Obduktionsbericht vom 18.11.2005 Bei dem zur Obduktion vorliegenden Tier handelt es sich um eine 9 Monate alte weibliche bunte deutsche Edelziege mit einem Gewicht von 24 kg. Die Sektion findet am 18.11.2005 in der Pathologie der Justus-Liebig-Universität Giessen in Gegenwart vom Assistenten Herrn Suntz statt. Vorbericht Der Besitzer berichtete von wässrigem Durchfall und Untertemperatur. Das Tier verstarb am 16.11.2005. Äußere Besichtigung Die Sektion findet 2 Tage nach dem Tod des Tieres statt (18.11.2005).Das Tier liegt in linker Seitenlage und ist komplett enthäutet. Das Fell liegt zur Untersuchung vor. Der Pflegezustand des Tieres ist gut. Die Leichenkälte ist über den gesamten Tierkörper feststellbar. Die Leichenstarre beginnt sich von distal her langsam wieder aufzulösen. Kiefergelenke und alle proximalen Gliedmaßengelenke sind passiv nicht beweglich. Die Cornea ist beidseitig leicht getrübt und der Augentugor mäßig vermindert. Fäulniszeichen sind an der rechten Abdominalgegend nahe der Linea alba zu erkennen. Dort befindet sich eine etwa handgroße graugrüne Verfärbung, die sich auch an der entsprechenden Stelle der abgezogenen Haut wiederfindet. Bei der Besichtigung der Scheide fällt der Austritt von zähflüssigen weiß gelblichen Schleim auf. Der Schleim befindet sich auch an der abgezogenen Haut um die Vulva herum. Der Anus wie auch das Fell am Analbereich ist mit dünnflüssigem Kot verschmutzt. Innere Besichtigung Bauch- und Beckenhöhle: Der Ln. Cervicalis cranialis erscheint leicht geschwollen, die Schnittfläche ist glatt glänzend. Die Lnn. Jejunales sind auf Wallnussgröße angeschwollen, das Gewebe quillt an der Schnittfläche hervor, welche glatt und glänzend ist. Die Milz weist eine Hyperplasie auf und aus den Schnittflächen quillt das Gewebe leicht hervor. Die Schleimhaut des Labmagens ist diffus gerötet und weist eine insgesamt schmierige Oberfläche auf. Die Darmschleimhaut ist ebenso abschnittsweise gerötet. Die Payerschen Platten sind gerötet und vergrößert. Am rechten Lappen der Leber befindet sich eine 1 mm x 2 mm große weißliche Verfärbung. Am rechten Eierstock befinden sich eine Gelbkörperzyste. In der Vagina, im Bereich der Cervix und im Uterus befindet sich zähflüssiger weißgelblicher Schleim. 1 Hals und Rachen: In der Trachea befindet sich eine schaumige Flüssigkeit Die Lunge ist ödematös und gerötet. Brusthöhle Die rechte Herzhälfte befindet sich in einem dilatierten Zustand. An einer Tricuspitalklappe lässt sich eine 2 mm x 2 mm große Zyste erkennen. In beiden Herzkammern ist eine Stauung mit bereits koaguliertem Blut aufzuweisen. Pathologisch-anatomische Diagnosen: Diffuse, akute katarrhalische Abomasoenteritis Lymphadenitis simplex der Mesenteriallymphknoten Leichte gemischte Milzhyperplasie Lungenödem Eitrige Endometritis Fokale Lebernekrose Epikrise Die Hauptdiagnose des vorliegenden Falles ist eine diffuse, akute katarrhalische Abomasoenteritis. Es handelt sich hierbei um eine Entzündung der Labmagen- und Darmschleimhaut. Darmentzündungen gehen oft mit Durchfall einher und können zu Störungen der Resorption, zu Wasser- und Elektrolytverlust, Dehydratation, Blutacidose, extrarenale Urämie, Intoxikation und bei chronischen Verlauf zur Abmagerung und Hypoproteinämie führen. Die akute katarrhalische Enteritis ist durch eine starke Hyperämie und ödematöse Schwellungen der Schleimhaut, durch ein seromuköses bis eitriges Exsudat im Magen- und Darmlumen und dünnflüssigen, ungeformten Darminhalt gekennzeichnet. Die Entzündungen sind meist durch Infektionen hervorgerufen. Die Enteritis kann bakteriell, zum Beispiel durch E. coli, Salmonella, viral durch Rota- und Coronaviren, oder parasitär, zum Beispiel durch Coccidien, verursacht werden. Eine der häufigsten Ursachen einer katarrhalischen Enteritis ist