xxx Obduktionsbericht Bei dem zur Sektion vorliegenden Tier handelt es sich um ein weibliches 7-8 Wochen altes 16kg schweres Schwein. Es besitzt weder eine Ohrmarke noch eine Tätowierung. Die Obduktion findet am 3.12.2001 im Sektionssaal der Pathologie Giessen um 9.15h im Beisein von der Sektionsleiterin xxx und den Studenten xxx statt. Vorbericht Das Sektionstier stammt aus einem Mastbetrieb mit Breifutterautomaten und ist ein Absetzer. In dem Betrieb kam es in letzter Zeit häufiger zu Todesfällen von Absetzern, erst einen Tag bevor das Sektionstier verstarb waren schon zwei weitere Tiere verendet.Die Frage war, ob eine zu geringe Wasseraufnahme der Tiere die Ursache sein könnte. Laut Vorbericht ist das vorliegende Tier in der Nacht des 3.12.2001 gestorben. Äussere Besichtigung Der Tierkörper ist vollständig erhalten und befindet sich in Seitenlage. Bei Prüfung der Todeskennzeichen ist eine getrübte Kornea, aber ein noch vorhandener Turgor des Bulbus feststellbar. Die Gelenke der Vorder- und Hintergliedmassen sind eingeschränkt noch beweglich. Insgesamt entspricht die Körperwärme der Umgebungstemperatur. Vor allem an Gliedmassen und Rücken ist eine fortgeschrittene hellrosa-porzellanfarbene Blässe zu verzeichnen. Links und rechts der Mammaleiste erkennt man blauviolette streifenförmige Verfärbungen. Der Ernährungszustand des Tieres ist anhand der mittelmässigen Bemuskelung und des rechten eingesunkenen Augapfels als mässig zu beurteilen. An der seilichen Brust- und Bauchwand sind mehrere 5-10cm lange und 2-3mm breite rote und rotbraune langgezogene Striche auf der Haut zu sehen. Diese Veränderungen reichen bis unter die Haut und besitzen teilweise ablösbare krustige Auflagerungen. Besonders cranial, aber auch caudal erkennt man an den Sohlenballen pfennigstückgrosse dunkelrote bis braune unter die Haut reichende aufgerauhte Herde. Innere Besichtigung Bauchhöhle Die Unterhaut des Tieres ist trocken und pappig. Im Grossen Netz und im Mesenterium ist nur wenig Fettgewebe vorhanden. Die Gefässe des Mesenteriums sind deutlich erkennbar. Alle Organe fühlen sich trocken und pappig an. Die Mesenteriallymphknoten sind leicht vergrössert, rötlich, zeigen stecknadelkopfgrosse über die Oberfläche erhabene Herde und sind auf der Schnittfläche weiss. Das Zwerchfell befindet sich in Expirationsstellung. Die Magenschleimhaut ist diffus mittelrot verfärbt und der Magen ist gefüllt mit einer gelbgrünlichen pappig körnigen Masse. 1 In keinem Abschnitt des Darmes ist gebundener Kot zu finden, sondern nur eine zementfarbene wässrige Flüssigkeit. Die Leber weist eine unregelmässige hellbraune Farbe auf und ist an den Rändern dunkelbraun bis fast schwarz. An der Schnittfläche tritt geringgradig eine lackfarbene rötliche seröse Flüssigkeit aus. Brusthöhle Am Herzen ist nur geringgradig Herzkranzfett vorhanden. Die Lunge besitzt streifenförmige leicht unter die Oberfläche eingesunkene Einziehungen und ist insgesamt hellrosafarben. Schädelhöhle Hinter den Augen ist nur geringgradig retrobulbäres Fettgewebe erkennbar. Pathologisch-anatomische Diagnosen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Mittelgradige bis hochgradige Exsikkose Mittelgradige Abmagerung Akute mittel- bis hochgradig diffuse katarrhalische Enteritis Akute gering- bis mittelgradige katarrhalische Gastritis Geringgradig aktive Lymphknoten Granulomatöse Lymphadenitis Subakut bis chronische herdförmige multifokale mittelgradige erosive Dermatitis 8. Chronische herdförmige mittelgradige ulzerative Pododermatitis Epikrise Die erste allgemeine Diagnose ist eine mittelgradig bis hochgradige Exsikkose. Es handelt sich hier um eine allgemeine Dehydratation des Körpers und besagt, dass es zu einer Abnahme des extrazellulären Wassers kommt. Auf