Begleitskript

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Begleitskript
für die
Arbeitsgemeinschaften
zur Vorlesung
Schuldrecht BT III
Vorwort
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
das folgende Begleitskript zur Arbeitsgemeinschaft Schuldrecht BT III wurde von mir im Hinblick
auf das Sommersemester 2009 entwickelt. Das Skript besteht aus einer Anzahl von leichteren
Fällen. Die Fälle dienen nicht dazu, zu demonstrieren, wie ein bestimmter Sachverhalt auf dem
Niveau einer Klausur oder gar einer Hausarbeit bearbeitet werden könnte, sondern an ihrem
Beispiel soll die methodische Herangehensweise an juristische Sachverhalte geübt werden. Aus
diesem Grund werden in den Lösungsskizzen teilweise Fragen ausführlicher, teilweise knapper
erörtert, als das in einer Klausur sachgerecht erscheinen würde.
Zur Wiederholung befassen sich die ersten beiden Fälle mit dem Deliktsrecht. Die restlichen Fälle
widmen sich dem Bereich der Geschäftsführung ohne Auftrag, dem Bereicherungsrecht und dem
Eigentümer – Besitzer – Verhältnis. Selbstverständlich konnten nicht alle Probleme dieser
umfangreichen Thematik Platz finden.
Die Arbeit mit diesem Skript ersetzt in keinem Fall die Arbeit mit der wissenschaftlichen
Literatur und ist als alleinige Vorbereitung für eine Abschlussklausur ungeeignet, da insb. die
Fallkonstellationen oftmals sehr einfach verfasst sind und so in einer Fallklausur nicht gegeben
sein werden. Aus diesem Grund finden sich in dem Skript auch keinerlei Literaturhinweise.
Viel „Spass“ bei durcharbeiten…
Marc Kühl
Inhaltsverzeichnis
1. Fall – Der misslungene Versuch Fahrrad zu fahren - §§ 823 ff BGB ................................... 3
2. Fall – Der flüchtende Obstdieb - §§ 823 ff. BGB ................................................................ 10
3. Fall – Die Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen auf Fahrradhändler - §§ 677 ff. BGB 14
4. Fall – Das gute Erbstück - §§ 677 ff. BGB ......................................................................... 23
5. Fall – Alle Jahre wieder… - §§ 677 ff. BGB ....................................................................... 30
6. Fall – Geschäftsführung ohne Auftrag??? ........................................................................... 37
7. Fall – Die Wohnungsvermietung - §§ 687 II, 678 BGB ..................................................... 43
8. Fall – Der schusselige F - §§ 812 ff. BGB ........................................................................... 47
9. Fall – Die Geschäfte laufen…. ............................................................................................ 58
10. Fall – schon wieder Schulden…. ....................................................................................... 63
11. Fall – ein paar Jahre später ................................................................................................. 67
12. Fall – der Porsche… ........................................................................................................... 71
13. Fall - das Mofa… .............................................................................................................. 76
15. Fall – Der verschwiegene Unfall - EBV ............................................................................ 81
16. Fall – Das Grundstück - EBV ............................................................................................ 87
17. Fall – Der Diebstahl - EBV ................................................................................................ 92
1. Fall – Der misslungene Versuch Fahrrad zu fahren - §§ 823 ff BGB
Der 9 Jährige T ist mal wieder mit seinem Fahrrad auf der Straße vor dem Haus seiner Eltern
unterwegs. Erst vor ein paar Wochen hat er gelernt, dass ein Fahrrad hinten eigentlich nur einen
Reifen hat. Aufgrund dieser Tatsache sind die Eltern des T auch nicht gerade darüber amüsiert, dass
ihr Kind mal wieder auf der Strasse zu Gange ist. Leider haben etliche Ermahnungen hinsichtlich
des Fahrens ohne Stützräder auf der Strasse nichts bewirkt. Es kommt, wie es kommen muss…!
Nach einem gewagten Bremsmanöver kippt der T zur Seite weg und beschädigt das geparkte Auto
des K. Dieser präsentiert wenige Tage später die Rechnung in Höhe von 1.000 €.
K will von T und dessen Eltern E Schadensersatz. Zu Recht?
Lösung Fall 1
I.
Anspruch des K gegen T gem. § 823 I BGB
K könnte gegen T einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 1.000 EUR gem. § 823 I
BGB haben.
1.
Rechtsverletzung
Zunächst müsste eine Rechtsgutsverletzung vorliegen. In Betracht kommt hier eine
Verletzung des Eigentums des K. Eine Eigentumsverletzung liegt in einer Einwirkung auf
fremdes Eigentum, durch die der Eigentümer in einem, seiner nach § 903 BGB
eingeräumten Befugnisse, beeinträchtigt wird. T kippt hier mit seinem Fahrrad gegen das
Auto des K. Dadurch wurde das Auto beschädigt. Die Beschädigung stellt eine
Substanzverletzung und somit eine Eigentumsverletzung dar. Eine Rechtsgutsverletzung des
K liegt mithin vor.
2.
Haftungsbegründende Kausalität
Zwischen der Handlung des T und der Beschädigung des PKW müsste ein
Kausalzusammenhang bestehen.
a)
Äquivalenztheorie
Zunächst müsste die Handlung des T nach der Äquivalenztheorie kausal für die
Rechtsgutverletzung des K gewesen sein. Nach der Äquivalenztheorie ist jede Handlung
kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele
(conditio-sine-qua-non-Formel). Ohne das „Umkippen“ mit dem Fahrrad wäre die
Eigentumsverletzung bei K nicht eingetreten. Mithin war die Handlung des T kausal für die
eingetretene Rechtsgutverletzung des K i.S.d Äquivalenztheorie.
b)
Adäquanztheorie
Ferner müsste die Handlung des T auch nach der Adäquanztheorie kausal gewesen ein.
Adäquat kausal ist jedes Ereignis, das im Allgemeinen und nicht nur unter besonders
eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer
Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, den Erfolg in der eingetretenen Art allein
oder im Zusammenwirken mit weiteren Umständen herbeizuführen.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein sicheres
Fahrradfahren kurz nach erlerntem Fahren ohne Stützräder noch nicht möglich ist. Ferner ist
es kein ungewöhnlicher Verlauf der Dinge, dass in einer solchen Situation Stürze geschehen
und dabei Sachen beschädigt werden können. Der Sturz des T ist daher auch adäquat kausal.
c)
Schutzzweck der Norm
Des Weiteren müsste die Beschädigung des PKW gerade vom Schutzzweck des § 823 I
BGB erfasst sein. Entscheidend ist dabei, dass die Norm ein privates Rechtsgut oder
Interesse wahrnimmt. § 823 I BGB schützt gerade vor Beeinträchtigungen des Eigentums.
Die Beschädigung des PKW ist daher vom Schutzzweck umfasst.
3.
Rechtswidrigkeit
Mangels Rechtfertigungsgründe war die Handlung des T zudem rechtswidrig.
4.
Verschulden
Fraglich ist, ob der T sein Verhalten auch zu verschulden hat.
a)
Deliktsfähigkeit nach § 828 I BGB
Zunächst müsste T überhaupt deliktsfähig sein. Gem. § 828 I BGB ist derjenige nicht
deliktsfähig, der nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat. T ist neun Jahre alt und somit
grundsätzlich gem. § 828 I BGB deliktsfähig.
b)
Haftungsprivileg gem. § 828 II BGB
Fraglich ist, ob hier das Haftungsprivileg nach § 828 II BGB in Betracht kommt. Danach ist,
wer das siebte, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, für den Schaden, den er bei
einem Unfall mit einem KFZ zufügt, nicht verantwortlich. T ist neun Jahre alt, so dass § 828
II BGB grundsätzlich Anwendung findet.
Bei dem Sturz mit dem Fahrrad und der daraus resultierenden Beschädigung des PKW
müsste es sich folglich um einen Unfall mit einem Kraftfahrzeug i.S.d. § 828 II BGB
handeln.
T kippte mit seinem Fahrrad um, was zur Folge hatte, dass das geparkte Fahrzeug des K
beschädigt wurde. Mithin liegt ein Unfall mit einem Kraftfahrzeug vor.
Fraglich ist jedoch, ob diese Konstellation von § 828 II BGB erfasst werden soll.
Nach dem Normzweck des § 828 II BGB, wonach Kinder im Alter zwischen dem siebenten
und dem zehnten Lebensjahr grundsätzlich noch nicht in der Lage sind, die besonderen
Gefahren des motorisierten Straßen- und Bahnverkehrs zu erkennen und sich entsprechend
zu verhalten, bedarf der Tatbestand des § 828 II BGB einer Einschränkung im Wege der
teleologischen Reduktion dahingehen, dass Unfälle ohne Beteiligung des fließenden
Verkehrs nicht erfasst werden. Denn für die Einbeziehung von Kollisionen mit geparkten
PKW in den Schutzbereich der Vorschrift besteht, ohne Beteiligung sich bewegenden
Verkehrs, kein erkennbares Bedürfnis. Die Fehlleistung eines Kindes mag bei einem
fahrlässigen Zusammenstoß mit einem stehenden Hindernis auf einer Fehleinschätzung
eigener Fähigkeiten und altersbedingten Defiziten beruhen. Nichts anderes würde aber auch
in den Fällen gelten, in denen eine solche Kollision außerhalb des Verkehrsbereichs
stattfindet und sich das Kraftfahrzeug nicht in Betrieb befindet. Eine solche Konstellation
unterfiele unzweifelhaft nicht der Regelung des § 828 II BGB. Die Vorschrift bezweckt
nicht
den
umfassenden
Schutz
Minderjähriger
im
Hinblick
auf
altersbedingte
entwicklungspsychologische Defizite. Sie bezweckt den Schutz den Minderjährigen im
Hinblick auf die daraus resultierenden besonderen Gefahren des fließenden Verkehrs.
Aufgrund dessen wird die Kollision des T mit dem Auto des K nicht von § 828 II BGB
erfasst. Mithin wird die Verantwortlichkeit des T gem. § 828 II BGB nicht
c)
Deliktsfähigkeit nach § 828 III BGB
Weiterhin könnte die Deliktsfähigkeit nach § 828 III BGB ausgeschlossen sein. Hiernach ist
ein Kind oder Jugendlicher, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, für einen
Schaden, den er einem anderen zugefügt hat, nicht verantwortlich, sofern seine
Verantwortlichkeit nicht schon nach § 828 I oder § 828 II BGB ausgeschlossen ist, wenn
ihm bei Begehung der Handlung die für die Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht fehlt.
Dem T müsste folglich die erforderliche Einsichtsfähigkeit fehlen. T ist 9 Jahre alt. In
diesem Alter ist ein Kind bei normalem Entwicklungsstand durchaus in der Lage, das Risiko
eines Fahren mit dem Fahrrad in der Nähe geparkter Fahrzeuge auf öffentlicher Straße zu
erkennen und abzuschätzen. Auch wurde T schon im Vorfeld von den Eltern ermahnt, nicht
auf der Straße mit dem Fahrrad ohne Stützräder zu fahren. Für ein Fehlen der individuellen
Einsichtsfähigkeit liegen daher keine Anhaltspunkte vor. K ist damit verschuldensfähig.
d)
Verschulden i. S. d. § 276 BGB
Neben der Verschuldensfähigkeit müsste weiterhin ein Verschulden des T vorliegen. T hat
den Schaden am PKW des K nicht vorsätzlich verursacht. In Betracht kommt hier daher ein
fahrlässiges Handeln. Nach § 276 II BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Fahrlässigkeit liegt danach vor, wenn der Schädiger
diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen hat, welche von einem Angehörigen seiner
Personengruppe in der jeweiligen konkreten Situation erwartet wird.
Dabei ist auch dem Alter des Schädigers Rechnung zu tragen. Die Fahrlässigkeit bemisst
sich danach, wie sich ein Minderjähriger derselben Altersgruppe nach Erfahrungswerten
verhalten hätte.
Es kommt daher darauf an, ob Kinder oder Jugendliche seines Alters und seiner
Entwicklungsstufe den Schadenseintritt hätten voraussehen können und müssen und ob es
ihnen zumutbar gewesen wäre, sich dieser Erkenntnis gemäß zu verhalten.
T wusste, dass er sich so zu verhalten hat, dass kein anderer zu Schaden kommt, zumal ihn
die E des Öfteren ermahnt und ihm damit die Gefährlichkeit des Fahrens ohne Stützräder auf
der Straße dargelegt haben. Das Verschulden des T i. S. d. § 276 BGB ist somit vorliegend
zu bejahen.
5.
Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB
Ferner müsste bei K ein Schaden i.S.d. §§ 249 ff BGB vorliegen. Als Schaden bezeichnet
man die unfreiwilligen Vermögensopfer. Bemisst wird der Schaden anhand der sog.
Differenzhypothese. Danach ist die Höhe des Schadens die Differenz zwischen dem jetzigen
Vermögenswert und dem, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis jetzt hätte.
Hätte der T das Auto des K nicht „angefahren“, so wäre die Reparatur in Höhe von 1.000 €
nicht nötig gewesen. Mithin liegt ein Schaden in Höhe von 1.000 € vor.
6.
Haftungsausfüllende Kausalität
Dadurch, dass das Eigentum des K beschädigt wurde, entstanden ihm Reparaturkosten i. H.
v. 1000 EUR. Dies liegt weder außerhalb der Lebenserfahrung, noch ist es vom
Schutzzweck des § 823 I BGB nicht umfasst. Der erforderliche Kausalzusammenhang ist
daher gegeben.
7.
Ergebnis
K hat gegen T gem. § 823 I BGB daher einen Anspruch auf Schadensersatz i. H. v. 1.000
EUR.
II.
Anspruch des K gegen E auf Schadensersatz gem. § 832 I BGB
K könnte gegen die Eltern des T gem. § 832 I BGB einen Anspruch auf Schadensersatz
i.H.v. 1.000 € haben.
1.
Widerrechtliche Schadenszufügung
Zunächst müsste T dem K widerrechtlich einen Schaden zugefügt haben. Voraussetzung ist
somit, dass T den Tatbestand einer unerlaubten Handlung verwirklicht haben muss. Wie
oben festgestellt, ist dies ist hier der Fall.
2.
Aufsichtspflichtige Person
Die E müssten aufgrund der Minderjährigkeit des K aufsichtspflichtig i. S. d. § 832 I BGB
sein. Gem. § 1626 I BGB sind Eltern eines Minderjährigen zu dessen Personen- und
Vermögenssorge verpflichtet. Die E waren somit aufsichtspflichtig hinsichtlich des
minderjährigen K.
3.
Aufsichtspflichtverletzung
Weiterhin müssten die E ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Gem. § 832 I S. 2 BGB tritt
die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Aufsichtspflicht genügt wurde. Das Maß der gebotenen
Aufsicht bestimmt sich dabei nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach,
was den Eltern in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Ein Fahrrad darf
einem Kind zur Benutzung im Straßenverkehr nur überlassen werden, wenn die
Verkehrssicherheit des Fahrzeugs gewährleistet ist und sich die Eltern vergewissert haben,
dass das Kind mit dem Fahrzeug umgehen kann, die Verkehrsregeln kennt und sich
verkehrsgerecht verhalten kann.
Die E wissen, dass K im Umgang mit dem Fahrrad nicht geübt ist und es nicht kontrollieren
kann. Des Weiteren haben sie ihn schon öfter ermahnt, die Straße nicht mit dem Fahrrad
ohne Stützräder zu befahren. Sie wissen auch, dass K nur selten auf ihre Anweisungen und
Ermahnungen hört und diesen kaum Folge leistet. Die E hätten dafür Sorge tragen müssen,
dass T nicht mit dem Fahrrad ohne Stützräder auf der Straße fahren kann. Folglich haben sie
ihre Aufsichtspflicht verletzt. Der Entlastungsbeweis des § 832 I S. 2 BGB gelingt nicht.
4.
Ergebnis
K hat Anspruch auf Schadensersatz gegen E nach § 832 I BGB.
K hat einen Anspruch auf Schadensersatz i. H. v. 1.000 EUR aus § 823 I BGB gegen T.
Ferner besteht ein Schadensersatz i. H. v. 1.000 EUR gegen E nach § 832 I BGB. E und T
haften dem K nach § 840 I BGB als Gesamtschuldner. Gem. § 421 S. 1 BGB kann K somit
von jedem Schuldner den gesamten Betrag, jedoch insgesamt nur einmal, fordern.
2. Fall – Der flüchtende Obstdieb - §§ 823 ff. BGB
S betreibt einen kleinen Supermarkt, vor dem er bei gutem Wetter immer Obststände aufbaut. Als
gerade nichts zu tun ist, bemerkt er, dass der Stadtbekannt Dieb D dabei ist, sich die Taschen mit
frischem Obst voll zumachen. Als der D bemerkt, dass er beobachtet wird, versucht er zu flüchten.
S nimmt sofort die Verfolgung durch den nahe gelegenen Park auf. Bei einem sportlichen Sprung
über einen Zaun, den er nicht anders überqueren konnte, bleibt er mit seiner Jeans hängen und reißt
sich diese auf. S gibt die Verfolgung daraufhin auf. Das Obst ist ihm mittlerweile egal, er möchte
jedoch von dem D Ersatz für den Schaden an seiner Hose.
Besteht ein Anspruch?
Lösung Fall 2
I.
Anspruch des S gegen D gem. § 823 I BGB
S könnte gegen D einen Schadensersatzanspruch für die zerrissene Hose gem. § 823 I BGB
haben.
1.
Rechtsgutverletzung
Zunächst müsste eine Rechtsgutsverletzung vorliegen. In Betracht kommt hier eine
Eigentumsverletzung in Form einer Substanzverletzung. S zerreißt sich hier an dem Zaun
seine Hose. Mithin liegt eine Verletzung des Eigentums von S und somit eine
Rechtsgutsverletzung vor.
2.
Haftungsbegründende Kausalität
Ferner müsste die Handlung des D kausal für die Rechtsgutsverletzung bei S sein.
a)
Äquivalenztheorie
Fraglich ist, ob die Handlung des D nach der Äquivalenztheorie kausal für die
Eigentumsverletzung bei S war. Nach der Äquivalenztheorie ist eine Handlung dann kausal,
wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die konkrete Rechtsgutsverletzung
entfallen würde. Hätte D hier nicht den Diebstahl begangen und die Flucht ergriffen, so hätte
S ihn auch nicht verfolgt. Mithin wäre dieser auch nicht mit seiner Jeans an dem Zaun
hängen geblieben. Über die Handlung des D kann somit nicht hinweggedacht werden, ohne
dass die Eigentumsverletzung des S entfallen würde. Mithin ist die Handlung des D nach der
Äquivalenztheorie kausal für die Eigentumsverletzung des S.
b)
Adäquanztheorie
Ferner müsste die Handlung des D auch adäquat kausal für die Eigentumsverletzung des S
gewesen sein. Adäquat kausal ist jedes Ereignis, das im Allgemeinen und nicht nur unter
besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge
außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, den Erfolg in der eingetretenen Art
allein oder im Zusammenwirken mit weiteren Umständen herbeizuführen. D flieht hier vor
dem S aufgrund des begangenen Diebstahls. Bei dieser Verfolgung reißt sich S die Hose an
einem Zaun kaputt. Die Flucht des D ist im allgemeinen und nicht nur unter besonders
eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem Verlauf der Dinge außer Betracht zu
lassenden Umständen dazu geeignet, den S zu einer Verfolgung zu veranlassen, so dass
dieser sich dabei seine Hose an einem Zaun zerreißt. Mithin ist die Flucht des D hier adäquat
kausal für die zerrissene Hose des S.
c)
Schutzzweck der Norm
Ferner müsste auch der Schutzzweck der Norm betroffen sein. Dies ist dann der Fall, wenn
der konkret eingetretene Verletzungserfolg in den Schutzzweck der verletzten Norm fällt. §
823 I BGB will gerade den Eintritt solcher Verletzungen des Körpers, der Gesundheit und
des Eigentums verhindern, die unmittelbar durch das Verhalten eines Dritten verursacht
werden. Dies erscheint hier problematisch, da die Flucht des D nicht unmittelbar zu der
zerrissenen Hose des S führte.
Nach h.M wird der Verletzungserfolg jedoch auch in einer solchen Konstellation unter den
Schutzzweck der Norm gestellt, in denen sich der Geschädigte zu seinem Verhalten
herausgefordert fühlen durfte und dies dem „Schädiger“ klar gewesen sein muss. Ferner
muss sich auch in der eingetretenen Rechtsgutsverletzung ein herausforderungsspezifisches
Risiko verwirklicht haben. Es muss sich also ein Risiko verwirklicht haben, das in der
herausgeforderten Handlung verwirklicht ist und nicht nur dem allgemeinen Lebensrisiko
entspricht.
Durch die Verfolgung wollte S sein Eigentum an dem Obst schützen und den Besitz an dem
Obst wiedererlangen. Ferner wird es ihm darauf angekommen sein, den D als Täter
festzunehmen, um eine strafrechtliche Verfolgung zu veranlassen. S durfte sich somit durch
die Flucht des D herausgefordert fühlen, diesen zu verfolgen. Als D bemerkte, dass er
beobachtet wurde, muss ihm die Möglichkeit einer Verfolgung durch S klar gewesen sein.
