Manuskript: "Das Leben ohne Musik ist einfach ein Irrtum"

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Margrit Dürr
DeutschlandRadio Kultur
Werkstatt / Dichter und Musik
Musik 1: Rosendorfer: Divertimento 5. Satz unterlegen
O-Ton 1
“Hätten wir ein Klavier daheim gehabt, wäre ich möglicherweise Musiker geworden.”
Rosendorfer
Sprecher 1
Herbert Rosendorfer, Schriftsteller und Komponist nicht nur dieses Divertimentos für Viola und
Kontrabass
Sprecher 2
Ich stelle die Musik hoch über die Dichtkunst
Karl May, Schriftsteller und Komponist
Musik 2: May
O-Ton 2
„Ich glaube, wenn ich keine Musik gemacht hätte, würde ich ganz anders schreiben.“
Cactus
Sprecherin
Francoise Cactus, Schriftstellerin und Musikerin
Musik 3: Cactus
Sprecher 1
Das Leben ohne Musik ist einfach ein Irrtum.
Friedrich Nietzsche
Musik 4: Nietzsche
2
abwechselnd Sprecherin und Sprecher: am Ende langsam ausblenden
Oswald von Wolkenstein
Walter von der Vogelweide
Carl Michael Bellmann
Martin Luther
Adam Krieger
Jean-Jacques Rousseau
E.T.A. Hoffmann
Bettina von Arnim
Clemens Brentano
Franz Grillparzer
Theodor Körner
Theodor Storm
Annette von Droste-Hülshoff
Frank Wedekind
Max Brod
James Joyce
Bertold Brecht
Leopold Schefer,
Christian Friedrich Daniel Schubart
Sprecher 1
Das Leben ohne Musik ist einfach ein Irrtum
O-Ton 3
„Es ist vielleicht son bisschen die Experimentierfreudigkeit, dieses nach anderen Genres gucken,
vielleicht auch die Sehnsucht nach dem Schillernden.“
Koppe
„Ein Punkt ist, dass uns normale Lesungen, reine Lesungen oft gelangweilt haben.“
Fön
„Das sind Menschen, die die Einheit des Singens und Dichtens bewahren wollen, und die nicht
einverstanden sind damit, dass das Gedicht eine tote, kodifizierte Masse ist.“
Dreyer
„Ein Lied zu schreiben ist so schwer, da muss man sich so viele Gedanken machen, dass man
gleich ein Buch schreiben kann.“
3
Cactus
„Meine Interessen waren schon immer in alle möglichen Richtungen weisend und ich konnte
mich auch nie entscheiden, was mir das eigentlich Wichtigste ist.“
Schamoni
Autorin
Die Dichter des Mittelalters waren oft und ganz selbstverständlich Dichter, Komponist und
Sänger in einer Person und später - vor allem in der Romantik - gab es zahlreiche Schriftsteller,
die sich auch mit Begeisterung der Musik widmeten. Fragt man heute in der Akademie der
Künste Berlin nach lebenden musikalischen Autoren, herrscht erst mal Ratlosigkeit: malende
Schriftsteller gibt es viele, aber musizierende oder gar komponierende? Dann fällt ein Name:
Herbert Rosendorfer, Autor zahlreicher Romane unter anderem „Der Ruinenbaumeister“ und
„Briefe in die chinesische Vergangenheit“:
Musik 5: Rosendorfer noch mal hoch
O-Ton 4
„Ich mach das wirklich nur als Steckenpferd, nebenher und nehme auch diese Kompositionen
nicht so ganz ernst.“
Rosendorfer
Autorin
Der Schriftsteller und Kabarettist Georg Kreisler hat vor kurzem sein neuestes Buch „Leise
flehen meine Tauben“ veröffentlicht und gerade seine zweite Oper komponiert. Von Hause aus
ist er Musiker:
O-Ton 5
„Na ja, ich bin allmählich mehr zur Schriftstellerei gegangen, was damit zusammenhängt, dass
man ja andere Werke und die Werke anderer Schriftsteller liest. Wenn man Musiker ist oder
Komponist, dann muss man sich ununterbrochen genauso mit den neuen Werken der anderen
Komponisten befassen. Dazu ist nicht die Zeit vorhanden. Also ich konzentriere mich schon auf
das Schriftstellerische. Was nicht verhindert, dass ich eben gelernter Musiker bin.“
Kreisler
Musik 6: Kreisler Opernboogie
O-Ton 6
4
„Ich bin eigentlich als Musikerin bekannt und ich glaube, wenn die Leute meine Bücher kaufen,
dann ist es, stelle ich mir so vor, sind es meistens Fans, die wissen möchten, was schreibt die
denn nu.“
Cactus
„Bei mir und in meinem Freundeskreis ist es so: wir verkaufen immer weniger CDs, davon kann
man eigentlich überhaupt gar nicht mehr leben, von den Touren schlecht, weil man das eben
aufteilt das ganze Geld. Der Buchbereich ist komplett anders rum. Ich verkauf also weitaus mehr
Bücher als ich CDs verkaufe und gehe alleine auf Lesetour und kann eben davon leben. Ich bin
also quasi zwangsläufig Schriftsteller geworden jetzt. ... Ich rate jedem: schreibt Bücher Leute, es
bringt Spaß und es kommt vielleicht was dabei rum.“
Schamoni
Autorin
Wie Georg Kreisler kommen auch Francoise Cactus und Rocko Schamoni von der Musik. In den
Regalen der Buchhandlungen finden sich zur Zeit viele Romane, die sich mehr oder weniger
autobiographisch mit dem Leben junger Musiker befassen und oft Erstlingswerke von jungen
Musikern sind. Die Literaturagentin Susanne Koppe arbeitet mit einigen von ihnen:
O-Ton 7
„Das sind eher Autodidakten, die aus einer lebendigen Szene kommen, aus einer gelebten
Musikszene, oft aus einer sehr jugendlich motivierten Szene und dann entweder dabei bleiben
oder nicht.“
Koppe
„Ich hab nur Wert darauf gelegt, mich a) nicht zu verstellen und mich b) nicht in den Strom
einzureihen derer, die Literaten sein wollen. Ich will nämlich gar kein Literat sein.... Ich möchte
lieber eine relativ ungeschliffene, etwas raue und unverstellte Schreibtechnik haben, die fast ein
bisschen amateurhaft wirkt. Also ich hab das Gefühl, das steht mir eher.“
Schamoni
„Ich hab sogar früher angefangen zu schreiben als Musik zu machen, ich hab eigentlich immer
geschrieben. ... Weil eigentlich für mich ist das so: Egal, was ich mache, es ist ungefähr meine
Welt, die ich darstellen will, egal wie, ob das jetzt Musik ist oder eine Geschichte oder was weiß
ich, ein kleines Bild.“
Cactus
„Grundsätzlich ist es sicher so, dass der Schriftsteller eher assoziiert wird mit einem stillen
Schreibstubenmenschen und der Musiker eher mit einem, der auf´s Podium will, der ins
Rampenlicht will.... Tatsache ist, dass das heute überhaupt nicht mehr so ist. Ein Schriftsteller
muss performen. Ein Schriftsteller wird über sein Foto verkauft, über seine Jugend verkauft, er
soll Lesereisen machen. ... Die Literatur ist inzwischen etwas, was absolut mit dem Podium
einhergeht.... Der Autor hat ein Gesicht und meistens auch eine Stimme.“
Betz
Autorin
5
Martin Betz, der vor allem auf Kleinkunstbühnen auftritt, war schon als Student gleichermaßen
Literat und Musiker, aber es gibt auch Künstler, die ursprünglich aus der literarischen Szene
kommen und sich nun auch musizierend auf die Bühne stellen: Die Gruppe „Fön, Texte an
Musik“ besteht aus drei Autoren und einem Musiker:
O-Ton 8
„Als ich zu meiner Großmutter das erste Mal “Texte an Musik“ sagte, sagte sie „ach weh,
Lendchen an Wirsing“ und so ist es natürlich gemeint ...“
Fön
Musik 7: Fön unterlegen
O-Ton 9
„Weil wir eben finden, dass die Musik die Texte bereichert und die Texte die Musik in der Weise,
wie wir beides miteinander verbinden und dass man dann sowohl im Vergleich zu ner schlichten
Lesung als auch im Vergleich zu einem Popkonzert mit eher nicht so dollen Texten etwas mehr
hat bei uns.“
Fön
„Es gehört eigentlich alles zusammen so.“
Schamoni
Musik 8: Schamoni unterlegen
O-Ton 10
„Ich kann auch sehr schwer Sachen hergeben. Also, ich bin mein eigenes Kunstwerk, komplett,
in allem.“
Schamoni
„Von meiner Idealvorstellung her glaube ich, das zu sein, was früher der Sänger war, also der
mittelalterliche Begriff das Singen und Sagen ... als Einheit von zwei Elementen.“
Betz
Musik 9: Betz unterlegen
O-Ton 11
„Ich selbst bin am glücklichsten, wenn es gar nichts Doppeltes ist, wenn es keine Schizophrenie
ist, wenn es nicht ins Gehege gerät, sondern wenn es als eine Einheit von mir erlebt wird.