diesen Vorgang erfolgt dann meist noch zusätzlich eine Abnahme des intrazellulären Wassers, welche mit Flüssigkeits- und/oder Elektrolytverlusten über den MagenDarm-Kanal oder über die Nieren einhergeht und ist aus diesem Grund von grosser Bedeutung für den Gesamtwasserhaushalt des Tieres. Erbrechen und Durchfall führen nicht hleich zu einem veränderten osmotischen Druck, sondern es ensteht zunächst eine isotone Dehydratation. Erst bei anhaltender Erkrnkung steigt der Natriumverlust und schliesslich entwickelt sich eine hypotone Dehydratation. Pathologisch-anatomisch ist eine Dehydratation anhand der Trockenheit, Verkleinerung, Turgorsteigerung bei gleichzeitigem Elastizitätsverlust und intensiveren Hervortreten der Eigenfarbe der Gewebe und Organe diagnostizierbar. Eine hochgradige Exsikkose führt zum hypovolämischen Schock, der aufgrund langanhaltender Diarrhoen zu einem hohen Blutplasmaverlust führt. Zudem werden bei durch Durchfallerkrankungen ausgelösten hypovolämischen Schockzuständen gleichzeitig Stoffwechselprodukte von Bakterien oder Bakterientoxinen aus dem Darm resorbiert , welche dann Schäden an Gefässen und Parenchymen verursachen, wodurch zusätzlich ein toxischer Schock entsteht. 2 Beim hier vorliegenden Sektionstier ist die Hauptursache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinklichkeit die später erläuterte mittel- bis hochgradige katarrhalische Enteritis. Die zweite allgemeine Diagnose ist eine mittelgradige Abmagerung des Schweins. Ein herabgesetztes Futterangebot oder eine mit Durchfall einhergehende verminderte Resorption des Darmes hat eine negative Energiebilanz als Folge. Auch vermehrter Stress erschwert den Fettansatz. Zunächst kommt es zum Abbau der Glykogenreserven in Leber und Muskulatur und dann zum Verbrauch der Fettdepots in den Körperhöhlen und der Unterhaut. Bei länger anhaltendem kachektischen Zustand werden die Körperproteine, besonders die der Muskeln abgebaut. Dadurch verliert das Tier zunehmend an Gewicht, die inneren Organe (exklusive Gehirn und Herz) werden leichter und die Körpertemperatur sinkt als sogenannte Sparmassnahme um etwa 1 Grad Celsius. Durch Einschmelzung des Fettes kann es zu einer Hungerketose und anderen endogenen Intoxikationen kommen. Im Extremfall entsteht die Hungerkrankheit, die im Zusammenhang mit einem Kräfteverfall, der Kachexie oder dem Marasmus, steht. Schliesslich stellt sich der Hungertod ein. Ursachen dafür sind extremer Parasitenbefall,chronische Darmerkrankungen, schweres Leberleiden oder lange Hungerperioden. In diesem Fall kommt einerseits die katarrhalische Enteritis und andererseits der mit hoher Wahrscheinlichkeit ante mortem vorhandene Stress des Tieres in dem Herkunftsbetrieb als Ursachen in Frage. Die Hauptdiagnose ist eine akute diffuse mittel- bis hochgradige katarrhalische Eneritis. Sie ist gekennzeichnet durch Hyperämie und ödematöse Schwellung der Schleimhaut, durch ein seromuköses Exsudat und einen dünnflüssigen, ungeformten Darminhalt. Typisch ist eine Schwellung der mesenterialen Lymphknoten ( Lymphadenitis simplex). Die mit der Entzündung einhergehende Diarrhoe erkennt man an einem von der Norm abweichenden, erhöhten Flüssigkeitsgehaltes des Darminhaltes. Meist kommt es zu Funktionsstörungen oder morphologischen Veränderungen durch Erreger, die ans Darmepithel haften, in dieses eindringen und sich dann vermehren. Erreger wie enterotoxische E.coli (ETEC), Vibrio cholerae und Yersinia enterocolitica produzieren bei ihrer Vermehrung Enterotoxine (Exotoxine). Diese greifen inden aktiven Transport von Natrium-, Kaliumund Chloridionen durch die Zellmembran ein. Den Elektrolyten folgt aus osmotischen Gründen Wasser ins Darmlumen. Die Enterotoxine bewirken eine erhöhte Konzentration von cAMP und