Mithin war die Verfolgung im Falle der Flucht auch vorhersehbar. Ferner liegt es nicht im
allgemeinen Lebensrisiko, dass S sich hier die Hose an einem Zaun zerriss. Ohne die Flucht
des D hätte S den Sprung über den Zaun nicht getan.
Ebenfall stand die Verfolgung des S in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der
Verfolgung bestehenden Risken, wie hier der zerrissenen Hose.
Aufgrund dieser Voraussetzungen fällt die Rechtsgutsverletzung in den Schutzzweck der
Norm und ist dem D somit kausal zuzurechnen.
3.
Rechtswidrigkeit
Die Rechtswidrigkeit wird indiziert.
4.
Verschulden
D müsste auch ein Verschulden treffen. In Betracht kommt hier fahrlässiges Handeln gem. §
276 BGB. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt,
vgl. § 276 II BGB. D beging einen Diebstahl bei S. Es war für D vorhersehbar, dass er
seitens des S verfolgt werden könnte und dieser sich dabei die Hose zerreißen könnte.
Mithin handelte D fahrlässig.
5.
Schaden
Ferner müsste dem S ein Schaden entstanden sein. Als Schaden bezeichnet man jede
unfreiwillige Vermögenseinbuße. Durch die zerrissene Hose wurde das Vermögen des S
gemindert. Mithin liegt ein Schaden des S vor.
6.
Haftungsausfüllende Kausalität
Ferner müsste die Rechtsgutsverletzung auch kausal für den Schaden sein. Die
Eigentumsverletzung kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Kosten für eine neue
Hose entfielen. Kausalität i.S.d. Äquivalenztheorie liegt vor. Die Rechtsgutsverletzung
müsste
zudem
nach
der
Adäquanztheorie
grundsätzlich
nach
der
allgemeinen
Lebenserfahrung geeignet sein, den Vermögensschaden herbeizuführen. Nach der
allgemeinen
Lebenserfahrung
sind
Eigentumsverletzungen
geeignet
einen
Vermögensschaden herbeizuführen. Der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der
Rechtsgutsverletzung und dem geltend gemachten Schaden besteht.
7.
Ergebnis
S hat gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz bzgl. der zerrissenen Hose gem. § 823 I
BGB.
3. Fall – Die Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen auf Fahrradhändler - §§ 677 ff. BGB
F und H betreiben beide einen Fahrradhandel. Während die Geschäfte des F hervorragend laufen,
sieht sich H zunehmend den Folgen der Wirtschaftskrise ausgesetzt. Der Laden des H ist derart mit
Fahrrädern überfüllt, dass dieser bereits einige seiner Exemplare in einen Schuppen, zu dem auch F
einen Schlüssel hat, auf seinem Grundstück unterstellen musste. F weiß, dass der H derzeit dringend
einen Käufer für eines seiner seltenen Ausstellungsstücke sucht. Als er eines Tages von seinem
Bruder hört, dass dessen Nachbar N auf der Suche nach genau so einem Fahrrad ist, kontaktiert er
diesen per SMS. Kurz darauf treffen sich F und N in dem Schuppen des H. N sind die Umstände
des Kaufs bekannt. F verkauft das Fahrrad an N. Dieser übergibt dem F das Geld und nimmt das
Fahrrad sofort mit.
1.
Kann F Ersatz der SMS Kosten von H verlangen?
2.
Kann H Herausgabe des Verkauferlöses verlangen? Welche Ansprüche stehen dem H im
Allgemeinen noch zu?
3.
Was ist, wenn F beim Betreten des Schuppens einen offen auf dem Boden liegenden Spiegel
zertritt?
Lösung Fall 3
Frage 1
I.
Anspruch des F gegen H gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB
F könnte gegen H einen Anspruch auf Ersatz der durch die SMS entstandenen Kosten gem.
§§ 677, 683 S.1, 670 BGB haben.
1.
Geschäftsbesorgung
Zunächst müsste F ein Geschäft i.S.d § 677 BGB besorgt haben. Unter einer
Geschäftsbesorgung i.S.d. § 677 BGB versteht man jede hypothetisch fremdnützige
Tätigkeit von wirtschaftlicher Relevanz. Hierunter fallen rechtsgeschäftliche, als auch
tatsächliche Handlungen. F hat das Fahrrad des H an den Nachbarn N verkauft, so dass ein
rechtsgeschäftliches Handeln von wirtschaftlicher Relevanz vorliegt. Auch ist ein
Fremdbezug nicht von vornherein ausgeschlossen. F hat folglich ein Geschäft i.S.d § 677
BGB geführt.
2.
Fremdheit des Geschäfts
Ferner müsste F ein fremdes Geschäft geführt haben. F könnte vorliegend ein objektiv
fremdes Geschäft geführt haben. Ein solches liegt vor, wenn ein Geschäft äußerlich
erkennbar in einen fremden Rechts- und Interessenskreis gehört.
Die Fahrräder des H sind in dessen Schuppen abgestellt, so dass schon nach dem äußeren
Erscheinungsbild der Verkauf dieser Räder in den Rechts- und Interessenskreis des H fällt.
Mithin hat dieser ein objektiv fremdes Geschäft geführt.
Anmerkung:
An dieser Stelle erfolgt die Abgrenzung zwischen:
1. dem objektiv fremdem
2. dem subjektiv fremdem
3. und einem auch fremdem Geschäft.
3.
Fremdgeschäftsführungswille
Ferner müsste F das objektiv fremde Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen geführt
haben. Der Fremdgeschäftsführungswillen ist das Bewusstsein und der Wille, ein fremdes
Geschäft für einen anderen zu führen. Beim objektiv fremden Geschäft wird der
Fremdgeschäftsführungswille vermutet. Vorliegend wusste F, dass H Eigentümer des
Fahrrades war und wollte auch ein Fahrrad des H verkaufen. Mithin hat er mit
Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt.
Anmerkung:
Die Voraussetzung des Fremdgeschäftsführungswillens ergibt sich mittelbar aus § 687
BGB. Aus Abs. 1 folgt, dass der Geschäftsführer das Bewusstsein haben muss, ein
fremdes Geschäft zu führen. Aus Abs. 2 folgt, dass der Geschäftsführer auch den
Willen haben muss, ein fremdes Geschäft zu führen.
An dieser Stelle erfolgt somit auch die Abgrenzung zur „Eigengeschäftsführung“ nach
§ 687 I BGB und zur angemaßten Eigengeschäftsführung nach § 687 II BGB.
4.
Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
Ferner müsste F das objektiv fremde Geschäft ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
geführt haben.
a)
Ohne Auftrag
F könnte ohne Auftrag gehandelt haben. Dies setzt voraus, dass kein, den Geschäftsführer
verpflichtendes, Rechtsgeschäft besteht. Vorliegend verbinden F und den H keinerlei
vertragliche Verbindungen, welche einen Auftrag begründen würden. Mithin handelte F
ohne Auftrag i.S.d. § 677 BGB.
Anmerkung:
Hier kommen insbesondere der Auftrag gem. § 662 BGB, der Dienstvertrag gem. § 611
BGB, der Werkvertrag gem. § 631 BGB oder der Geschäftsbesorgungsvertrag gem. §§
675 ff. BGB in Betracht.
b)
Sonstige Berechtigung
Fraglich ist ferner, ob F eine sonstige Berechtigung hatte. Hierunter versteht man jede
gesetzliche Legitimation, die Geschäfte eines anderen zu besorgen. F war vorliegend nicht
gesetzlich legitimiert, ein Geschäft des H zu führen. Mithin handelte er auch ohne
Berechtigung.
Anmerkung:
Hier kommt etwa das Handeln eines gesetzlichen Vertreters für eine juristische Person
z.B. § 35 I GmbHG, der Eltern für ihre Kinder gem. §§ 1626, 1629 BGB, des
Insolvenzverwalters oder des Testamentvollstreckers in Betracht.
5.
Vorraussetzungen des § 683 S. 1 BGB – Berechtigung
Ferner müsste die Geschäftsbesorgung berechtigt i.S.d. § 683 S. 1 BGB erfolgt sein. Gem. §
683 S. 1 BGB ist die Geschäftsführung berechtigt, wenn sie dem Interesse und dem
wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Vorliegend
befand sich H in einer finanziellen „Schieflage“, so dass er dringend einen Käufer für das
Fahrrad gesucht hat. Der Verkauf des Fahrrads lag somit in seinem Interesse und entsprach
auch dem wirklichen Willen. Mithin liegen die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB vor.
Anmerkung:
Umstritten ist das Verhältnis von Wille und Interesse. Dieses Problem stellt sich im
vorliegen Fall jedoch nicht.
Anmerkung:
In Fällen des §§ 683 S. 2, 679 BGB ist der Wille des Geschäftsherrn ausnahmsweise
unbeachtlich, wenn es um eine im öffentlichen Interesse zu erfüllende Pflicht (z.B.
Verkehrssicherungspflicht, Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter) oder eine
gesetzliche Unterhaltspflicht wie z.B. in §§ 1369 ff., 1570 ff. oder 1601 ff. BGB geht.
6.
Rechtsfolge: Aufwendungsersatz gem. § 670 BGB
Die Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag liegen vor, so dass F
Ersatz seiner Aufwendungen gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB verlangen kann.
Unter Aufwendungen i.S.d § 670 BGB versteht man grundsätzlich alle freiwilligen
Vermögensopfer des Geschäftsführers, die dieser zum Zwecke der Ausführung der
Geschäftsbesorgung macht.
F hat die SMS freiwillig versand, um das Interesse des Bruders an dem Fahrrad zu wecken. F
hat
somit
ein
freiwilliges
Vermögensopfer
zum
Zwecke
der
Ausführung
der
Geschäftsbesorgung erbracht. Mithin handelte es sich bei dem Versand der SMS um eine
Aufwendung i.S.d. § 670 BGB.
7.
Ergebnis
F hat gegen H einen Anspruch gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB auf Ersatz der Kosten, die
ihm durch das Versenden der SMS entstanden sind.
Frage 2
I.
Anspruch des H gegen F gem. §§ 681 S. 2, 667 BGB
H könnte gegen F einen Anspruch auf Herausgabe des Erlöses aus dem Verkauf des
Fahrrads gem. §§ 681 S. 2, 667 BGB haben.
1.
Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag
Zunächst müssten die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen.
Insoweit kann auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen werden.
2.
Rechtsfolge: Herausgabeanspruch des H gegen F gem. § 681 S. 2, 667 BGB
Gem. § 681 S. 2, 667 BGB hat der Geschäftsführer dem Geschäftsherrn alles, was er zur
Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat,
herauszugeben. Unter „erlangt“ i.S.d. § 667 BGB versteht man dabei jeden Vorteil, den der
„Beauftragte“ im inneren Zusammenhang mit der Geschäftsführung erhält. F hat von dem
Käufer den Kaufpreis für das Fahrrad erhalten. Mithin hat er einen, im inneren
Zusammenhang mit der Geschäftsführung stehenden, Vorteil erlangt.
3.
Ergebnis
H steht aufgrund der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag ein Herausgabeanspruch
bzgl. des Verkauferlöses gem. §§ 681 S. 2, 667 BGB zu.
Anmerkung:
Ferner besteht seitens des Geschäftsführers gem. § 681 S. 1 BGB die Pflicht, dem
Geschäftsherrn die Übernahme der Geschäftsführung, sobald es im Interesse des
Geschäftsherrn objektiv geboten und dem Geschäftsführer zumutbar ist, anzuzeigen.
Der § 681 S. 2 BGB verweist weiterhin auf die §§ 666 – 668 BGB.
Die Herausgabepflicht erstreckt sich somit auch auf den erzielten Gewinn und auf die
Verzinsung des vom Geschäftsführer für sich verwendeten Geldes, § 668 BGB. Ferner
besteht seitens des Geschäftsführers eine Rechenschaftspflicht gem. § 666 BGB.
Frage 3
I.
Anspruch des H gegen F gem. §§ 677, 683 S. 1, 280 I BGB
H könnte gegen F einen Anspruch gem. §§ 677, 683 S. 1, 280 I BGB auf Ersatz des
Schadens haben, der durch den zerstörten Spiegel entstanden ist.
1.
Schuldverhältnis i.S.d. § 280 I BGB
Zunächst
müsste
ein
Schuldverhältnis
i.S.d
§
280
I
BGB
vorliegen.
Die
Tatbestandsvorrausetzung einer berechtigen Geschäftsführung ohne Auftrag liegen vor.
Mithin besteht zwischen H und F ein Schuldverhältnis i.S.d § 280 I BGB.
Anmerkung:
§ 280 I BGB stellt die zentrale Norm für Ansprüche auf Schadensersatz wegen
Pflichtverletzung im Schuldverhältnis dar.
Sie gilt ausnahmslos für alle Arten von Verträgen (gegenseitige, entgeltliche,
unentgeltliche etc.). Ferner ist die Norm anwendbar bei Sonderverbindungen wie etwa
der c.i.c oder gesetzlichen Schuldverhältnissen wie der berechtigten (str., ob auch bei
unberechtigter und angemaßter) Geschäftsführung ohne Auftrag.
2.
Pflichtverletzung i.S.d. § 280 I BGB
Ferner müsste F eine Pflichtverletzung begangen haben. Was Inhalt der Pflicht ist, bestimmt
sich nach dem jeweiligen Vertragsverhältnis. Gem. § 677 BGB hat der Geschäftsführer das
Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen
wirklichen oder mutmaßliche Willen es erfordert. F zertrat beim Verkauf des Fahrrads einen
offen auf dem Boden liegenden Spiegel. Dies widerspricht dem Interesse und dem
wirklichen Willen des H.
F führte das Geschäft nicht so aus, wie es im Interesse des H und dessen mutmaßlichen
Willen lag. Eine Pflichtverletzung i.S.d § 280 I BGB ist somit gegeben.
3.
Vertretenmüssen gem. § 280 I S. 2 BGB
F müsste die Pflichtverletzung auch zu vertreten haben. Gem. § 276 I BGB hat der
Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere
Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses (…) zu
entnehmen ist. In Betracht kommt hier nur ein fahrlässiges Handeln des F. Gem. § 276 II
BGB handelt derjenige fahrlässig, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht
lässt. Entscheidend ist dabei diejenige Sorgfalt, welche von einem besonnenen und
gewissenhaften Angehörigen des Verkehrskreises des Handelnden in der jeweiligen
konkreten Situation erwartet wird. Der Spiegel lag in dem Schuppen offen auf dem Boden.
Eine umsichtig handelnde Person hätte sich beim Betreten des Schuppens zunächst nach auf
dem Boden liegenden Gegenständen umgesehen, um so die erforderliche Sorgfalt beim
Betreten des Schuppens zu berücksichtigen. F hat somit die im Verkehr erforderliche
Sorgfalt außer Acht gelassen. Er handelte somit fahrlässig im Sinne des § 276 II BGB. Er
hat die Pflichtverletzung folglich zu vertreten.
Anmerkung:
Achtung: Verschuldensmaßstab des § 680 BGB!!!
Bezweckt der Geschäftsführer bei der Geschäftsführung die Abwendung einer
drohenden dringenden Gefahr, so hat er nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu
vertreten. Hierfür gibt der Sachverhalt jedoch keinen Anhalt.
4.
Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB
Des Weiteren müsste dem H ein Schaden entstanden sein. Als Schaden bezeichnet man jede
unfreiwillige Vermögenseinbuße. Der Spiegel des H wurde zerstört, so dass dieser eine
unfreiwillige Vermögenseinbuße erlitten hat. Mithin liegt ein Schaden vor.
5.
Ergebnis
H hat gegen F einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens gem. §§ 677, 683
S.1, 280 I BGB.
II.
Anspruch des H gegen F aus § 823 I BGB
1.
Rechtsgutsverletzung
Zunächst müsste eine Rechtsgutsverletzung vorliegen. In Betracht kommt hier eine
Verletzung des Eigentums des H. Eine Eigentumsverletzung liegt in einer Einwirkung auf
fremdes Eigentum, durch die der Eigentümer in einem seiner ihm nach § 903 BGB
eingeräumten Befugnisse beeinträchtigt wird. F zertritt vorliegend den Spiegel des H. Eine
Rechtsgutsverletzung in Form einer Eigentumsverletzung liegt mithin vor.
2.
Haftungsbegründende Kausalität
Durch das Hineintreten des F in den Spiegel des H wurde dieser zerstört. Folglich beruht die
Rechtsgutsverletzung kausal auf einer Handlung des F.
3.
Rechtswidrigkeit
Möglicherweise ist die Rechtsgutsverletzung gerechtfertigt. Nach h.M. ist die Übernahme
der Geschäftsführung bei einer berechtigten GoA gerechtfertigt. Zur Begründung wird vor
allem auf die Regelung des § 677 BGB (wenn dort Handeln unter Beachtung von Interesse
und Wille vorgeschrieben sei, könne solches Handeln nicht rechtswidrig sein) sowie auf
einen Umkehrschluss aus § 678 BGB (aus der Anordnung der Schadensersatzpflicht bei
nicht willensgemäßer Geschäftsübernahme folge die Verneinung solcher Pflicht bei
Beachtung des Willens) verwiesen. Im vorliegenden Fall ist die Rechtsgutsverletzung
hingegen nicht Folge der Übernahme der Geschäftsführung, sondern begab sich vielmehr
infolge der Ausführung. In einem solchen Fall sind die §§ 823 ff. BGB unstreitig neben §§
677 ff. BGB anwendbar. Die Rechtsgutsverletzung ist folglich nicht gerechtfertigt.
4.
Verschulden
F handelte fahrlässig (s.o.) und handelte folglich schuldhaft.
5.
Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB
Ein Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB liegt bei H vor (s.o.).
6.
Haftungsausfüllende Kausalität
Dieser Schaden des H beruht auch kausal auf der Rechtsgutsverletzung.
7.
Ergebnis
H hat gegen F gem. § 823 I BGB daher einen Anspruch auf Schadensersatz.
4. Fall – Das gute Erbstück - §§ 677 ff. BGB
Nachdem F das Fahrrad des H an den Nachbarn seinen Bruders verkauft hat, verspürt er weiteren
Tatendrang, um das Konto des H „zu füllen“. Am liebsten möchte er den ganzen Tag irgendwelche
Räder des H aus dem Schuppen verkaufen. Aus diesem Grund sendet er eine weitere SMS an einen
befreundeten Kneipenwirt K und bietet diesem ein Fahrrad des H zum Kauf an. Diesmal handelte es
sich jedoch um ein Rad aus dem Jahre 1890, dass H noch von seiner Oma geerbt hat. Das Fahrrad
hat unter Sammlern einen Wert von ca. EUR 2.000,00. Der K ist bereit, einen Preis von EUR
500,00 zu zahlen. Der F ist sich nicht ganz sicher. Zum einen erinnert er sich daran, dass der H mal
geäußert hat, dass Fahrrad auf jeden Fall verkaufen zu wollen; auch zu einem Preis von EUR 500.
Auf der anderen Seite kommen ihm aber Bedenken, das der H dies nicht dem F selber gegenüber
erklärt hat. Nach einigem Überlegen wird F tätig. F und K einigen sich schnell auf einen Preis von
EUR. 500. K bezahlt sofort in bar und erhält das Fahrrad. Als H von dem Vorfall erfährt, ist er
völlig am Boden zerstört und erbost über das Verhalten des F.
1.
Kann F Ersatz der Kosten für die SMS nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB verlangen?
2.
Was ist, wenn H nie geäußert hätte, dass Fahrrade verkaufen zu wollen, aber nach einem
Blick auf seine Kontoauszüge seine Meinung ändert und nun doch den Erlös aus dem
Fahrradverkauf haben will?
3.
Angenommen, F zerreißt sich bei einer „Probe und Vorführfahrt“ seine Jeans. Hat er
Ansprüche wegen des Schadens gegen H?
Lösung Fall 4
Frage 1
I.
Anspruch des F gegen H gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB
F könnte gegen H einen Anspruch auf Ersatz der durch die SMS entstandenen Kosten gem.
§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB haben.
1.
Geschäftsbesorgung
Zunächst müsste F eine Geschäftsbesorgung getätigt haben. Unter einer Geschäftsbesorgung
i.S.d. § 677 BGB versteht man die Erledigung einer jeden Angelegenheit mit
wirtschaftlichen Folgen. Hierunter fallen rechtsgeschäftliche, als auch tatsächliche
Handlungen. F hat das Fahrrad des H an den K verkauft, so dass ein rechtsgeschäftliches
Handeln mit wirtschaftlichen Folgen vorliegt. F hat folglich ein Geschäft i.S.d § 677 BGB
geführt.
2.
Fremdheit des Geschäfts
Ferner müsste das Geschäft für F auch fremd gewesen sein. Das Geschäft ist fremd, wenn es
äußerlich erkennbar in einen fremden Rechts- und Interessenskreis gehört. Die Fahrräder des
H sind in dessen Schuppen abgestellt, so dass schon nach dem äußeren Erscheinungsbild der
Verkauf dieser Räder in den Rechts- und Interessenskreis des H fällt. Mithin hat F ein
objektiv fremdes Geschäft geführt.
3.
Fremdgeschäftsführungswille
Weiterhin müsste F das objektiv fremde Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen geführt
haben. Der Fremdgeschäftsführungswillen ist das Bewusstsein und der Wille, ein fremdes
Geschäft für einen anderen zu führen. Beim objektiv fremden Geschäft wird der
Fremdgeschäftsführungswille vermutet. Vorliegend wusste F, dass H Eigentümer des
Fahrrades war und wollte auch ein Fahrrad des H verkaufen. Mithin handelte er mit
Fremdgeschäftsführungswillen.