die Infektion mit Erregern der Gattung Escherichia coli. Sie sind gram-negative Erreger der Familie der Enterobacteriaceae. Die Colibakterien sind fähig, sich mittels Pili (Haftantigene) am Dünndarmepithel anzuhaften. Somit ist es den Bakterien möglich, sich an Ort und Stelle zu vermehren und Enterotoxine zu bilden. Es kommt zu Störungen im Stoffwechsel der Zelle, und Elektrolyte werden in den Darm sezerniert. Den Elektrolyten folgt passiv Wasser nach, und es kommt zu einer sekretorischen Diarrhoe. Die Barriere zwischen Darm und Kreislaufsystem wird gestört, wodurch toxische Stoffe aus dem Darm in das Blut übertreten können. Dies führt unter anderem zu einer erhöhten Permeabilität der Gefäße, so dass Blutungen an anderen Organen auftreten können. Der Darminhalt des vorliegenden Tieres zeigte eine flüssige Konsistenz, die auch im Vorbericht mit Diarrhoe beschrieben wurde. Da diffuse multifokale Infiltrationen in den Organen des Verdauungstraktes gefunden wurden, ist die Infektion mit E. coli bakteriologisch 2 abzugrenzen. Ein mikrobiologischer E. coli- Nachweis allein reicht nicht aus, um die Infektionsursache zu ermitteln. An den isolierten E. coli-Stämmen müssen die Serotypen bestimmt werden und mit Hilfe weiterer Labormethoden die Pathogenitätsmerkmale, Haftantigene, die das Haften der Bakterien an den Mikrovilli mit Pili ermöglichen, ermittelt werden, um die verschiedenen im Zusammenhang mit E. coli definierten Krankheitsbilder nachzuweisen. Es werden auch biologische Testverfahren zur Ermittlung von Toxinen werden verwendet, um spezifisch pathogene E. coli-Keime bei den einzelnen Tierarten zu charakterisieren. Die Salmonellose spielt vor allem bei den landwirtschaftlichen Nutztieren eine große Rolle, wobei sich die nichtadaptierenden Salmonellen, wie vor allem S. thyphimurium und S. dublin, als Enteritiserreger in der Regel auf den Darm beschränken. Ähnlich wie E. coli sind sie in der Lage, sich mittels Pili an die Schleimhaut anzuheften und Enterotoxine zu bilden. Die Salmonellose verläuft entweder perakut oder akut als Septikämie (besonders bei Jungtieren; Blutungen in serösen Häuten, serofibrinöse Polyarthritis und -serositis, miliare Nekrosen in Milz und Leber), als akute katarrhalische oder fibrinöse Gastroenteritis oder als chronische Enteritis. Die Salmonellose kann als Sekundärinfektion bei verschiedenen Krankheiten auftreten. Aufschluss darüber gibt eine bakteriologische Untersuchung. An eine Infektion mit Coccidien muss zusätzlich gedacht werden. Bei Ziegen parasitieren mindestens 9 eigenständige, wirtsspezifische Arten; davon gelten nur Eimeria ninakohlyakinmovae und Eimeria caprina als pathogen .Es handelt sich aber meist um Mischinfektionen.Die scharf abgegrenzten Herde von Gamonten und Oozysten entwickeln sich in den Epithelien der Dünndarmzotten. Die Tiere erkranken oft als Lämmer, die ihren Aktionsraum erheblich kontaminieren. Danach entwickelt sich häufig eine Immunität, die aber bei besonderen Belastungen (Transport, Wetter, Fütterung etc.) beeinträchtigt werden kann Lymphadentis simplex der Mesenteriallymphknoten: Sie kommt sekundär durch eine verstärkte Immunantwort zustande. Es handelt sich hierbei um eine reaktive Hyperplasie mit einer markigen Schwellung auf die katarrhalische Enteritis. Leichte gemischte Milzhyperplasie: Eine gemischte Hyperplasie findet man bei einem Übergang vom akuten zum chronischen Stadium einer Infektionskrankheit. Sie ist Ausdruck der immunbiologischen Leistungen, d.h. Antigenphagozytose aus dem peripheren Blut in der roten Pulpa, danach Übertritt antigenbeladener Zellen in die weiße Pulpa und zusätzlicher Plasmazellenbildung. Da es bei der Ziege beim Einschnitt in das Milzparenchym zum leichten Hervorquellen von Gewebe kommt, kann dies eher zu einer gemischten Hyperplasie tendieren, da es bei der pulpösen Form zum alleinigen Hervorquellen der roten Pulpa kommt. Gleichzeitig würde hier auch eine Stauung vorliegen, was vor allem bei akuten bis subakuten Prozessen der Fall wäre. Bei einer follikulären Milzhyperplasie wären an der Schnittfläche weiße Körnchen, d.h. Lymphfollikel aufzuweisen. Dies war bei der Ziege nicht zu finden. 