Betz
„Es macht mir halt Freude, ich tät mich langweilen, nur das eine zu machen.“
Rosendorfer
6
Musik 10: Rosendorfer unterlegen
O-Ton 12
„Wobei ich natürlich weiß, das Wirkliche ist das Schreiben, das ist das, was ich wirklich kann und
wozu ich vielleicht berufen bin. Aber das allein würd mich ... nicht wirklich ausfüllen.“
Rosendorfer
Sprecher 2
Und da mir das Beschreiben dieser Schönheit weder in Worten noch in Bild gelingt, versuch ich
es ganz zaghaft in Tönen, was auch nichts ist und womit endgültig bewiesen ist, dass man ( ich´s )
nicht beschreiben kann.
Ralph Benatzky, Musiker und Lyrik-Preisträger des Königs von Spanien 1932
Sprecher 1
Das Leben ohne Musik ist einfach ein Irrtum
Sprecherin
Das Leben ohne Poesie ist einfach ein Irrtum
Sprecherin und Sprecher 1 gemeinsam
Ein Irrtum
Sprecher 2
Was streb´ ich Törichter, die Worte zu Tönen zu zerschmelzen ... kommt, ihr Töne, zieht daher
und errettet mich aus diesem schmerzlichen Streben nach Worten.
Heinrich Wilhelm Wackenroder, Dichter des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Er versuchte sich
auch als Komponist.
Sprecher 1
Diese Worte müssen auch durch die rhythmische Bewegung der Klangfarbe des Verses gleichsam
in Musik gesetzt sein.
Theodor Storm
O-Ton 13
7
„Ich glaube, dass sich das Komponieren auf das Schreiben auswirkt, dass man dann seine Epik
anlegt, wie ein Sinfonie in vier Sätzen.“
Dreyer
Autorin
Diese Ansicht des Musikwissenschaftlers Ernst-Jürgen Dreyer, der sich viel mit
Dichterkomponisten auseinandergesetzt hat, bestätigt Herbert Rosendorfer:
O-Ton 14
Es gibt nicht wenige Erzählungen von mir und sogar Romane, die nach einem wohl nicht
erkennbaren, oder nicht sofort erkennbarem musikalischen Muster gearbeitet sind. Es gibt einen
Roman, der ist eine Sinfonie eigentlich, oder nach einem Muster einer viersätzigen Sinfonie
gearbeitet ... Dann gibt es einen Roman „kurzes Solo für Anton“, der ist ein wohltemperiertes
Klavier, also zwei mal zwölf Etüden nach Tonarten gearbeitet, nach meinen privaten
Vorstellungen von Tonarten und von Tonartfarben. Das ist nur für mich erkennbar ... Das ist
eine Spielerei natürlich, aber es hilft mir doch, die Struktur zu finden.“
Rosendorfer
„Ich glaube, eine bestimmte Musikalität braucht ein literarischer Text, sei es ein Rhythmus, sei es
ein Gefühl, wie man Wörter hintereinander setzt, ne Sprachmelodie. Und ich glaube, dieses
Gefühl kann man schulen, indem man auch noch Musik macht oder indem man Musik hört... Ich
glaube, ohne son gewisses musikalisches Gespür kann ein Text nichts werden.“
Fön
„Ich hab natürlich auch Schriftsteller, die keine Musik machen. Die haben vielleicht eine Affinität
zur Musik. Es stellt sich immer wieder raus, dass Leute dann zwar keine professionellen Musiker
sind, aber in Chören singen oder eine große Affinität haben.“
Koppe
„Meine Gedanken gehen dann anders, wenn ich Musik habe ... Natürlich muss auch in einem
Prosatext ein gewisser Rhythmus sein, das stimmt, aber trotzdem, die Inspiration ist eine andere.“
Kreisler
„Mein Gestus ist tatsächlich der, dass ich als Dichter bereits ein Sänger bin. D.h. dass eine
rudimentäre Musik auch im unvertonten Text schon drin ist, weil es ja einen Rhythmus vorgibt.“
Betz
„Wenn ich Geschichten schreibe, dann passe ich sehr auf den Rhythmus auf und benutze nur
Wörter, die schön klingen für mich ... Und wenn ich etwas geschrieben habe, dann lese ich mir
das ganz laut vor, weil ich muss hören, wie das rhythmisch funktioniert. Deswegen, glaube ich,
kommen die Leute einigermaßen gerne zu meinen Lesungen, weil die Texte rhythmisch sind und
das hab ich natürlich durch die Musik gelernt.“
Cactus
Autorin
8
Die Französin Francoise Cactus lebt seit Jahren in Berlin, spielt und singt mit Brezel Göring
unter dem Namen „Stereo Total“ und hat bei Rowohlt etliche Bücher veröffentlicht. Das letzte
heißt „Neurosen am Valentinstag“ und gibt es auch als Hörbuch:
Text Cactus ( CD )
O-Ton 15
„Auch diese Einfachheit, das ist etwas, was ich in der Musik gelernt habe. Weil die ersten Texte
waren viel zu kompliziert und ich denke für mich, die besten Lieder sind Lieder, die man sich
einmal anhört und sofort hat man begriffen, worum es sich dreht und es ist einfach ( pfeift) und
es geht direkt.“
Cactus
Sprecher 1
In dem Spiegel der Töne lernt das menschliche Herz sich selber kennen. Sie sind es, wodurch wir
das Gefühl fühlen lernen.
