Seminar: Grundlagen der Soziologie des Sports Wintersemester 2004 / 2005 Dienstag, 14.00 – 16.00 Uhr (S2-206) Leiter des Seminars: Prof. Dr. Thomas Alkemeyer Überblick: Makrosoziologie und Mikrosoziologie Referat von Hendrik Nobis und Markus Mansholt gehalten am 09.11.2004 1 III. Wichtige theoretische Positionen Überblick über Makro- und Mikrosoziologie Textgrundlage: Joas, H.: Lehrbuch der Soziologie, Frankfurt, New York: Campus, 2003, Kap.4 → Soziale Interaktion - Von sozialer Interaktion spricht man immer, wenn mehr als eine Person (= sozial) beteiligt ist. - Interaktion meint hierbei, dass die beteiligten Akteure sich gegenseitig beeinflussen. Dies kann auch mit Briefen, Fax, etc. geschehen. Es ist also nicht zwingend erforderlich, dass die Personen direkt anwesend sind. - Macht ist ein wichtiges Unterscheidungselement zwischen verschiedenen Situationen sozialer Interaktion. - Die Soziale Interaktion ist geprägt von jeweiliger Sozialstruktur und jeweiliger Kultur. - In der sozialen Interaktion übernehmen Menschen immer Rollen, z.B. auf einer Party nimmt man die Rolle eines Gastes war und man geht nicht auf eine Party, um z.B. auf dem Sofa ein Buch zu lesen. → Was ist soziales Handeln? - Soziale Interaktionen bzw. soziales Handeln haben immer eine Ordnung und eine Struktur. - Alle Interaktionen sind strukturiert durch sozial definierte Erwartungen. - Soziales Handeln wird durch die charakteristischen Eigenschaften der Interaktionspartner strukturiert. Diese Eigenschaften sind eng mit den jeweiligen Positionen in der Sozialstruktur verbunden. - Die Sozialstruktur wird auch als sozialer Status bezeichnet - Zu dem jeweiligen Status gehören auch immer bestimmte Verhaltensweisen, Einstellungen, Verpflichtungen etc. . Diese nennt man Merkmale einer sozialen Rolle. - Soziale Beziehungen nennt man auch Netzwerke. 2 - Man kann mit Hilfe dieser Beziehungen versuchen, Vorteile in irgendeiner Art und Weise zu erlangen, man sagt auch, man verfügt über Macht - Auch der größere sozial – strukturierte Kontext beeinflusst Richtung der sozialen Interaktion Mikrosoziologie: Die Mirkosoziologie untersucht die räumlich und zeitlich begrenzten, alltäglichen Verhaltensweisen und direkten Interaktionen Es wurde im Rahmen der Mikrosoziologie fünf theoretische Konzepte entwickelt, um die Ursachen von sozialer Ordnung und Interaktionen zu erklären: → 1) Die Definition der Situation: - Jeder der Interaktionspartner macht sich immer eine eigene Situationsdefinition. - Die Situationsdefinitionen müssen nicht immer eindeutig sein. Beispiel: Ein Student fragt eine Kommilitonin, ob sie mit zu ihm kommen wolle, um zu lernen. Will er nun wirklich lernen, oder nicht? - Wichtige soziologische Grundannahme: Wenn Menschen eine Situation als real definieren, wird sie in Ihren Konsequenzen auch real sein (Thomas, Thomas 1928:572). Es ist dabei egal, ob wir die Situation richtig oder falsch definieren. → 2) Symbolischer Interaktionismus - Der Begriff geht auf Herbert Blumer zurück. Dieser machte diesbezüglich drei Annahmen ( Blumer 1981:81) - 1. Annahme: „Menschen handeln allen Dingen der Welt gegenüber entsprechend der Bedeutung, die sie für sie besitzen. Menschen verhalten sich anderen Menschen und Dingen gegenüber nach ihrer jeweiligen subjektiven Wahrnehmung und Interpretation.“ - 2. Annahme: „ Diese Wahrnehmungen und Interpretationen gehen aus symbolischer Interaktion hervor.“ - 3. Annahme: Die in Interaktionen gewonnenen Deutungen werden in weiteren Interaktionen fortlaufend korrigiert und immer wieder reinterpretiert. Sie sind aber nicht dauerhaft stabil.