4.
Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
Ferner müsste F ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung gehandelt haben. Es liegt weder
eine vertragliche, noch eine gesetzliche Legitimation vor. Mithin handelte F ohne Auftrag
oder sonstige Berechtigung.
5.
Vorraussetzungen des § 683 S. 1 BGB – Berechtigung
Die Berechtigung kann sich aus mehreren Umständen ergeben. Zum einen kann die
Übernahme dem Interesse und Willen des Geschäftsherrn entsprechen (§ 683 S. 1). Dem
Interesse entspricht dabei die Geschäftsführung, wenn sie objektiv nützlich ist. Hingegen ist
beim Willen in erster Linie der wirkliche, d.h. der geäußerte Wille zu berücksichtigen.
Wichtig ist, dass der Wille nicht, wie hier, dem Geschäftsführer gegenüber geäußert werden
muss. Es reicht vielmehr aus, wenn der Geschäftsherr seinen Willen irgendwie erkennbar
zum Ausdruck gebracht hat, gleichgültig ob der Geschäftsführer davon Kenntnis haben kann
oder nicht. Dies ergibt sich aus dem Charakter des § 683. Dieser ist eine Schutzvorschrift
zugunsten des Geschäftsherrn, um ungewollte Einmischungen zu verhindern. Es kann ihm
daher nicht zugemutet werden, gegenüber jedem denkbaren Geschäftsführer seine
Vorstellungen bekannt zu geben. Zudem ist der Wille selbst dann maßgeblich, wenn er
unvernünftig ist und den objektiven Interessen widerspricht. Aufgrund dessen, dass der F
hier von dem tatsächlichen Willen des H Kenntnis hatte, ist auch nur dieser zu
berücksichtigen. Wie bereits dargelegt ist es nicht erforderlich, dass der H dies dem F
gegenüber geäußert hat. Erst, wenn der Geschäftsherr keinen ausdrücklichen Willen
geäußert hat, ist auf den mutmaßlichen abzustellen, der sich in der Regel aus dem objektiven
Interesse ermittelt. Es stellt sich jedoch die Frage, wie sich Interesse und Wille zueinander
verhalten, wenn sie differieren. Der Wortlaut des § 683 S. 1 BGB verlangt, dass beide
Merkmale gegeben sein müssen. Das ist anerkannt für die Fälle, in denen die
Geschäftsführung zwar objektiv nützlich ist, jedoch vom Geschäftsherrn ausdrücklich nicht
erwünscht ist. Zweifelhaft ist allerdings der hier vorliegende, umgekehrte Fall, in dem die
Geschäftsführung objektiv unnütz, jedoch vom Geschäftsherrn ausdrücklich gewollt ist.
a)
Eine Ansicht
Eine Ansicht stellt auf den Wortlaut des Gesetzes ab. Danach ist die Geschäftsführung nur
berechtigt, wenn die Übernahme dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen
Willen des Geschäftsherrn entspricht Folgt man dieser Ansicht, so kann bei objektiver
Betrachtungsweise ein fehlenders objektives Interesse nicht durch die Tatsache ersetzt
werden, dass die Übernahme der Geschäftsführung dem wirklichen Willen entsprach.
Hiernach liegt eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vor. Dem F steht nach
dieser Auffassung kein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen gem. §§ 677, 683 S. 1, 670
BGB zu.
b)
Andere Ansicht
Nach a.A. wird vertreten, dass der wirkliche Wille vorrangig sein soll. Wenn sich der
wirkliche Wille feststellen lässt, soll das objektiv vorliegende Interesse im Wege einer
teleologischen Reduktion nicht mehr geprüft werden. Dieser Ansicht folgend bestünde ein
Anspruch des F gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB. Der wirkliche Wille des H sprach gerade
gegen den Verkauf des Fahrrades.
c)
Stellungnahme
Für die erste Ansicht spricht der Wortlaut des Gesetzes. Dieser stellt das objektive Interesse
und den wirklichen Willen des Geschäftsherrn auf eine Stufe. Hiergegen spricht jedoch der
Grundsatz der Grundsatz der Privatautonomie. Die Privatautonomie ist das Prinzip, dass in
einer freien Gesellschaft jeder frei seinen Willen bilden, äußern und diesem Willen
entsprechend handeln kann. Für diesen Willen ist jeder vollständig und grundsätzlich
unbegrenzt verantwortlich. Sie entstammt dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG. Aufgrund
dessen ist der zweiten Auffassung zu folgen.
II.
Ergebnis
Ein Anspruch des F gegen H gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB besteht.
Frage 2
I.
Anspruch des H gegen F auf Herausgabe des Kaufpreises gem. §§ 681 S. 2, 667 BGB.
H könnte gegen F einen Anspruch auf Herausgabe des Kaufpreises gem. §§ 681 S. 2, 667
BGB haben.
1.
Geschäftsbesorgung
Zunächst müsste F eine Geschäftsbesorgung getätigt haben. Unter einer Geschäftsbesorgung
i.S.d. § 677 BGB versteht man die Erledigung einer jeden Angelegenheit mit
wirtschaftlichen Folgen. Hierunter fallen rechtsgeschäftliche, als auch tatsächliche
Handlungen. F verkaufte das Fahrrad des H an den K, so dass ein rechtsgeschäftliches
Handeln mit wirtschaftlichen Folgen vorliegt. F hat mithin ein Geschäft i.S.d § 677 BGB
geführt.
2.
Fremdheit des Geschäfts
Ferner müsste das Geschäft für F auch fremd gewesen sein. Ein objektiv fremdes Geschäft
liegt vor, wenn ein Geschäft äußerlich erkennbar einem fremden Rechts- und
Interessenskreis angehört. Die Fahrräder des H sind in dessen Schuppen abgestellt, so dass
schon nach dem äußeren Erscheinungsbild der Verkauf dieser Räder in den Rechts- und
Interessenskreis des H fällt. Mithin hat F ein objektiv fremdes Geschäft geführt.
3.
Fremdgeschäftsführungswille
F müsste mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben. Dieser wird beim objektiv
fremden Geschäft vermutet und liegt hier vor (s.o.).
4.
Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
Ferner müsste F ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung gehandelt haben. Es liegt weder
eine vertragliche, noch eine gesetzliche Legitimation vor. Mithin handelte F ohne Auftrag
oder sonstige Berechtigung.
5.
Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB
Zudem müssten die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB vorliegen. Demnach müsste die
Geschäftsführung des F dem Interesse und wirklichen oder mutmaßlichen Willen des H
entsprechen. F wusste, dass H das Fahrrad niemals verkaufen würde. Die Geschäftsführung
durch F widersprach somit dem wirklichen Willen des H.
Fraglich ist jedoch, ob hier nicht eine Genehmigung i.S.d. § 684 S. 2 BGB in Betracht
kommt. Eine solche kann ausdrücklich oder aber auch konkludent erfolgen. Ausdrücklich
hat H die Geschäftsführung nicht genehmigt. Mithin kommt nur eine konkludente
Genehmigung in Betracht. Diese kann hier darin gesehen werden, dass H den F aufforderte,
ihm den Erlös aus dem Kaufvertrag heraus zu gegeben. Hierdurch erklärte er konkludent,
dass er das Geschäft genehmigen möchte. Mithin liegen die Voraussetzungen einer
berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag vor.
6.
Rechtsfolge: Herausgabe des Kaufpreises gem. §§ 681 S. 2, 667 BGB
H hat gegen F einen Anspruch auf das durch die Geschäftsführung erlangte. Unter „erlangt“
i.S.d. § 667 BGB versteht man dabei jeden Vorteil, den der „Beauftragte“ im inneren
Zusammenhang mit der Geschäftsführung erhält.
II.
Ergebnis
H hat gegen F einen Anspruch auf Herausgabe des kompletten Erlöses aus dem Verkauf des
Fahrrades.
Anmerkung:
Selbstverständlich besteht nach einer Genehmigung durch den Geschäftsherrn dem
Geschäftsführer der Anspruch aus § 683 S. 1 BGB zu, vgl. § 684 S. 2 BGB
Frage 3
I.
Anspruch des F gegen H gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB
F könnte gegen H einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens an der Hose
gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB haben.
1.
Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag
Zunächst müssten die Voraussetzungen der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag
vorliegen. Dies ist, wie bereits dargestellt, der Fall.
2.
Rechtsfolge: Aufwendungsersatz gem. § 670 BGB
F hat gegen H gem. § 670 BGB einen Anspruch auf Ersatz der ihm durch die
Geschäftsführung
entstandenen
Aufwendungen.
Hierunter
fallen
alle
freiwilligen
Vermögensopfer. F zerreißt sich bei der „Probe- und Vorführfahrt“ des Fahrrads die Hose.
Er erleidet somit eine unfreiwillige Vermögenseinbuße, namentlich einen Schaden. Es stellt
sich somit die Frage, ob dem Geschäftsführer im Rahmen des § 670 BGB auch Schäden zu
ersetzten sind. Nach allgemeiner Meinung sind im Rahmen des § 670 BGB auch Schäden zu
ersetzen, sofern sich in dem aufgetretenen Schaden das typische Risiko der übernommenen
Geschäftsführung verwirklicht hat (sog. risikotypische Begleitschäden). Dies ist dann der
Fall, wenn mit der Ausführung des Auftrags seiner Natur nach besondere Umstände
vorliegen, die für beide Parteien eine erkennbare Gefahr für den Beauftragten darstellen. F
zerreißt sich an dem Fahrrad bei einer Fahrt die Hose. Es erscheint jedoch fraglich, ob dies
ein typisch mit dem Kauf eines Fahrrads verbundenes Risiko ist. Es liegen in der
Geschäftsführung keinerlei besondere Umstände vor, die für beide Parteien eine erkennbare
Gefahr für F darstellen. Es handelt sich bei der zerrissenen Hose somit nicht um einen
Schaden, der seiner Natur nach typisch für die übernommene Geschäftsführung ist.
3.
Ergebnis
Ein Anspruch des F gegen H gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB auf Ersatz des durch die
zerrissene Hose entstandenen Schadens besteht nicht.
5. Fall – Alle Jahre wieder… - §§ 677 ff. BGB
F und H sind mittlerweile Nachbarn. Frieden ist durch den zerbrochenen Spiegel jedoch nicht
eingekehrt. Umso schlimmer ist es für beide, dass sie jeden Tag die Einblicke in die Räume des
anderen haben. Zur Weihnachtszeit schmückt H seinen, im Garten stehenden, Weihnachtsbaum
immer ganz besonders schön. Als er eines Abends nicht zu Hause ist, bemerkt F, dass der Baum des
H durch einen Kurzschluss in den elektrischen Kerzen anfängt zu brennen. Sofort schnappt sich F
seine letzte Flasche Bier, um den Baum zu löschen. Bereits in diesem Moment ahnt er schon, dass
H den Baum lieber abbrennen lassen würde, als ihn von seinem Nachbarn F retten zu lassen. F
gelingt es, den Baum zu löschen.
1.
Hat F Ansprüche auf Ersatz seiner Aufwendungen nach den Regeln der Geschäftsführung
ohne Auftrag?
2.
Ändert sich etwas, wenn F den Brand nicht löschen kann und der Baum völlig zerstört wird?
3.
F kann den Brand löschen, was H besonders erbost, da er den Weihnachtsbaum demnächst
fällen wollte. Welche Ansprüche des F bestehen?
Lösung Fall 5
Frage 1
I.
Anspruch des F gegen H gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB
F könnte gegen H einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen aus §§ 677, 683 S. 1,
670 BGB haben.
1.
Geschäftsbesorgung
Zunächst müsste eine Geschäftsbesorgung i.S.d. § 677 BGB vorliegen. Dies wäre dann der
Fall, wenn das Löschen des Brandes ein Geschäft i.S.d § 677 BGB darstellen würde. Unter
einer Geschäftsbesorgung i.S.d. § 677 BGB versteht man die Erledigung einer jeden
Angelegenheit mit wirtschaftlichen Folgen. Hierunter fallen somit rechtsgeschäftliche, als
auch tatsächliche Handlungen. Durch das Löschen des Brandes hat F eine tatsächliche
Handlung mit der Folge des Erhalts des Weihnachtsbaumes vorgenommen, die somit auch
wirtschaftlichen Bezug hatte. Folglich hat er ein Geschäft i.S.d. § 677 BGB besorgt.
2.
Fremdheit des Geschäfts
Ferner müsste das Geschäft für F fremd gewesen sein. Ein fremdes Geschäft liegt vor, wenn
es in den Rechts- oder Interessenskreis eines anderen gehört. Der Baum steht im Eigentum
des H. Infolgedessen wäre es seine Aufgabe gewesen, den Brand an seinem Baum zu
löschen. Mithin gehört das Geschäft in den Rechts- und Interessenkreis des H. Für F handelt
es sich somit um ein objektiv fremdes Geschäft.
3.
Fremdgeschäftsführungswille
Weiterhin müsste F mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben. Dieser ist das
Bewusstsein und der Wille, ein fremdes Geschäft für einen anderen zu führen. Beim
objektiv fremden Geschäft wird der Fremdgeschäftsführungswille vermutet. Wie bereits
geprüft, liegt ein objektiv fremdes Geschäft vor, so dass der Fremdgeschäftsführungswille
des F vermutet wird. F handelte somit mit Fremdgeschäftsführungswillen.
4.
Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
Des Weiteren müsste F auch ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung gehandelt haben. Es
liegt weder eine vertragliche, noch eine gesetzliche Legitimation vor. Mithin handelte F
ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung.
5.
Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB
Fraglich ist, ob die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB vorliegen. Dann müsste das
Geschäft dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des H entsprochen
haben. Vorliegend wusste F bereits vor dem Löschen des Brandes, dass dies dem H nicht
recht sein würde. Mithin war ihm klar, dass er zwar im Interesse des H, aber gegen dessen
Willen handeln würde. Die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB liegen folglich nicht vor.
6.
Unbeachtlichkeit des entgegenstehenden Willens gem. §§ 683 S. 2, 679 BGB
Nach § 683 S. 2 BGB kann der Geschäftsführer gleichwohl wie ein Beauftragter Ersatz
seiner Aufwendungen verlangen, wenn der Wille des Geschäftsherrn gem. § 679 BGB
unbeachtlich ist. In Betracht kommt hier die Unbeachtlichkeit des Willens aufgrund der
Erfüllung einer Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt (§
679 1. Alt. BGB).
a)
Pflicht des Geschäftsherrn H
Zunächst müsste eine Pflicht des Geschäftsherrn H erfüllt worden sein. Die Pflicht kann
privat- oder öffentlich-rechtlich begründet sein und auf Gesetz oder Vertrag beruhen. Es
muss sich um eine Rechtspflicht handeln, eine bloße sittliche Pflicht genügt nicht. Auf dem
Grundstück des H brennt ein Baum, so dass H Zustandsstörer ist. Vorliegend besteht
folglich eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Geschäftsherrn H zur Löschung des Brandes.
b)
Im öffentlichen Interesse
Die Erfüllung der Pflicht und das Eingreifen des Geschäftsführers F müssten im öffentlichen
Interesse liegen. Dabei genügt nicht das Vorliegen eines abstrakten Interesses der
Gemeinschaft an der Erfüllung jeder Verpflichtung. Ohne die Erfüllung der Rechtspflicht
müssten vielmehr dringende, konkrete Belange der Allgemeinheit gefährdet oder
beeinträchtigt sein. Zudem muss zur Vermeidung dieser Gefährdung gerade das Eingreifen
des Geschäftsführers anstelle der dazu nach allgemeinen Grundsätzen berufenen Personen
oder Stellen geboten sein. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass aus dem Brand des Baumes
eine Gefahr für weitere Sachgüter oder das Leben oder die Gesundheit von Menschen folgt.
Anmerkung:
§ 679 hat einen Eingriff in die Willensfreiheit des Geschäftsherrn zur Folge, der aber
dadurch abgemildert werden soll, dass nicht jede öffentlich-rechtliche Pflicht, sondern
erst ein besonderes öffentliches Interesse an der Erfüllung den subjektiven Willen des
Geschäftsherrn beiseite drängt. Insgesamt ist der Tatbestand eng auszulegen.
Im Rahmen von § 679 ist insbesondere Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten einer
Behörde, sei es durch eine andere Behörde, sei es durch eine Privatperson
problematisch. Ein Rückgriff auf § 679 kommt hier regelmäßig nicht in Betracht, weil
die Frage des “Ob“ und des “Wie“ behördlichen Handelns ausschließlich im Ermessen
der zuständigen Behörde liegt (Art 20 GG). Die Ermessensentscheidung darf nicht in
der Hand eines Dritten gegeben werden, der dazu nach der staatlichen
Kompetenzordnung nicht zuständig ist. Eine Ausnahme liegt vor, wenn ein Fall der
Ermessensreduzierung auf Null vorliegt und deshalb nur eine Maßnahme in Betracht
kommt.
b)
Zwischenergebnis
Der entgegenstehende Wille des H ist nicht gem. §§ 683 S. 2, 679 BGB unbeachtlich.
8.
Genehmigung gem. § 684 S. 2 BGB
Gem. § 684 S. 2 BGB steht dem Geschäftsführer der in § 683 bestimmte Anspruch zu, wenn
der Geschäftsführer die Geschäftsführung genehmigt. Eine ausdrückliche oder konkludente
Genehmigung der Geschäftsführung durch H liegt jedoch nicht vor.
7.
Ergebnis
Die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB liegen nicht vor. F hat gegen H keinen Anspruch
auf Ersatz seiner Aufwendungen aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB.
II.
Anspruch des F gegen H gem. §§ 677, 684 S. 1, 818 II BGB
F könnte gegen H einen Anspruch auf Wertersatz für die Flasche Bier gem. §§ 677, 684 S.
1, 818 II BGB haben.
1.
Geschäftsbesorgung
Eine Geschäftsbesorgung des F i.S.d. § 677 BGB liegt vor (s.o.).
2.
Fremdheit des Geschäfts
Ein fremdes Geschäft ist gegeben (s.o.).
3.
Fremdgeschäftsführungswille
F handelte auch mit Fremdgeschäftsführungswillen (s.o.).
4.
Ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
Weiterhin handelte F auch ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung.
5.
Keine Berechtigung der Geschäftsübernahme
Eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag liegt vor, wenn keine Berechtigung zur
Geschäftsübernahme nach §§ 683 S. 1 BGB, 683 S. 2 i.V.m. § 679 BGB oder § 684 S. 2
BGB besteht. Vorliegend liegt keine berechtigte GoA nach §§ 683 S. 1 BGB, 683 S. 2
i.V.m. § 679 BGB oder § 684 S. 2 BGB vor (s.o.).
7.
Rechtsfolge. Aufwendungsersatz gem. §§ 677, 684 S. 1, 818 ff. BGB
Anmerkung:
Nach h.M handelt es sich bei dem Verweis in das Bereicherungsrecht um eine
Rechtsfolgenverweisung, so dass die Tatbestandsvorrausetzungen nicht geprüft
werden müssen.
Ferner soll im Folgenden noch nicht detailliert auf die Einzelheiten des
Bereicherungsrechts eingegangen werden.
Da hier eine unberechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt, kann F nur Ersatz seiner
Aufwendungen nach den Regeln des Bereicherungsrechts verlangen. Es müsste somit eine
Bereicherung des H eingetreten sein. Durch das Löschen des Brandes hat F den Baum des H
vor dem Abbrennen gerettet. Mithin liegt eine Bereicherung vor. Gem. § 818 II BGB hat F
somit einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, namentlich der Flasche Bier.
8.
Ergebnis
Somit hat F gegen H einen Anspruch auf Ersatz einer neuen Flaschen Bier gem. §§ 677, 684
S. 1, 818 II BGB.
Frage 2
I.
Anspruch des F gegen H gem. §§ 677, 684 S. 1, 818 ff. BGB
F könnte gegen H einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gem. §§ 677, 684 S. 1,
818 ff. BGB haben.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag
liegen vor (s.o.). Somit ergibt sich die Rechtsfolge aus §§ 677, 684 S.1, 818 ff. BGB.
Der H müsste mithin bereichert sein. F gelingt es jedoch nicht, den Brand an dem Baum zu
löschen, so dass dieser vollkommen zerstört wird. Folglich ist H nicht bereichert. F hat
gegen H folglich keinen Anspruch aus §§ 677, 684 S. 1, 818 ff. BGB.
Anmerkung: WICHTIG!!!
Ein Unterschied beim Aufwendungsersatz zwischen der berechtigten und der
unberechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag liegt somit darin, dass der berechtigte
Geschäftsführer auch Aufwendungen ersetzt bekommt, die er umsonst erbracht hat.
Dies jedoch nur, soweit er diese nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich
halten durfte (vgl. § 670 BGB).
Der unberechtigte Geschäftsführer erhält seine Aufwendungen nur dann ersetzt, wenn
der Geschäftsherr noch bereichert ist.
Frage 3
I.
Anspruch des F gegen H gem. §§ 677, 684 S. 1, 818 ff. BGB
Die Rettung des Weihnachtsbaums stellt objektiv eine Bereicherung des H dar. Da H den
Baum aber demnächst fällen wollte, ist diese Bereicherung für ihn subjektiv sinnlos
geworden.