Heinrich Wilhelm Wackenroder
O-Ton 16
„Man soll auch nicht alle seine Gefühle komplett ausdrücken, es muss immer ganz diskret sein,
die Art, die Gefühle auszudrücken und das hab ich dann übernommen in meine Art zu
schreiben.“
Cactus
Musik 11: Cactus unterlegen
O-Ton 17
„Bei den deutschen Liedern, ich muss immer eine Idee haben und am besten sone amüsante
originelle Idee, was weiß ich: „Du bist schön von hinten“ oder „Ich liebe Liebe zu dritt“ oder
diese Idee mit diesem Sekretärinnenrock. Das war, eines Tages saß ich da und wollte ein Lied
schreiben. Damals hab ich noch mit Schreibmaschine Lieder geschrieben und ich hatte überhaupt
gar keine Idee und ich hab die ganze Zeit auf diese Tasten geguckt und da dachte ich, och, ich
könnte vielleicht sone Art bizarres Liebeslied machen mit all diesen Punktierungszeichen mit
diesem Punkt, Komma, Ausrufezeichen usw. ... eigentlich ist mir diese Idee gekommen, weil ich
überhaupt keine Idee hatte. ( lacht)“
Cactus
Sprecher 2
Ich bossle am neuen Repertoire, mache manches dreimal, viermal ... es wird nichts Rechts. Ich
gebe mir größte Mühe, fühle genau, was da sein müsste und finde die Musiken spielerisch, rasch
9
und sehr gut. Die Worte aber sind nur ungefähr, das Schlechteste also, was ein Chanson, das an
dieser Stelle nur dieses eine Wort verträgt, haben kann.
Ralph Benatzky
O-Ton 18
„Manchmal habe ich den Text sofort mit Melodie oder manchmal habe ich so irgendwelche
Texte oder meistens nur Fetzen von Texten oder Textideen, die ich notiere in sonem Heft und
dann treffe ich mich mit Brezel, meinem Partner und er hat wiederum Fetzen von Musik und wir
sehen wie wir das alles so ( pfeift ) zusammenarbeiten.“
Cactus
Autorin
Auch Rocko Schamoni hat zahlreiche Alben veröffentlicht. Er hat über tausend Liveauftritte
absolviert, für´s Fernsehen moderiert, betreibt in Hamburg den „Goldenen Pudel Club“ und
schreibt an seinem zweiten Buch. Sowohl als Musiker als auch als Schriftsteller arbeitet er
hauptsächlich allein.
O-Ton 19
„Einmal gibt es die sogenannte spontane Eingebung, d.h. die schönsten Momente dieser
spontanen Eingebung sind also, wenn die Muse mich im Schlaf übermannt, d.h., ich wache auf
und hab ein fertiges Stück im Kopf, was ich öfter schon erlebt habe. Und ich brauch mich
eigentlich nur noch hinzusetzen und es abzuschreiben.“
Schamoni
Musik 12: Schamoni (unterlegen)
O-Ton 19 b
„Der andere Weg ist, sich hinzusetzen und Musik zu machen, z.B. am Klavier, solange bis man
merkt, das sind tolle Akkorde und dann lass ich die Gedanken kreisen über die Welt in der ich
lebe, bis ich am einem Satz hängen bleibe, der mir spannend genug erscheint, als dass er
veröffentlicht werden kann und auf diese Akkorde auch vor allem raufpasst....Die häufigste
Methode ist, dass mir ein Satz einfällt und ich begreife in dem Moment, wo ich diesen Satz höre,
wo er mir in den Kopf kommt, sofort alles.“
Schamoni
Musik 12: Schamoni
O-Ton 20
„Musik ist etwas ganz Gedankenloses.... Und da man sich also quasi nicht anstrengen muss und
nicht denken muss, sondern nur fühlt ... kann ich da auch so lange drin bleiben in diesem
Zustand. Während Schreiben und Denken mehr anstrengt, da muss man genauer sein. ... Da ich
10
nicht fähig dazu bin, mich acht Stunden am Tag hinzusetzen, wie es andere Schriftsteller
vielleicht können, und unter diesem Ermüdungs- und Langeweilesyndrom leide, mache ich es so,
dass ich mich jeden Tag eine Stunde hinsetze. Ich mach es jeden Vormittag von 10 bis 11 Uhr
und es muss mindestens eine Seite dabei rauskommen. ... Denn wenn ich mich langweile nach
einer Stunde, bin ich auch schon fertig und mach andere Dinge und komm erst am nächsten Tag
wieder zurück an die Stelle und nach 200 Tagen ist das Buch dann fertig.“
Schamoni
Autorin
Rocko Schamonis erstes Buch ist weitgehend autobiographisch und erschien 2004 bei Rowohlt
unter dem Titel „Dorfpunks“:
Sprecher 2
Dann wurden wir auf die Bühne gerufen. In einem kurzen Interview erklärte ich, dass wir
„Warhead“ hießen und Punks seien. Ich war so unsicher wie noch nie in meinem Leben. Unsere
Fans johlten. Schließlich spielten wir unser Stück runter, es hieß „Work“. Drei öde Akkorde und
ein mauer Text über die Langweiligkeit des normalen Berufslebens. Dieses Stück über Langeweile
bot die perfekte Entsprechung von Form und Inhalt. Das Publikum johlte aus Verachtung und
unsere Fans aus Anteilnahme. Zum Glück war nach vierzehn Minuten alles vorbei, und wir
zogen unter Pfiffen von der Bühne. Wir schämten uns vor unseren Leuten, machten aber auf
dick. Unsere Fans reagierten mit den ersten Trostfloskeln, die ich in meiner musikalischen
Laufbahn zu hören bekam. „Was denn? War doch ganz gut“ Oder: „Der hintere Teil von dem
Song ist echt geil!“ Und so weiter. In der Wertung kamen wir auf den vorletzten Platz. Wir
waren im Punksinne stolz darauf, wir waren Abfall.
O-Ton 21
„Musik ist etwas ganz Gedankenloses.“
Schamoni
Sprecher 1
Das Leben ohne Musik ist einfach ein Irrtum
O-Ton 22
Dichten kann ja jeder, während das Komponieren eine Geheimwissenschaft ist.“
Dreyer
11
Sprecherin
Das Leben ohne Poesie ist einfach ein Irrtum
Sprecher 2
Ich stelle die Musik hoch über die Dichtkunst. Letztere zwingt meine Gedanken in eine
bestimmte Richtung, während die Erstere die Freiheit meiner Gefühle weniger beschränkt.
Karl May
Autorin
Der Schriftsteller Karl May spielte Klavier, Orgel, Violine, Gitarre, Alt-Horn, war Chordirigent
und Komponist. Er komponierte vor allem mehrstimmige Gesänge für Männerchor und vertonte
auf diese Weise auch den Text seines Ave Maria, das jeder Winnetou-Fan kennt, da es im Roman
zu Winnetous Tod gesungen wird.
Musik 13: Karl May „Ave Maria“
Sprecher 2
Wenn ich in Winnetou geschrieben habe, diese Komposition stamme von einem mir
befreundeten Musikdirektor, so hatte das seinen guten Grund. Die Leute sollten nicht sagen, der
May wolle aber auch alles können: schriftstellern, dichten und komponieren.