3 Lungenödem: Eine Überdehnung der Alveolen und die Zerstörung der Alveolenwände infolge hochgradiger Dyspnoe mit erschwerter Inspiration oder zu starkem Expirationsdruck führen zum alveolären Lungenödem. Die Dyspnoe wird durch Sauerstoffmangel während eines akuten Herzkreislaufversagens induziert. Im uns vorliegenden Fall liegt ein hochgradiges, akutes, alveoläres, intestinales Lungenödem vor, das dadurch entstanden ist, dass das Tier durch eine forcierte Atmung während dem Todeskampf mehr Luft eingeatmet hat, als es abatmen konnte. Eitrige Endometritis: Sie ist in der Regel infektionsbedingt und steht oft im Zusammenhang mit endokriner Dysregulation. Da die Ziege 9 Monate alt, und somit bereits geschlechtsreif war, kann es sich hier um eine Zyklusstörung handeln. Fokale Lebernekrose: Es handelt sich hier um eine Schädigung durch infektiöse Ursachen. Die Leberzellen reagieren in der Regel unkontrolliert und es kommt zu einer resorptiven Entzündung. Fokale Nekrosen nehmen keine Rücksicht auf die Läppchenstruktur sondern betreffen Einzelzellen oder kleine Zellgruppen. Zur weiteren Abklärung der Krankheitsursache wurden Proben von Darm, Darmlymphknoten, Leber, Milz, und Lunge zur bakteriologischen und virologischen Untersuchung entnommen. Postmortale Veränderungen Totenstarre: Nach dem Tod kommt es durch Einströmen von Kaliziumionen aus dem sarkoplasmatischen beziehungsweise endoplasmatischen Retikulum zu einer Kontraktion des Muskels, wodurch ein Rigorkomplex entsteht. Die Filamente können weder aktiv noch passiv aneinander vorbeigleiten. Die Muskulatur erstarrt im gesamten Körper, da das zur Lösung des Komplexes benötigte ATP nicht mehr hergestellt werden kann. Die Lösung der Totenstarre erfolgt erst durch autolytische Prozesse, die zu einer Trennung der Aktin - Myosin - Verbindung führen. Die Totenstarre tritt in der Regel 2 bis 8 Stunden nach dem Tode ein und dauert zwischen 24 und 48 Stunden an. Die Lösung derselben ist abhängig von der Umgebungstemperatur und der Todesursache. Totenauge: Durch Wasserverlust infolge Verdunstung verlieren die Augäpfel ihren Tonus und sinken in die Orbita ein. Die Hornhaut wird durch die fehlende Tränenproduktion glanzlos und trübe. Gallige Imbibition und Imbibitionsröte: Mit fortschreitender Zeit kommt es unter der Einwirkung autolytischer Vorgänge zur Diffusion von Gallenfarbstoffen aus der Gallenblase. Diese färben das umliegende Gewebe, wie Magen und Dünndarm, gelblich. Weiterhin treten auch Blutfarbstoffe durch postmortale Hämolyse durch die Gefäßwände hindurch. Die Imbibitionsröte tritt hier vor allem im 4 Endokard, Myokard und der rechten Atrioventricularklappe auf. Die Farbe des betroffenen Gewebes ist verwaschen rötlich und lässt sich im Gegensatz zu hypostatisch bedingten Flecken durch Umlagerung der Leiche nicht zum Verschwinden bringen. Fäulnis: Die grünliche Verfärbung der Totenflecke ist bedingt durch die Bildung von Sulfmethämoglobin. Sie beginnt zunächst in der Bauchgegend, wo die besonders vom Darm kommenden schwefelwasserstoffproduzierenden Fäulniskeime am schnellsten in die Haut gelangen können. Später breiten sie sich über die gesamte Körperoberfläche entlang der Totenflecke aus. Das Fortschreiten der Ausbreitung ist abhängig von Umgebungstemperatur, Luftzutritt und Feuchtigkeit. Todesursache Das Tier starb durch akutes Herz-Kreislaufversagen infolge einer akuten, diffusen katarrhalischen Abomasoenteritis. 5