Wie schwer ist die Schwerkraft?

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Hessischer Rundfunk
hr-iNFO
Redaktion: Dr. Karl-Heinz Wellmann
Wissenswert
Wie schwer ist die Schwerkraft?
Physiker verzweifeln an einer Naturkonstanten.
von Frank Grotelüschen
mit einem Beitrag über Forschung an Meteoriten
von Karl-Heinz Wellmann
Sprecher: Frank Grotelüschen (Autor), Karl-Heinz Wellmann
(Moderation)
Sendung: 05.04.2015, hr-iNFO
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Moderator
Für die Physiker ist es ebenso rätselhaft wie ärgerlich: Seit Jahrzehnten
fahnden sie nach dem genauen Wert von Newtons
Gravitationskonstante. Die zählt zu den fundamentalen Größen der
Natur, denn sie gibt an, wie stark die Schwerkraft ist im Vergleich mit
den anderen Naturkräften. Das Problem: Unterschiedliche Experimente
liefern widersprüchliche Resultate über den genauen Wert dieser
Naturkraft. Wie Physiker heute experimentieren, um dieses Ärgernis
aus der Welt zu schaffen, darum geht es jetzt gleich in dieser Ausgabe
von hr-iNFO-Wissenswert. Im zweiten Teil folgt dann ein Beitrag über
die Erforschung von Gestein, das – man beachte die Abfolge der Ziffern
– 4,5678 Milliarden Jahre alt ist.
Trenner
Das erwähnte Gestein ist datiert bis zur 4. Stelle nach dem Komma –
eine Präzisionsmessung, die unter Naturwissenschaftlern heute
durchaus üblich ist. Nur eben nicht im Falle der Schwerkraft. Da
stimmen die Messwerte der unterschiedlichen Experimente ab der
dritten Stelle hinterm Komma nicht überein. In Zeiten, in denen
Forscher ihre Messgrößen oft bis auf das Milliardstel genau erfassen,
ist das ein Unding. Doch nun bringt ein italienisches Experiment neuen
Schwung in die Forschung. Erstmals wurde die Gravitationskonstante
nicht mit Pendeln, Waagen und metallenen Gewichten bestimmt,
sondern auf der Basis von Atomen und raffinierten Quantentricks. Frank
Grotelüschen hatte Gelegenheit, mit einigen der Schwerkraft-Forscher
über diese Schlappe auch für das Ego der Präzisionsphysiker und über
deren Beseitigung zu sprechen.
Atmo
O-Ton 1:
(Gundlach)
„Man weiß wirklich nicht, was nun der genaue Wert ist.“
O-Ton 2:
(Tino)
„This is a unique case in physics…
Übersetzer: Das ist einzigartig in der Physik. Mir ist kein anderer Fall bekannt, bei
dem verschiedene Labors so widersprüchliche Resultate für einen
Messwert liefern.
... doing the same experiment.“
Atmo:
stoppt
Sprecher
Die Gravitationskonstante. Eine der fundamentalen Größen der Natur.
O-Ton 3:
(Gibbons)
„Gravity controls large parts of the cosmos.”
Sprecher
Gary Gibbons, theoretischer Physiker, Universität Cambridge.
O-Ton 4:
(Gibbons)
„And so big G is really controlling the cosmos.”
Übersetzer: Die Gravitation beherrscht den Kosmos. Und damit kontrolliert die
Gravitationskonstante das Geschehen im ganzen Kosmos.
Sprecher
Wie stark wirkt die Schwerkraft zwischen zwei Massen? Das verrät
groß G, wie Physiker die Gravitationskonstante auch nennen – nicht zu
verwechseln mit klein g, der Erdbeschleunigung. Für groß G gilt: Würde
man die Kraft zwischen zwei Massen, die ein Kilogramm wiegen und
einen Meter voneinander entfernt sind, präzise messen, käme der Wert
der Gravitationskonstanten heraus. Erstmals kam sie 1686 ins Spiel, als
Isaac Newton sein legendäres Gravitationsgesetz vorstellte.
O-Ton 5:
(Gibbons)
„Once you know big G you measure …
Übersetzer: Wenn man die Gravitationskonstante kennt, kann man daraus die
Masse der Erde ausrechnen. Je genauer wir also groß G messen
können, umso genauer kennen wir auch die Masse der Erde.