Sprecher 1 und Sprecherin gemeinsam
Ein Irrtum
O-Ton 23
„Poetry Slams, bei denen ich auch manchmal erscheine, die verbieten in der Regel ausdrücklich,
dass man die Sachen singt.... Da merke ich natürlich, wenn ich jetzt als einer komme, für den das
musikalische Vortragen eigentlich elementar ist, also nichts, was ich jetzt künstlich hinzufüge,
sondern wirklich meine ureigene Ausdrucksform, dass ich da schon anecke.“
Betz
Autorin
12
Ein Poetry Slam ist eine Form der Literaturpräsentation, die Anfang der 90er Jahre aus Amerika
nach Deutschland kam. Jeder, der will, kann für fünf Minuten eigene Texte vorlesen, ob Prosa
oder Lyrik ist egal. Die Zuschauer dürfen ihre Meinung äußern und durch Akklamation einen
Sieger ermitteln. Hier und auch bei den zahlreichen Lesebühnen, auf denen meist junge Autoren
ihre neuesten Werke vortragen, möchte das Publikum nichts Steifes, perfekt Einstudiertes hören.
Alles soll aktuell und vor allem locker sein. Vor 150 Jahren hätte Musik da einen festen Platz
gehabt, heute muss sich ein gelernter Musiker wie Martin Betz sehr zurücknehmen.
O-Ton 24
„Gerade bei diesen Podien, wo junge Leute spielen, Stand up Comedie Poetry Slams, das
sozusagen Trashige, wo das nicht Gekonnte ein starker Faktor ist und z.B. wenn jetzt ein sehr
junger Mensch auftritt und sehr gut Klavier spielt und sehr sauber reimt im Stil von Georg
Kreisler, das ist oft verdächtig. Es gibt solche Fälle, aber die Leute tun sich oft schwerer als
jemand, der z.B. lispelt und ein bisschen spuckt dabei und so. Es ist eben so, dass im Moment
das Publikum durchaus Unfertiges zu einem gewissen Teil auch haben möchte.“
Betz
„Weil jeder slammen kann, ist natürlich ein Slam nie richtig nur gut, weil immer irgendwelche
Leute kommen, die für das Publikum vielleicht in sone Art Loch fallen, weil sie zum ersten Mal
lesen. Wir hatten schon Heavy Metall Lyriker: „Komm Baby, ich zieh dich in meine Garage...“
Find ich auch o.k., also da hab ich kein Problem mit. Man hört sich das so an. Eine Frau, die kam
aus Finnland, hat in Finnisch ihren Text gelesen, es war ganz ruhig und die Leute achteten
wirklich nur auf diese Tonationsfolge und die Frau hat gewonnen, obwohl es niemand verstand.“
Wolfgang
„Ich habe z.B. vor 10 Jahren oft dissonante Neue-Musik-Arrangements geschrieben, die ich dann
auf mitteltönig gestimmtem Cembalo vorgetragen habe zu meinen Texten und das hat einfach die
Aufmerksamkeit des Publikums oft überfordert. ... Im Grunde ist es tatsächlich so, dass wenn
man Text und Musik zusammen vorträgt, darf die Musik vor allem nicht stören. Also sie muss
sehr beiläufig wahrnehmbar sein. Am besten natürlich ist es, wenn sie notwendig dazugehört.
Also wenn z.B. der Text einen ironischen Gestus hat, der dann von der Musik noch unterstrichen
wird. Das ist ideal.
Betz
Musik 14: Martin Betz
O-Ton 25
„Der Text steht eigentlich immer im Vordergrund ... sobald Text und Musik zusammen
erklingen, beansprucht eigentlich der Text 75, 80 % der Aufmerksamkeit oder noch mehr.“
Betz
„Ich glaube, wer die Texte von Fön mag, mag auch die Musik, oder jedenfalls der Großteil
davon.“
Fön
13
„Man kann schon sagen, auch in unserem Konzept, dass der Text ein bisschen mehr im
Vordergrund ist, das ist klar, aber das bedeutet nicht, dass man sich nachher für die Musik keine
Mühe gibt, oder weniger Mühe gibt. Die totale Gleichberechtigung gibt es natürlich nicht, das ist
rein akustisch zu verstehen, denn um einen Text gut zu verstehen, darf die Musik natürlich nicht
zu laut sein. Aber das ist auch alles, glaube ich.“
Fön, Bruno
Autorin
Die Gruppe Fön besteht aus den Autoren Michael Ebmeyer, Tillmann Rammstedt, Florian
Werner, die alle schon bei renommierten Verlagen veröffentlicht haben und dem Musiker Bruno
Franceschini.
O-Ton 26
„Eigentlich sind die Grenzen fließend, natürlich richtet es sich son bisschen danach, was wer am
besten kann und wo sich wer am besten auskennt. Deswegen macht die Musik natürlich
überwiegend Bruno und machen die Texte dann überwiegend wir anderen. Aber wir versuchen
das natürlich offen zu halten, dass wenn einer von uns ne Musikidee hat, dass er die einbringen
kann und wenn Bruno Textideen hat, was auch oft vorkommt, dann werden da auch Fön-Texte
draus. Also es gibt auch Texte, die er geschrieben hat.“
Fön
“Was wir schon am Anfang im ersten Programm gemacht haben, haben wir dann doch
manchmal diese Grenze zu Jazz and Lyrics gestreift, was wir eigentlich nie machen wollten. Dass
wir einen Text hatten, der gar nicht für Musik gedacht war und den musikalisch unterlegt haben.
Die Sachen sind immer sehr schnell aus den Programmen rausgeflogen, weil sie uns nicht mehr
gefielen und wir eigentlich gedacht haben, ... dass die Texte und Musik nebeneinander entstehen
und auch nebeneinander entwickelt werden. D.h. wenn eine Grundstruktur der Musik steht, dann
hat die auch eine innere Logik, an die sich wieder der Text halten muss, d.h. der Text verändert
werden muss. Und deswegen sind sie jetzt endlich, ein alter Traum der Menschheit,
gleichberechtigt.“
Fön
Sprecher 1
Clemens Brentano über seine Schwester Bettina von Arnim:
Singend dichtete sie und dichtend sang sie mit prachtvoller Stimme eine Art Improvisation.
O-Ton 27
„Ein Punkt ist, dass uns normale Lesungen, reine Lesungen oft gelangweilt haben ... Wir wollten
dieses Lesemoment halt erweitern durch Musik und für die Musik. ... Wir wollten halt bessere
Texte haben, also wir wollten Texte, die komplexer sind als die Texte, die man sonst in der
Popmusik hört. Unsere Texte sind gesprochen und nicht gesungen und das macht natürlich die
Möglichkeit aus, komplexer zu sein.“
Fön
14
Musik 15: Fön
O-Ton 28
“Wir werden auch manchmal als Konzert angekündigt, aber viel zu häufig noch als Lesung. ...
Am liebsten wäre uns natürlich beides, weil es ja in gewisser Weise die Eigenschaften einer
Lesung mit denen eines Konzertes vereint. Und es ist auch näher am Konzert dran als an einer
Lesung, denn wir lesen einfach nicht ... Bei einem eigentlichen Fönauftritt spielen wir unsere
Stücke, wir lesen nicht ab, wir können unsere Texte auswendig, so wie es eine Musikgruppe auch
kann und ... im Rahmen dessen, was wir machen, haben die Texte eine größere Priorität als bei
einer Popband, die, wenn sie schöne Melodien macht, auch irgendwas singen kann.“
Fön
Sprecher 2
Sonntags blühn bei mir die Künste und Wissenschaften. Die Wochentage bin ich Jurist und
höchstens etwas Musiker. Sonntags am Tage wird gezeichnet und abends bin ich ein sehr witziger
Autor bis in die späte Nacht.
