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Aber ob man nun den ungestümen Protest einer jungen Generation ins Zentrum rückt oder einen Terroristenkrimi herausliest oder den Text zertrümmert, um aus den Teilen neue bittere Wahrheiten zu gewinnen – immer behält das Stück seine subversive Kraft – und wird zum Spiegel der Zeit, die ihn durch ihre Brille sieht. Das zeigt eine Sendung mit Original-Tondokumenten aus dem letzten halben Jahrhundert. In Inszenierungen von Martin Flörchinger , Peter Zadek, Manfred Karge, Matthias Langhoff, Claus Peymann, Andras Fricsay, Frank Castorf und Alexander Lang wirken u.a. mit Eduard von Winterstein, Hans-Peter Thielen, Bodo Krämer, Arno Wyzniewski, Rufus Beck, Henry Hübchen und Heino Ferch, O-Ton (Von Trommeln unterstützter Sprechchor („Was Eisen nicht heilt...) 2 darauf SPRECHER „Was Medizin nicht heilt, heilt Eisen, was Eisen nicht heilt, heilt Feuer“. Dieses Paracelsus-Zitat hatte Schiller dem Stück „Die Räuber“ vorangestellt. Und die Regisseure Manfred Karge und Matthias Langhoff nutzten es 1971 als Prolog für ihre Aufführung in der Ostberliner Volksbühne. Der wütende Protest gegen die scheinbar gottgewollte Ordnung aller Dinge war es, der das Stück durch die Jahrzehnte und Jahrhunderte auf den Bühnen am Leben erhielt - trotz mancher Schwächen. Stecken doch in dem Text ein trivialer Räuber-Roman, ein Familienstück mit Konflikten zwischen den Generationen sowie ein antifeudales Freiheitsdrama. Man kann also mit guten Gründen behaupten: „Die Räuber“ sind ein miserables Stück! Szene „Räuber aber sind die Helden des Stücks „ SPRECHER Und doch gibt es in dem Text etwas, das stärker ist als alle dramaturgischen Argumente. Man kennt den Augenzeugenbericht von der Mannheimer Uraufführung 1781, der mit dem Satz beginnt: „Das Theater glich einem Irrenhause.“ Man hat auch zuverlässige Berichte darüber, dass zu den folgenden Vorstellungen Zuschauer aus der ganzen Umgebung - aus Heidelberg, Darmstadt, Mainz, Frankfurt und Speyer herbeiströmten. Die Wirkung der Uraufführung übertraf alles bisher Dagewesene. Schiller hatte offensichtlich den Nerv der Zeit getroffen; und auf jeweils andere Weise gelang das dem Stück immer wieder – bis in unsere Tage. Musik Nr. 2, Anfang bis 0.10, dann wegblenden und Sprecher auf Blende SPRECHER Die militärische Niederlage Nazi-Deutschlands war auch mit einem geistigen Zusammenbruch verbunden. In den ersten beiden Nachkriegs-Jahrzehnten und verstärkt nach der Gründung der beiden deutschen Teil-Staaten im Jahre 1949 begannen die regierenden Parteien beider Seiten, die gemeinsame kulturelle Tradition für ihre jeweiligen Interessen einzusetzen Beide wetteiferten in dem Bemühen, sich als legitime Erben der deutschen Klassik darzustellen. O-Ton Hörspiel 1954 DDR Rundfunk Regie Martin Flörchinger 3 Szene Alter Moor (Eduard von Winterstein)-Karl (Hans-Peter Thielen) A: „Was geht hier vor? Ist ein Gefangener? E. Die Stunde der Erlösung SPRECHER Bedeutsam war, dass in diesem von Martin Flörchinger inszenierten „Räuber“Hörspiel Eduard von Winterstein den alten Grafen Moor spielte. Er kam 1892 ans Deutsche Theater, war noch unter Otto Brahm der erste Berliner Peer Gynt und gehörte dann zu den Stützen des Max Reinhardt-Ensembles. Dass er seinem Stammhaus die Treue hielt, wurde als Indiz dafür herausgestellt, dass sich das DDR Theater als Erbe bester bürgerlicher Traditionen verstehen dürfe. Hörspiel 1954 DDR Rundfunk Regie Martin Flörchinger (Fortsetzung der Szene) A. Ich hatte kaum angefangen nach einer schweren Krankheit etwas Kräfte… E. …Und mein Sohn Franz schloss hinter mir zu D: 1.07 SPRECHER Hans Peter Thielen als der edle Räuberhauptmann Karl Moor und Eduard von Winterstein als der alte Moor in einem Hörspiel aus dem Jahre 1954. Musik Nr. 2 (0.16.