... we measure the mass of the earth.“
Sprecher
Nun gibt es aber keine Formel, mit der sich die Konstante ausrechnen
ließe. Kein Gesetz sagt, wie groß sie sein muss. Der Wert von groß G –
die Physiker müssen ihn mühevoll nachmessen. Das Problem:
O-Ton 6:
(Gibbons)
„The force of gravity is extraordinarily weak…
Übersetzer: Verglichen mit anderen Naturkräften ist die Gravitation außerordentlich
schwach. Und deshalb ist es extrem schwierig, den Wert für groß G
präzise zu messen.
... difficult to measure.“
Sprecher
Die meisten Naturkonstanten sind bis auf Millionstel oder gar
Milliardstel genau bekannt. Anders bei der Gravitationskonstanten: Bei
ihr ist bereits die dritte Stelle hinterm Komma ungewiss: Muss da eine 3
stehen oder doch eher eine 4? Eine Schlappe, die Präzisionsphysiker
nicht hinnehmen wollen. Sie versuchen mit immer neuen Experimenten,
einen genaueren Wert zu finden. Ein Job für Leute mit Geduld. Für
Forscher mit einem gewissen Hang zur Akribie.
Akzent
O-Ton 7:
(Quinn)
„Essentially it’s a very simple experiment …
Sprecher
Terry Quinn, Ex-Direktor des BIPM, des Internationalen Büros für Maß
und Gewicht, Paris.
Übersetzer: Vom Prinzip her ein einfaches Experiment. Wir versuchen, die
Anziehung zweier Massen im Labor möglichst genau zu messen. Wir
haben mit einer sogenannten Drehwaage gearbeitet. Das ist eine
Hantel, die an einem Metallfaden über einem Drehtisch hängt. Auf
diesem Drehtisch sind massive Metallzylinder montiert. Diese Zylinder
ziehen durch ihre Schwerkraft die Hantelköpfe an und lenken sie ein
wenig aus ihrer Ruhelage aus. Es war zwar nur eine winzige
Bewegung, aber sie lässt sich sehr genau messen.
... which we try to measure.“
Sprecher
Im Grunde eine Hightech-Variante jenes Experiments, mit dem Henry
Cavendish 1797 erstmals den Wert von groß G bestimmt hatte. Der
Brite hatte eine Bleihantel an einem Faden aufgehängt und zwei
schwere Gewichte einmal rechts und einmal links danebengestellt.
Durch deren Schwerkraft wurden Hantel und Faden ein wenig verdreht.
Die Auslenkung war so mickrig, dass Cavendish sie nur mit einem Trick
nachweisen konnte: Am Faden befestigte er einen Spiegel und
verfolgte den an der Wand entlang wandernden Schein einer
reflektierten Kerzenflamme. Immerhin konnte Cavendish den Wert von
groß G bis auf ein Prozent genau bestimmen. Eine Ungenauigkeit, mit
dem sich Terry Quinn natürlich nicht zufriedengeben wollte. Zwei
Jahrzehnte lang trachtete sein Team danach, jede noch so kleine
Störung unter Kontrolle zu bringen.
O-Ton 8:
(Speake)
„We’ve to worry about temperature…
Sprecher
Clive Speake, Physiker an der Universität Birmingham.
Übersetzer: Zunächst mussten wir es schaffen, die Temperatur im Labor möglichst
stabil zu halten. Dann mussten wir herausfinden, wie schwer die
Metallstücke waren und wie sich die Masse in ihnen verteilte.
Schließlich mussten wir die Positionen der Hantel und der
Metallgewichte extrem präzise vermessen. Alles in allem mussten wir
unseren Versuchsaufbau bis ins letzte Detail verstehen.
... of thing that we have to understand.“
Sprecher
2013 veröffentlichten Quinn und Speake ihr definitives Resultat –
sehnlich erwartet von der Fachwelt, die gehofft hatte, der neue Wert
wäre in etwa so groß wie die Ergebnisse von früheren Versuchen. Aber:
O-Ton 9:
(Quinn)
„These results are higher than anybody else’s results…
Übersetzer: Unser Wert ist viel höher als die Ergebnisse der anderen Experimente.