E.T.A. Hoffmann
Musik 16: Hoffmann Undine unterlegen
Autorin
Der große romantische Dichter E.T.A. Hoffmann liebte vor allem die Musik und komponierte
unzählige Werke, darunter acht Opern. Aber er hatte kein rechtes Glück mit seinen
Kompositionen. Die Bekannteste, die Zauberoper „Undine“, wurde zwar hochgelobt. Doch
dann gab es einen großen Brand im Königlichen Schauspielhaus in Berlin, wobei die
Schinkelschen Dekorationen vernichtet wurden. Dieses Unglück behinderte den weiteren Weg
der Oper und E.T. A. Hoffmanns Karriere als Musiker.
Musik noch mal hoch
Sprecher 2
Hast du nicht bemerkt, ... wie die Dichter nur im Genuss ihrer Werke sich wohlbefinden? Aber
die Musiker schweben geflügelten Fußes über alles hinweg. Leckere Esser und noch bessere
Trinker ... Die Musiker spüren den Teufel nicht und säße er ihnen auf der Ferse.
E.T.A. Hoffmann
15
Sprecher 1
Das Leben ohne Musik ist einfach ein Irrtum
O-Ton 29
“Das Schöne an dieser Auftrittssituation mit Fön ist ja, dass man Sachen testen kann, dass es jetzt
nicht wie beim alleine, einsamen Buchschreiben ist, dass man einfach warten muss, bis es
gedruckt wird und dann sitzt man ja auch nicht daneben, wenn es gelesen wird, in den meisten
Fällen. Dass man dann, wenn wir uns uneins sind, über ein Stück, sei es der Text, sei es die
Musik, sei es alles, dass wir dann auch häufig sagen, ach komm, lass es uns einfach ausprobieren,
lass doch das Publikum entscheiden und dann entweder haben wir alle das Gefühl, dass das
Publikum es mag und dann ist die Diskussion gestorben oder das Publikum mag es nicht und
dann reden wir nie wieder über dieses Stück.“
Fön
„Der Nachteil ist das Touren mit sonem Buch. ... Weil das Touren mit einem Buch unglaublich
langweilig ist. ... Es ist nichts Wildes an einer Lesetour, es ist nichts Spannendes und nichts
Aufregendes, es ist Arbeiten und Vorlesen. .. Nach Rockkonzerten trifft man Leute und geht
noch irgendwo hin und unterhält sich und lernt was über die Stadt. Bei Lesungen so gut wie gar
nicht. Da muss man sich echt anstrengen, dass man ganz schnell aus dem Backstage kommt,
wenn man noch irgend jemanden erwischen will, der einem irgendetwas zeigen kann. Die Leute
stehen auf und gehen brav nach Hause und dann hängt man in der Halle, es ist wirklich
frustrierend.“
Schamoni
„Bei meinen Chansons hab ich mich zwar ans Klavier gesetzt, bin aber von Zeit zu Zeit
aufgestanden und herumgegangen, hab ein bisschen geplaudert. Bei den Lesungen sitz ich an
meinem Tisch und rühr mich nicht vom Fleck.“
Kreisler
Text Kreisler CD
„Wenn ich mir vorstelle, ich müsste jetzt eine Lesung machen, wo ich meine Liedertexte ohne
Musik so vorsage, oii, na, ja, keine Ahnung, ich hab das auch noch nie so ausprobiert, aber ...
Cactus
„Wenn ich meine Liedertexte lese und keine Musik dazu habe, dann lese ich sie als Schauspieler,
dann muss ich in einer ganz anderen Weise agieren und in einer anderen Weise betonen, als wenn
ich die Musik habe, die von sich aus betont und wo man gebunden ist an eine bestimmte
Melodie, die Pausen sind anders, es ist alles total anders. .. Also wenn ich singe: (singt) Schatz, das
Wetter ist wunderschön... das ist eine Sache. Wenn ich es sage: Schatz, das Wetter ist
wunderschön... also das ist schlecht gesprochen jetzt, das ist ein Beispiel, das sind zwei
verschiedene Dinge.“
Kreisler
„Ich hab sowieso Lampenfieber, aber bei Lesungen, das ist ja wirklich was nicht auszustehen. Ich
hab totale Angst, mich zu verplappern usw.. Ich bin viel mehr aufgeregt bei Lesungen und auch
ich hab den Eindruck, man liefert viel mehr von sich selber, sogar, wenn die Geschichten nicht
autobiographisch sind. Aber das ist so, wenn man einen Text vorliest, den man selber
16
geschrieben hat, das ist so quasi sich ausziehen. ... Bei der Musik sowieso ... es ist alles nicht so
wichtig, es geht mehr um die ganze Stimmung und um die ganze Musik usw.“
Cactus
Autorin
Theodor Fontane berichtet von einem Abend, an dem Theodor Storm sein Gedicht „In
Bulemanns Haus“ vorlas:
Sprecher 2
Er war ganz bei der Sache, sang es mehr, als er es las, und während seine Augen wie die eines
kleinen Hexenmeisters leuchteten, verfolgten sie uns doch zugleich, um in jedem Augenblicke das
Maß und auch die Art der Wirkung bemessen zu können. Wir sollten von dem
Halbgespenstischen gebannt, von dem Humoristischen erheitert, von dem Melodischen lächelnd
eingewiegt werden.
Autorin
Der Dichter und Schriftsteller Theodor Storm war auch Sänger, Pianist, Komponist und
Chordirigent. In vielen seiner Novellen spielt die Musik eine zentrale Rolle, und die Musikalität
seiner Dichtungen macht ihn zu einem der meistvertonten deutschen Lyriker. Von seinen
eigenen Kompositionen sind nur noch zwei Lieder erhalten, .....
Sprecher 1
So nachdem eben der volle Chor ausgebraust hat zu singen und so gehört zu werden, ist eines der
glückseligsten Momente des Menschenlebens.