-0.30) SPRECHER Der 150. Todestag Friedrich Schillers bot im Jahre 1955 eine willkommene Gelegenheit, vom hohen Podium aus die DDR als den Staat zu präsentieren, in dem Schillers Ideale Wirklichkeit werden. Der Lyriker Johannes R. Becher, der erste Kulturminister der DDR hielt die Festrede im Deutschen Nationaltheater Weimar. 4 O-Ton Schiller-Rede 1955 Joannes R. Becher, DNT Je gründlicher wir lernen, je besser wir arbeiten, je schöner wir zu leben verstehen, je vollkommener unsere neue gesellschaftliche Ordnung wird, unsere Arbeiter- und Bauernmacht, desto näher rücken wir einem Dichter, einem Freiheitsdichter wie es Friedrich Schiller war. Friedrich Schiller geht uns voran. Friedrich Schillers Werk liegt vor uns. Friedrich Schiller wir sind auf dem Weg zu ihm. SPRECHER Andere Töne waren von Thomas Mann zu vernehmen , der ebenfalls zur SchillerFeier 1955 in die Stadt der deutschen Klassik gekommen war. Der damals Achtzigjährige, der mit Recht als der damals wichtigste Repräsentant deutscher Kultur allgemein akzeptiert wurde, verwies zunächst auf die globalen Aspekte der kulturellen Situation 10 Jahre nach Kriegsende. O-Ton Festrede Thomas Mann Schillerfeier 1955 DNT Weimar (1) ( D:1.36) Ohne Gehör für seinen Aufruf zum stillen Bau besserer Begriffe, reinerer Grundsätze edlerer Sitten, von dem zuletzt alle Verbesserung des gesellschaftlichen Zustands abhängt, taumelt eine von Verdummung trunkene verwahrloste Menschheit unterm Ausschreien technischer und sportlicher Sensations-Rekorde ihrem schon gar nicht mehr ungewollten Untergange entgegen. SPRECHER Aber dann bemühte er ebenfalls Schiller in Bezug auf die wichtigste nationale Frage: O-Ton Festrede Thomas Mann Schillerfeier 1955 DNT Weimar (2) ( D:1.36) Als man im November 1859 seinen 100. Geburtstag beging, hob ein Sturm der Begeisterung einigend Deutschland auf. Damals bot sich (so heißt es) der Welt ein Schauspiel, das die Geschichte bis dahin noch nicht kannte. Das immer zerrissene deutsche Volk in geschlossener Einheit durch ihn, seinen Dichter. Es war ein nationales Fest, und das sei das unsere auch. Entgegen politischer Unnatur fühle das zweigeteilte Deutschland sich eins in seinem Namen. 5 SPRECHER Drei Monate nach seiner Schiller-Rede ist Thomas Mann achtzigjährig gestorben. Musik Nr.3 Anfang bis 0.15 (besser bis 0.32) SPRECHER Mit den sechziger Jahren kam Bewegung in die Klassiker-Interpretation auf deutschen Bühnen. Eine Vorreiter-Rolle spielte dabei das Theater Bremen unter dem Intendanten Kurt Hübner. Der damals 30jährige Peter Zadek inszenierte dort 1966 eine Pop-Version der „Räuber“. Die Originaltöne stammen aus einem Beitrag des NDRFernsehens. O-Ton Zadek Bremen 1966 Die Grundlage für diese Inszenierung war der Eindruck, den Minks der Bühnenbildner, und ich von dem Buch „Die Räuber“ von