Damit haben wir jetzt endgültig die Situation, dass es mehrere
unterschiedliche Werte für die Gravitationskonstante gibt.
... there’s a broad spread of results.“
Sprecher
Ein Schock. Denn mit ihrem Wert haben Quinn und Speake ein
ärgerliches Problem weiter verschärft. Seit den Neunzigern war alle
paar Jahre eine andere Forschergruppe vorgeprescht und hatte die
Fachwelt mit einem neuen Wert für groß G verwirrt.
Akzent
Sprecher
Das Jahr 2000, der Versuch von Seattle.
O-Ton 10:
(Gundlach)
„Das ist ziemlich stressig. Man weiß nie, ob da irgendein Fehler drin
sein kann, den man nicht erkannt hat.“
Sprecher
Jens Gundlach, University of Washington
O-Ton 11:
(Gundlach)
„Das raubt einem den Schlaf.“
Sprecher
Ebenso wie Quinn und Speake nutzte auch Jens Gundlach das Prinzip
der Drehwaage, allerdings mit einigen anderen Tricks. Das Resultat
liegt deutlich unterhalb des Wertes von Quinn und Speake.
Akzent
Sprecher
Das Jahr 2006, der Versuch von Zürich.
O-Ton 12:
(Schlamminger)
„Ein Experiment dauert im Schnitt ungefähr zehn Jahre.“
Sprecher
Stephan Schlamminger, heute National Institute of Standards and
Technology, Gaithersburg, USA.
O-Ton 13:
(Schlamminger)
„Und es ist sehr schwierig für einen Außenseiter, ein anderes
Experiment zu beurteilen.“
Sprecher
In seiner Zeit an der ETH Zürich hatte Schlamminger eine
hochempfindliche Balkenwaage gebaut. Als Gewichte dienten Tanks
mit 13 Tonnen Quecksilber. Schlammingers Wert stimmt ziemlich
genau mit dem aus Seattle überein. Ein Hoffnungsschimmer.
Akzent
Sprecher
Das Jahr 2010. Der Versuch von Colorado.
O-Ton 14:
(Parks)
„There is a lot of things that can go wrong…
Sprecher
Harold Parks, Sandia National Labs, Albuquerque, USA.
Übersetzer: Es kann jede Menge schiefgehen. Wir glauben zwar, alles richtig
gemacht zu haben. Aber immer, wenn man in der Nacht aufwacht, fällt
einem wieder etwas ein, was das Experiment beeinflusst haben könnte.
... effect the experiment.“
Sprecher
Parks hat die Gravitationskonstante mit Hilfe zweier Pendel bestimmt.
Sein Resultat stieß die Experten vor den Kopf: Ein Wert deutlich kleiner
als die Ergebnisse aus Zürich und Seattle – und noch viel kleiner als
der aus Paris. Dort wurden etwas mehr als 6,672 mal 10-11 gemessen,
in Colorado waren es über 6,675. Zwar nimmt jedes dieser Experimente
für sich in Anspruch, das Ergebnis bis auf die vierte Stelle hinterm
Komma genau gemessen zu haben. Doch die Werte der Experimente
unterscheiden sich bereits in der dritten Stelle hinterm Komma. Und das
hat Folgen für den amtlichen Wert von groß G, festgelegt von einem
Komitee namens CODATA. Aufgrund der widersprüchlichen Messwerte
ist dieser amtliche Wert in den letzen zehn Jahren immer ungenauer
geworden – ein Fiasko für die Präzisionsphysik.
Akzent
Sprecher
Ob Pendel, Balken oder Drehwaage – im Grunde sind diese Versuche
nur hochgerüstete Varianten jenes Ur-Experiments von 1797, als Henry
Cavendish die Gravitationskonstante mit Kerzenschein und Bleihantel
bestimmte. Alle basieren darauf, dass man die Schwerkraft zwischen
großen Testmassen möglichst genau misst. Doch nun treten Physiker
auf den Plan, die das Problem anders angehen. Sie vermessen groß G
mit der Hilfe winziger Materiebausteine – mit Atomen.
Atmo 10:
Florenz
Sprecher
Der Campus der Universität Florenz. Gleich hinter dem Eingang ein
schlichter, mehrstöckiger Zweckbau aus Beton.