Entspricht die Mehrung des Vermögens des Anspruchsgegners nicht dessen Willen, so
handelt es sich um eine sog. aufgedrängte Bereicherung. Kann der Anspruchsgegner den
erlangten Vermögensnachteil noch in Natur herausgeben, so ist seine Herausgabepflicht
unproblematisch. Probleme entstehen jedoch wie hier, wenn eine Herausgabe in Natur nicht
möglich ist und der Anspruchsgegner daher den Vermögenszuwachs gemäß § 818 Abs. 2
wertmäßig vergüten müsste. Will der Anspruchsgegner aus dem erlangten
Vermögenszuwachs keinen persönlichen Vorteil ziehen, so kann die Pflicht zur Vergütung
der aufgedrängten Bereicherung im Einzelfall unbillig sein. Wie die aufgedrängte
Bereicherung dogmatisch zu behandeln ist wird nicht einheitlich beantwortet. Zum Teil wird
vertreten, dass § 814 BGB zur Anwendung kommen soll. Dieser schützt bei einer
Leistungskondiktion den Leistungsempfänger. Hiergegen lässt sich anführen, dass sämtliche
Fälle, die eine Nichtleistungskondiktion darstellen, nicht erfasst werden würden. Zudem
handelt es sich bei § 684 S. 1 BGB nach h.M. um eine Rechtsfolgenverweisung (s.o.), so
dass die rechtshindernde Einwendung des § 814 BGB danach nicht zu prüfen ist.
Anmerkung:
Im Skript von Herrn Dr. Plate findet sich dazu Folgendes: Verorten kann man die Frage bei
§ 818 Abs. 2 BGB, indem man dort auf den subjektiven Nutzwert für den
Inanspruchgenommenen abstellt. Besser ist es jedoch, dabei zu bleiben, dass es in § 818
Abs. 2 BGB um den objektiven Marktwert geht. Man kann auch daran denken, dem
Anspruch aus (z.B.) §§ 812 Abs. 1 S. 1 2. Fall, 818 Abs. 2 BGB bei deliktischer oder
störender Aufdrängung einen Gegenanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB oder aus § 1004 BGB
entgegenzustellen, der dann nach § 273 BGB einredeweise entgegengehalten werden kann.
Man kann aber auch – und das wird hier vorgeschlagen – im Fall der aufgedrängten
Bereicherung § 818 Abs. 3 BGB analog anwenden, indem man die Bereicherung auf einen
subjektiv bestimmten Vorteil beschränkt. [...]
Weiterhin kann ein dem Bereicherungsanspruch entgegenstehender Anspruch auf
Beseitigung aus § 1004 BGB bzw. auf Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 1 BGB oder
§§ 898, 990 BGB des Anspruchsgegners bestehen, der zur Entreicherung i.S.d. § 818 Abs. 3
BGB führt (BGH).
(Vorliegend stehen dem H keine der genannten Ansprüche aufgrund des Löschens des
Brandes durch den F zu.)
Es gibt weiterhin einen differenzierenden Lösungsvorschlag: Der Gutgläubige soll stets
Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB verlangen können, der Bösgläubige dagegen überhaupt
nicht, es sei denn dass dem Inanspruchgenommenen eine Realisierung nach Treu und
Glauben zuzumuten ist (Canaris): War der V gutgläubig, hat er einen Anspruch; bei
Bösgläubigkeit kommt es auf die Zumutbarkeit an (Tatfrage). Viel Vergnügen bei der
Meinungsbildung und Argumentation!
(Vorliegend ist H „bösgläubig“, da er wusste, dass der Baum dem F gehört. Es wäre
folglich zu prüfen, ob eine Inanspruchnahme des H diesem zuzumuten ist.)
6. Fall – Geschäftsführung ohne Auftrag???
Nach diesem Vorfall beschließt F auch anderweitig tätig zu werden. Inspiriert von der RTL
Sendung „Peter Zwegat“, beschließt er eine Schuldnerberatung zu gründen, um Menschen aus der
finanziellen Krise zu retten. Einer seiner ersten Kunden ist dabei sein eigener Vater, der durch
diverse fehlgegangene Investitionen kurz vor dem Ruin steht. F bietet seinem Vater an, die
Schuldensanierung für diesen durchzuführen. Beide wollen alles richtig machen und schließen
einen Vertrag, indem der K den F gegen den üblichen Arbeitslohn in Höhe von EUR 12,50
beauftragt, die Schuldensanierung durchzuführen. Der F soll seinen Lohn nur erhalten, wenn ihm
die Schuldensanierung geglückt ist. Um den Auftrag des Vaters gut auszuführen, kauft er sich nach
Rücksprache extra einen Taschenrechner zu einem Preis von EUR 20,00. Was F nicht weiß ist, dass
dem K vor kurzem durch die andauernde finanzielle Belastung die „Sicherungen durchgebrannt“
sind und er seitdem geschäftsunfähig ist. F führt die Schuldensanierung seines Vaters durch und
verlangt anschließend die Vergütung von drei Arbeitsstunden.
Besteht ein Anspruch?
Lösung Fall 6
I.
Anspruch des F gegen K aus Vertrag gem. § 631 BGB
F könnte gegen K einen Anspruch aus dem geschlossenen Werkvertrag gem. § 631 BGB
haben. Die beiden Parteien vereinbarten, dass der K eine Vergütung schulden sollte, wenn
die Sanierung geglückt ist. Mithin handelt es sich um einen Werkvertrag. Fraglich ist jedoch,
ob dieser auch wirksam ist.
Voraussetzungen hierfür sind zwei aufeinander bezogene, übereinstimmende und wirksame
Willenserklärungen. Gem. § 104 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist die Willenserklärung des K hier
jedoch nichtig, so dass kein wirksamer Vertrag geschlossen wurde. Ein Anspruch aus § 631
BGB scheidet mithin aus.
II.
Anspruch des F gegen K gem. §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB
1.
Geschäftsbesorgung
F müsste ein Geschäft besorgt haben. Hierunter versteht man jedes tatsächliche oder
rechtliche Handeln. F führte hier die Schuldensanierung des K durch. Im Rahmen einer
Sanierung fallen tatsächliche und rechtliche Handlungen mit wirtschaftlichem Bezug an.
Eine Geschäftsbesorgung liegt mithin vor.
2.
fremdes Geschäft
F müsste auch ein fremdes Geschäft geführt haben. Ein solches liegt vor, wenn die
Geschäftsbesorgung in den Rechts- und Interessenskreis eines anderen fällt. F saniert hier
die Finanzen des K, so dass die Tätigkeit des F in den Rechts- und Interessenskreis eines
anderen fällt. Problematisch ist jedoch, dass der F sich aufgrund des vermeintlich mit K
geschlossenen Vertrages dazu verpflichtet fühlte und dieser Vertrag nichtig war.
In diesen Fällen ist streitig, ob ein fremdes Geschäft vorliegt und somit die Vorschriften der
GoA anwendbar sind.
a)
erste Ansicht
Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht fehlt es schon an einem fremden
Geschäft, weil der Auftragnehmer zur Erfüllung einer vermeintlich eigenen
Verpflichtung tätig geworden ist. Nach dieser Ansicht wäre ein Anspruch des F gegen K
hier ausgeschlossen.
c)
Ansicht der Rechtsprechung
Nach Ansicht der Rechtsprechung und einem Teil der Literatur sind die Regeln der GoA
immer dann anwendbar, wenn der Anspruchsteller berechtigterweise im Geschäftsbereich
eines anderen mit Fremdgeschäftsführungswillen tätig geworden
ist, unabhängig davon, ob die Tätigkeit aufgrund eines unwirksamen Vertrages oder
aus einem anderen Grund vorgenommen worden ist (auch fremdes Geschäft).
Maßgeblich ist nur, dass keine Verpflichtung bestand (ein bestehender Vertrag
schließt GoA aus).
c)
Stellungnahme
Für die erste Ansicht wird angeführt, dass nichtige Verträge ausschließlich nach den Regeln
der Leistungskondition abzuwickeln sind, weil bei der Anwendung der Regeln der GoA die
bereicherungsrechtlichen Ausschlussvorschriften, §§ 814, 815, 817 S. 2 BGB, nicht
angewandt werden könnten. Eine solche Bevorzugung des Anspruchstellers, der aufgrund
eines nichtigen Vertrages Tätigkeiten erbracht habe, sei nicht gerechtfertigt.
Für letztere Ansicht lässt sich jedoch anführen, dass es keinen Unterschied machen kann, ob
ein „Auftrag“ von Anfang an nicht vorliegt oder er aber lediglich unwirksam ist. Letzter
Ansicht soll hier somit gefolgt werden.
Anmerkung:
Der BGH wendet die GoA auf nichtige Verträge nur dann an, wenn
Gegenstand der Leistung eine Geschäftsbesorgung war (der „Schuldensanierungsvertrag ist ein
Werkvertrag, hat aber geschäftsbesorgenden Charakter“). Der nichtige
Kaufvertrag wird auch seitens des BGH nach den §§ 812 ff. BGB rückabgewickelt. Für die
Anwendung der §§ 677 BGB oder der §§ 812 ff. BGB bei einem nichtigen Vertrag kommt es nach
dem BGH also auf den Inhalt der Leistungspflicht an. Dies ist in dogmatischer Hinsicht
äußerst bedenklich.
3.
Fremdgeschäftsführungswille
F müsste auch mit Fremdgeschäftsführungswille gehandelt haben. Dies könnte hier fraglich
sein, da W zum einen die Schuldensanierung tätigen wollte, sich hierzu jedoch aufgrund der
Vereinbarung mit K verpflichtet gefühlt haben könnte. Ob in einem solchen Fall die Regeln
der Geschäftsführung ohne Auftrag einschlägig sind, ist umstritten.
a)
erste Ansicht
Nach einer Ansicht fehlt es vorliegend am Fremdgeschäftsführungswillen, da der derjenige,
der sich aus einem vermeintlich geschlossenen schuldrechtlichen Vertrag verpflichtet fühlt,
allein im Hinblick auf seine Verpflichtung tätig wird. Folgt man dieser Ansicht, so käme ein
Anspruch aus den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht in Betracht.
b)
zweite Ansicht - BGH
Nach gegenteiliger Auffassung handelt es sich um einen Fall des auch fremden Geschäfts.
Der Geschäftsführer verfolgt hier zwei Ziele. Zum einen möchte er das übernommene
fremde Geschäft erfüllen und zum anderen dadurch seiner Verpflichtung aus dem
vermeintlichen Vertrag nachkommen. Hiernach läge ein Fremdgeschäftsführungswille vor.
c)
Stellungnahme
Fraglich ist, welcher Ansicht hier zu folgen ist. Gegen die erste Ansicht spricht, dass aus
dem Gesetz nicht hervorgeht, dass der Geschäftsführer lediglich im fremden Interesse
handeln muss. Vielmehr ist es denkbar, dass der Geschäftsführer auch im fremden Interesse
handelt. Wie oben ausgeführt, kann es zudem keinen Unterschied machen, ob ein „Auftrag“
von Anfang an nicht vorliegt oder er aber lediglich unwirksam ist.
Insbesondere erscheint es auch nicht wertungswidersprüchlich, in Fällen, in denen ein
nichtiger Vertrag vorliegt, neben den bereicherungsrechtlichen Vorschriften diejenigen der
GoA anzuwenden.
4.
ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung
Ferner müsste der F ohne Auftrag oder sonstige Berechtigung gehandelt haben. Dies ist, wie
bereits festgestellt, der Fall.
5.
§ 683 S. 1 – Berechtigung
Die Geschäftsführung müsste dem Interesse und Willen des K entsprochen haben. Der K
wurde vorliegend saniert, so dass die Geschäftsführung für ihn objektiv nützlich war und
mithin in seinem Interesse lag. Die Geschäftsführung müsste auch dem Willen des K
entsprochen haben. Fraglich ist, wie es sich auswirkt, dass der K hier geschäftsunfähig war.
Soweit das Gesetz auf den Willen des Geschäftsherrn abstellt, sind der Wille und die
Erklärungen des gesetzlichen Vertreters des geschäftsunfähigen maßgeblich. Fehlt ein
solcher Vertreter, so kommt es auf den mutmaßlichen Willen, also regelmäßig auf das
Interesse des Geschäftsherrn an. Mangels Angaben hinsichtlich gesetzlicher Vertreter ist
vorliegend
auf
den
mutmaßlichen
Willen
des
Geschäftsherrn
abzustellen.
Die
Geschäftsführung entspricht vorliegend dem objektiven Interesse des K, so dass die
Übereinstimmung mit seinem mutmaßlichen Willen. Es bestehen zudem keine
Anhaltspunkte für die Annahme eines gegen die Geschäftsführung gerichteten
mutmaßlichen Willen des K. Die Geschäftsführung entsprach somit dem Interesse und
Willen des K.
6.
Rechtsfolge: Aufwendungsersatz gem. § 670 BGB
F kann die erforderlichen Aufwendungen, hier der Preis für den Taschenrechner, ersetzt
verlangen. Gemäß § 1835 Abs. 3 BGB analog kann F von K auch die vereinbarte Vergütung
verlangen, da die erbrachten Dienste zu seinem Gewerbe bzw. zu seinem Beruf gehörten.
III.
Anspruch des F gegen K gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB
F könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung und der Kosten
für den Taschenrechner gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Variante BGB haben.
1.
etwas erlangt
Zunächst müsste der K „etwas“ i.S.d § 812 BGB erlangt haben. Hierunter versteht man
jeden vermögensrechtlichen Vorteil. F hat K saniert. Mithin hat K einen
vermögensrechtlichen Vorteil erlangt.
2.
durch Leistung
Ferner müsste der F geleistet haben. Hierunter versteht man jede bewusste und
zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Vorliegen hat der F aufgrund der
vermeintlichen vertraglichen Verpflichtung das Vermögen des K bewusst und
zweckgerichtet vermehrt. Mithin liegt eine Leistung i.S.d. § 812 BGB vor.
3.
ohne Rechtsgrund
Die Leistung müsste auch ohne Rechtsgrund erfolgt sein. Dies ist hier nicht der Fall. Bei der
berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag handelt es sich um einen Rechtsgrund i.S.d §
812 BGB.
Anmerkung:
Schließt man sich im Streitfall der Ansicht an, dass die Geschäftsführung ohne Auftrag nicht
anwendbar wäre, so käme der Anspruch aus § 812 (Leistungskondiktion) in Betracht. Da die
Geistesleistung des F nicht in Natur herausgegeben werden könnte, hätte K gemäß § 818
Abs. 2 BGB Wertersatz in Geld zu leisten.
7. Fall – Die Wohnungsvermietung - §§ 687 II, 678 BGB
F ist erbost darüber, dass er keinen Ersatz für sein letztes Bier bekommt. Aus diesem Grund
vermietet er das Ferienhaus des H an die kinderreiche Familie des A, obwohl er weiß, dass H keine
Kinder mag und deshalb sein Haus nie an eine Familie mit Kindern vermieten würde. F denkt sich,
dass H sowieso nicht mit der Vermietung einverstanden ist und erzählt diesem auch nichts davon.
Er behält deshalb den Mietzins ein, der wegen des Verhandlungsgeschicks des F deutlich über dem
durchschnittlich zu erzielenden Mietzins liegt. Das Ferienhaus des H brennt ab, da der 5 Jährige
Sohn der Familie F trotz hinreichender Beaufsichtigung mit Streichhölzern gespielt hat.
Kann H von F Schadensersatz und Herausgabe des Mietzins verlangen?
Lösung Fall 7
I.
Anspruch des H gegen F gem. § 823 I BGB
H könnte gegen F einen Anspruch auf Ersatz des durch den Brand entstandenen Schadens
gem. § 823 I BGB haben.
1.
Rechtsgutsverletzung
Zunächst müsste ein Rechtsgut i.S.d § 823 I BGB verletzt sein. In Betracht kommt hier das
Rechtsgut Eigentum. Durch den Brand wurde das Ferienhaus des H vollkommen zerstört.
Mithin liegt eine Rechtsgutsverletzung i.S.d § 823 I BGB vor.
2.
Haftungsbegründende Kausalität
Des Weiteren müsste die Handlung des F nach der Äquivalenztheorie kausal für die
Rechtsgutverletzung des H gewesen sein. Nach der Äquivalenztheorie ist jede Handlung
kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele
(conditio-sine-qua-non-Formel).
Ohne
das
„Vermieten“
der
Wohnung
wäre
die
Eigentumsverletzung bei K nicht eingetreten. Mithin war die Handlung des F kausal für die
eingetretene Rechtsgutverletzung des H i.S.d Äquivalenztheorie.
b)
Adäquanztheorie
Ferner müsste die Handlung des F auch nach der Adäquanztheorie kausal gewesen ein.
Adäquat kausal ist jedes Ereignis, das im Allgemeinen und nicht nur unter besonders
eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer
Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, den Erfolg in der eingetretenen Art allein
oder im Zusammenwirken mit weiteren Umständen herbeizuführen.
Dies erscheint hier problematisch Es kann als ein ungewöhnlicher Verlauf der Dinge
angesehen werden, dass durch die Untervermietung einer Wohnung an Erwachsene einen
Brand eines beaufsichtigten Kindes, welches mit Streichhölzern spielt, verursacht wird.
Aufgrund dessen ist die Handlung des F nicht kausal für die Rechtsgutsverletzung i.S.d
Adäquanztheorie.
c)
Ergebnis
Ein Anspruch des H gegen F gem. § 823 I BGB besteht nicht.
II.
Anspruch des H gegen F gem. § § 687 II, 678 BGB
H könnte gegen F einen Anspruch gem. §§ 687 II, 678 BGB auf Ersatz des entstandenen
Schadens haben.
1.
Geschäft des Anspruchstellers
Zunächst müsste ein fremdes Geschäft vorliegen. Dies ist dann der Fall, wenn das
Rechtsgeschäft in einen fremden Geschäftskreis gehört. F vermietet eine dem H gehörende
Wohnung. Mithin handelt es sich um ein fremdes Geschäft.
2.
Kenntnis des Geschäftsführers
Ferner müsste F Kenntnis von der Fremdheit gehabt haben. Im Rahmen des § 687 II BGB ist
hierfür erforderlich, dass dem Geschäftsführer die Fremdheit des Geschäfts und die fehlende
Berechtigung positiv bekannt waren. Trotz dieses Wissens muss der Geschäftsführer das
Geschäft nicht als fremdes, sonder eigennützig, d.h. in der Absicht führen, es als eigenes zu
behandeln.
F wusste, dass die Wohnung dem H gehört. Er wollte diese jedoch vermieten,
obwohl ihm bewusst war, dass H niemals an kinderreiche Familien vermieten würde. F hatte
somit die entsprechende Kenntnis. Ferner handelte er in er Absicht, das Geschäft als sein
eigenes zu führen.
3.
Übernahmeverschulden
Ferner müsste den F ein Übernahmeverschulden gem. § 678 BGB treffen. Dies wäre dann
der Fall, wenn F erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass seine Geschäftsführung nicht
dem Willen des B entspricht. F wusste hier, das H das Geschäft nicht wollte. F trifft somit
ein Übernahmeverschulden gem. § 687 BGB.
Anmerkung:
Bei der GoA ist zwischen Übernahme- und Ausführungsverschulden zu differenzieren.
§ 678 BGB setzt nur ein Übernahmeverschulden voraus. Das Übernahmeverschulden
bezieht sich allein auf die Frage, ob der Geschäftsführer schuldhaft bei der Übernahme
der Geschäftsführung den Willen des Geschäftsherrn missachtet hat. Entspricht die
Übernahme der Geschäftsführung dagegen dem Willen des Geschäftsherrn, führt
dieser seine Geschäft aber unsachgemäß, liegt ein Ausführungsverschulden vor, für
dass er nach § 280 I BGB i.V.m. §§ 677, 683 f. BGB haftet.
4.
Ergebnis
H hat gegen F einen Anspruch auf Ersatz des durch den Brand entstandenen Schadens gem.
§§ 687 II, 687 BGB.
III.
Anspruch des H gegen F gem. §§ 990 I, 987 BGB
H könnte gegen F einen Anspruch auf Herausgabe des Mietzins gem. § 990 I, 987 BGB
haben.
Anmerkung:
Die Voraussetzungen dieses Anspruchs sollen hier noch nicht vertieft werden, liegen
aber vor.
Fraglich ist, welchen Umfang der Anspruch hat. § 987 I BGB beinhaltet eine
Rechtsfolgenverweisung auf § 818 II BGB. Danach ist für Nutzungen Wertersatz zu leisten.
Die Höhe des Wertersatzes bestimmt sich objektiv. Im konkreten Fall bedeutet dies, dass der
H nur den durchschnittlichen Mietzins von A herausverlangen kann, nicht aber den
zusätzlichen Gewinn.
IV.
Anspruch des H gegen F gem. §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB
H könnte gegen F einen Anspruch auf Herausgabe des durch die Geschäftsführung
Erlangten haben.
§ 687 Abs. 2 BGB ist neben den §§ 987 ff. BGB uneingeschränkt anwendbar, da deren
Schutzzweck,
die
Privilegierung
des
redlichen
Besitzers,
bei
angemaßter
Eigengeschäftsführung nicht gewahrt werden muss. Die Voraussetzungen des § 687 Abs. 2
BGB liegen vor. Folglich ist F zur Herausgabe des durch die Geschäftsführung Erlangten
verpflichtet. Darunter fällt auch der erzielte Gewinn, selbst wenn der Geschäftsführer selbst
den Gewinn noch nicht erzielt hätte.