cGMP eine verminderte Aufnahme und eine erhöhte Abgabe der Elektrolyte durch Enterozyten. Normalerweise sind die Enterozyten der Zotten des Dünndarmes nur resorptiv tätig und werden aber durch die Enterotoxine zur „Sekretion“ angeregt, wodurch es zu einer sekretorischen Diarrhoe kommt. Wenn nun der sehr wässrige Dünndarminhalt in den Dickdarm gelangt, so kann es zur Überschreitung der Resorptionskapazität des Dickdarmes kommen. Die Folge davon ist auch eine Diarrhoe. EPEC, Coronaviren, Kryptosporidien und Schraubenbakterien greifen ebenso den Dickdarm direkt, beide letzteren bevorzugt den Dickdarm an und führen dort zu einer herabgesetzten Wasserrückresorptionsfähigkeit. 3 Hier handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Infektion mit darmpathogenen E.coli Stämmen. Diese Erreger besitzen Pili, Fimbrien oder Adhäsions- und Kolonisationsfaktoren, mit denen sie an den Enterozyten haften. Dann bilden sie Toxine und Invasionsfaktoren. Verschiedene Krankheitsbilder sind zu unterscheiden: Colidiarrhoe (enterotoxische Enteropathie), Colienteritis, Ödemkrankheit der Schweine und Coliseptikämie. Die Coliseptikämie ist nicht darmpathogen, sonder meist nasopharyngeal und tritt hauptsächlich bei Kälbern und Lämmern auf, ist somit ausschliessbar. Für die Ödemkrankheit der Schweine fehlen die Ödeme in der Unterhaut (Nasenrücken, Augenlider), der Magenwand, des Dickdarmgekröses und der Lunge. Es sind auch keine serösen Ergüsse in Bauch-, Brusthöhle und Herzbeutel vorhanden. Damit ist diese Erkrankung auch auszuschliessen. Die Colienteritis rufen STEC-Stämme hervor, welche identisch mit denen der Ödemkrankheit sind und verursachen teils katarrhalische, teils hämorrhagische, teils oberflächliche nekrotisierende Gastroenteritis mit Thrombosen. Sie tritt meist nach dem Absetzen auf („Postweaning E.coli Enteritis“). Bei dem Sektionstier liegt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Colidiarrhoe vor. Sie wird durch ETEC ausgelöst. Sie kommt vor allem bei Kälbern, Ferkeln und Lämmern in der ersten Lebenswoche, aber auch nach dem Absetzen vor und führt zu grossen wirtschaftlichen Verlusten. Prädisponierende Faktoren sind besonders Abwehrschwäche (Kolostrummangel, Fehlen spezifischer Antikörper), Haltungsund Fütterungsfehler sowie Infektionen mit Rota- und Coronaviren. Die ETEC haften an den Enterozyten des Dünndarmes und vermehren sich dort sehr schnell. Sie bilden temperaturstabile (ST) und temperaturlabile (LT) Toxine, die dann zur sekretorischen Diarrhoe führen. Pathologisch findet man lediglich eine Exsikkose, geronnene Milch im Magen (Saugferkel) sowie wässrigen Darminhalt. Histologisch sieht man kaum Entzündungszeichen und keine auffällige Zottenatrophie. Passend hierzu sind die geringradig vergrösserten Mesenteriallymphknoten. Als weiterführende Untersuchung sollte man eine bakterielle Untersuchung einleiten. Eine weitere Diagnose ist eine akute gering- bis mittelgradige katarrhalische Gastritis. Diese ist häufig mit Enteritiden vergesellschaftet. Dabei kommt es zu Hyperämie der Schleimhaut und ödematöser Schwellung der Magenwand durch vermehrte Bildung eines serösen oder mukösen Exsudates. Als Ursachen kommen verschiedene infektiöse, chemische, allergische, thermische und auch mechanische Einflüsse, die die Schleimhaut schädigen in Frage. Dies ist jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur eine physiologischeVerdauungshyperämie der Magenschleimhaut, die bei starker Magenfülle ensteht. Ein geringgradig aktiver Lymphknoten ist immer ein Hinweis auf zeitgleich stattfindende immunbiologische Leistungen. Die Antigene gelangen mit der afferenten Lymphe über die Randsinus in die interfollikulären Sinus und Marksinus. Danach werden sie dort und von den in den Lymphfollikeln gelegenen Retikulumzellen und Makrophagen phagozytiert und verarbeitet. Darauf folgen eine plasmazelluläre Reaktion und eine Follikelzentrumsreaktion. 