O-Ton 15:
(Tino)
„It’s a shame while other constants have known…
Sprecher
Guglielmo Tino, Institut für Physik und Astronomie, Universität Florenz.
Übersetzer: Es ist eine Schande, dass wir alle anderen Naturkonstanten bis auf die
achte oder neunte Stelle hinterm Komma kennen, nur die
Gravitationskonstante nicht. Es ist für uns Physiker eine Frage des
Stolzes, sie genauso präzise zu messen wie die anderen Konstanten.
... fundamental constants.“
Sprecher
Um die Scharte auszuwetzen, hat Tino etwas Neues versucht. Statt auf
eine Drehwaage mit Hanteln und Fäden setzt er auf einen Sensor, der
mit Atomen funktioniert und die Regeln der Quantenphysik nutzt.
Atmo 11:
Aufschließen Tür
O-Ton 16:
(Tino)
„This is a precision physics laboratory...
Übersetzer: Das hier ist der Eingang zu unserem Präzisionslabor. Wir stehen
gerade zwischen zwei Türen. Der Raum zwischen diesen Türen isoliert
das Labor von der Außenwelt. Das brauchen wir, um die Temperatur
innen drin auf konstant 20 Grad Celsius zu halten.
... it’s 20 plus/minus 0.1.“
Atmo 12:
Labor
Sprecher
Tino zeigt auf seine Apparaturen. Ein Gewirr aus Kabeln, Spiegeln und
Lasern. Das Herzstück ist eine dünne Säule aus Edelstahl, mannshoch
und luftleer gepumpt. Eine Art Springbrunnen für Atome.
O-Ton 17:
(Tino)
„We cool this atoms, a gas of rubidium atoms using laser light…
Übersetzer: Wir kühlen eine Wolke aus Rubidiumatomen stark ab, bis nahe an den
absoluten Temperaturnullpunkt. Dann schießen wir sie per Laser alle
zwei Sekunden in der Säule nach oben. Dadurch entsteht, wie bei
einem Brunnen, eine Fontäne aus Atomen, 50 Zentimeter hoch.
... for about 50 cm.“
Sprecher
Die Atomfontäne fällt an schweren Wolframgewichten vorbei,
Gesamtmasse eine halbe Tonne. Manche Atome fliegen dabei dichter
am Wolfram vorbei als andere und spüren dessen Schwerefeld deshalb
ein wenig stärker. Diese Differenz lässt sich mit spezieller
Quantentechnik genau messen. Zehn Jahre lang haben die Italiener an
ihrem Quanten-Springbrunnen getüftelt. Im letzten Sommer
präsentierten sie ihr Ergebnis – der erste Wert für die
Gravitationskonstante, der auf Basis der Quantenphysik erzielt wurde.
O-Ton 18:
(Tino)
„It is closer to the low side.”
Übersetzer: Er liegt unterhalb des offiziellen Werts für groß G.
Sprecher
Zwar sind die Messfehler bei Tinos Methode noch deutlich größer als
bei den konventionellen Experimenten. Doch für die Zukunft sieht der
Physiker ein enormes Potenzial.
O-Ton 19:
(Tino)
„The sensitivity of atom interferometry …
Übersetzer: Die Empfindlichkeit unserer Technik ist im Moment noch weit von ihren
Grenzen entfernt. Doch wir glauben, dass wir sie im Laufe der Zeit um
mehrere Größenordnungen verbessern können.
... orders of magnitude.“
Akzent
Sprecher
Vorerst aber bringt der neue Wert aus Florenz mehr Verwirrung als
Aufschluss: Er ist auffallend niedrig, niedriger als alle anderen Werte für
groß G. Nicht zuletzt deshalb ringt die Fachwelt nun um eine neue
Strategie. So wie bislang kann es nicht weitergehen, meint Jens
Gundlach aus Seattle. Womöglich sei es besser, wenn sich die
Forscher zusammentun statt wie bisher nebeneinander her zu arbeiten.
O-Ton 20:
(Gundlach)
„Alle müssen zusammenarbeiten und das zusammen rauskriegen.