Anmerkung:
Hier zeigt sich ein Vorteil der GoA. Auch der Gewinn kann herausverlangt werden.
Dies ist sonst im Rahmen des Deliktsrechts, Bereicherungsrecht und EBV nicht
möglich. Dort wird, mit Ausnahme des § 816 BGB, nur der objektive Wert ersetzt.
8. Fall – Der schusselige F - §§ 812 ff. BGB
F versucht es erneut anders. Diesmal möchte er sich im KFZ Gewerbe „nützlich“ machen. Als eines
Tages der K in seinem neu gegründeten Autohaus erscheint und sich nach einem Wagen umsieht,
wir der F sofort tätig und bietet dem K einen Mercedes SL 500 zum Kauf an. Ausweislich einer
Auslage in der Frontscheibe des PKW soll das Fahrzeug EUR 111.111 kosten. Der F ist jedoch
durch die geschäftlichen Geschehnisse der letzten Wochen und Monate nicht so ganz „bei der
Sache“ und trägt in den Kaufvertrag einen Verkaufspreis von EUR 11.111 ein. Als er kurz darauf,
nach Eingang der Summe auf seinem Konto, merkt, was passiert ist, schreibt er den K an und teilt
diesem mit, dass er sich verschrieben habe und das der Vertrag ja nicht wirksam sei. Auf jeden Fall
wolle er das Geschäft gerne rückgängig machen. Der K teilt den F dabei mit, dass dies nicht
möglich sei, da er nicht mehr im Besitz des Fahrzeugs sei. Direkt nach der ersten Probefahrt habe er
sich entschlossen, dass Fahrzeug an den D für EUR 111.111 weiter zu veräußern. F ist voller Panik
und entsetzt. Er denkt zunächst nicht daran, sich an K zu halten. Er möchte in jedem Fall das
Fahrzeug wieder haben. Am Tage darauf fährt er zu dem D und erklärt diesem die „Lage“. D
verweigert die Herausgabe. Enttäuscht kehrt F zurück und wagt zu Hause ein Blick in das BGB.
Dabei überlegt er sich, dass es wohl doch so kommen könnte, dass er sich an K wenden muss. Zu
welchem Ergebnis wird er kommen?
Abwandlung 1
Nach dem Blick in ein weiteres Lehrbuch erhält der F einen Anruf von dem verzweifelten K. Dieser
erzählt ihm, dass der Kaufvertrag mit dem D ebenfalls nicht sei. Einen Grund hierfür nennt der K
nicht. F ist erfreut. Aufgrund des gerade gelesenen Abschnitts zum Bereicherungsrecht macht F sich
Hoffnungen nun doch das Fahrzeug wiederzubekommen. Sind die Hoffnungen berechtigt?
Abwandlung 2
Die Nachricht des F, nicht am Vertrag festhalten zu wollen, erreicht den K noch auf dem Weg zu D.
Dennoch verkauft K dem D das Auto. Voller Freude über das Geschäft sprechen D und K über die
Herkunft des Fahrzeugs. Während K sich über das Versehen des F lustig macht, wird der D, der vier
Semester Jura studiert hat wird stutzig, da ihm die Regeln der §§ 119 ff. BGB bekannt sind. Er ist
jedoch fest davon überzeugt, dass dies keine Auswirkungen haben wird. Zu Recht?
Lösung Fall 8
I.
Anspruch des F gegen D gem. § 985 BGB
F könnte gegen D einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs gem. § 985 BGB haben.
1.
Eigentum des F
F müsste Eigentümer des Fahrzeugs sein. Zunächst war dies der Fall. Fraglich ist, ob F sein
Eigentum an dem Fahrzeug gem. § 929 S. 1 BGB an den K verloren hat.
Zunächst müssten F und K sich über den Eigentumsübergang an dem Fahrzeug geeinigt
haben. Hierzu bedarf es zweier übereinstimmender Willensklärung bzgl. der Übertragung
des Eigentums an diesem. Durch die Übergabe erklärte F konkludent, dass das Eigentum an
dem Fahrrad an K übergehen soll. Durch die Annahme bzw. Mitnahme des Fahrrads
bezeugte auch K den Willen des Eigentumsübergangs. Mithin liegt eine Einigung i.S.d § 929
BGB zum Zeitpunkt der Übergabe vor. F hat das Eigentum an dem Fahrzeug somit an K
verloren.
2.
Ergebnis
Ein Anspruch des F gegen D gem. § 985 BGB kommt nicht in Betracht.
II
Anspruch des F gegen D gem. § 812 Abs. 1 S. 2 1. Variante BGB
F könnte gegen D einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs gem. § 812 I S. 2, 1.Fall
BGB haben.
1.
Etwas erlangt
Zunächst müsste D etwas erlangt haben. Dies ist jeder vermögensrechtliche Vorteil. In
Betracht kommen vorliegend der Besitz und das Eigentum an dem Fahrzeug. K hat D das
Fahrzeug gem. § 929 BGB übereignet und übergeben. Mithin ist D Eigentümer und
unmittelbarer Besitzer geworden. D hat somit etwas i.S.d § 812 BGB erlangt.
Anmerkung:
Ein Hinweis darauf, dass K hier „das Fahrzeug“ erlangt hat, wäre unzureichend.
Wie bereits dargelegt versteht man unter dem „etwas“ i.S.d. § 812 BGB jeden
vermögensrechtlichen Vorteil. Hierunter fallen insbesondere dingliche Rechte, wie das
Eigentum,
Pfandrechte,
Hypothek
oder
Nießbrauch.
Ferner
kommen
das
Anwartschaftsrecht oder Forderungen aller Art, vorteilhafte Rechtstellungen oder rein
wirtschaftlich vorteilhaft Rechtspositionen in Betracht.
2.
Durch Leistung des F
Ferner müsste D das Fahrzeug auch durch Leistung des F erlangt haben. Als Leistung
bezeichnet man dabei die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. F
hat das Fahrzeug an K übereignet, um seiner Pflichten aus dem Kaufvertrag gem. § 433 I S.
1 BGB nachzukommen. Eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung des Vermögens von D
liegt nicht vor. F hat folglich nicht an D geleistet.
Anmerkung:
Nach der h.M. bedeutet Leistung jede gewollte und zweckgerichtete Mehrung fremden
Vermögens. Leistungszwecke können z.B. Erfüllung einer Verbindlichkeit, Begründung
eines
Rechtsverhältnisses
oder
Herbeiführung
eines
bestimmten
Verhalten
sein.
Umstritten ist, aus welcher Sicht das Vorliegen einer Leistung bei Fehlen einer
gemeinsamen Zweckbestimmung zu beurteilen ist. Nach h.M. ist hierbei auf die Sicht des
Leistungsempfängers vom Standpunkt eines durchschnittlichen Beobachters abzustellen.
Nach der Gegenansicht ist allein der wahre Wille des Zuwendenden maßgebend.
3.
Ergebnis
Ein Anspruch des F gegen D gem. § 812 I S. 1, 1.Fall BGB scheidet aus.
II.
Anspruch des F gegen D gem. § 812 I S. 1, 2. Fall BGB
F könnte gegen D einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs gem. § 812 I S. 2, 1. Fall
BGB haben.
1.
Etwas erlangt
Zunächst müsste D etwas erlangt haben. Wie bereits geprüft, hat D Eigentum und Besitz
erlangt.
2.
In sonstiger Weise
D könnte das Fahrzeug in sonstiger Weise erlangt haben. Zunächst ist jedoch fraglich, ob
nicht eine Leistung des K an D vorliegt. Wäre dies der Fall, so wäre ein Erwerb in sonstiger
Weise ausgeschlossen. „Vorrang der Leistungskondiktion“
Anmerkung:
In
einem
Zweipersonenverhältnis
schließen
sich
Leistungs-
und
Nichtleistungskondiktion gegenseitig aus. Liegt eine Leistung vor, so ist nichts „in
sonstiger
Weise“
erlangt.
In
einem
Mehrpersonenverhältnis
ist
die
Nichtleistungskondiktion gegenüber der Leistungskondiktion subsidiär, was bedeutet,
dass eine Abwicklung über die Nichtleistungskondiktion nur dann in Betracht kommt,
wenn keine Leistung an den Bereicherungsschuldner vorliegt.
In Betracht kommt zunächst eine Leistung des K an D. Zwischen K und D besteht ein
Kaufvertrag über das Fahrzeug. Aus diesem Grund war der K gem. § 433 I S. 1 BGB dazu
verpflichtet, dem D das Eigentum an dem Fahrzeug zu verschaffen. Dieser Verpflichtung ist
K durch die Übereignung nachgekommen. Mithin liegt eine Leistung des K an D vor. D hat
das Fahrzeug demnach nicht in „sonstiger Weise“ erlangt.
3.
Ergebnis
Ein Anspruch des F gegen D gem. § 812 I S. 1, 2. Fall BGB besteht nicht.
III.
Anspruch des F gegen K gem. 812 I S. 2, 1. Fall BGB
F könnte gegen K einen Anspruch auf Rückübereignung des Fahrzeugs gem. § 812 I S. 2,
1.Fall BGB haben.
1.
Etwas erlangt
Zunächst müsste K etwas erlangt haben. Etwas i.S.d § 812 ist jeder vermögensrechtliche
Vorteil. Durch die Übereignung des Fahrzeugs durch F hat K zunächst das Eigentum und
den Besitz an dem Fahrrad erlangt. Mithin hat er etwas i.S.d. § 812 BGB erlangt.
2.
Durch Leistung des F
Fraglich ist, ob der F an den K geleistete. Der F wollte seiner Verpflichtung aus dem
Kaufvertrag nachkommen, so dass eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung des
Vermögens von K vorliegt. F hat somit an K geleistet.
3.
Wegfall des Rechtsgrundes
Der Rechtsgrund müsste später weggefallen sein. Als Rechtsgrund kommt hier der
geschlossenen Kaufvertrag in Betracht. Der Wirksamkeit könnte hier jedoch eine
Anfechtung des F entgegenstehen.
a)
Anfechtungsgrund
Zunächst müsste ein Anfechtungsgrund vorliegen. In Betracht kommt eine Anfechtung gem.
§ 119 I 2. Fall BGB. Voraussetzung wäre, dass der äußere Erklärungstatbestand nicht dem
inneren Willen des Erklärenden entspricht. F schrieb einen Kaufpreis von EUR 11.111 in
den Kaufvertrag, obwohl er das Fahrzeug eigentlich für EUR 111.111 verkaufen wollte.
Mithin entspricht die objektive Erklärung des F nicht seinem inneren Willen. Ein
Anfechtungsgrund gem. § 119 I 2.Fall BGB liegt somit vor.
b)
Anfechtungserklärung, Anfechtungsgegner § 143 BGB, Anfechtungsfrist § 121 BGB
Weiterhin müsste F seine Anfechtung gem. § 143 BGB gegenüber K unverzüglich und somit
ohne schuldhafte Zögern i.S.d. § 121 BGB erklärt haben.
Diese Erklärung kann ausdrücklich oder aber konkludent erfolgen Hier erklärte F, dass er
aufgrund
seines
Irrtums
nicht
an
dem
Kaufvertrag
festhalten
möchte.
Eine
Anfechtungserklärung liegt mithin vor. Mithin liegen die Voraussetzungen einer wirksamen
Anfechtung vor. Gem. § 142 I BGB gilt der Kaufvertrag als von Anfang an nichtig.
Anmerkung:
Streitig ist, ob es sich im Falle einer erfolgten Anfechtung um einen Fall des § 812 I S.
1, 1.Fall BGB (condictio indebiti) handelt oder aber um eine Fall des § 812 I S. 2, 1.
Fall BGB (condictio ob causam finitam). Dieses Problem ist hier jedoch noch nicht
relevant.
4.
Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten
F hat gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten gem. § 812 I S.1, 1.Fall BGB.
Problematisch ist jedoch, dass das Fahrzeug bei K nicht mehr vorhanden ist, da dieser es an
D verkauft und übereignet, so dass ihm eine Herausgabe unmöglich ist. Gem. § 818 II BGB
hat er somit Wertersatz zu leisten. Die Bereicherung beträgt hier den Erlös aus dem mit dem
D geschlossenen Kaufvertrag; mithin EUR 111.111. Eine Entreicherung gem. § 818 III BGB
kommt nicht in Betracht, da K durch den Kaufpreis bereichert ist.
Anmerkung:
Hinter § 818 III BGB steht der Gedanke, dass der Kondiktionsschuldner nach der
Rückabwicklung nicht schlechter stehen soll als ohne das Geschäft. Es soll demnach
nur die vorhandene Bereicherung abgeschöpft werden.
5.
Ergebnis
F hat gegen K gem. §§ 812 I S.1, 1.Fall, 818 II BGB einen Anspruch auf Zahlung von
111.111 €.
Lösung Abwandlung 1
I.
Anspruch des F gegen D gem. § 985 BGB
F könnte gegen D einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs gem. § 985 BGB haben.
1.
Eigentum des F
F müsste Eigentümer des Fahrzeugs sein. Zunächst war dies der Fall. Fraglich ist, ob F sein
Eigentum an dem Fahrzeug gem. § 929 S. 1 BGB an K verloren hat.
Zunächst müssten F und K sich über den Eigentumsübergang geeinigt haben. Hierzu bedarf
es zweier übereinstimmender Willensklärung bzgl. der Übertragung des Eigentums an dem
Fahrzeug. Durch die Übergabe des Fahrzeugs erklärte F konkludent, dass das Eigentum an
diesem an K übergehen soll. Durch die Annahme bzw. Mitnahme des Fahrzeugs bezeugte
auch K den Willen des Eigentumsübergangs. Mithin liegt eine Einigung i.S.d § 929 BGB
zum Zeitpunkt der Übergabe vor. F hat das Eigentum an dem Fahrzeug somit an K verloren.
2.
Ergebnis
Ein Anspruch des F gegen D gem. § 985 BGB kommt nicht in Betracht.
II.
Anspruch des F gegen D gem. § 812 I S. 1, 1. Fall BGB
F könnte gegen D einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs gem. § 812 I S. 1, 1. Fall
BGB haben.
1.
Etwas erlangt
Zunächst müsste D etwas erlangt haben. Etwas i.S.d. § 812 BGB ist jeder
vermögensrechtliche Vorteil. In Betracht kommen hier der Besitz und das Eigentum an dem
Fahrzeug. K hat D das Fahrrad gem. § 929 BGB übereignet und übergeben. Mithin ist D
Eigentümer und unmittelbarer Besitzer des Fahrzeugs geworden. D hat somit etwas i.S.d §
812 BGB erlangt.
2.
Durch Leistung des F
Ferner müsste D das Fahrrad auch durch Leistung des F erlangt haben. Als Leistung
bezeichnet man dabei die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.
Vorliegend hat F das Fahrzeug an K übereignet, um seinen Pflichten aus dem Kaufvertrag
nachzukommen. Eine bewusste und zweckgerichtete Mehrung des Vermögens von D liegt
nicht vor. F hat folglich nicht an D geleistet.
3.
Ergebnis
Ein Anspruch des F gegen D gem. § 812 I S.1, 1. Fall BGB scheidet aus.
II.
Anspruch des F gegen D gem. § 812 I S. 1, 2. Fall BGB
F könnte gegen D einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs gem. § 812 I S. 1, 2. Fall
BGB haben.
1.
Etwas erlangt
Zunächst müsste D etwas erlangt haben. Wie bereits dargestellt, hat D Eigentum und Besitz
an dem Fahrzeug erlangt.
2.
In sonstiger Weise
D könnte das Fahrrad in sonstiger Weise erlangt haben. Zunächst ist jedoch fraglich, ob
nicht eine Leistung des K an D vorliegt. Wäre dies der Fall, so wäre ein Erwerb in sonstiger
Weise ausgeschlossen. „Vorrang der Leistungskondiktion“
Anmerkung
Die Lehre vom Vorrang der Leistungsbeziehung ist eine Lehre im Bereicherungsrecht.
Sie
besagt,
dass
in
einem
bereicherungsrechtlichen
Dreipersonenverhältnis
eine
Direktkondiktion aus Nichtleistungskondiktion gegen den Bereicherten im Grundsatz nicht
möglich ist. Die Bereicherung ist vorrangig entlang der Leistungskette („über das Dreieck“)
abzuwickeln. Eine Nichtleistungskondiktion ist nach dieser Theorie im Grundsatz nur dann
möglich, wenn der Gegenstand dem Bereicherten von niemandem durch Leistung
zugewendet worden ist, oder entsprechend den ausdrücklichen gesetzlichen Ausnahmen (§
816 Abs. 1 S. 1 BGB und § 822 BGB) ihm unentgeltlich zugewendet wurde. Diese Lösung
bereicherungsrechtlicher Mehrpersonenverhältnisse wird auch als Subsidiaritätsmodell
bezeichnet.
In Betracht kommt hier zunächst eine Leistung des K an D. Zwischen K und D besteht ein
Kaufvertrag über das Fahrzeug. Aus diesem Grund war K gem. § 433 BGB dazu verpflichtet
D das Eigentum an dem Fahrrad zu verschaffen. Dieser Verpflichtung ist K durch die
Übereignung nachgekommen. Mithin liegt eine Leistung des K an D vor.
3.
Ergebnis
Ein Anspruch des F gegen D gem. § 812 I S. 1, 2. Fall BGB besteht nicht.
III.
Anspruch des F gegen K gem. § 812 I S. 1, 1. Fall BGB
F könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten gem. § 812 I S. 1, 1. Fall
BGB haben.
1.
Etwas erlangt
Zunächst müsste K „etwas“ i.S.d. § 812 BGB erlangt haben. Hierunter versteht man jeden
vermögensrechtlichen Vorteil. Erlangt hat K zunächst das Eigentum an dem Fahrzeug. Dies
kann und muss K dem F aber nur dann herausgeben, wenn er seinerseits seinen
Kondiktionsanspruch gegen D geltend macht, der sich aus dem ebenfalls nichtigen
Kaufvertrag ergibt und die Sache von diesem zurück übereignet bekommt. Macht K seinen
Anspruch gegen D nicht geltend oder will der D das Fahrrad nicht herausgeben, ist es
umstritten, was F von K herausverlangen kann.
a)
„Kondiktion der Kondiktion“
Nach einer Ansicht schuldet K nur Abtretung seines Anspruchs gegen D gem. § 398 ff.
BGB. Hierfür spricht, dass D dem F gegenüber seine Einwendungen aus dem Verhältnis zu
K entgegenhalten könnten, § 404 BGB.
b)
Wertersatz gem. § 818 II BGB
Nach gegenteiliger Auffassung schuldet K dem F Wertersatz gem. § 818 II BGB. Als Grund
hierfür wird entgegen der oben genannten Auffassung vertreten, dass F im Falle einer
„Kondiktion der Kondiktion“ neben den Einwendungen des D auch dessen Insolvenzrisiko
ausgesetzt sein würde. Mit dem D verbinden F jedoch gerade keinerlei rechtliche
Verbindungen. Dieses Ergebnis würde den Wertungskriterien des Bereicherungsrechts
unterlaufen, dass eine Rückabwicklung gescheiterter Verträge zwischen den jeweiligen
Vertragsparteien zu erfolgen hat. Der F wäre im Falle der „Kondiktion der Kondiktion“ mit
dem Insolventrisiko eines Dritten belastet. Mithin hat K Wertersatz gem. § 818 II BGB zu
leisten hat.
Anmerkung:
Folgende Kriterien sind in den Fällen der ungerechtfertigten Bereicherung zu
beachten.
1. Jeder Partei eines fehlerhaften Kausalverhältnisses sollen ihre Einwendungen gegen
die andere Partei erhalten bleiben.
2. Keine Partei soll sich Einwendungen entgegenhalten lassen müssen, die ihr
Anspruchsgegner aus einem Rechtsverhältnis zu einem Dritten herleitet. Eine Situation
wie die des Zessionars wegen § 404 BGB soll gerade nicht entstehen.
3. Jede Partei soll nur das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Person tragen, die sie
sich selbst als Partner ausgesucht hat.
2.
Ergebnis
F hat gegen K einen Anspruch auf Wertersatz für das Fahrrad gem. §§ 812 I S. 1, 1. Fall,
818 II BGB.
Abwandlung 2
I.
Anspruch des F gegen D gem. § 985 BGB
Ein Anspruch des F gegen D gem. § 985 BGB besteht abermals aufgrund des Verlustes des
Eigentums nicht.
II
Anspruch des F gegen D gem. § 812 I S. 1, 1. Fall BGB
Ein Anspruch des F gegen D gem. § 812 I S. 1, 1.Fall BGB besteht mangels Leistung nicht.
III
Anspruch des F gegen D gem. § 812 I S. 1, 2. Fall BGB
Fraglich ist, ob F ein Anspruch gem. § 812 I S. 1, 2. Fall BGB auf Herausgabe des
Fahrzeugs zustehen könnte.
1.
Etwas erlangt
Zunächst müsste D etwas erlangt haben. Vorliegend hat D das Eigentum und den Besitz an
dem Fahrrad erlangt.
2.
