Evolutionäre vs. Sozial-Strukturelle Erklärungsansätze für Geschlechtsdifferenzen Alice H. Eagly & Wendy Wood (1999) The Origins of Sex Differences in Human Behavior Evolved Dispositions vs. Social Roles Evolutionspsychologie: Geschlechtsspezifische Unterschiede reflektieren evolutionäre Anpassungen an die urzeitliche Umwelt. Entwicklung genetischer Dispositionen als Tendenzen, die durch Umweltfaktoren aktiviert werden. Natürliche Selektion Zeitspanne EEA: vor 1,6 Millionen Jahren bis ca. vor 10.000 Jahren Geschlechter entwickeln verschiedene Strategien, um verschiedene Anpassungsprobleme zu bewältigen Männer: Frauen: Hohe potentielle Relativ niedrige Zeugungskapazität Zeugungskapazität Ungewisse Vaterschaft Angewiesen auf Ressourcen des Mannes Wechselwirkungen zwischen angeborenen Lernbereitschaften und Umwelteinflüssen Fortpflanzungsstrategien: Männer: Qualität oder Quantität Frauen: nur Qualität Schlussfolgerungen: Männer sind weniger wählerisch in der Wahl der Partnerin und schneller bereit zum Geschlechtsverkehr Langzeit- und Kurzzeitbeziehungen Männer legen mehr Wert auf Jugend und Aussehen Frauen legen mehr Wert auf Status und Ressourcen Polygamie verbreiteter als Polyandrie Frauen neigen zum Aufziehen von Kindern, Männer zu Gewalt, Wettbewerb und Risikobereitschaft Sexuelle vs. emotionale Eifersucht Annahmen: Geschlechtsdifferenzen aufgrund von anatomischen Merkmalen oder aufgrund von Jäger-Sammler-Kultur Theoretisches Resultat: Mentale Rotation besser bei Männern Kritik: Irregeleitete Überlegungen durch Nicht-Berücksichtigung aller ökologische Bedingungen Evolution verläuft nicht optimal Unterscheidung von kulturellen Produkten, z.B. trial-and-error Primatenstudien nicht zwingend aussagekräftig Kritik: EEA hatte weite Bandbreite an Gemeinschaftsformen Kein Beweis für Zutreffen der natürlichen Selektion Spekulation, denn keine Gene bekannt Es gibt Alternativerklärungen Social Structural Theory als ursprüngliche Theorie der Geschlechterunterschiede Geschlechterunterschiede sind in sozialer Position und unterschiedlichen sozialen Rollen begründet. Gegenwärtige Sozialstruktur: Geschlechterhierarchie bzw. Patriarchat Starke Arbeitsteilung: Versorger- und HausfrauenPrinzip Ursache: Männer und Frauen beziehen verschiedene Rollen Psychologische Attribute und soziales Verhalten: Männer: Frauen: agentic communal Bestimmtes und unabhängiges Verhalten Verhalten orientiert sich an das Gemeinwohl Zur Entstehung der Geschlechterrollen sind biologische Unterschiede maßgeblich. Diese physischen Attribute verlieren in postindustriellen Gesellschaften an Bedeutung aufgrund der gegebenen Sozialstruktur. Durch Wechselwirkung der physischen Attribute mit sozialen und ökologischen Bedingungen entstehen Geschlechterrollen Vorteil: kooperative Beziehung und Arbeitsteilung Die unterschiedliche Rollenverteilung bildet die Basis für eine sozialstrukturelle Metatheorie: 1. Prinzip: Geschlechterrollen produzieren ein bestimmtes Verhalten. 