Vielleicht sieht man dann, wo ein Fehler gemacht wurde in irgendeiner
der Messungen.“
Sprecher
Dieses Teamwork wollen nun gleich zwei Institutionen fördern: Sowohl
die Union für reine und angewandte Physik als auch das Komitee für
Maß und Gewichthaben Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, die den
Austausch zwischen den Forschern auf Trab bringen und gemeinsame
Projekte anregen wollen. Nur: Bis diese Bemühungen Früchte tragen,
dürfte es dauern. Und so wird Groß G, die Gravitationskonstante, das
Geheimnis ihrer wahren Größe wohl noch lange hüten.
Moderator
Befürchtet der Physiker und Wissenschaftsjournalist Frank
Grotelüschen. Die Suche nach der wahren Größe der Schwerkraft ist
also weiterhin ein Forschungsthema der Physiker, und zwar auch
weiterhin mit ganz unterschiedlichen technischen Ansätzen. Eine
solche Versuchsanordnung wurde in Hamburg errichtet, in einem
speziell abgeschirmten Labor, damit die hochpräzisen Apparaturen
störungsfrei betrieben werden können. Frank Grotelüschen hat sich in
Hamburg das dort errichtete Experiment zur Vermessung der
Schwerkraft angeschaut.
Atmo 1:
Außenatmo
Sprecher
Die Sackgasse führt in den Hamburger Volkspark, zu Hundewiese und
Kletterturm. An ihrem Ende, versteckt hinter Bäumen, liegt 20 Meter
unter der Erde ein Relikt aus vergangenen Forschertagen – die Halle
H1. Sie ist Teil eines längst stillgelegten Teilchenbeschleunigers. Doch
nun wird wieder geforscht in Halle H1.
Atmo 2:
Fahrstuhl, Schritte
Sprecher
Ein Team aus zwölf Physikern hat sie in Beschlag genommen, die
meisten schon im Rentenalter. Einer von ihnen ist Hinrich Meyer. Mit
dem Fahrstuhl ist er hinabgefahren, nun steht er vor seinem Versuch.
Wuchtige Betonblöcke, so zusammengestellt, dass sie eine Art Bunker
bilden.
O-Ton 1:
(Meyer)
„Was man sieht, sind Granit-Balken, auf denen die Massen laufen, die
wir benutzen, um unser Instrument, was sich im Vakuum befindet,
anzusteuern.“
Atmo 3:
Halle
Sprecher
Die Massen sind Metallkugeln groß wie Fußbälle. Auf dem Granitbalken
können sie in den Betonbunker hineinrollen – und wieder heraus. Mit
dieser Apparatur will Meyers Team eine Grundkraft der Natur neu
vermessen – die Gravitation. Eine kniffelige Sache. Denn verglichen mit
anderen Naturkräften ist die Gravitation außerordentlich schwach und
deshalb schwierig zu vermessen.
Atmo 4:
Schaumstoff
Sprecher
Nun will Meyer in den Bunker hinein, denn hier steckt die eigentliche
Messtechnik. Dazu muss er sich durch einen Spalt zwischen den
Betonblöcken zwängen und eine Schaumstoff-Matte aus dem Weg
räumen.
O-Ton 2:
(Meyer)
„Und jetzt können wir hier reingehen. Jetzt muss ich mal sehen, wo der
Schalter ist. Nee, das ist er nicht. Wo ist er denn?“
Sprecher
Dann findet ihn Meyer doch noch, und der Blick fällt auf das Herzstück
des Experiments – einen wuchtigen Metallzylinder, vier Meter hoch und
anderthalb Meter dick.
O-Ton 3:
(Meyer)
„Hier ist das untere Ende, und es hängt in der Luft. Das Ganze ist oben
elastisch aufgehängt, so dass es sich sehr wenig bewegt.“
Sprecher
Der Zylinder ist luftleer gepumpt. Darin hängen, von außen nicht
sichtbar, zwei Pendel, in einem Abstand von 40 Zentimetern.
O-Ton 4:
(Meyer)
„Die beiden Pendel sind mit sehr genauen Spiegeln ausgestattet. Und
zwischen den beiden Spiegeln sind Mikrowellen. Wenn jetzt die
Gravitationskugel an den beiden Körpern zieht, gehen die ein klein
wenig auseinander. Und dann verschiebt sich die Resonanzfrequenz
der Mikrowelle drin.“
Sprecher
Die Gravitationskugeln, von denen Meyer spricht, sind jene Kugeln, die
auf den Granitbalken in den Betonbunkern hineinrollen. Im Bunker
angekommen zieht ihre Schwerkraft die Pendel ein wenig auseinander,
was sich mit den Mikrowellen präzise messen lässt. Nur: Um überhaupt
einen Effekt festzustellen, muss man die Kugeln immer wieder an die
Pendel heranrollen lassen, um sie eine halbe Stunde wieder zu
entfernen. Dafür sorgt ein raffinierter Mechanismus.