Schiller bekamen. Es schien uns „ eine grelle monströse gräuliche Angelegenhei“; und so haben wir versucht, es auf die Bühne zu bringen. SPRECHER Wilfried Minks zitierte für sein Bühnenbild ein Motiv der Popart-Ikone Roy Lichtenstein. Davor agierten grotesk überzeichnete Figuren: Franz Moor, der zurückgesetzte Zweitgeborene, eine Missgeburt wie aus einem Horror-Film, Karl ein blond gelockter Westernheld in engen Lederhosen, Amalia ein Rauschgoldengel. Zum ersten Mal hatte jemand gewagt, das „höhere Indianerspiel“, das laut Thomas Mann in dem Text steckt, auf die Bühne zu bringen. Szene A Ob ich nun tot bim E.. die Post ist angekommen. O-Ton Zadek 1966 Wir haben uns weitgehend der Urfassung des Stücks „Die Räuber“ bedient, wo die kolossalische Größe, wo das Monströse, das Übergruselige, das Überdynamische, das Kraftstrotzende alles sehr stark betont wird. Und wir haben statt (wie es möglich 6 wäre), eine Inszenierung zu machen, indem man diese Aspekte reduziert und versucht sie zu nivellieren, gerade diese Aspekte betont. Sie sind aber bei Schiller zu finden SPRECHER Die Aufführung löste einen Skandal aus, was dazu führte, dass sie nur noch außerhalb des Abonnements als Nachtvorstellung gezeigt wurde. Dort feierte sie Triumphe und wurde (wie man heute sagen würde) Kult. Später sprach man von der ersten postmodernen Inszenierung - lange bevor dieser Begriff erfunden wurde. Musik Nr. 19 ab 0.11 bis 0.25 Blenden und auf Blende Sprecher SPRECHER Ganz andere Wege gingen fünf Jahre später Manfred Karge und Matthias Langhoff in ihrer Inszenierung für die Ostberliner Volksbühne. Einer der Höhepunkte: die handstreichartige Befreiung eines Bandenmitglieds. Roller steht schon unterm Galgen: Szene VB 71 A Feurio… “Die Befreiung Rollers SPRECHER Woher die Anregungen für diese Inszenierung kamen, formulierte Matthias Langhoff 1971 mit einer gewissen Zurückhaltung: O-Ton M. Langhoff (1) Was Rhythmus, Ungebärdigkeit usw. betrifft, denkt man zweifellos an die westliche Studentenbewegung, wenn man das sieht. Man denkt an die Sprechchöre, man denkt an Straßenschlachten Wir glauben, dass das legitime Assoziationen sind, es sind auch beabsichtigte Assoziationen. Wobei es falsch wäre, die Aufführung auf diese Assoziationen festzulegen. SPRECHER 7 Denn unausgesprochen - für das ostdeutsche Publikum aber durchaus nachvollziehbar - zielte die Inszenierung auch auf eine Aktivierung antiautoritärer Kräfte in der DDR ab. O-Ton M. Langhoff (2) Wir glauben, dass diese Tradition auch bei uns lebendig ist - in der Weise, dass die Kraft, die darin steckt, beeindruckt. Und wir meinen, dass die Warnung, die mit der Aufführung gesetzt wird, notwendig ist, dass aber auch ein Ansporn vorhanden ist, der uns positiv erhalten bleiben sollte. SPRECHER Worum es in dem Stück geht, lässt sich kaum in wenigen Sätzen fassen. Im Kern jedenfalls versucht eine Gruppe junger Leute, die Fesseln der feudalen Ordnung und des Patriarchats zu sprengen und zwar mit Mitteln, die man heute terroristisch nennen würde. Thomas Mann hat mit Recht vermerkt, dass diesem Befreiungsversuch etwas von einem Indianerspiel anhaftet. Wer also wie Karge und Langhoff die Raubund Mordzüge als ernsthafte politische Aktion gegen ein verkrustetes System wertet, bekommt Schwierigkeiten mit dem Schluss des