Theodor Storm
O-Ton 30
„Die Leute, die schreiben und Musik machen, haben das natürlich in einem wahnsinnigen
Wechselfeld. Bei Francoise ist das ganz extrem, wenn die auf Tour ist, das ist einfach irrwitzig,
das sind Pläne mit Reiserouten dazwischen, das ist der Wahnsinn, so als ob man sich ein halbes
Jahr vom normalen Leben schlicht und einfach verabschiedet. Umgekehrt, wenn sie ganz intensiv
an einem Buch arbeitet, das ist auch eine Form von Abschied.“
Koppe
„Meistens, ich verschiebe es bis zur letzten Minute zu schreiben, weil das ist wirklich furchtbar,
wenn ich anfange zu schreiben, dann kenne ich mich überhaupt nicht mehr, dann bin ich die
ganze Zeit besessen davon, wenn ich gehe, mit irgend jemandem einen Kaffee zu trinken, dann
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bin ich die ganze Zeit so ganz Ohr und denke, mir,: oh, das ist ja gut, das könnte ich ja für mein
Buch verwenden usw.. Ich bin wie sone Art Saugapparat und das nervt mich total und das nervt
besonders alle .... Meistens, wenn ich schreibe, dann geht´s mir echt total scheiße, weil ich Tag
und Nacht und auf den letzten Drücker so was machen muss.“
Cactus
„Gestern habe ich z.B. so gut wie überhaupt nicht Musik gemacht, hab aber etwa acht Stunden
am Computer gesessen, ... an verschiedenen Texten gearbeitet. Das ist dann der Tag des
Dichters.“
Betz
Text Betz CD
„ Wenn jetzt der Auftrag kommt, irgendwie klassische Musik zu machen, dann bin ich ein
Musiker.“
Betz
„Es ist sehr oft so, das ich bei einer Stelle nicht so ganz genau weiß, wie das weitergehen soll da
und dann kann es schon sein, dass ich mich eine Stunde hinsetze und Musik höre oder selber
spiele ... und dann plötzlich so ein Knoten aufgeht und so eine Schwierigkeit beseitigt wird.“
Rosendorfer
“Ich bin keine richtige Schriftstellerin, weil ich nicht sehr eifrig bin. Ich glaube, man muss jeden
Morgen so früh aufstehen und sich hinstellen und dann so bouff schreiben, schreiben, schreiben
... so mach ich das nie. Ich hab allerdings immer so Notizbücher dabei ... und dann jedes Mal,
wenn ich eine Idee habe, bouff, schreibe ich ein paar Wörter auf oder so. Das mach ich schon die
ganze Zeit, aber richtig schreiben die ganze Zeit, jeden Tag – nee, das mach ich nicht, das mach
ich immer in so ganz intensiven Phasen und dann denk ich: ou, das ist vorbei jetzt, Urlaub, nicht
mehr schreiben – super!“
Cactus
„Ich bin relativ schnell gelangweilt von mir selbst und von Kunst und von allem und versuche
dann also quasi nach vorne zu preschen. Weil ich, wenn ich mich in einem Bereich zu lange
aufhalte, irgendwann langweile und mich zu sehr auch mit mir selber konfrontiert sehe und dann
spring ich quasi multischizomäßig in den nächsten Bereich über und finde dann da wieder sone
Neugierde, die ich befriedigen kann.“
Schamoni
„Ich stell mich doch anders ein, wenn ich eine Oper schreibe, als wenn ich ein Lied schreibe. Das
sind doch zwei verschiedene Dinge, oder wenn ich ein Gedicht schreibe, oder einen
Zeitungsartikel schreibe. Da stellt man sich doch von vornherein ganz anders darauf ein und
arbeitet anders“
Kreisler
„Also ich hab beim Schreiben, also beim Schreiben für Bücher ohnehin nicht, aber auch beim
Schreiben für Fön nie oder nur in ganz seltenen Fällen eine Melodie im Kopf. Aber dass man
schon ein bisschen weiß, in welchem Rhythmus man diesem Text vorlesen möchte, das gibt ja
auch der Text schon selber vor und deswegen hat man diesen Rhythmus schon im Kopf,
während man schreibt.“
Fön Tillmann
18
Sprecher 2
Noch einmal jung sein, Krawatte tragen, Spielbein vorstrecken und dem Porträtisten ins Auge
gucken, als wollte man sagen: „Willst Du ein Passbild von mir, du Opfer?“ – Das wär´s. Aber
nicht ich, andere sollen das machen. Und mehr.“ Diese Inschrift an der Wand unserer
Stammkneipentoilette hätte uns Warnung genug sein können. Doch wie einst der babylonische
König Belsazar konnten oder wollten wir nicht verstehen, was klar und deutlich in aramäischer
Schrift vor uns geschrieben stand. Wir waren blind, stumm und taub. Jetzt sind wir Fön.
Autorin
Das Autoren- und Musikerquartett Fön hat gemeinsam den Abenteuerroman „Mein Leben als
Fön“ veröffentlicht. Es ist die Lebensbeichte des Klaus Luzifer McCoy, eines verwegenen
Zeitreisenden, der unterwegs ist in einer großen Mission – der Kunst des Haartrocknens. Und am
Ende trifft er auf die vier Autoren.
Sprecher 1
Das Zeug, das ich schreibe, das braucht die Bühne, das will performt werden. Mit Musik. Ich hab
da an eine Art Boygroup gedacht. Und ihr vier habt soeben das Casting gewonnen. Na, wie
schmeckt Euch das?
Autorin
Es passt ihnen nicht. Aber gegen ihren Widerstand verwandelt McCoy sie einfach in die Gruppe
Fön.
Sprecher 2
Wir klopfen uns den Staub von den Ärmeln. Fön!, jubeln wir dabei im Chor – ab jetzt nennen
wir vier uns Fön, ja, das machen wir! Wir wollen euer Fön sein! Auf der Bühne, im Internet,
überall!
Sprecher 1
Ja, das wollen sie , unsere vier Jungs. Und es klingt auch gar nicht mal schlecht. Aber die
Wirklichkeit sieht natürlich anders aus.
Sprecher 2
19
In Wirklichkeit sind wir nur Gefäß. Vier Jungs, euer Fön, das ist alles bloß Hülle, Fassade,
Camouflage. Dahinter aber steckt ein ganz anderer und zieht unbeirrbar seine Show durch:
Dahinter steckt Klaus Luzifer McCoy alias The Crawling Kingsnake. So. Jetzt ist es mal raus.
Musik 17: Fön
Autorin
Auch Herbert Rosendorfer hat an der literarischen Erfindung eines Musikers mitgewirkt: Der
Komponist „Otto Jägermeier“, der von 1870 bis 1933 gelebt haben soll, ist zu einem running gag
der Musiklexika geworden und die Berliner Zeitung „Der Tagesspiegel“ schrieb am 15. April
1986:
Sprecher 1
Nicht wenige angesehene Musikwissenschaftler sprechen derzeit schon von einem glanzvollen,
wenn auch späten Triumphzug Jägermeiers und seiner sehr speziellen Tonkunst, der sich
inzwischen auf breitester Front abzuzeichnen beginne. Solchen euphorischen Stimmen stehen
allerdings auch immer wieder ignorante Warnungen gegenüber, die bis heute die Existenz dieses
Komponisten generell in Zweifel ziehen.
Sprecher 2 und Sprecherin gemeinsam
Ein Irrtum
Autorin
Obwohl Herbert Rosendorfer so viel mit Musik zu tun hat, das Naheliegendste hat er bislang
verweigert: Er vertont seine eigenen Texte nicht selbst:
O-Ton 31
„Das würde mir gegen den Strich gehen, eigene Texte zu vertonen... Ich käme mir vor, dass ich
mich selber zu wichtig nehme. .. Wenn ich einen eigenen Text vertonen müsste, dann hätte ich
eben das Gefühl, das noch einmal wiederzukauen. Das soll ein anderer machen. ... Und vor allem
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würd es mich ja interessieren, ... wie sieht jetzt ein anderer das. Was macht ein anderer damit und
ich hab Gelegenheit, meine eigenen Sachen von außen zu sehen.“
Rosendorfer
Autorin
Eine wichtige Verbindung von Text und Musik gibt es im Musiktheater. Nur sehr wenige
Komponisten schreiben ihre Libretti, also Operntexte selbst. Sogar der Schriftsteller E.T.A.
Hoffmann vertonte lieber fremde Werke.
Sprecher 2
Ich halte es für unmöglich, das irgendeiner ein Werk schaffe, das gleich vortrefflich ist in Wort
und Ton.
Autorin
Anders der wohl bedeutendste Dichterkomponist Richard Wagner:
Sprecher 1
Ich bilde mir auf meine Dichter-Beruf wahrlich nichts ein und gestehe, dass ich nur aus
Nothdurft, weil mir keine guten Texte geboten wurden, dazu griff, mir dies selbst zu dichten.