In sonstiger Weise
Fraglich ist, ob ein Anspruch gem. § 812 I S. 1, 2. Fall BGB vorliegend überhaupt in
Betracht kommen kann. Zwischen K und D liegt eine Leistungsbeziehung vor, so dass
grundsätzlich nach Prinzip des „Vorrang der Leistungskondiktion“ der Anspruch
ausscheiden würde. Grund für diesen Vorrang sind die bereits genannten Kriterien. Das
Subsidiaritätsprinzip soll das Vertrauen des Empfängers davor schützen, nicht von Dritten in
Anspruch genommen zu werden. Fraglich ist, ob D hier überhaupt schutzwürdig ist. Der
Grundsatz des Vorrangs der Rückabwicklung in der Leistungsbeziehung gilt dort nicht, wo
gesetzliche, insbesondere sachenrechtliche Wertungen entgegenstehen. Korrekturen müssen
dann im Hinblick auf die Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs vorgenommen werden.
Wenn der Bereicherte bösgläubig war oder die erworbene Sache abhanden gekommen ist,
dann soll ihm aus dem Grundsatz des Vorrangs der Rückabwicklung in der
Leistungsbeziehung kein Vorteil entstehen. Daraus folgt, dass, hätte der D die Sache durch
Rechtsgeschäft nicht wirksam erwerben können, weil die Sache abhanden gekommen ist (§
935 BGB) oder weil er bösgläubig war (§ 932 Abs. 2 BGB), würde die Anwendung des
Vorrangs der Leistungskondiktion - mit der Folge, dass der D keinem Anspruch des F
ausgesetzt wäre - den Grundsätzen des gutgläubigen Erwerbs zuwiderlaufen. Um einen
solchen Wertungswiderspruch zu vermeiden, ist der Vorrang der Leistungskondiktion nicht
anzuwenden.
Dann
soll
der
ursprüngliche
Eigentümer
einen
Anspruch
aus
Eingriffskondiktion haben. Keine Korrektur ist hingegen vorzunehmen, wenn der
Empfänger statt des gesetzlichen Eigentumserwerbs auch gem. § 932 BGB gutgläubig
Eigentum hätte erwerben können. Hier steht der Ausschluss eines Anspruchs des
ursprünglichen Eigentümers aus Nichtleistungskondiktion im Einklang mit den Grundsätzen
des gutgläubigen Erwerbs. Dieser soll gerade auch kondiktionsfest sein. Folglich bleibt es
beim Vorrang der Leistungskondiktion. D wusste aufgrund seiner juristischen Vorkenntnisse
von der bereits erfolgten Anfechtung des Kaufvertrags durch F. Ferner war ihm klar, dass F
das Fahrzeug sofort herausverlangen würde. D war mithin bösgläubig i.S.d § 932 II BGB
Aus diesem Grund liegt hier kein schutzwürdiges Interesse des D vor, so dass der „Vorrang
der Leistungskondiktion“ in diesem Fall aus Wertungsgründen zurücktreten kann.
3.
Ergebnis
F steht gegen D ein Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs gem. § 812 I S. 1, 2. Fall BGB
zu.
9. Fall – Die Geschäfte laufen….
Die Geschäfte mit dem Autohaus laufen soweit ganz ordentlich. Eines Tages verkauft der F dem
Kunden K ein Fahrzeug zum Preis von EUR 2000,00. die Parteien einigen sich dahingehend, dass
der K dem F einen Scheck in Höhe EUR 2000,00 ausstellen soll. So geschieht es. Gleich am
nächsten Morgen entschließt sich der K das gekaufte Auto ausgiebig zu testen und dreht ein paar
Runden. Dabei fällt ihm auf, dass der Motor merkwürdige Geräusche macht. Er begibt sich in eine
nahe gelegene Werkstatt, um das Fahrzeug untersuchen zu lassen. Der zuständige Werkstattmeister
stellt fest, dass das Fahrzeug an einem unbehebbarem Mangel leidet. Verärgert fährt K nach Hause
und ist hoch erfreut über die Tatsache, dass der F den Scheck noch nicht eingelöst hat. Er begibt
sich sofort zu seiner Hausbank, um den Scheck sperren zulassen. Kurze Zeit später erscheint auch F
bei der Bank und will den Scheck einlösen. Ein äußerst dämlicher Mitarbeiter übersieht jedoch die
vorher eingetragene Sperre und zahlt dem F das Geld aus. Erst als K bemerkt, dass sein Konto mit
der Summe in Höhe von EUR 2000,00 belastet ist, wird das Versehen bemerkt.
Der Filialleiter der Bank beauftragt die Praktikantin, die bald Jura studieren will, damit,
herauszufinden, wie man das Geld von dem F zurückbekommen kann.
Abwandlung 1
Was ist, wenn der K den F vor Auszahlung der Summe durch die Bank darüber informiert hat, dass
er den Scheck hat sperren lassen?
Abwandlung 2
F wird es alles zu viel. Er braucht dringend Geld, um eine Forderung aus einem Kaufvertrag mit M
in Höhe von EUR 7000 zu erfüllen. Gleich am nächsten Morgen begibt er sich zu seiner Bank und
nimmt ein Darlehen in Höhe von EUR 7.000 aus. Die Bank überweist das Geld sofort auf das
Konto des M. Kurz darauf stellt sich heraus, dass F durch die andauernde Belastung, wie schon
damals sein Vater, geschäftsunfähig geworden ist und dies auch am Tag der Darlehensaufnahme
war. Die Bank möchte gerne von F die EUR 7.000 wieder haben. Zu Recht?
Lösung Fall 9
I.
Anspruch der B gegen F gem. § 812 Abs.1 Satz 1 1.Variante BGB
B könnte gegen F einen Anspruch auf Rückzahlung der ausgezahlten EUR 2000,00 aus §
812 Abs.1 Satz 1 1.Variante BGB haben.
1.
etwas erlangt
Zunächst müsste F „etwas“ i.S.d § 812 BGB erlangt haben. Hierunter versteht man jeden
vermögensrechtlichen Vorteil. Vorliegend hat der F die EUR 2000,00 bin Bar ausgezahlt
bekommen. Mithin hat er sowohl das Eigentum und den Besitz an diesen erlangt.
2.
durch Leistung der B
Ferner müsste der F die EUR 2000,00 auch durch Leistung der F erhalten haben. Unter
Leistung versteht man jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.
Fraglich ist, welchen Zweck die B mit der Auszahlung des Geldes an den F bezweckte. Dies
bemisst sich nach h.M nach dem, objektiven Empfängerhorizont. Es ist also danach zu
fragen, ob es sich aus Sicht des F als Empfänger der Leistung um eine solche der B handelte.
Dies ist nicht der Fall. Aus Sicht des F stellt sich die Auszahlung der Bank nicht als Leistung
dar, sondern allenfalls als Leistung des K, der seine (vermeintliche) Verpflichtung aus dem
Kaufvertrag erfüllen wollte. Auch aus Sicht der Leistenden B (stellt man den entgegen der
h.M auf diese Sicht ab) handelt es sich nicht um eine Leistung der an F. Vielmehr wollte
diese durch die Auszahlung des Betrags ihre Verpflichtungen aus dem Scheck/Girovertrag
erfüllen. Eine Leistung der B an F liegt mithin nicht vor.
3.
Ergebnis
Ein Anspruch aus § 812 Abs.1 Satz 1 1.Variante BGB scheidet aus.
II.
Anspruch der B gegen F gem. § 812 Abs.1 Satz 1 2.Variante BGB
B könnte gegen F einen Anspruch auf Rückzahlung der ausgezahlten EUR 2000,00 aus §
812 Abs.1 Satz 1 2. Variante BGB haben.
1.
etwas erlangt
s.o.
2.
in sonstiger Weise
Fraglich ist, ob F das Geld in sonstiger Weise erlangt haben könnte. Dies wäre nach den
Grundsätzen der Lehre vom Vorrang der Leistungskondiktion nicht möglich, wenn bzgl.
desselben bereicherungsrechtlich erlangten eine Leistung eines anderen vorliegen würde.
Hier kommt eine Leistung des K an den F in Betracht. Grundsätzlich liegt in der Einlösung
eines übergebenen Schecks durch den Beziehenden eine Leistung des Scheckausstellers an
den Schecknehmer vor. Fraglich ist jedoch, wie es sich hier auswirkt, dass der K den Scheck
hat sperren lassen, bevor die Auszahlung erfolgte. Hierdurch könnte dokumentiert sein, dass
sein Leistungswille weggefallen ist. Wie diese Konstellation zu behandeln ist, ist umstritten.
Eine in der Literatur zum Teil vertretene Ansicht geht davon aus, dass der „Widerruf“ der
Leistungsbestimmung zu einem Wegfall der Anweisung an die Bank führt. Dies hätte zur
Folge, dass keine Leistung des Anweisenden vorliegen würde, so dass hier eine
Nichtleistungskondiktion der B bei dem Empfänger in Betracht kommen würde.
Demgegenüber vertritt eine andere Ansicht, dass sich die Beurteilung dieser Fälle anhand
von Rechtscheingesichtspunkten der §§ 170 ff. BGB orientieren müsse. Durch die Übergabe
des Schecks hat K den Rechtsschein einer Anweisung gesetzt und gegenüber F auch nicht
wieder beseitigt.
F ist gutgläubig, weil er nichts von der Schecksperre weiß. Es liegt der Rechtsschein
einer wirksamen Anweisung vor. Danach läge hier eine Leistung des K vor, so dass eine
Nichtleistungskondiktion ausscheiden würde.
Die Rechtsprechung und die herrschende Lehre vertreten die Ansicht, dass es allein auf die
Sicht des Leistungsempfängers ankommt. Kennt er den Widerruf der
Anweisung nicht, liegt für ihn in der Zahlung eine Leistung des Anweisenden. Die
Vorgänge innerhalb des Deckungsverhältnisses (K – B) sind für ihn irrelevant. Danach läge
hier eine Leistung des K an F vor, so dass eine Nichtleistungskondiktion nicht in Betracht zu
ziehen ist. Fraglich ist, welcher Ansicht hier gefolgt werden soll. Für die h.M spricht, dass es
bei der Beurteilung einer Leistung maßgeblich auf die Sicht eines objektiven Empfängers
ankommt. Die Ergänzung durch Rechtsscheingesichtspunkte führt nicht zu anderen
Ergebnissen. Es liegt daher eine Leistung des K an den F vor.
3.
Ergebnis
Ein Anspruch der B gegen F gem. § 812 Abs.1 Satz 1 1.Variante kommt somit nicht in
Betracht.
Lösung Abwandlung 1
I.
Anspruch der B gegen F gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Variante
Der Anspruch scheitert, wie bereits festgestellt, in Ermangelung einer Leistung der B.
II.
Anspruch der B gegen F gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Variante
Fraglich ist hier die Anwendbarkeit der Nichtleistungskondiktion. Infolge der Kenntnis der
Schecksperre kommen in dieser Konstellation alle Ansichten zu dem gleichen Ergebnis. Aus
Sicht des F liegt keine Leistung des K vor, da dieser mitgeteilt habe, er wolle seine Pflicht
nicht erfüllen. Mithin liegt im Hinblick auf die erhaltenen EUR 2000,00 keine Leistung an
den F vor, so dass der Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 2.Variante in Betracht kommt.
F hat die 2000,00 durch die B auch ohne Rechtsgrund erlangt. Mithin besteh ein Anspruch
der Bank gem. § 812 Abs.1 Satz 1 2.Variante BGB.
Lösung Abwandlung 2
I.
Ansprüche aus Vertrag
Ein Anspruch der B gegen F aus Vertrag kommt nicht in Betracht. Ausweislich des
Sachverhalts war der F zum Zeitpunkt des Vertragsschluss geschäftsunfähig i.S.d § 104
BGB
I.
Anspruch der B gegen F gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Variante BGB
B könnte gegen F einen Anspruch auf Rückzahlung der ausgezahlten EUR 7.000 aus § 812
Abs.1 Satz 1 1.Variante BGB haben.
a)
etwas erlangt
Zunächst müsste F etwas erlangt haben. Etwas i.S.d § 812 ist jeder vermögensrechtliche
Vorteil. Es muss eine Verbesserung der Vermögenslage des Bereicherten eingetreten sein. In
Betracht kommen hier Rechte aller Art, vorteilhafte Rechtspositionen und auch die
Befreiung von Verbindlichkeiten. Vorliegend bestand ein Anspruch des M gegen den F in
Höhe von EUR 7.000,00. Durch die Zahlung der Summe in gleicher Höhe ist dieser
Anspruch nun erloschen, so dass der F von einer Verbindlichkeit befreit wurde. Mithin hat F
„etwas“ i.S.d § 812 BGB erlangt.
b)
durch Leistung der B
Ferner müsste eine Leistung der B an den F erfolgt sein. Die B überweist hier den Betrag an
M, um ihre Pflichten aus dem vermeintlich geschlossenen Zahlungsdienstvertrag i.S.d § 675
ff. BGB zu erfüllen. Aus Sicht des F handelt es sich bei der Überweisung des Betrags somit
um eine Leistung der B. Aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts, hier der des M,
handelt es sich bei der Überweisung der B nicht um eine Leistung dieser, sondern um eine
Leistung des F, da dieser aus Sicht des M seine Pflichten aus dem Kaufvertrag erfüllen
wollte. Die Leistungsbeziehungen bestehen mithin zwischen B/F und F/M. Grundsätzlich
läge somit eine Leistung der Bank an F vor. Hiervon wird jedoch im vorliegenden Fall
aufgrund der Geschäftsunfähigkeit des F eine Ausnahme gemacht. Nach ganz h. M. muss
sich der Angewiesene in seinem solchen Fall (hier die B) hier direkt an den Empfänger
wenden. Ein Anspruch gegen den scheinbar Anweisenden steht ihm nicht zu.
Der Ausschluss eines Anspruchs gegen den scheinbar Anweisenden wird vor allem damit
begründet, dass ihm die Zahlung (EUR 7.000 an M) nicht als seine Leistung zugerechnet
werden kann, wenn er diese mangels wirksamer Weisung nicht veranlasst hat.
Der Unterschied zu den Fällen der anfänglich wirksamen und nachträglich widerrufenen
Weisung liegt darin, dass hier nie eine wirksame Tilgungsbestimmung vorlag. Folglich hat
der Anweisende auch keinen Rechtsschein gesetzt, auf den der Empfänger vertrauen dürfte.
Mit der Lehre vom Empfängerhorizont gesagt: es liegt keine Tilgungsbestimmung vor, die
aus Sicht des Empfängers auslegbar wäre. Dementsprechend hat der BGH im Fall der
Anweisung eines Geschäftsunfähigen einen Bereicherungsanspruch der Bank gegen den
Geschäftsunfähigen verneint. Statt eines Anspruchs gegen den scheinbar Anweisenden hat
der Angewiesene aber einen Anspruch gegen den Empfänger. Dieser folgt nicht aus
Leistungskondiktion, da der Angewiesene keinen Leistungszweck gegenüber dem
Empfänger verfolgt, sondern an den scheinbar Anweisenden leisten wolle. Der Anspruch
folgt vielmehr aus Nichtleistungskondiktion, § 812 Abs. 1, S. 1 Alt. 2 BGB. Der Vorrang
der Leistungsbeziehung steht dem nicht entgegen, da mangels zurechenbarer
Zweckbestimmung (s. oben) keine Leistungsbeziehung zwischen dem Empfänger und dem
scheinbar Anweisenden besteht.
c)
Zwischenergebnis
Ein Anspruch der B gegen F scheidet aus. Die Bank muss sich hier an den M wenden und
bei diesem die EUR 7.000,00 kondizieren. Die Bank hat etwas (EUR 7.000,00) in sonstiger
Weise (kein Vorrang der Leistungskondiktion) und ohne Rechtsgrund (zwischen B und M
besteht kein Rechtsgrund) erlangt.
10. Fall – schon wieder Schulden….
Nach all dem Missgeschick kommt es für F „immer dicker.“ Eines Tages meldet sich sein Vater (V)
und teilt F mit, dass er die Ratschläge seines Sohnes nach der ersten Schuldensanierung nicht
befolgt hat. Es hat sich erneut ein nicht unerheblicher Berg an Schulden angehäuft. Den genauen
Überblick hat der Vater aber mittlerweile verloren. F ist diesmal zunächst nicht gewollt, die
Schulden seines Vaters zu begleichen. Aus lauter Frust begibt sich F noch am selben Abend zu
einem Umtrunk auf den Weihnachtsmarkt, wo er auf den Vermieter (H) seines Vaters trifft. Dieser
teilte dem F mit, dass sein Vater derzeit EUR 1.000,00 Mietschulden habe. In Erinnerung an eine
schöne Jugend zahlt der F dem Vermieter H das Geld in Bar. Was F und H nicht wissen ist, dass der
V am Tage zuvor die Schulden bereits selber an den H überwiesen hatte.
Noch am selben Tag ereilt F der nächste Schock. Sein Vater teilt ihm mit, dass das Grundstück des
F, das noch dem Vater gehört und das F von diesem gepachtet hatte mit einer Hypothek belastet ist
und der Hypothekengläubiger (U) ihn gerade auf Duldung der Zwangsvollstreckung verklagt. Der F
gerät in Panik, da er befürchtet, bei einer Zwangsversteigerung sein Recht einzubüßen und bezahlt
dem U deshalb die Schulden in Höhe von EUR 100.000,00. Kurz darauf stellt sich heraus, dass
aufgrund der damaligen Geschäftsunfähigkeit die Hypothekenforderung nie bestand. F ist fix und
fertig. Sind jetzt etwas EUR 101.000,00 weg oder kann er sich an H und U halten?
Lösung Fall 10
I.
F gegen H gem. § 812 Abs. 1 Satz.1 1.Variante BGB
F könnte gegen H einen Anspruch auf Rückzahlung der EUR 1.000,00 gem. § 812 Abs. 1
Satz 1 1.Variante BGB haben.
1.
Etwas erlangt
Zunächst müsste H etwas i.S.d. § 812 BGB erlangt habe. Hierunter versteht man jeden
vermögensrechtlichen Vorteil. Durch die “Übergabe” der EUR 1.000,00 hat der H das
Eigentum und den Besitz an dem Geld erlangt. Mithin etwas i.S.d. § 812 BGB.
2.
durch Leistung
Ferner müsste der H das Geld auch durch Leistung des F erlangt habe. Als Leistung
bezeichnet man jede bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Ob
bei einer Leistung eines Dritten auf eine vermeintlich fremde Schuld eine “Leistung” i.S.d
§ 812 BGB an den Empfänger vorliegt, ist umstritten.
a)
Erste Ansicht
Teilweise wird eine Leistung des Zahlenden an den Empfänger angenommen, da dieser dem
Empfänger gegenüber als Dritter i.S.d. § 267 BGB aufgetreten ist und einen eigenen
Leistungszweck gegenüber dem Dritten verfolgt. Geht man mit dieser Ansicht davon aus, so
wäre der Anspruch des F gegen U gegeben.
b)
zweite Ansicht
Nach anderer Ansicht wird eine Leistung des gem. § 267 BGB zahlenden Dritten an den
vermeintlichen Gläubiger verneint und nur eine Kondiktion beim “Scheinschuldner”
zugelassen. Die Zuwendungen an den vermeintlichen Gläubiger enthalte zwei Leistungen,
von denen eine die Erfüllung der vermeintlichen Schuld bezwecke, die andere einen
Schenkungszweck des Dritten im Verhältnis zum Scheinschuldner verfolge. An keinen der
beiden Leistungsverhältnisse sei der Dritte und der Zuwendungsempfänger zugleich
beteiligt. Außerdem verfolge der Dritte in diesem Fällen regelmäßig nur einen Zweck
gegenüber dem vermeintlichen Schuldner. Dies solle darin liegen, dass der Zahlende mit
dem Ziel leiste, gegen den vermeintlichen Schuldner einen Anspruch aus GoA zu erlangen.
Nach dieser Ansicht wäre Anspruch des F gegen U im Wege der Leistungskondiktion nicht
gegeben.
c)
dritte Ansicht
Nach h.M. ist hingegen zu differenzieren, ob der vermeintliche Schuldner die Zahlung
veranlasst hat. Hat er dies, sollen Leistungsbeziehungen zwischen dem Dritten und dem
Schuldner sowie zwischen Schuldner und Gläubiger gegeben sein und es ist in diesem
Verhältnis zu kondizieren. Hat der Schuldner die Leistung nicht veranlasst -wie im
vorliegenden Fall-, dann fehlt es an einem Interesse des V an der Zahlung, da er nichts mehr
schuldet - soll der Dritte selbst als Leistender anzusehen sein. Nach dieser Ansicht könnte
der F sich hier im Wege der Leistungskondiktion direkt an H wenden.
d)
Stellungnahme
Für die erste Ansicht spricht, dass der Zahlende nur gegenüber dem vermeintlichen
Schuldner einen eigenen Zweck verfolgt. Er leistet nämlich nur aus dem Grund, einen
Ausgleichanspruch
gegen
den
vermeintlichen
Schuldner
nach
den
Regeln
der
Geschäftsführung ohne Auftrag zu erhalten. Für die h.M. spricht jedoch, dass es im
Verhältnis zu dem vermeintlichen Schuldner an einer für die Leistung erforderlichen
Finalität fehlt. Bezweckt der Dritte mit seiner Zahlung die Tilgung einer fremden Schuld, so
handelt er dabei aus eigenem Antrieb und bestimmt den Leistungszweck, indem er als
Dritter i.S.d § 267 BGB auftritt, selbst. Er verfolgt also gegenüber dem Gläubiger einen
eigenen Leistungszweck. War dieser zum Zweitpunkt für den Empfänger erkennbar, besteht
zwischen dem Dritten und dem Empfänger ein Leistungsverhältnis. Rechtsgrund für diese
Leistung sollte die Schuld des Schuldners gegenüber dem Empfänger sein. Aus diesem
Grund ist von einer Leistung des F an H auszugehen.