Stückes, wenn Karl sein Räuberleben verurteilt und sich der irdischen Gerechtigkeit ausliefert. Die VolksbühnenAufführung vermied eine Terrorismus-Apologie, verteidigte jedoch den systemkritischen Ansatz Schillers. Szene A da stehe ich ( Nach Notwendigkeit kürzen) E. anschwellendes Trommeln (Bei „Großmannssucht“ darauf) O-Ton Karge Uns war wesentlich, dass in diesem Schluss, zwei Menschen wie er können den ganzen Bau der sittlichen Welt zugrunde richten, dass dieser Anspruch nicht zur Zurücknahme der in Leipzig von ihm und seinen Kameraden formulierten Ansprüche führt. Szene hoch und zuende SPRECHER 8 Dank der theatralischen Phantasie, der rhythmischen Kraft und des Protestpotentials blieb die Inszenierung vier Jahre im Spielplan. Musik 4 ab Anfang bei 0.16 weg sein SPRECHER Ganz andere Wege ging Claus Peymann in seiner Inszenierung am Staatstheater Stuttgart 1975, für die Achim Freyer das Bühnenbild und die Kostüme entworfen hatte. Rückblickend erzählt er heute: O-Ton Peymann (aufgenommen 2005, über Produktion 1975) 50m tief und 30 m breit war eine riesige Laubfläche, wo die Räuber bis zu den Knien im Laub waren Und mitten drin stand wie eine Kathedrale ein 5 m hoher Stuhl. Auf dem thronte eine riesige Puppe, darin saß Branko Samarowski, ein damals ganz junger Schauspieler als Vater Und gegen diese Kathedrale des Patriarchats zogen wir zu Felde. Ich weiß da wurde gegen den Stuhl gepisst, und es gab im stark bürgerlichen Stuttgart Tumulte. Im Gegensatz zur Aufführung von Manfred Karge und Matthias Langhoff blieben wir sehr stark in einer Theater-Metapher wie es mir ja auch besser gefällt. SPRECHER Die Kritik hat damals diese Theatermetapher nicht entschlüsseln können. Und auch die Leistungen der jungen Schauspieler wurden nicht gewürdigt, was verwunderlich ist, da sich alle drei sehr schnell als Spitzenschauspieler erwiesen, die Theatergeschichte mitgeschrieben haben. O-Ton Peymann (aufgenommen 2005, Fortsetzung) Wir waren eine tolle junge Truppe. Zapatka spielte, und Gert Voss und die junge Therese Affolter spielte in einem riesigen Kleid, das man aufblasen konnte bis 15m Umfang. Es war eine durch ihre Bilder und Theaterfindungen provozierende vollständig neuartige Aufführung in dieser Theaterwelt. Und darin lag möglicher Weise ein gewisses Skandalon. Das ist in einer Zeit( von heute ausgesehen), wo ja alles 9 erlaubt ist und alles gemacht wird und nichts mehr irgend jemanden vom Sessel hochtreibt, wenig einleuchtend. Aber im bürgerlichen Stuttgart, das aber eine brisante Stadt ist..., nicht umsonst hat man dort im Schwabenland so viele Revolutionäre und Terroristen großgezogen... Dort war das doch ein ziemlicher Schlag ins Gesicht einer bürgerlichen Sehgewohnheit. Musik Nr. 17 ab 3.20 (darauf bei 3.33) SPRECHER Knapp zwei Jahrzehnte später siedelte der Regisseur Andras Fricsay im Staatsschauspiel München „Die Räuber“ im Rocker-Milieu an: Szene und O-Ton Fricsay A. Gott, Rächer, ich kann nichts dafür E. wie steh ich denn da A. E: Er sebst ist ja mit der Drache SPRECHER Für den Regisseur Andras Fricsay hatte die Räuber-Revolte in den Achtziger Jahren längst ihre Unschuld verloren. Allenthalben herrscht Gewalt. Die folgenden Tondokumente stellte das Bayerische Fernsehen zur Verfügung: O-Ton Andras Fricsay 1989 Wenn wir Menschen töten, Menschen