“ 3 - Signifikante Symbole können z.B. das Händeschütteln sein. Wobei dieses Symbol in verschiedenen Ländern verschiedene Bedeutungen haben kann. Aber auch Mimik und Gestik sind hier zu nennen - Damit wir Botschaften symbolischer Art richtig interpretieren können, müssen wir uns in den jeweiligen Interaktionspartner hineinversetzen können (Rollenübernahme). - Beispiel: Der Bewerber im Einstellungsgespräch erkannte zwar, dass die Personalchefin einen negativen Eindruck von ihm hatte (z.B. durch das auf die Uhr schauen), doch er tat nicht den richtigen Schritt danach. Er hätte z.B. nach einem neuen Termin fragen können. → 3) Dramaturgische Ansatz - Bedeutendster Vertreter: Ervin Goffman (1969) - „Theatervorstellung“ - Mann kann die Alltagssituationen als eine Art Alltagstheater verstehen. - Das Alltagstheater braucht ein eingespieltes Ensemble von Darstellern, eine Bühne, Zuschauer, einen passenden Ort und eine passende Zeit. - Kommen neue Personen auf die Bühne, so müssen sie die im Ensemble bereits präsenten gültigen Symbole herausfinden. - Verschiedene Ensembles (z.B. Organisationen, Nationen, kleine Gruppen etc.) stehen in Wechselwirkung - Für jede soziale Interaktion gibt es ein Skript (Drehbuch), welches ungefähr den Ablauf festlegt. - Es gibt aber keinen Regisseur, das hat zur Folge, dass sie „Schauspieler“ ihre Rollenverteilung selber aushandeln müssen. - Es gibt aber auch immer Plätze hinter dem Vorhang, so dass man sich zurückziehen kann. - Beispiel: Ein Kellner pendelt ständig zwischen zwei Bühnen hin und her. Die eine Bühne ist der Gastbereich und die andere Bühne ist die Küche. Jeder Bühnenwechsel ist auch immer mit einer Wandlung des Kellners verbunden. → 4) Ethnomethodologie - Harald Garfinkel (1967) - Er konzentriert seine Studien auf die Routinen der alltäglichen Lebenswelt. 4 - Während Goffman Interaktionen aus der Distanz beobachtet (wie ein Theaterkritiker), so beschäftigt sich Garfinkel mit der Analyse der Innenseite des Geschehens. - Man beschäftigt sich in der Ethnomethodologie mit dem Routinewissen, bzw. den Skripten des Einzelnen. - Dies macht man oftmals so, dass man die Selbstverständlichkeiten der kulturellen Erwartungen vorsätzlich missachtet und dann beobachtet, was passiert. Beispiel: Ein Sohn kommt in die Familie zurück und verhält sich bewusst wie ein Fremder. - Die Ethnomethodologie hebt also die routiniertesten Verhaltensweisen einer miteinander vertrauten Menschengruppe hervor. → 5) Sozialer Austausch - Peter M. Blau (1964) u. George C. Thomas (1961) - Soziales Verhalten als Tauschvorgänge. - Man kann es sich ganz grob so vorstellen, als ob „Tauschkonten“ geführt werden , nach dem Prinzip Gabe und Gegengabe. - Tauschvorgänge gibt es überall: in der Freundschaft, in der Liebe etc. - Diese Tauschvorgänge stärken soziale Bindungen. - „Rational - Choice - Theorie“: Menschen vergleichen erwartbare Gewinne einer Handlung mit den wahrscheinlichen Kosten. Das Handeln wird also rational kalkuliert. - Menschen neigen dazu, ein Verhalten, das einmal belohnt worden ist, zu wiederholen und umgekehrt (Operante Konditionierung). Mesoebene: Jeder Mensch hat eine Vielzahl von sozialen Bindungen, z.B. Freunde und Verwandte. Diese haben wieder eine Vielzahl von Beziehungen, usw. . So entstehen sog. Netzwerke. Mit der Untersuchung solcher Netzwerke beschäftigt sich die Mesoebene. Sie ist zwischen der Mikrosoziologie und der Markosoziologie anzusiedeln. → Grundbegriffe der Netzwerkanalyse: - Einheiten eines Netzwerkes werden als Knoten bezeichnet. Einheiten sind z.B. Individuen, Gruppen etc. 5 - Die Verbindung zwischen zwei Knoten bezeichnet man als Querverbindungen. Diese sagen etwas aus über: -Art der Beziehung - Stärke der Verbindung ( z.B. häufiger Kontakt) - Grad der Reziprozität (Wechselwirkung): Je populärer jemand ist, desto häufiger taucht er in den Netzwerken auf. - Symmetrie. In symmetrischen Beziehungen besteht Ähnlichkeit in Bezug auf z.B. Alter, Bildung, Geschlecht, Einkommen. → Charakteristika von Netzwerken: - Größe: Als Größe bezeichnet man die Anzahl der Knoten. (Manchmal bezeichnet man als Größe auch die Anzahl der Verbindungen). - Dichte: Als Dichte bezeichnet man die Relation zwischen den aktuell genutzten und den potenziell möglichen Beziehungen. Kennen sich alle Personen eines Netzwerkes, so ist die Dichte 100%. - Erreichbarkeit: Die Erreichbarkeit gibt an, über wie viel Knoten man gehen muss, um Knoten X zu erreichen. - Reichweite: Die Reichweite gibt die absolute Anzahl an Verbindungen an. - Zentralität: Diese misst jenen Anteil von Beziehungen aus der Gesamtzahl aller Verbindungen, die eine Person auch wirklich nutzt. 