Jetzt aber würde es mir ganz unmöglich sein, ein fremdes Opernbuch zu komponieren und zwar
aus folgendem Grunde: Zunächst kann mich kein Stoff anziehen, als nur ein solcher, der sich mir
nicht nur in seiner dichterischen, sondern auch in seiner musikalischen Bedeutung zugleich
darstellt. Ehe ich dann daran gehe, einen Vers zu machen, ja, eine Scene zu entwerfen, bin ich
bereits in dem musikalischem Dufte meiner Schöpfung berauscht, ich habe alle Töne, alle
charakteristischen Motive im Kopfe, so dass, wenn dann die Verse fertig und die Scenen
geordnet sind, für mich die eigentliche Oper ebenfalls schon fertig ist und die detaillierte
musikalische Behandlung mehr eine ruhige und besonnene Nacharbeit ist, der der Moment des
eigentlichen Produzierens bereits vorausgegangen ist.
Autorin
Beim Musiktheater spielt die Musik die Hauptrolle, das ist für den Textdichter nicht immer
einfach. In der Oper „Capriccio“, die der Komponist Richard Strauss gemeinsam mit dem
21
Dirigenten und Librettisten Clemens Krauss geschreiben hat, geht es um die Entstehung einer
Oper und vor allem um die Konkurrenz von Musik und Text:
Musik 18: Richard Strauss, „Capriccio“:
„Schrecklich, ich fürchte, er komponiert mich.“ „Ist das so schlimm, wartet doch ab.“ „Neue
Entstellung! Er zerstört meine Verse.“ „Vielleicht schenkt er ihnen höheres Leben.“ „Mein
schönes Gedicht mit Musik übergossen.“
Autorin
Die Oper endet versöhnlich mit den Worten:
Sprecher 1
In eins verschmolzen sind Worte und Töne
Autorin
Aber an den Librettisten erinnert sich niemand mehr. Wer weiß schon, wer den Text zur
Zauberflöte, zu Aida, zur Fledermaus geschrieben hat. Auch in der Literaturwelt gilt das
Librettoschreiben nichts. Hans-Ulrich Treichel ist als Schriftsteller bekannt, aber als Librettist?
O-Ton 32
„Es interessiert die meisten nicht, weil das in der literarischen Welt gar nicht rezipiert wird. Ich
glaube, dass kein einziger meiner Schriftstellerkollegen jemals eines dieser Libretti gelesen hat. ...
Es ist keine Literaturgattung, die man verfolgt und guckt. ... Ich bin vom Librettoschreiber zum
Librettoleser geworden, was ich früher auch nicht gemacht habe.“
Treichel
Autorin
Das war nicht immer so. Der Name des Textdichters der „Zauberflöte“ Johann Emanuel
Schikaneder nahm auf dem Plakat der Uraufführung viel mehr Raum ein als der des
Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart. Und im 18. Jahrhundert war Pietro Metastasio, der
erfolgreichste Librettist aller Zeiten, ein anerkannter Poet, der seine Libretti im Wesentlichen
nach literarischen Gesichtspunkten konzipierte und auch als Sprechtheater auf die Bühnen
brachte. Das allerdings gelang nur wenigen. Johann Wolfgang von Goethe, hat - abgesehen von
ein paar Übungen - nicht komponiert, sich aber immer sehr für Musik interessiert. Auf seinen
Italienreisen hat er die Kunst des Librettoschreibens studiert und sich auch in ihr versucht – mit
22
mäßigem Erfolg. Ihn trieb auch die Sorge um, dass an seine Operettenlibretti dieselben Maßstäbe
gelegt würden, wie an das gleichzeitig entstandene Drama „Egmont“.
Sprecher 2
Ich wünsche, dass es mir gelungen sein möge, jene musikalisch-theatralischen Erfordernisse
durch ein Stückchen zu befriedigen, das nicht ganz unsinnig ist. Ich hatte noch die Rücksicht,
dass sich beide Operetten doch auch müssen lesen lassen, dass sie ihrem Nachbar „Egmont“
keine Schande machen.
O-Ton 33
„So würde man selbstständige Literatur oft nicht schreiben, zum vierten Mal einen Satz variieren,
zum sechsten Mal die gleiche Aussage mit anderen Worten. ... Soviel Redundanz würd ich
natürlich in einem Gedicht nicht herstellen, außerdem versuche ich, in einem Gedicht die Musik
mitzuliefern, als Lyriker, als Librettist natürlich nicht, denn die Musik soll der Komponist
herstellen.“
Treichel
Autorin
Librettisten müssen ihren Text der Musik unterordnen, und das fiel sogar Goethe schwer, der so
sehr für Musik schwärmte.
Sprecher 2
Wer Musik nicht liebt, verdient nicht, ein Mensch genannt zu werden, wer sie liebt, ist erst ein
halber Mensch, wer sie aber treibt, ist ein ganzer Mensch.
Sprecherin
Das Leben ohne Musik ist einfach ein Irrtum
Sprecher 1 und Sprecherin gemeinsam
Ein Irrtum
Autorin
Ein Zeitgenosse Goethes, Leopold Schefer, war ein ganzer Mensch. Er vertonte auch einige
seiner Texte selbst.
23
Musik 19: Leopold Schefer
Autorin
Leopold Schefer war zu seiner Zeit ein bekannter Schriftsteller. Mit seinen Kompositionen hatte
er weniger Erfolg, obwohl er es immerhin geschafft hatte, in Robert Schumanns Musikzeitschrift
zu gelangen. Der Komponist Robert Schumann schrieb über ein vierchöriges Werk von Leopold
Schefer:
Sprecher 1
Es wäre nicht allein aus Pietät gegen ein bekränztes Dichterhaupt, als auch zur wahren Erbauung,
dass das Vaterunser bei einem deutschen großen Musikfeste zur Aufführung käme.
Autorin
Leopold Schefer hatte vor der Veröffentlichung seiner Kompositionen große Angst vor Fehlern
im Druck und vergewisserte sich immer wieder bei Robert Schumann, dass ihm da auch ja keine
unterlaufen wären.
Sprecher 2
Nehmen Sie mir solche kleine Besorglichkeiten nicht übel, aber einen Fehler zu machen ist mir
entsetzlich und unausstehlich.
Sprecher 1 und Sprecherin gemeinsam
Ein Irrtum
O-Ton 34
„Sie sind Dilettanten, sie sind Laien, sie wissen z.B. nicht, wohin man den Taktstrich setzt und sie
wissen auch nicht, ob es ein b ist oder ein ais, was sie haben. Sie haben sich ja die Melodie
ersungen, innerlich oder auch laut und fingern sie dann auf dem Klavier zurecht, um die Töne zu
finden. ... Und da gibt es bei den Dichterkomponisten ganz abenteuerliche Notationsweisen.“
Dreyer
24
Autorin
Der Musikwissenschaftler Ernst-Jürgen Dreyer schreibt gerade an seinem zweiten Band über
Dichter als Komponisten. Die Dichterkomponisten, mit denen er sich hauptsächlich beschäftigt,
sind in erster Linie Literaten, die das Komponieren meist nicht gelernt haben.
O-Ton 35
„Sie haben es nicht gelernt, aber sie wollten es auch nicht. Denken Sie an Bettine von Arnim. Die
hat eben auf das ganze Gezücht der Tonartenverwandtschaft gewettert. Natürlich, das war ihr
auch zu schwer. Diese Leute sind ungeduldig, sie möchten schnell ein Ergebnis sehen.“
Dreyer
Autorin
Das trifft natürlich nicht auf alle zu. Herbert Rosendorfer hat sich viel mit Musiktheorie
beschäftigt:
Musik 20: Rosendorfer unterlegen
O-Ton 36
„Ich hab´s schon gelernt, ich hab Harmonielehre und Kontrapunkt schon gelernt und die
Instrumentation und Formenlehre, das hab ich schon gelernt.“
Rosendorfer
Autorin
Herbert Rosendorfer ist ein erfolgreicher und vielfach ausgezeichneter Autor unzähliger Romane,
Theaterstücke, Fernsehspiele, Libretti und Essays. Das Schreiben liegt ihm sozusagen im Blut.