quälen, werden wir alle gleich. Ob wir ‚ne Mütze oder so’n Schnitt oder ne Krawatte tragen, wer mit ner Keule den Schädel eines Mitmenschen spaltet... die Kains können unterschiedlich aussehen wie sie wollen, Sie sind alle die gleichen. Szene München 1989 und O-Ton Fricsay A. Tu’s doch (auf weiter laufende Szene) SPRECHER 10 Amalia wird, bevor Karl die ehemalige Geliebte ermordet, von Mitgliedern der Bande brutal vergewaltigt. O-Ton Fricsay Wir sind alle Opfer, wir sind Täter und Opfer - alles zugleich. Eine ausweglosere Sackgasse kenne ich nicht am Ende eines Stückes. Musik Nr. 18, ab 0.06 (bei 0.20 darauf SPRECHER Wenige Monate nach Andras Fricsay in München inszenierte Frank Castorf „Die Räuber“ an der Ostberliner Volksbühne. Während der Probenarbeit war die DDR schon am Zerfallen. Castorf wäre nicht Castorf, hätte er es unterlassen, auf diese Situation Bezug zu nehmen. Auf welche Weise das geschah, erzählt Henry Hübchen, der den Franz Moor spielte. Szene VB 90 (Verfratzter Rio-Reiser-Song, 1. Teil) O-Ton Hübchen Es war so eine alte Rebellenmannschaft, der das Umfeld unter den Füßen weggezogen wurde, die zwar noch eine Utopie verfolgte, aber ganz halbherzig. Die waren eigentlich ganz ausgelaugte hilflose Typen. Szene VB 90 (Verfratzter Rio-Reiser-Song, 2. Teil schon 5’’ unter vorigen O-Ton) ( Gegen Ende darauf) . O-Ton Hübchen Das ist „Ton Steine Scherben“, Rio Reiser, auch aus der Zeit der 68er Bewegung, eine Avantgarde Band, die einen Aufbruchgeist noch hatte, und das stand natürlich total im Widerspruch zu dieser schon in die Jahre gekommenen alten Räuberbande. SPRECHER Schon auf überhängende Szene Das Volksbühnen –Team ließ es sich aber nicht nehmen, durch improvisierte 11 neue Texte ganz unverschlüsselt auf die politische Situation zur Aufführungszeit hinzuweisen. O-Ton Hübchen Das war so ein Moment nach einem Monolog, der die Haltung des Franz beschreibt, dass ich an einen Punkt kam, mit den Schillertexten nicht mehr auskommen zu können. Da habe ich mich direkt an Publikum gewendet. Szene VB 90 A. Anspruch E. hier ist gar nichts mehr komisch O-Ton Hübchen Publikum war ja nicht da. In den Proben war ja nur der Regisseur da unten.Naja: „denk Dir mal was aus.“ Ich habe immer gewartet, dass er mir noch einen Text sagt, einen Text, der wirklich Gegenwartsempfinden beinhaltet. Kam nichts. Und so blieb es bei diesem Text von mir. War eigentlich ganz schön. Musik Nr. 14, Anfang bis 0.17 SPRECHER Alexander Lang inszenierte „Die Räuber“ 1991 am Westberliner Schiller Theater. Szene Karl Moor (rhythmisiert)„Ich soll meine Rippen pressen in eine Schnürbrust (nach Kürzungsbedarf früher enden) O-Ton Lang Insofern ist in dem Schiller nicht nur ein aktuelles Problem drin, sondern ein übergeordnetes eine Art Weltproblem. Wie werden die jeweiligen Generationen fertig mit den Utopien der Väter, die erstarrt sind, die nicht mehr funktionieren Und das ist ein Problem, das über den aktuellen Punkt hinaus geht. Mich interessiert da doch mehr der größere Horizont. Szene Karl Moor „Stelle mich vor ein Heer“ (als getanzter rhythmischer Song ) 12 O-Ton Lang Karl Moor hatte eine ehrenhafte, ehrenwerte Vorstellung, wie man durch Raub Gerechtigkeit schaffen kann, indem man den Reichen was wegnimmt und den Armen was gibt. Und er muss leider