4 Hyperplastische Lymphknoten sind vergrössert, meist weich, die Schnittfläche wölbt sich leicht hervor und ist saftig, von weisslich-gelblicher Farbe, manchmal auch rötlich-fleckig. Lymphknotenschwellungen sind häufig, wenn in ihrer Nähe entzündliche Prozesse ablaufen wie zum Beispiel die hier vorliegende Enteritis. Als Differentialdiagnose kommt eine granulomatöse Lymphadenitis in Betracht. Auch diese geht einher mit einer Hyperplasie der Lymphknoten Eine typische mit Schwellung der Mesenteriallymphknoten bekannte Erkrankung ist die Tuberkulose. Verursacht wird diese durch Mykobakterien (M.bovis, avium, intracellulare). Dabei sehen die Lymphknoten gelblich-sulzig aus und es kommt zur trockenen Verkäsung zentraler Herde. Zudem sind sie von der Konsistenz her derb. Die zweite Erkrankung, die durch eine Schwellung der Lymphknoten (besonders der Inguinal- und Mesenteriallymphknoten) gekennzeichnet ist, nennt man Post Weaning Multisystemic Wasting Syndrome (PMWS). Dies ist eine Erkrankung bei Saugferkeln und Mastschweinen, die durch ein porcines Circovirus hervorgerufen wird. Zusätzlich kommt es dabei zu einer Abmagerung, Anämie und gelegentlich zu einem Ikterus. Höchstwahrscheinlich ist die richtige Diagnose der geringgradig aktive Lymphknoten, da die weiteren Symptome der beiden anderen Krankheiten hier nicht zutreffen. Eine sichere Diagnose kann jedoch nur eine histologische Untersuchung der Lymphknoten liefern. Die subakute bis chronische herdförmige multifokale mittelgradige erosive Dermatitis sind mit Sicherheit Kampfspuren, die auf Kannibalismus zurückzuführen sind. Als Ursache kommen hier Haltungs- und Fütterungsfehler in Frage. Die chronische herdförmige mittelgradige ulzerative Pododermatitis ist ein Hinweis, der einen Spaltenboden vermuten lässt. Eine daraus hervorgehende Krankheit wird als Technopathie bezeichnet. Die akute geringgradige Staungsleber und Stauungslunge sind agonal entstanden und anhand des Blutaustrittes aus der Schnittfläche feststellbar. Postmortale Veränderungen Das Totenauge entsteht durch Wasserverlust infolge Verdunstung, wodurch die Augäpfel ihren Tonus verlieren und in die Orbita einsinken. Die Kornea wird wegen der fehlenden Tränenproduktion glanzlos und trübe. Zur Totenstarre kommt es durch das nicht mehr vorhandene ATP, welches eine Weichmacherwirkung besitzt, die zur Lösung der Aktin-Myosin-Verbindung (Rigorkomplex) benötigt wird. Sie tritt in der Regel 2-8h post mortem auf und dauert zwischen 24 und 48h an. Sie verläuft von cranial nach caudal und von proximal nach distal. Wärme begünstigt und Kälte verzögert sie. Sie ist somit von der Umgebungstemperatur sowie von der vorausgegangenen Krankheit abhängig. Beim vorliegenden Mastschwein ist die Totenstarre entweder schon wieder gelöst (warmer Stall) oder durch die Abmagerung verzögert. Die Lösung der Totenstarre geschieht durch autolytische Prozesse und erfolgt in der gleichen Reihenfolge. 5 Die Leichenkälte entsteht durch den Zusammenbruch der Durchblutung und der wärmeerzeugenden stoffwechselaktiven Vorgänge. Sie ist auch von der Umgebungstemperatur, aber primär vom Zeitpunkt des Todes abhängig. Die Leichenblässe ist eine Folge der postmortalen Blutsenkung, bei der sich das Blut vor allem in Lunge, Niere und Leber sammelt. Die Hypostase ist die postmortale Blutsenkung, die hier an den dunklen Rändern der Leber erkennbar ist. Rippenimpressionen an der Lunge sind durch die Lagerung post mortem entstanden. Todesursache Das Tier ist an akutem Herzkreislaufversagen infolge akuter diffuser mittel- bis hochgradiger katarrhalischer Enteritis gestorben. 6