis etc.)
- Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit bei intellektueller Minderbegabung,
schwerer seelischer Störung, tiefgreifender Bewusstseinsstörung (letzteres auch situativ
bedingt durch rasende Wut); Bescheinigung einer Steuerungsunfähigkeit und
Unrechtsbewusstseins: § 20 und 21 StGB
Kriminalprognose:
- Schwerwiegende Konsequenzen für Täter (bei Sicherheitsverwahrung) oder für potentielle
Opfer bei Rückfälligkeit
- Schwierige Randbedingungen, da Verhalten prognostiziert werden soll, das durch komplexe
Faktoren bedingt ist: das Verhalten ist selten, es wird durch Situationen determiniert,
Geltungszeitraum soll lang sein, nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich
- Statistische Urteilsbildung in Form von Kriminalprognosetafeln nach Gretenkord +
Einzelfalldiagnose über Erklärungsmodell für den Straftäter (wirkliches, individuelles
Rückfallrisiko über Modellpassung schätzen)
Risikofaktor
Entlassungsalter
Persönlichkeitsstörung Vorstrafe mit Mind. 2x
20 Jahre
40 Jahre
60 Jahre
Gewaltdelikt
gewalttätig
im Vollzug
Nein
Nein
Nein
6%
2%
1%
Ja
17%
6%
2%
Ja
Nein
15%
6%
2%
Ja
37%
16%
6%
Ja
Nein
Nein
16%
6%
2%
Ja
39%
18%
7%
Ja
Nein
36%
16%
6%
Ja
65%
38%
17%
Nach der Tafel sinkt die Rückfallwahrscheinlichkeit mit zunehmendem Alter. Eine
Persönlichkeitsstörung erhöht die Rückfallwahrscheinlichkeit immens.
Die geringste Rückfallwahrscheinlichkeit haben Personen mit einem Entlassungsalter von 60 Jahren
und ohne Risikofaktoren, dagegen die höchste mit Entlassungsalter 20 und 3 vorliegenden
Risikofaktoren.
Tafel entstammt einer Studie: Klassifikation von 188 Straftätern nach Tafelkriterien (aus Literatur),
Überprüfung ihrer erneuten Straffälligkeit nach 8 Jahren
Für die Einzelfalldiagnose müssen folgende Informationen gewonnen werden:
- Bedingungen unter denen, die Straftat begangen wurde?
- Erklärung der Tatentstehung?
- Persönlichkeitsveränderung in der Haft?
- Therapeutische Maßnahmen mit Erfolg durchgeführt?
- Wie ist der soziale Empfangsraum nach der möglichen Entlassung (Arbeitsplatz, Unterkunft,
soziale Beziehungen)?
- Lebensperspektiven (Berufschancen, Partnerschaft, Familie etc.)?
- Wahrscheinlichkeit kritischer Umstände, die Rückfallrisiko erhöhen?
Familiengerichtliche Fälle: Sorgerechtsentscheidungen
- Hauptanlass Scheidungen mit Kinderbeteiligung
- Eltern sind verpflichtet zur Personen- und Vermögensvorsorge ihrer Kinder
- Gemeinsamer Elternvorschlag oder Kindeswohl (bei Gefährdung) entscheidend für
Sorgerechtsentscheidung
- Einvernehmliche Lösungen werden angestrebt
- Diagnostik und Intervention (Hinwirken auf Einigung u.ä.) findet verzahnt statt
- Ab 14 Jahren zählt auch Kindeswille falls nicht entgegen des Kindeswohls
- Auswahl der sachverständigen Psychologen nach Reputation, Prozesserfahrung, Ansehen und
Bewährung in Prozessen
- Bei Streit ums Sorgerecht, auch Umgangsregelungen durch Gerichte möglich
- Verfahren zur Gutachtenerstellung: Erziehungsfähigkeit der Elternteile (neuropsychologische
und erziehungsdiagnostische Verfahren), Bindung des Kindes (Bindungstests, FamilienBeziehungs-Test), diagnostische Interviews (Feststellung von Kindesmissbrauch, Kindeswille
usw.)
6) Anwendung in der Verkehrspsychologie
- Rechtliche Grundlage: Fahrerlaubnis-Verordnung
- Alkoholproblematik häufigster Untersuchungsanlass
Nach Entzug der Fahrerlaubnis:
- MPU: medizinisch-psychologische Untersuchung der Fahreignung
- Erfüllung geistiger Anforderungen: Belastbarkeit, Orientierungsleistung,
Konzentrationsleistung, Aufmerksamkeitsleistung, Reaktionsfähigkeit
- Verhaltensgewohnheiten, Persönlichkeit oder Leistungsfähigkeit entscheidend
- Praxis und Wissenschaft vereint
-
Gutachten besteht aus: Allgemeinem Teil (Anforderungen) und speziellem Teil:
eignungsrelevante Merkmale
Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit schließen Fahrerlaubnis aus (Feststellung der
Verhaltensänderung)
Generell muss das Fehlverhalten von der Person erkannt und geändert werden
Verfahren: diagnostisches Interview, Akteninformationen, Leistungstests, MPU
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