2. Prinzip: Männer und Frauen versuchen geschlechtsspezifische Rollen anzunehmen und darzustellen, indem sie bestimmte Fähigkeiten und Ressourcen erlernen. Funktion von Geschlechterrollen: Sie erleichtern Aktivitäten, die typischerweise von einem Geschlecht ausgeführt werden. Geschlechterunterschiede minimieren sich, wenn beide Geschlechter die gleiche soziale Position inne haben. Antwort auf Kritik an Social Structural Origin Theory: Kritik Antwort Kulturelle und soziale Strukturen reflektieren ererbte Veranlagungen. Kultur und Sozialstruktur können das Verhalten beeinflussen. Individuen werden als passive Träger ihrer Rollen angesehen. Rollenannahme ist ein komplexer und dynamischer Prozess. Geschlechterrollen sind absolut willkürlich. Sie sind in der Sozialstruktur und Kultur eingebettet. Unterschiede zwischen Kulturen sind zufällig. Soziale Variationen hängen von verschiedenen Faktoren ab. Geschlechtsunterschiede bei der Partnerwahl Frauen bevorzugen einen älteren Partner mit gutem Einkommen. Männer präferieren jüngere Partnerinnen guten Aussehens mit häuslichen Fähigkeiten. Evolutionspsychologen führen dies auf elterliche Investitionen zurück. Frauen bevorzugen: Männer bevorzugen: Männer, die die indirekten Ressourcen aufbringen können Gesunde Frauen, die potentiell viele Kinder bekommen können Für Sozial-Strukturalisten sind Partnerauswahlkriterien dazu da, zu maximalen Nutzen zu gelangen unter Berücksichtigung kultureller Normen. Männer und Frauen suchen Partner, deren Kriterien dem eigenen Rollensystem entsprechen. Die Alterslücke zwischen Mann und Frau unterstützt das vorherrschende Rollensystem. Evolutionspsychologen gehen von interkultureller Einheitlichkeit aus. Sozial-Strukturalisten gehen von interkultureller Variabilität aus. - - 37 Kulturen getestet Fragebogen Ranking zu 13 Charakteristika bzgl. der Erwünschtheit bei der Heiratswahl Rating zu 18 Charakteristika auf 4-Punkte-Skala bzgl. der Wichtigkeit bei der Partnerwahl Größte Geschlechterunterschiede in folgenden Kriterien: - Gute Verdienstkapazität - gute häusliche Fähigkeiten und Kochen - physische Attraktivität Positive Korrelationen zwischen den Kulturen Arbeitsteilung als logische Erklärung, wobei evolutionäre Erklärung auch greift. Daher: Einbeziehung des Faktors Gleichberechtigung Wenn in Kulturen eine größere Gleichberechtigung besteht, müssten sich die Geschlechterdifferenzen bei der Partnerwahl relativieren. Analyse der Geschlechtergleichheit: Gender Empowerment Measure zeigt in welchem Ausmaß Frauen gleichberechtigt mit Männern in ökonomischen, politischen und führenden Rollen partizipieren. Gender-Related Development Index reflektiert den gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und Einkommen Ergebnis: Bei Ansteigen des GEM, fällt die Tendenz zu Geschlechtsdifferenzen bzgl. Einkommen und häuslichen Fähigkeiten. Mit steigender Gleichberechtigung wird weniger Präferenz für Altersunterschiede zwischen den Partnern gezeigt. Kritik: - Zeitunterschied zwischen den Erhebungen - Fragebogenmethode unterstützt möglicherweise soziale Erwünschtheit Präferenz für körperliche Attraktivität Kein direkter Zusammenhang mit der Arbeitsteilung. Indirekter Zusammenhang mit anderen Attributen, die auf gute Verdienstkraft hinweisen könnten. Beziehung zwischen Fertilität und Attraktivität ist inkonsistent. Zusammenfassung: Beide Theorien beziehen biologische und Umweltfaktoren mit ein, aber diese werden unterschiedlich behandelt. Obwohl beide Theorien sich mit Ursprüngen und Gründen beschäftigen, muss doch zwischen mittelbaren und unmittelbaren Ursachen unterschieden werden. Mechanismen, die eine Funktion erfüllten und eine Rollenverteilung, die die soziale Struktur ausmacht. Fazit: Beide Theorien können weder falsifiziert noch verifiziert werden. Die Ursprünge der Geschlechtsdifferenzen sind nach wie vor spekulativ.