O-Ton 37
„Ich bin dazu geboren und ich hab es nicht lernen brauchen und ich wundere mich, das es nicht
jeder andere auch kann.“
Rosendorfer
CD Lesung Rosendorfer
O-Ton 38
„Es war schon richtig, die Entscheidung für die Literatur ... Das Talent in der Schriftstellerei ist
größer bei mir (lacht)“
Rosendorfer
25
„Dichten kann ja jeder, während das Komponieren eine Geheimwissenschaft ist.“
Dreyer
Autorin
Sagt der Musikwissenschaftler
O-Ton 39
„Es gibt auch ein schriftstellerisches Handwerk natürlich. Das ist aber ein bisschen diffuser, das
besteht eigentlich daraus, dass man sich mit der Sprache beschäftigt und dass man möglichst viel
liest, um zu sehen, wie es die anderen gemacht haben. Beim Musiker ist es schon ein bisschen
anders, da muss man schon Unterrichtsstunden nehmen und die hab ich gehabt.“
Kreisler
Autorin
Sagt Georg Kreisler, der gelernte Musiker
O-Ton 40
„Alle Melodien, die ich singe, erfinde ich selber. Aber ich habe eigentlich überhaupt keine
Ahnung von Musik. Ich mache alles nur mit dem Ohr. Ich habe mir jetzt auch eine Ukulele
gekauft. Ich spiele einfach so. In Frankreich ist der Musikunterricht unter aller Sau in allen
Schulen und ich kann kaum Noten lesen. Ich mach das nur einfach so. Ach so, das klingt gut, das
klingt falsch, ich probiere aus. Ich hab auch nie Gesangsunterricht genommen. Ich hab
überhaupt nie Unterricht genommen für irgendwas, ich hatte auch nie Schlagzeugunterricht.“
Cactus
„Ich hab, glaub ich zwei oder drei Monate Blockflötenunterricht gehabt und das fand ich so
wahnsinnig langweilig ( lacht ) , dass ich es aufgegeben hab..... Aber ich hab dann mit 16 noch
mal wieder mich auf dieses Instrument zu bewegt, mit soner ganz kleinen Band, die ich mal hatte.
Die hieß „die Blockflöte des Todes“ und weil wir dieses Instrument so blöde und langweilig
fanden, haben wir es zu unserem Hauptinstrument erkoren und es über die Nasen gespielt und
dazu gleichzeitig gesungen. Das war ein ganz formidabler Erfolg zu diesem Zeitpunkt.“
Schamoni
Autorin
Sagen die Autodidakten. Und die Literaten der Gruppe Fön spielen jeder ein Instrument, aber
wenden sie viel Zeit dafür auf?
O-Ton 41
„Hm, oh, lachen ... ein schweres Thema, ein noch unbeantwortetes Thema, noch ist die Antwort
ein klares Nein!
Die ehrliche Antwort ist, dass wir musikalisch sehr viel mehr tun könnten, also zumindest wir
drei, die wir vorwiegend schreiben. Es gibt sicher Phasen, wo jeder mehr übt, aber leider auch
immer welche, wo jeder weniger übt und das führt dann schlimmstenfalls dazu, dass es bei Fön
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musikalisch son bisschen stagniert, was aber in der Regel, glaube ich, auch nur wir selber
merken.“
Fön
Sprecherin
So mögen jene Lieder, Märsche etc. auch vor die Hunde gehen, wie so Manches, was ich
geschrieben; blamieren mag ich mich nicht, nicht vor Anderen und noch weniger vor mir selber.
Annette von Droste-Hülshoff
Autorin
Die Erfolgsautorin des 19. Jahrhunderts Annette von Droste-Hülshoff hat vor allem Lieder
komponiert, aber auch an drei Opern gearbeitet, die sie jedoch nicht zu Ende brachte. Wie viele
Künstler der Romantik wollte sie sich in möglichst vielen Künsten ausdrücken und verzweifelte
am eigenen musikalischen Dilettantismus.
Musik 21: Droste-Hülshoff
Unterbrochen durch Sprecherin:
Nein! Irrtum!!
Autorin
Es war eben nicht jeder so unbekümmert wie der Schriftsteller und Liedkomponist Christian
Friedrich Daniel Schubart
Sprecher 1
Um aber deine Ichheit auch in der Musik herauszutreiben, so denke, erfinde, phantasiere selber.
Dein eigenes, dir so ganz anpassendes Gemächt wirst du immer am besten herausbringen.
Autorin
Die Romantiker strebten das Ideal des vollkommenen Menschen an, der in allen künstlerischen
Ausdrucksformen zu Hause ist. Durch künstlerische Tätigkeit folgte der Romantiker seiner
Berufung und hoffte damit, Gott näher zu kommen. Im Mittelalter war die Vermischung der
Künste noch viel selbstverständlicher. Der Barde des Mittelalters war Dichter, Komponist und
Sänger in einer Person. Das Erfinden von Wort und Melodie eines Liedes gehörte in der
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Zeit der Minnesänger zur allgemeinen Bildung. Dabei stand weniger der Künstler als das
Kunstwerk im Vordergrund. Das änderte sich ab der Renaissance. Mit der Bewunderung der
Künstlerpersönlichkeit entwickelte sich die Trennung der Künste und damit sogar ein Misstrauen
gegenüber künstlerischen Doppelbegabungen.
Sprecherin
Schuster, bleib bei deinem Leisten
Autorin
Trotzdem gehörte vor allem in der Romantik ein breites Spektrum künstlerischer Betätigung zum
guten Ton.
Sprecher 2
Niemand lernt etwas durch bloßes Anhören, und wer sich in gewissen Dingen nicht selbst tätig
bemüht, weiß die Sachen nur oberflächlich und halb.
Johann Wolfgang von Goethe
Autorin
In den Salons wurde gezeichnet, musiziert, gedichtet. Dabei trafen häufig Künstler und
Dilettanten zusammen. Natürlich war nicht alles bühnenreif. Aber auch Dilettantismus kann
künstlerische Wirkung haben, und für den Künstler selbst eröffnen sich zusätzliche
Entfaltungsmöglichkeiten. Und darum geht es einem Künstler schließlich, damals wie heute.
Sprecher 1
Die Hoffnung sich endlich zu erfüllen, zu verströmen in dem Wissen: Gelungen. Dies Werk bist
du selbst, es wird Zeugnis geben von Deinem Empfinden, auch wenn Du verbrannt bist.
Ralph Benatzky
O-Ton 42
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„Es geht nicht darum, dass man Perfektion erreicht in nem Bereich, sondern, dass man sich
überhaupt reinschmeißt in nen Bereich, dass man Spaß daran hat und dass man seine Neugier
befriedigt und soviel macht, wie man machen will.“
Schamoni
Sprecherin
Das Leben ohne Musik
Sprecher 2
Ohne Poesie
Sprecherin
Ohne
Sprecher 1
Kunst
Alle drei
Ist einfach ein Irrtum
Musik 22: Schlussakkord
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