3.
Ohne Rechtsgrund
Die Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund, da die Forderung nicht mehr bestand. Mithin hat F
gegen H einen Anspruch auf Rückzahlung der EUR 1.000,00.
II.
F gegen U gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Variante BGB
F könnte gegen U einen Anspruch auf Rückzahlung der EUR 1.000,00 gem. § 812 Abs. 1
Satz 1 1.Variante BGB haben.
1.
etwas erlangt
Zunächst müsste U etwas i.S.d. § 812 BGB erlangt habe. Hierunter versteht man jeden
vermögensrechtlichen Vorteil. Durch die “Übergabe” der EUR 100.000,00 hat der U das
Eigentum und den Besitz an dem Geld erlangt; mithin etwas i.S.d. § 812 BGB.
2.
durch Leistung
F müsste an U geleistet haben. Hierunter versteht man die bewusste und zweckgerichtete
Vermehrung fremden Vermögens. F hatte ein Ablösungsrecht aus §§ 1150, 268 I 2 BGB.
§ 1150 BGB setzt nur voraus, dass der Hypothekengläubiger Befriedigung aus dem
Grundstück verlangt. F war Besitzers des Grundstücks und konnte im Falle der
Zwangsversteigerung den Pachtbesitz verlieren, § 57a S.1 ZVG. Er hat deshalb erkennbar
als Dritter die Schuld des V bezahlt, §§ 267 Abs. 1, 268 Abs. 1 Satz 2, 1150 BGB. Mit der
Zahlung hat er ein eigenes Recht ausgeübt, 268 Abs. 1 BGB. Die Rechtsfolge der Ausübung
eines Ablösungsrechts ist nicht, wie sonst bei der Erfüllung fremder Verbindlichkeiten, das
Erlöschen der Schuld (§§ 267, 268), sondern der Übergang der Forderung auf den
Ablösungsberechtigten nach § 268 Abs. 3 Satz 1 BGB. Deshalb verfolgt der Ablösende in
diesen Fällen in erster Linie einen eigenen Leistungszweck im Verhältnis zum Empfänger.
Leistungszweck ist die Verhinderung der Zwangsvollstreckung und der Erwerb der
Forderung. P hat damit an U geleistet.
3.
Ohne Rechtsgrund
Ferner müsste die Leistung auch ohne Rechtsgrund erfolgt sein. V haftet dem U in Wahrheit
nicht aus der Hypothek. Sie ist nicht wirksam entstanden, weil die zu sichernde Forderung
nicht bestand §§ 1113, 1163 Abs. 1 Satz 1, 1177 BGB. Dem V stand eine
Eigentümergrundschuld zu. Da U tatsächlich keine Befriedigung aus dem Grundstück
verlangen konnte, ist der Leistungszweck (Ablösung) des V fehlgeschlagen. F hat ohne
Rechtsgrund geleistet.
11. Fall – ein paar Jahre später
Nach erfolgreichem Jura Studium ist F jetzt Fachanwalt für das Bereicherungsrecht. Eines Tages
erfährt er von einem Fall in den sein damaliger Freund H verwickelt ist. Dem liegt folgender
Sachverhalt zu Grunde:
Der H schloss im Jahr 2000 mit der Versicherungsagentur (V) einen Feuerversicherungsvertrag.
Wegen eines im Mai 2002 entstandenen Brandschadens, bei dem die Halle und ein Warenlager des
H zerstört wurden nahm der H die V vor dem Landgericht Hamburg in Anspruch. Die V weigerte
sich zunächst, den mit etwa EUR 2.000.000,00 behaupteten Schaden des H zu regulieren, weil sie
vermutete, H habe zu dem Brand angestiftet.
Noch im gleichen Monat, während des laufenden Prozesses, gewährte der Fahrradhersteller B, von
dem der H laufend Waren bezog, diesem einen Kredit in Höhe von EUR 2.000.000,00. Als
Sicherheit trat H dem B alle ihm gegen die V zustehenden Ansprüche ab. Die Abtretungen wurden
der V mitgeteilt. Diese erklärte sich einverstanden. Als der H seinen Verpflichtungen dem B
gegenüber nicht nachkam, wandte dieser sich an die V. Diese berief sich darauf, nicht
leistungspflichtig zu sein, und wies auf die von H erhobene Deckungsklage vor dem Landgericht
hin. Sie stellte dem B aber Zahlungen für den Fall in Aussicht, dass sie rechtskräftig zur Zahlung
aus dem Brand verurteilt werde. Durch Urteil vom 12.12.2006 gab das Landgericht Hamburg der
Deckungsklage des H statt. Daraufhin zahlte die V die Summe in Höhe von EUR 2.000.000,00 an
den B aus. Im März 2007 wurde über das Vermögen der Firma des H das Insolvenzverfahren
eröffnet. Hierbei geriet der H ins Visier der Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft erstreckten sich auch auf die Ursachen des Brandes im Mai 2002. H wurde
schließlich im Jahre 2009 rechtskräftig wegen vorsätzlicher Brandstiftung in Tateinheit mit
Versicherungsbetrug und wegen anderer Delikte zu einer längeren Freiheitsstrafe verurteilt. Die V
verlangt nun von der B die Rückzahlung der an sie überwiesene Versicherungssumme, weil sich
herausgestellt habe, dass H seinerzeit einen Geschäftsfreund angestiftet hatte, den Brand in der
Fabrikhalle zu legen. Demgemäß habe H das Urteil des Landgerichts Hamburg mit falschen
Behauptungen erschlichen. Die B meint, die V müsse sich wegen dieser Ansprüche an H halten.
Wie ist die Rechtslage?
Lösung Fall 11
I.
Anspruch der V gegen B gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Variante BGB
Die V könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten EUR 2.000.000,00
gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 1.Variante BGB haben.
1.
etwas erlangt
Zunächst müsste B etwas erlangt haben. Es kann hier davon ausgegangen werden, dass die
V der B die Summe auf das Girokonto überwiesen hat, so dass B einen
Auszahlungsanspruch gegen seine Bank erlangt hat; mithin etwas i.S.d § 812 BGB.
2.
durch Leistung
Ferner müsste die V auch an B geleistet haben. Unter Leistung versteht man jede bewusste
und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Durch die erfolgte Abtretung des
Anspruchs des H gegen die V, war diese alleinige Anspruchsinhaberin, so dass Zweck der
Zahlung der V allein die Tilgung dieser Verbindlichkeit war. Mithin hat die V an B geleistet.
Fraglich ist jedoch, ob hier nicht eine Ausnahmekonstellation vorliegen könnte und die V
sich trotz vorliegen einer Leistung nicht an den B halten kann. Leistet der vermeintliche
Schuldner auf eine in Wahrheit nicht bestehende Forderung, kann er das Geleistete vom
Gläubiger kondizieren (condictio indebiti), wenn er die Leistung nicht in Kenntnis der
wahren Sachlage erbracht hatte (§ 814 BGB).
Umstritten ist jedoch, von wem der Schuldner in solchen Fällen die Leistung zurückfordern
kann, wenn der vermeintliche Gläubiger die Forderung abgetreten hatte und der Schuldner
demgemäß an den Abtretungsempfänger (Zessionar) gezahlt hat.
a)
erste Ansicht
Eine Ansicht vertritt, dass sich der Bereicherungsanspruch des Leistenden in einem solchem
Fall unmittelbar gegen den Zessionar als Leistungsempfänger richtet. Dieser sei aufgrund
der Abtretung vollständig in die Rechtsstellung des Gläubigers eingerückt. Mithin käme ein
Anspruch aus Leistungskondiktion in Betracht.
b)
herrschende Meinung und Rechtsprechung
Nach anderer Ansicht ist die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung in einem derartigen
Dreiecksverhältnis so vorzunehmen, als habe der Schuldner an den Zedenten gezahlt und
dieser die Zahlung an den Zessionar weitergegeben; eine so genannte Durchgriffskondiktion
des Schuldners unmittelbar gegen den Zessionar findet danach nicht statt. Nach dieser
Ansicht käme eine Leistungskondiktion der V gegen B nicht in Betracht.
c)
Stellungnahme
Fraglich ist, welcher Ansicht hier gefolgt werden kann. Für die letztere Ansicht, der auch der
BGH folgt, ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass das Bereicherungsrecht in besonderem
Maße eine wirtschaftliche und nicht rechtsformale Betrachtungsweise gebietet. Danach
verbietet sich bei der bereicherungsrechtlichen Behandlung von Vorgängen, an denen mehr
als zwei Personen beteiligt sind, jede schematische Lösung. Vielmehr sind in erste Linie die
Besonderheiten des einzelnen Falles für die sachgerechte bereicherungsrechtliche
Abwicklung zu beachten. Entscheidend ist, welchen Zweck die Beteiligten nach ihrem zum
Ausdruck gekommenen Willen verfolgt haben. Danach richtet sich auch die einer
Zuwendung gegebene Zweckbestimmung, die wiederum für das Leistungsverhältnis
maßgebend ist, innerhalb dessen der bereicherungsrechtliche Ausgleich zu suchen ist.
Danach ist nach Ansicht der h.M. festzustellen, dass die V den H als ihren Vertragspartner
in Anspruch nehmen muss. Es liegen keine Gründe vor, die es rechtfertigen könnten, dass
die V sich ausnahmsweise an die B halten kann. Für die Beurteilung, wer bei Vorgängen, an
denen mehrere Personen beteiligt sind, bereicherungsrechtlich als Leistender und wer als
Leistungsempfänger zu gelten hat, kommt es auf die mit der Leistung verbundene
Zweckbestimmung an. Nach der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des BGH ist unter
Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB eine bewusste und zweckgerichtete Vermehrung
fremden Vermögens zu verstehen, wobei sich die jeweilige Zweckrichtung nach dem
Parteiwillen bestimmt. Dabei ist eine objektive Betrachtungsweise aus der Sicht des
Zahlungsempfängers geboten, falls dessen und des Zuwendenden Zweckvorstellungen nicht
übereinstimmen. Decken sich hingegen die Vorstellungen der Beteiligten, so wird damit die
Zweckrichtung einer Zuwendung - die Leistung im bereicherungsrechtlichen Sinn bestimmt. Aus der Sicht des B hat die V mit ihren Zahlungen zweifellos ihre
Versicherungsleistung an ihren Versicherungsnehmer H erbracht, während dieser zugleich
den ihm seitens der V gewährten Kredit zurückgeführt hat. Eine abweichende Vorstellung
der V ist nicht ersichtlich. Dieser Ansicht ist unter den Gesichtspunkten der Risikoverteilung
und des Vertrauensschutzes zuzustimmen. Zwar würde die V wirtschaftlich leer ausgehen,
wenn sie auf die Inanspruchnahme des insolventen H verwiesen wird. Die rechtliche
Beurteilung hat sich hiervon jedoch freizuhalten, denn es beruht auf Zufall, ob einer von
mehreren in Betracht kommenden Herausgabeschuldnern und gegebenenfalls welcher
zahlungsunfähig wird. Von Bedeutung kann insoweit nur sein, ob die V als Versicherer das
Risiko der Insolvenz ihres Versicherungsnehmers zu tragen hat, wenn sie die Herausgabe
einer Versicherungsleistung verlangt, die sie ohne Kenntnis eines ihre Leistungsfreiheit
begründenden Tatbestandes ausgezahlt hatte. Diese Frage ist zu bejahen. Die Übernahme
des Versicherungsschutzes gegen Brandschaden in der hier vorliegenden Größenordnung ist
kein Massengeschäft des täglichen Lebens. Sie erfordert neben der Einschätzung der
allgemeinen Risiken eines Versicherungsfalles, die sich in der Prämienhöhe ausdrücken,
auch die Prüfung der Vertrauenswürdigkeit des Vertragspartners. Der Grundsatz von Treu
und Glauben beherrscht ohnehin ein solches Versicherungsverhältnis stärker als viele andere
Vertragsverhältnisse. Auch durch die Auszahlung einer Versicherungsleistung gewährt der
Versicherer seinem Versicherungsnehmer das Vertrauen, dass die Forderung zu Recht
geltend gemacht worden ist und kein Fall vorliegt, der den Versicherer nach den
Vertragsbedingungen berechtigen würde, den Versicherungsschutz zu versagen. Das
rechtfertigt es, dem Versicherer das Risiko der Insolvenz des Versicherungsnehmers
aufzubürden, wenn sich später herausstellt, dass dieses Vertrauen nicht gerechtfertigt war.
An dieser Beurteilung ändert sich grundsätzlich auch dann nichts, wenn der Versicherer wie
im vorliegenden Fall die in Frage stehende Versicherungsleistung erst erbracht hat, nachdem
er zum Ersatz eines (anderen) Teiles des eingetretenen Schadens verurteilt worden war.
An der Risikozuordnung kann es nichts ändern, wenn der Versicherungsnehmer seine
(behauptete) Forderung ganz oder teilweise zur Absicherung eines Kredites einem Gläubiger
abtritt.
Mithin kommt ein Anspruch der V gegen B nicht in Betracht.
3.
Ergebnis
V hat keinen Anspruch gegen B auf Rückzahlung der gezahlten EUR 2.000.000,00 aus §
812 Abs. 1 Satz 1 1.Variante. V muss sich hier an H halten, der durch die Zahlung an B von
einer Verbindlichkeit befreit wurde.
12. Fall – der Porsche…
Nach den neusten Vorkommnissen sitzen F und H in der Folgezeit wieder des Öfteren zusammen.
Dabei erzählt H dem F, dass er gerade auch noch vor dem Landgericht Kiel auf Zahlung in Höhe
von EUR 100.000,00 verklagt werde. Kläger sei G. Dieser sei zu früherer Zeit sehr vermögend
gewesen und deswegen ein guter Freund seines Vaters (V). Aus diesem Grund habe G seinem Vater
vor ca. drei Jahren auch ein Sparbuch mit einem Guthaben von EUR 100.000,00 ohne
Gegenleistung überlassen. Von diesem Geld habe der Vater den Porsche gekauft und dem H
zukommen lassen. Zunächst habe man sich über eine Gegenleistung unterhalten. Der Vater habe
jedoch darauf bestanden, dass der H nichts zahlen solle. Im Laufe der Zeit liefen die Geschäfte des
G jedoch aufgrund zunehmender Demenz schlechter. Ferner sei es mit der Gesundheit soweit
gekommen, dass ein Umzug in ein Pflegeheim nötig war, um eine angemessene Betreuung zu
ermöglichen. G behaupte vor Gericht, dass er nicht mehr in der Lage sei den anstehenden Umzug
finanziell „zu leisten“. Deswegen benötige er von H das Geld wieder was er seiner Zeit dem V
geschenkt habe. Nur so sei ein Umzug zu finanzieren. H will auf keinen Fall zahlen. Wenn
überhaupt will er den Porsche herausgeben.
F überlegt kurz und teilt dem H mit, dass…?
Lösung Fall 12
I.
Anspruch des G gegen H gem. § 822 BGB
G könnte gegen H einen Anspruch aus Herausgabe von EUR 100.000,00 gem. § 822 BGB
haben.
1.
Dinglich wirksamer, aber rechtsgrundloser Ersterwerb
a)
wirksamer Schenkungsvertrag gem. § 516 BGB
Zunächst müsste ein dinglich wirksamer, aber rechtsgrundloser Vorerwerb des V vorliegen.
Fraglich ist somit, ob V nach der Übergabe der EUR 100.000,00 durch G einem
Kondiktionsanspruch seitens der G ausgesetzt war. Bei dem zu Grunde liegenden
Rechtsverhältnis handelt es sich um eine Schenkung i.S.d. § 516 BGB. Beide Parteien haben
sich darüber geeinigt, dass an H EUR 100.000,00 übertragen werden. Eine Schenkung
i.S.d. § 516 I BGB liegt darin aber nur, wenn diese Zuwendung unentgeltlich erfolgen sollte.
Das ist der Fall, wenn sie nicht von einer Gegenleistung abhängig ist. Die Zuwendung an V
war hier ohne Gegenleistung vereinbart. Fraglich ist jedoch, ob die Schenkung wirksam war.
Ein Schenkungsversprechen ist gemäß § 518 I BGB nur wirksam, wenn es der notariellen
Form genügt. Allerdings findet die Vorschrift keine Anwendung, wenn es sich
um eine sog. Hand- oder Realschenkung handelt oder der nach § 518 Abs. 2 BGB
erforderliche Vollzug der Schenkung erfolgte. Dies war mit der Überlassung der EUR
100.000,- € der Fall. Mithin lag ein Rechtsgrund für die Leistung vor. Ein
Kondiktionsanspruch bestand nicht. Unter diesem Gesichtspunkt scheidet der Anspruch
mithin aus.
b)
Notbedarf des Schenkers gem. § 528 I 1 BGB i.V.m. 812 ff. BGB
Fraglich ist jedoch, ob hier nicht ein Anspruch des V aus §§ 528 BGB i.V.m. 812 ff BGB in
Betracht kommen könnte.
Die Regelung des § 528 Abs.1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass der Schenker nach vollzogener
Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Der angemessene
Unterhalt richtet sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (§ 1610 I BGB). Umfasst
sind neben den Kosten für Ernährung, Kleidung und ärztliche Versorgung auch solche für
die Unterbringung in einer den Bedürfnissen des Schenkers entsprechenden Wohnung.
Auch anfallende Pflegekosten sind solche, die dem angemessenen Unterhalt hinzuzurechnen
sind. Unangemessen wären die hier entstandenen Kosten für die altersgerechte Wohnung
nur, wenn für den Umzug kein sachlicher Anlass bestand. Beruhte der Umzug in das Heim
angesichts der weiter bestehenden Wohnmöglichkeit in der Einliegerwohnung auf dem
freien Entschluss von G, ihre Lebensumstände zu ändern, ohne dass dazu eine
Notwendigkeit bestand, können die sich aus dieser Änderung ergebenden
Mehraufwendungen schon nicht zur Begründung des Notbedarfs herangezogen werden. Der
Schenker handelt auf eigenes Risiko, wenn er ohne Notwendigkeit in eine teurere Wohnung
umzieht. Laut Sachverhalt war der Umzug jedoch aufgrund der Errankung nötig. Ohne den
Umzug in die alters- und pflegegerechte Wohnung wäre eine fachgemäße Pflege nicht
möglich. Auch der Umzug war mithin sachlich veranlasst. Da der G nicht mehr in der Lage
ist, alle genannten notwendigen Kosten selbst zu tragen liegt ein Notbedarf vor. Ein
Anspruch aus § 528 I BGB besteht nur, wenn der Notbedarf nicht bereits vor der Schenkung
bestand. G wurde erst nach der Schenkung bedürftig.
c)
Ausschluss einer Rückforderung nach § 529 BGB
Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn der Schenker die Bedürftigkeit vorsätzlich oder
grob fahrlässig herbeigeführt hat (§ 529 I 1. Fall BGB) oder beim Eintritt der Bedürftigkeit
zehn Jahre seit der Schenkung verstrichen sind (§ 529 I 2. Fall BGB). Für beide
Ausschlusstatbestände sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Mithin bestand ein Anspruch
des G gegen V gem. § 528 i.V.m §§ 812 ff. BGB.
d)
Anwendbarkeit des § 822 BGB
Fraglich ist, ob § 822 BGB im Rahmen der Verweisung in § 528 I 1 BGB überhaupt
anwendbar ist. Die Regelung spricht ausdrücklich vom „Beschenkten“ als Anspruchsgegner,
woraus man schließen könnte, dass die Anwendung des § 822 BGB ausgeschlossen ist,
wenn die Herausgabe von einem Zweitbeschenkten gefordert wird. Ganz überwiegend wird
dieser engen Interpretation nicht gefolgt. Der Dritte ist nicht schutzwürdiger als der
ursprünglich Beschenkte. Letzterer wird aufgrund der Verweisung auf die §§ 812 ff. BGB so
behandelt, als sei der Rechtsgrund der Schenkung weggefallen. Wenn nun aber § 822 darauf
beruht, dass derjenige, der unentgeltlich erlangt, nicht schutzwürdiger ist als der Bereicherte,
kann im Hinblick auf die Verweisung in § 528 I 1 BGB auf das Bereicherungsrecht nichts
anderes gelten.
2.
Zuwendung an einen Dritten
Ferner müsste eine Zuwendung an einen Dritten erfolgt sein. Unter dem Begriff der
Zuwendung versteht man die rechtsgeschäftliche Übertragung. In Betracht kommt die
Übertragung des Eigentums an dem Porsche gem. § 929 S. 1 BGB. V und H waren sich
einig, dass H durch den Erhalt des Porsche Eigentümer werden sollte. Folglich liegt ein
rechtgeschäftlicher Erwerb und somit eine Zuwendung i.S.d. § 822 BGB vor.
3.