feststellen, dass es nicht in seiner Hand liegt, Ideale zu vermitteln, sondern dass plötzlich unter der Hand im Namen dieses Modells ganz schreckliche Sachen passieren. Und das (finde ich) ist auch wieder ein ganz spannender aktueller Punkt, weil sich in der jüngsten Geschichte herausgestellt hat, wie im Namen einer Gesellschaftsform (siehe Sozialismus, siehe DDR) was da plötzlich hochkommt, wenn diese Decke weggezogen wird, was da drunter passiert ist. Und das ist dann wahnsinnig erschreckend. Und das ist eine ähnliche Geschichte. ( Szene nach obigem O-Ton muss wahrscheinlich noch gekürzt werden. Mögliches Schluss-Stichwort: „durch Wasser ruinieren“). Musik Nr. 5, ab 0.8 bis 0.38 SPRECHER Alexander Lang und die Aufführung des Berliner Schiller Theaters 1991. Es hatte davor noch andere Interpretationen von Schillers Stück „Die Räuber“ gegeben, und auch in den vergangenen 14 Jahren kam noch manch eine interessante Produktion hinzu. Natürlich geriet nicht jede Inszenierung überzeugend, so der Beitrag des Berliner Ensembles zum Schiller- Jahr, der schon Anfang der Spielzeit Premiere hatte, eine „Räuber“-Inszenierung des neuen Stuttgarter Schauspielchefs Hasko Weber, die seltsam kraftlos wirkte und keine Brücke in die Gegenwart schlagen konnte. Dazu BE-Intendant ClausPeymann: O-Ton Peymann Wenn Sie den Aufstand, die Revolte heraus nehmen und generalisieren, dann kann es leicht passieren, dass diese Stücke von Schiller, die ja viel heiße Luft sind, aber diese heiße Luft der Leidenschaft auch brauchen... dann wird es plötzlich manchmal dünn um diese Figuren. Das ist ein bisschen das Problem unserer Aufführung. Die Vorstellung behauptet sich am Abend außerordentlich gut. 13 SPRECHER Und das ist kein Zufall. Schillers Dramen sind so kenntnisreich auf die Bühnenwirkung hin angelegt, dass auch schwächere Aufführungen oft beim Publikum Erfolg haben. O-Ton Peymann Der Schiller ist für mich ja immer so der Uwe Seeler unter den Dichtern. Der Goethe ist Beckenbauer, das ist der mit den Vorlagen, manchmal etwas anämisch und kopfgetragen. Und Schiller ist vielleicht ein bisschen blöd, hat dafür aber Schwung und Wucht. Und der schießt halt die Tore. SPRECHER Und so werden mit Sicherheit auch künftige Zuschauer-Generationen Schillers Werken auf den Bühnen begegnen; und wenn die Inszenierungen mit dem richtigen Gespür für die Aktualität gemacht sind, werden sie sich auch darin wieder erkennen. Zitaten-Montage Summe: D: 0.45 (eventuell akustisch verfremden, Es soll klingen als würden die Zitate aus der Vergangenheit auftauchen und in die Zukunft verschwinden) Wo’s Not tut Fährmann lässt sich alles wagen Die Kirche trennet aller Pflichten Band Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit Der kluge Mann baut vor Kardinal ich habe das meinige getan, tun sie das Ihre Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt Nicht für alle Länder, die das Meer umfaßt, wollt vor euch so stehn wie ihr vor mir Dem Mutigen Hilft Gott Seid einig, einig, einig! Szene VB 71: Räuber sind die Helden des Stücks... „Was Medizin nicht heilt, heilt Eisen, was Eisen nicht heilt, heilt Feuer...“(Trommeln verklingen) Abmoderation 14 „Was Eisen nicht heilt, heilt Feuer“. Tondokumente aus dem letzten halben Jahrhundert zum Spiegel der Zeit, die ihn durch ihre Brille sieht.