Ausgabe 6 - 2016 PRAXIS: Altenpflege Kurze Anleitungen und praktische Tipps für Ihren Pflegealltag Übersicht: Die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung in den einzelnen Phasen der Demenz 1. Phase der Demenz Verhalten des Pflegekunden Ihr Pflegekunde kann sich an kurz zurückliegende Ereignisse nur schwach erinnern. Er hat Schwierigkeiten, Neues zu erlernen. In neuer Umgebung kann sich Ihr Pflegekunde nur schwer orientieren und verirrt sich womöglich. Er hat Sprach- und Wortfindungsstörungen. Der Sprachschatz wird weniger. Das Verstehen von Gesprächen wird weniger. Komplexe Tätigkeiten kann Ihr Pflegekunde nur noch teilweise bewältigen. Das Urteilsvermögen Ihres Pflegekunden nimmt ab. Er kann sich nur noch eingeschränkt selbst versorgen. Ihr Pflegekunde verleugnet seine Krankheit und lässt nicht mit sich darüber reden. Die Unfähigkeit, bestimmte Dinge zu erfassen oder zu bewerkstelligen, überspielt er mit Witzen und Floskeln. Zeitweise überkommen ihn Angstgefühle und depressive Verstimmungen. Bei Wahrnehmung der Erkrankung mit gleichzeitiger Verleugnung derselben beginnt der soziale Rückzug. Es entsteht ein Tendenz zur Verwahrlosung. So können Sie in Phase 1 Selbstbestimmung ermöglichen Ihr Pflegekunde ist in der 1. Phase der Demenz einsichts- und urteilsfähig. Er kann Entscheidungen treffen, allerdings oft verlangsamt und möglicherweise stark schwankend. Dies ist auch bedingt durch Angst und depressive Verstimmungen. Was Ihr Pflegekunde jetzt braucht, sind eine wohlwollende Atmosphäre und genügend Zeit. Dann wird er verschiedene Gesichtspunkte abwägen und eine Entscheidung treffen können. 2. Phase der Demenz Verhalten des Pflegekunden Ihr Pflegekunde hat nun eine tiefgreifende Störung des Kurzzeitgedächtnisses und vergisst sehr viel. Er erinnert sich immer weniger an frühere Ereignisse. Er ist auch in vertrauter Umgebung desorientiert. Zusehends erkennt Ihr Pflegekunde die Familienmitglieder nicht mehr, auch nicht die Wohnung und vertraute Gegenstände. Das Sprachverständnis wird zunehmend gestört, der sprachliche Ausdruck ebenso. Ihr Pflegekunde hat Wortfindungsstörungen, verwechselt Worte, verdreht Silben und bildet Wortneuschöpfungen. Seine Sprache zerfällt. Er erlebt eine große Hilflosigkeit. Es tritt eine Störung des Wach-Schlaf-Rhythmus auf. Ihr Pflegekunde zeigt Verhaltensprobleme (z. B. Umherwandern, Weglaufen/ „Hinlaufen“, aggressives Verhalten, Panikzustände). Er ist ruhe- und rastlos. Ihr Pflegekunde ist möglicherweise gereizt und misstrauisch. Es können Halluzinationen und Wahnvorstellungen auftreten. Er lebt in seiner eigenen Welt, zu der andere Personen kaum mehr Zugang haben. Ihr Pflegekunde empfindet zeitweise stark schwankende Emotionen. So können Sie in Phase 2 Selbstbestimmung ermöglichen Seien Sie sich bewusst, dass Ihr Pflegekunde in dieser Phase seinen Willen nur auf eine unmittelbare Bedürfnisbefriedigung ausrichten kann. Er muss sozusagen „Anschauungsmaterial“ haben, um entscheiden zu können. Er äußert seinen Willen in der aktuellen Handlung. Wenn Sie Ihren Pflegekunden fragen, was dieser in der Situation möchte, kann er überfordert sein. Möglicherweise kann er nur Floskeln äußern. Beziehen Sie Entscheidungen auf die direkte Handlung, wobei Sie wissen müssen, dass diese Entscheidungen nur von kurzer Dauer sind. Sorgen Sie dafür, dass Ihr Pflegekunde die Dinge sieht. Teilen Sie komplexe Vorgänge (z. B. das Waschen) in einzelne kurze Handlungsabläufe auf. 3. Phase der Demenz Verhalten des Pflegekunden Bei Ihrem Pflegekunden vollzieht sich ein schwerster geistiger Abbau. Dieser ist geprägt von Satz- und Wortwiederholungen. Ihr Pflegekunde verkennt Personen und Situationen. Er verliert die Fähigkeit zu lächeln. Ihr Pflegekunde hat zunehmend körperliche Störungen wie Inkontinenz, Schluckstörungen, Gehstörungen. Er lebt in einer vollständigen Abhängigkeit. Ihr Pflegekunde ist agitiert (erregt, unruhig), halluziniert oder ist apathisch. Teilweise hat er wahnhafte Reaktionen. So können Sie in Phase 3 Selbstbestimmung ermöglichen Achten Sie auf verbale und nonverbale Ja-/Nein-Entscheidungen. Diese sind im aktuellen Erleben möglich, also im Tun. Dies wird von Ihrem Pflegekunden direkt und intuitiv wahrgenommen. Das Ziel ist, ein Wohlbefinden für Ihren Pflegekunden herbeizuführen. Achten Sie darauf, Veränderungen zu vermeiden. Befragen Sie eventuell Bezugspersonen, die Ihren Pflegekunden von früher kennen, wie Sie mit speziellen Situationen umgehen sollen. Wenn dies nicht möglich ist, dann handeln Sie so, dass Sie die geringste Abwehr Ihres Pflegekunden erhalten. Achten Sie auf Reaktionen in Form von Äußerungen, Mimik und Gestik sowie Körperhaltung (z. B. Verkrampfen), Weinen. Bringen Sie diese Reaktionen in Zusammenhang mit der aktuellen Handlung (z. B. Waschen), der personellen (z. B. männliche oder weibliche Pflegekraft) und räumlichen Situation. In Anlehnung an das Referat „Selbstbestimmt bis zuletzt? Dement sein in Würde“ von Dipl.-Psych. Dr. phil. Michael Wunder, Deutscher Ethikrat, 24.06.2010, www.ethikrat.org.