O-Ton 5:
(Meyer)
„Das ist unsere Wippe. Am anderen Ende ist ein kleiner Motor. Und das
wird rauf und runter gehoben. Dann rollt die Kugel hierher. Und wenn
wir genügend Geduld haben, sehen wir sie da rauskommen.“
Sprecher
Im Moment ist die Kugel ein paar Meter von den Pendeln entfernt.
O-Ton 6:
(Meyer)
„Da liegt sie. Leuchten Sie rein!“
Sprecher
Dann wird die Wippe aktiv und hebt den Granitbalken an.
Atmo 5:
Wippe
Sprecher
Der Balken neigt sich, und langsam rollt die Kugel in Richtung Pendel.
Atmo 6:
Kugel stoppt
Sprecher
Sie stoppt einen halben Meter vom Pendel entfernt – und lenkt es durch
ihre Schwerkraft ein wenig aus, um ein paar Atomdurchmesser nur.
Gleichzeitig ist auf der anderen Seite ebenfalls eine Kugel losgerollt und
zieht nun an dem zweiten Pendel. Jetzt kann der Mikrowellen-Sensor
messen, wie weit die Pendel ausgelenkt sind – woraus sich später die
Schwerkraft zwischen Kugeln und Pendeln ausrechnen lässt. Um zu
verlässlichen Daten zu kommen, müssen die Physiker den Versuch
über Monate wiederholen, sieben Tage in der Woche, 24 Stunden am
Tag. Damit wollen sie prüfen, ob das Gravitationsgesetz von Isaac
Newton tatsächlich stimmt. Aber: Die Messungen haben es in sich.
Diverse Störeinflusse drohen die Versuchsergebnisse zu verfälschen –
Temperaturschwankungen etwa, und Bodenvibrationen. Das Geschäft
mit der Schwerkraft, sagt Meyer, ist nun mal ziemlich schwer.
O-Ton 7:
(Meyer)
„Ich bin vorsichtig. Solche Experimente machen sich nicht mal eben.“
Atmo 6:
Kugel stoppt
Moderator
Ein Beitrag war das von Frank Grotelüschen.
Trenner
Mod.
Ich hatte die Zahl eingangs schon erwähnt, 4,5678 Milliarden Jahre. So
alt sind jene Steine, die gelegentlich vom Himmel fallen. Meteoriten
also. Rund 2000 Meteoriten sind in Frankfurt zuhause, in den
Schränken und Regalen des Forschungsinstituts Senckenberg. Als
Dauerleihgabe der Max-Planck-Gesellschaft. Herrin der Sammlung ist
Jutta Zipfel. Bei einem Besuch an ihrem Arbeitsplatz habe ich sie
zunächst gefragt, wo man denn am ehesten die Chance hat, einen
Meteoriten zu finden.
Jutta Zipfel
Es wird gezielt gesucht nach Meteoriten, vorwiegend in der Antarktis,
auf den Blaueis-Feldern, aber auch in den heißen Wüstenregionen, und
da vor allem in der Sahara in Nordafrika.
Mod.
Das ist leider nicht so ganz vor unserer Haustür. In der Antarktis, auf
meterdickem Eis, da würde man wohl auch aus Laie darauf kommen,
dass ein dort liegender Stein womöglich vom Himmel gefallen ist. Aber
in der Sahara, die ja eher eine Steinwüste ist als eine Sandwüste – da
ist die Entscheidung schon schwieriger. Aber es gibt ein bedeutendes
Indiz. Jutta Zipfel.
Jutta Zipfel
Ein Charakteristikum im Gelände ist oft, dass die Steine einen
Magneten anziehen. Das ist ein erster Hinweis darauf, dass es sich um
einen Meteoriten handeln könnte. Die genaue Klassifizierung erfolgt
danach dann natürlich im Labor.
Mod.