6 Makrosoziologie: (Sozialstruktur der Gesellschaft) 1 Status & Rolle 2 Bevölkerung & Sozialstruktur Institutionen 3 Gesellschaft & Gesellschaftstheorien 1 Status & Rolle: -Status => Position in Sozialstruktur, Platz in Gesellschaft, Gruppe, etc. -zu jedem Status gehört ein Mindestmaß an Macht und Einfluss -Personen haben immer mehrere Status -Gesamtbestand an Status = Status – Set => dadurch sind sie einzigartig -Bei Status unterscheidet man a) zugeschriebener Status b) erworbener Status Bsp. zu a) Geschlecht, Alter, Konfession, Hautfarbe, etc. Bsp. zu b) Beruf, Sträfling, Wissen, etc. a) und b) sind oft miteinander verwoben Bsp. früher war es Frauen untersagt Führungsrollen zu übernehmen -Dies war das Ergebnis von sozialem Handeln und der Sozialstruktur -Master Status – Ein Leben lang -Leit Status – bestimmter Lebensabschnitt/-bereich -Rolle: besteht aus einem Bündel von Verhaltenserwartungen -Unterschied Status/Rolle: Status: einen Status hat man inne Rolle: eine Rolle spielt man -Sozialisation: Rollen spielen lernen durch Beobachten anderer -Keine Tochterrolle ohne Elternrolle und umgekehrt Bsp. kein Anwalt ohne Klient kein Polizist ohne Sträfling kein Referathalter ohne Zuhörer -Gesamtbestand an Rollen = Rollen – Set 7 -Rollenüberforderung: Bsp. Referathalter mit dem Halten des Referats überfordert -Rollenkonflikt: Bsp. Chef muss Freund aus der Firma entlassen 2 Bevölkerung & Sozialstruktur: -leitet sich von der Zusammensetzung der Bevölkerung ab -Zusammensetzung bestimmt Chancen und Grenzen sozialer Beziehungen -Heterogenität: Zusammensetzung nach Altersschichtung, Religion, etc. -Ungleichheit: Grad der Ungleichheit, Ausmaß der Unterschiede hinsichtlich Wohlstand, Einkommen, Macht, etc. Bsp. Individuum: weiblich, 35, ledig Gesellschaft: Zusammensetzung aus 35jährigen, ledigen Frauen -Kontakte nach sozialer Gleichheit 3 Institutionen: -Frage, was eine Gesellschaft zusammen hält, ist Kernfrage der Soziologie -bislang haben wir dies mit sozialen Interaktionen beantwortet -Institutionen sind z.B. Familie, Kirche, Staat, etc. -Existenz von Institutionen erleichtert menschliches Handeln Bsp. Beerdigung, Hochzeit wären ohne Institution Kirche kaum denkbar -Innerhalb von Institutionen haben Leute Status & Rollen -Funktionen von Institutionen: a) Werte, Sitten, Überzeugungen weiter vermitteln – Familie b) Güter erzeugen und verteilen – Wirtschaft c) Schutz der Gesellschaft – Polizei, Bundeswehr d) Bildung – Schule e) „seelischer Halt“ – Kirche -Soziologen sind sich nicht einig, in wie weit Institutionen Gesellschaft funktionierend machen -Institutionen sind im Wandel: Bsp. Wissenschaft (früher „wussten“ die Menschen, dass die Erde eine Scheibe ist, heute „wissen“ die Menschen, dass sie eine Kugel ist) -Zusammengefasst: Institutionen sind Quelle von Kontinuität und Stabilität in Gesellschaften, denn essentielle Bedürfnisse haben sich nicht geändert 8 4 Gesellschaft & Gesellschaftstheorien: -Modernisierungstheorie: Sie versucht die elementaren Voraussetzungen und Bedingungen einer Gesellschaft zu bestimmen -Erhalt der Struktur -Integration als soziales System -Verwirklichung zentraler Ziele -Anpassung an Veränderung und Umwelt -Gesellschaftliche Teilsysteme: Kultur, Erziehung, Bildung, etc. (Institutionen) -Interessen der Bürger werden durch allgemein gültige Normen, Verträge, Rechte geregelt, nicht durch Willkür -Evolution der Gesellschaft ist nicht zu Ende -Konkurrenz zwischen Gesellschaften treibt Evolution voran -Individualismus „<=>“ Gesellschaft Nicht Vertragsbeziehungen etc. verbinden Menschen, sondern lebendige Sinngemeinschaften -Gesellschaft geht immer mehr über nationale Gesellschaft hinaus, Bsp. Europa: Supranationale Ebene der Gesellschaft 9