Wobei: Kurzerhand einen Magneten gegen die potentiellen MeteoritenFunde zu halten, das klingt für den Laien zwar plausibel, aber es gibt
Analyseverfahren, die just auf den magnetischen Eigenschaften
beruhen – und wenn der Finder vorher schon mit Magneten an dem
Gestein herumgefuchtelt hat, dann kann das die späteren Analysen
erheblich beeinträchtigen. Allerdings muss man auch in der Sahara
keine Angst haben, von einem Meteoriten getroffen zu werden – es
liegen dort zwar recht viele herum, aber man hat sie datiert…
Jutta Zipfel
… und da stellt man dann fest, dass in der Sahara die Meteoriten so im
Mittel 20.000 bis 40.000 Jahre alt sind, in Ausnahmefällen auch 70.000
Jahre auf der Oberflüche gelegen haben bevor man sie heute aufliest.
Für die Antarktis sind diese Zeiten noch viel länger, das kann bis zu
einer Million Jahre sein.
Mod.
Erstaunliche Werte. Ob man denn abschätzen könne, wie viel Material
so im Laufe der Zeit vom Himmel falle, habe ich Jutta Zipfel daraufhin
gefragt.
Jutta Zipfel
Ja, das kann man. Es gibt unterschiedliche Methoden, und da kommt
heraus, dass das meiste Material sehr klein, sehr fein ist, Staubkorngroß, und das sind insgesamt etwa 30.000 Tonnen pro Jahr. Das
bezieht sich auf die gesamte Erde. Für die Bundesrepublik Deutschland
im Mittel gibt es etwa drei Meteoriten-Fälle mit einer Masse von jeweils
einem Kilogramm oder mehr.
Mod.
Das sind dann jene Leuchterscheinungen am Himmel, die etwas länger
dauern als das Aufglühen der meist bloß ein oder zwei Gramm
schweren Sternschnuppen. – Das besondere an den Meteoriten ist ihr
Alter, und das ist auch der Grund, warum man sich wissenschaftlich mit
ihnen beschäftigt. Das wirkliche Alter und nicht die bloße Liegezeit auf
der Erde. Meteoriten ermöglichen nämlich einen Blick in die
Vergangenheit unseres Planeten, ja unseres Sonnensystems.
Jutta Zipfel
Die Meteoriten sind sehr früh gebildet worden, zu Beginn der
Entstehung des Sonnensystems. Man kann diesen Zeitpunkt sehr
genau datieren, das Alter ist 4,5678 Milliarden Jahre. Dieses Alter ist
gleichzeitig auch der Zeitmarker den man ansetzt für das Entstehen des
Sonnensystems, also für das Alter des Sonnensystems, Wenn
Meteoriten datiert werden, dann sieht man, dass die alle innerhalb
eines Zeitraums von etwa zwei bis 10 Millionen Jahre nach Bildung des
Sonnensystems entstanden sind. Wir schauen da wirklich auf sehr alte
Materialien.
Mod.
Daraus ergibt sich Etliches, das man anhand der vom Himmel
gefallenen Steine erforschen kann. Jutta Zipfel.
Jutta Zipfel
Man möchte verstehen, wie hat sich feste Materie gebildet? Wie ist sie
chemisch zusammengesetzt? Wie werden aus kleinen Körnern, kleinen
Mineralaggregaten langsam aber sicher Planeten? Wie schnell gehen
solche Prozesse? Was bedeutet das für die Zusammensetzung der
Erde und für die Bildung der Erde, aus welchen Materialien ist die Erde
entstanden? Solche Fragen also. Und der Nutzen – da denkt man ja
immer daran, was bringt das für die Menschheit – da ist sicherlich ein
Aspekt, dass man wissen möchte, welches Material ist potentiell eine
Bedrohung für die Erde? Wenn es darum geht, Asteroiden, größere
Körper, zu verhindern, dann muss man recht genau wissen, wie sind
die zusammengesetzt, was ist das für ein Material, und welche
Maßnahmen kann man ergreifen, um sich davor zu schützen.
Mod.
Mit dieser Anregung für Freunde der Science fiction geht diese
Ausgabe von hr-iNFO-Wissenswert zu Ende. Und wenn wir Sie
neugierig gemacht haben auf weitere Beiträge dieser Sendereihe, dann
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unter der Rubrik Wissenswert.
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