Unentgeltlichkeit der Zuwendung
Diese Zuwendung müsste unentgeltlich erfolgt sein. Dies ist der Fall, wenn der Dritte keine
Gegenleistung zu erbringen hat. Vorliegend handelt sich bei der Einigung zwischen V und H
um eine Schenkung i.S.d § 516 BGB. Dabei vereinbarten beide, dass H für den
Eigentumserwerb keine Gegenleistung zu erbringen hat. Durch den Vollzug war die
Schenkung auch wirksam. Mithin liegt eine unentgeltliche Zuwendung vor.
4.
Wegfall des Bereicherungsanspruchs gegen den Zuwendenden
Ferner dürfte der Anspruch des F gegen H gem. § 528 i.V.m. 812 ff. BGB nicht mehr
bestehen. Dies könnte gem. § 818 III BGB der Fall sein. Danach ist die Verpflichtung zur
Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr
bereichert ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der erlangte Gegenstand
weitergegeben worden ist und der Empfänger sich im Zusammenhang mit dem
rechtsgrundlosen Erwerb nicht noch vorhandene Vermögensvorteile geschaffen hat.
Durch die unentgeltliche Zuwendung des Porsche an H hat V sich keinerlei
Vermögensvorteile verschafft. Mithin ist er gem. § 818 III BGB entreichert. Der Anspruch
des F gegen H besteht nicht mehr.
5.
Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten gem. § 822 BGB
Fraglich ist, was der H herausgeben muss. Im Mittelpunkt der vorliegenden Entscheidung
steht die sich an diese Surrogationsproblematik anschließende Frage des Inhalts des
Bereicherungsanspruchs.
Nach Ansicht des BGH schuldet der Empfänger grundsätzlich das, was der primäre
Bereicherungsschuldner vor seiner Entlastung nach § 818 III BGB geschuldet hat. Da
rechtsgeschäftliche Surrogate nach Ansicht des BGH (in Übereinstimmung mit der h.M. in
der Lit.) nicht unter § 818 I BGB fallen, hätte der Vater des H vor Zuwendung des mit den
erhaltenen Mitteln angeschafften Pkw an den H nicht etwa Herausgabe des Pkw, sondern
nach § 818 II BGB Wertersatz für das dafür aufgewendete Sparguthaben und damit
wiederum Geld geschuldet. Dies schulde grundsätzlich auch der H. Nach dieser Ansicht ist
folgerichtig auch eine aus § 818 I BGB resultierende Verpflichtung zum Ersatz von aus dem
Pkw gezogenen Nutzungen ausgeschlossen, weil schon dieser selbst nicht Gegenstand der
Bereicherung ist. Nach Ansicht des BGH sei dem Schuldner jedoch das Recht
„zuzubilligen“, sich „durch Herausgabe des ihm zugewendeten Gegenstandes zu befreien“,
denn es dürfe „nicht unberücksichtigt bleiben, wenn dem Dritten der Wert nicht als
Geldbetrag, sondern in Form einer Sache oder eines Rechts zugewendet worden ist“.
Dadurch werde einerseits vermieden, dass der Gläubiger einen Anspruch auf Herausgabe
einer Sache erhalte, die der Dritte nicht von ihm bekommen habe, während der Dritte
zugleich nicht über das hinaus verpflichtet werde, was ihm tatsächlich zugeflossen ist.
Nach anderer Ansicht besteht geradewegs nur ein Anspruch auf Herausgabe des PKW,
denn es sei unbillig, wenn man rechtsgeschäftliche Surrogate nicht unter § 818 I BGB
subsumieren wolle, wohl aber § 822 BGB auf solche anwendet. Dies führe dazu, dass beim
primären Bereicherungsschuldner ein anderer Bereicherungsgegenstand vorliegt, als beim
mit dem Surrogat beschenkten Dritten. Wenn man aber § 822 BGB auch anwendet, wenn
der Dritte vom primären Bereicherungsschuldner nicht den Bereicherungsgegenstand,
sondern ein rechtsgeschäftliches Surrogat erhalten hat, dann müsse man auch den Wortlaut
dieser Norm anwenden. Dieser besage gerade nicht, dass der Beschenkte das schuldet, was
der primäre Bereicherungsschuldner schuldete, sondern, dass der Beschenkte zur
Herausgabe verpflichtet ist, „wie wenn er die Zuwendung (d.h. diejenige des primären
Bereicherungsschuldners an ihn!) von dem Gläubiger ohne rechtlichen Grund erhalten
hätte“. Gegenstand dieser Zuwendung ist aber ganz unzweifelhaft das Surrogat selbst und
nicht das vom primären Bereicherungsschuldner Erlangte bzw. dessen Wert. Damit seien die
Dinge richtigerweise genau umgekehrt zu sehen, als der BGH dies tut. Der Dritte schuldet
grundsätzlich Herausgabe des erhaltenen Surrogats einschließlich gezogener Nutzungen,
wobei insoweit im Rahmen von § 818 III BGB der Wert der Nutzungen u.U. nach den
Grundsätzen der „aufgedrängten Bereicherung“ zu relativieren sei. Weitergabe eines
Surrogats nach § 818 III BGB von der Leistungspflicht befreit wäre. Mehr darf der
Gläubiger redlicherweise nicht erwarten.
13. Fall - das Mofa…
F hat Mitleid mit dem H und leiht diesem daher sein altes Mofa im Werte von EUR 200,00 damit
dieser eine Sommerreise „in den Süden“ unternehmen kann. Nach drei Wochen „on the road“ hat H
wegen des sich verschlechternden Wetters keine Lust mehr, von München, dem Endpunkt seiner
Reise, mit dem Mofa zurückzufahren. Er plant eine Rückreise mit der Bahn, wofür er als Fahrgeld €
130,- benötigt. Weil sein Geld dafür nicht mehr ausreicht, beschließt er, das Mofa dem
interessierten K. Ohf (K), dem gegenüber er sich als Eigentümer ausgibt, für EUR 200,00 zu
verkaufen. Es gelingt dem H auch, den angesichts des Alters des Fahrzeugs mit dem Kauf noch ein
wenig zögernden K durch eine diesen dann überzeugende technische Inspektion, für die der H EUR
70,00 zu zahlen hatte, zu überzeugen. Der K, der keinen Anlass hat, am Eigentum des H zu
zweifeln, kauft das Mofa; und der H übergibt und übereignet es ihm gegen Zahlung von EUR
200,00. Mit dem Geld bezahlt der H die Werkstatt und kauft sich eine Fahrkarte, mit der er nach
Hause fährt. Kann F von H Zahlung von EUR 200,00 verlangen?
Abwandlung
Wie wäre es, wenn der F dem H das Mofa, das nur EUR 150,00 Wert ist, nicht überlassen hätte, der
H es aber einfach an sich genommen und die Reise angetreten hätte und es unter den genannten
Begleitumständen an den K für von diesem gezahlte EUR 200,00 übergeben und übereignet hätte
und wenn der K es dann alsbald für vom Käufer gezahlte EUR 250,00 an einen gewissen X. Afer
(X), der keinen Anlass hatte, am Eigentum des K zu zweifeln, verkauft und übergeben und
übereignet hätte. Kann F, der den X nicht auffinden kann, von K Zahlung von EUR 250,00
verlangen? Der K wendet u.a. ein, dass er selbst EUR 200,00 für das Mofa an den H gezahlt habe.
Lösung
I.
Anspruch des F gegen H gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283, 249 Abs. 2 BGB
Der F könnte gegen H einen Anspruch auf Schadensersatz haben. Hierzu bedarf es zunächst
eines Schuldverhältnisses. Dies ist durch den Leihvertrag gem. § 598 BGB gegeben. Ferner
müsste der L eine Pflicht aus dem Vertrag verletzt haben. Gem. § 604 BGB ist der Entleiher
verpflichtet, den geliehenen Gegenstand nach Beendigung des Vertrags zurückzugeben.
Durch den Verkauf des Fahrzeugs an den K ist ihm dies unmöglich geworden, so dass er
dem E den entstandenen Schaden zu ersetzten hat. Ein Anspruch gem. §§ 280 Abs. 1, Abs.
3, 283, 249 Abs. 2 BGB besteht mithin in Höhe von EUR 200,00.
II.
Anspruch des F gegen H gem. §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 667, 249 Abs. 2 BGB
Ferner besteht eine Anspruch des F gegen H gem. §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB auf
Herausgabe des aus der Geschäftsbesorgung Erlangten in Höhe von EUR 200,00.
III.
Anspruch des F gegen H gem. §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1 BGB
Auch dieser Anspruch ist gegeben. Durch wie Veräußerung fremden Eigentums liegt eine
Rechtsgutverletzung vor. Diese führte auch kausal zu dem Schaden in Höhe von EUR
200,00.
IV.
Anspruch des F gegen H gem. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
1.
Nichtberechtiger
H müsste zunächst Nichtberechtigter i.S.d § 816 BGB gewesen sein. Nicht berechtigt ist,
wer weder Eigentümer einer Sache ist, noch durch den Eigentümer ermächtigt ist.
Vorliegend ist der H weder Eigentümer, noch ist er von dem F ermächtigt worden, die Sache
an den K zu veräußern. Mithin war der H Nichtberechtigter i.S.d § 816 BGB.
2.
Verfügung
Ferner müsste der H eine Verfügung getätigt haben. Als Verfügung bezeichnet man ein
Rechtsgeschäft, das unmittelbar auf die Veränderung, Übertragung oder Aufhebung eines
bestehenden Rechts gerichtet ist.
Anmerkung:
Die nur schuldrechtliche Verpflichtung fällt nicht darunter. Deshalb besteht bei Vermietung
oder Verpachtung fremder Sachen bzw. bei unberechtigter Untervermietung kein Anspruch
auf Herausgabe der Miete bzw. des dadurch erzielten Mehrerlöses.
Im vorliegenden Fall übereignete der H das Fahrzeug an den K gem. § 929 BGB. Ein
bestehendes Recht wird somit unmittelbar übertragen. Eine Verfügung liegt vor.
3.
Wirksamkeit der Verfügung
Die Verfügung müsste ferner wirksam gewesen sein. Der H hat hier als Nichtberechtigter
dem K das Eigentum des F übertragen. Aufgrund der Gutgläubigkeit des K war die
Verfügung wirksam, §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB.
4.
Rechtsfolge gem. § 816 BGB
Der H ist zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Dies sind vorliegend die EUR 200,00
aus dem Verkauf des Fahrzeugs. Fraglich ist jedoch, ob der L nicht gem. § 818 Abs. 3 BGB
entreichert sein könnte. Die Zahlung von EUR 70,00 für die Inspektion ist keine
Entreicherung, weil sie nicht aus dem erzielten Kaufpreis bestritten wurde. Fraglich ist, ob
der H in Höhe der EUR 130,00 für die Heimreise entreichert ist. Dies wäre der Fall, wenn
der H durch die Veräußerung noch vorhandene Vermögensvorteile geschaffen hat. Dies ist
dann der Fall, wenn er durch die Verwendung des Erlangten Ausgaben erspart hat, die er
notwendigerweise auch sonst gehabt hätte, d.h. von denen anzunehmen ist, dass sie
ansonsten mit anderen verfügbaren Mitteln getätigt worden wären. Zunächst kann man hier
davon ausgehen, dass der H Aufwendungen für die Heimreise erspart hat. Mithin kommt
eine Entreicherung nicht in Betracht. Ferner war der H bösgläubig, so dass § 818 Abs. 3
BGB gem. §§ 818 Abs. 4, 819 BGB nicht zur Anwendung kommen würde.
5.
Ergebnis
Es besteht ein Anspruch auf Herausgabe von EUR 200,00 gem. § 816 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Lösung Abwandlung
Ansprüche auf Schadensersatz bestehen mangels Verschulden des K nicht. Ferner kommt
auch ein Anspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung nicht in Betracht, das der K
gutgläubig war.
I.
Anspruch des F gegen K gem. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
F könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe von EUR 250,00 gem. § 816 Abs. 1 Satz
1 BGB haben.
1.
Nichtberechtigter
K war als nicht ausnahmsweise zur Übereignung befugter Nichteigentümer ein
Nichtberechtigter i.S.d. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB.
2.
Verfügung
Ferner müsste der K eine Verfügung getätigt haben. Diese ist in der Übereignung des
Fahrzeugs an X zu sehen. Mithin liegt eine Verfügung vor.
3.
Wirksamkeit der Verfügung
Ferner müsste die Verfügung wirksam gewesen sein. Grundsätzlich war der X laut
Sachverhalt beim Erwerb des Fahrzeugs gutgläubig. Gem. § 935 BGB ist kommt ein Erwerb
des Eigentums jedoch dann nicht in Betracht, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen
oder sonst abhanden gekommen ist. Dies ist vorliegend der Fall. Mithin war die Verfügung
nicht wirksam.
Nach h.M kann jedoch in dem Herausgabeverlangen eine Genehmigung der Verfügung
gesehen werden, so dass die Verfügung wirksam ist (§§ 185 Abs. 2 S. 1 1. Fall, 184 Abs. 2
BGB). Dass das Herausgabeverlangen nach § 133 BGB als Genehmigung angesehen werden
muss, ergibt sich daraus, dass der E nur so seinen Anspruch aus Herausgabe des Erlangten
realisieren kann, denn alle anderen Konstruktionen: §§ 985, 285 BGB / §§ 687 Abs. 2, 681
S. 2, 667) führten nicht zum Ergebnis.
4.
Rechtsfolge
Der L ist zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Problematisch ist die Höhe des
Anspruchs. Nach einer Ansicht kann man diesen Anspruch durchaus auf einen bloßen
Wertersatz (€ 150,-) begrenzen, und zwar mit der doppelten Argumentation, dass der
nichtberechtigt Verfügende durch die Wirksamkeit der Verfügung in Wahrheit die Befreiung
aus dem zur Rechtsverschaffung verpflichtenden Kausalgeschäft mit dem Erwerber erlangt
habe, ein nicht herausgebbarer Anspruch, der daher nach § 818 Abs. 2 BGB auf Wertersatz
in Höhe des Wertes des zu verschaffenden Rechtes gerichtet sei. Zusätzlich kann man dieses
Ergebnis damit begründen, dass es nicht angehen könne, den Berechtigten von der
Geschäftstüchtigkeit des Nichtberechtigten profitieren zu lassen. Nach gegenteiliger
herrschender Meinung muss der Nichtberechtigte den ganzen Gewinn herausgeben. Hierfür
spricht zum einen, dass sich das letztere (Gegen-)Argument auch umkehren lässt, indem
man vor dem Hintergrund der Funktion des auf Abschöpfung von Vorteilen gerichteten
Bereicherungsrechts darauf hinweist, dass es nicht angehen könne, einem Nichtberechtigten
den von ihm erzielten Gewinn zu belassen. Außerdem – und das unterstützt diese Sichtweise
– trägt der Berechtigte ja auch das Risiko einer unterwertigen Verfügung. Schließlich ist es
vor allem der Wortlaut des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, der gerade auf das Erlangte“ und nicht
auf den „Wertersatz“ abstellt, wie in § 818 Abs. 2 BGB. Es liegt auch kein Fall vor, in dem
§ 242 BGB den Anspruch auf den gemeinen Wert begrenzt, weil die Genehmigung „nur
zum Abkassieren“ des Übererlöses erklärt wird, denn hier bleibt dem E gar keine andere
Wahl, weil der X unauffindbar ist und E daher nicht aus § 985 BGB gegen ihn vorgehen
kann. Hiernach wären von K die erlangten € 200,- herauszugeben, bzw. (wenn das Geld
ausgegeben etc. ist) in dieser Höhe Wertersatz zu leisten (§ 818 Ans. 2 BGB) zu zahlen, es
sei denn dass der von K an L gezahlte Kaufpreis von € 200,- als Entreicherung nach § 818
Abs. 3 BGB abgesetzt werden könnte. Das ist nicht der Fall, denn der Anspruch aus § 816
Abs. 1 S. 1 BGB ist ein „Rechtsfortsetzungsanspruch“, der an die Stelle des Anspruchs des
E gegen den K aus § 985 BGB getreten ist. Wenn der K das Mofa noch in Besitz gehabt
hätte und E die Herausgabe von K aus § 985 BGB verlangt hätte, dann hätte der K das Mofa
herausgeben müssen, ohne sich auf die Kaufpreiszahlung an L berufen zu können. Nicht
anders kann es daher bei einem Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB sein, der an die Stelle
dieses Anspruchs tretenden Anspruchs aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB tritt.
15. Fall – Der verschwiegene Unfall - EBV
Nach den Vorfällen mit dem Fahrrad und dem Mähdrescher ist die I verzweifelt. Durch die Zahlung
des Schadensersatzes an P ist sie finanziell ruiniert. Deswegen verkauft sie ihren PKW an den
Nachbarn N. Dieser bezahlt das Auto und nimmt es sofort mit. Hierbei verschweigt sie dem N, dass
der Wagen vor einigen Wochen einen schweren Unfall hatte. N bemerkt im Laufe der nächsten
Wochen, dass das Fahrzeug zunehmend vibriert. Bei einer Untersuchung bei einem Händler seines
Vertrauens wird der Schaden entdeckt. Um sich einer eventuellen strafrechtlichen Verfolgung
wegen Betrugs zu entziehen, nimmt I das Auto von N zurück nachdem dieser ihr mitgeteilt hat, sich
von jeglicher rechtlicher Bindung lösen zu wollen, und zahlt ihm den Kaufpreis in bar aus. Ganz
zufrieden ist sie jedoch nicht. I ist der Meinung, dass N ja mit dem Auto gefahren sei und dies
honoriert werden müsse.
Besteht seitens der I ein Anspruch gegen N bzgl. der aufgeworfenen Frage?
Abwandlung:
Was ist, wenn N das Fahrzeug in der Zwischenzeit an seinen Freund P vermietet hätte und der
Mietvertrag unerkannt unwirksam war? Besteht ein Anspruch der I gegen P hinsichtlich der
aufgeworfenen Frage?
Lösung Fall 15
I.
Anspruch der I gegen N gem. §§ 990 I, 987 I BGB
I könnte gegen N einen Anspruch auf Nutzungsersatz für die Zeit haben, in der N mit dem
Auto „unterwegs“ war.
1.
Vindikationslage
Zunächst müsste eine Vindikationslage zum Zeitpunkt der Nutzungsziehung vorgelegen
haben.
a)
Eigentum der I
I müsste zum Zeitpunkt der Nutzung des PKW Eigentümerin gewesen sein. Dies könnte sie
jedoch gem. § 929 S. 1 BGB an N verloren haben. I und N müssten sich somit einig
gewesen sein, dass das Eigentum an den PKW von I auf N übergehen sollte. Ferner müsste I
dem N den PKW übergeben haben. Die Einigung gem. § 929 BGB ist ein dinglicher
Vertrag, auf den grundsätzlich die Regeln des allg. Teils des BGB anwendbar sind. Mithin
bedarf es somit zweier übereinstimmender aufeinander bezogener Willenserklärungen,
wobei dies auch durch schlüssiges Verhalten geschehen kann. Durch die Übergabe des PKW
brachten beide Parteien zum Ausdruck, dass sie sich über den Eigentumsübergang geeinigt
haben. I hat somit das Eigentum an dem PKW verloren.
(1)
Unwirksamkeit der Einigung gem. § 142 BGB
Die Einigung könnte jedoch unwirksam sein. Dies wäre dann der Fall, wenn N ein
Anfechtungsrecht zustehen würde. Hierfür bedarf es zunächst eines Anfechtungsgrundes. In
Betracht kommt hier § 123 BGB.
Dies wäre jedoch nur dann der Fall, wenn ein Irrtum durch eine Täuschung noch bei
Übereignung vorliegen würde.
(aa)
Anfechtungsgrund § 123 BGB
Eine Anfechtungsgrund gem. § 123 BGB liegt vor, wenn N durch eine arglistige Täuschung
der I zur Abgabe seiner Willenserklärung bestimmt worden ist.
Zunächst müsste eine Täuschungshandlung der I vorliegen. In Betracht kommt dabei jedes
Verhalten, durch das Tatsachen vorgespiegelt, entstellt oder unterdrückt werden. Das
Verhalten kann dabei in einer positiven Erregung des Irrtums oder durch Unterlassen der
Aufklärung liegen. I wusste von der mangelnden Unfallfreiheit des Fahrzeugs. Diese
Wesentlichkeit verschwieg sie dem N. Eine aktive Täuschung der I liegt nicht vor. Mithin
kommt als Täuschungshandlung nur das Unterlassen der Aufklärung in Betracht. Das
Verschweigen von Tatsachen kommt jedoch nur dann als Täuschung in Betracht, wenn eine
Aufklärungspflicht besteht, da es grundsätzlich keine allgemeine Pflicht gibt, alle Umstände
zu offenbaren, die für die Entschließungsgründe des anderen Teils von Bedeutung sein
können. Ob eine solche Pflicht besteht, richtet sich grundsätzlich nach § 242 BGB.
Entscheidend soll dabei sein, ob der andere redlicherweise eine Aufklärung erwarten durfte.
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Tatsachen verschwiegen werden, bei denen der
Täuschende weiß, dass sie für den Vertragspartner von wesentlicher Bedeutung sind, weil
sie den Vertragszweck vereiteln können. I wird klar gewesen sein, dass N das Fahrzeug
nicht gekauft hätte, wenn dieser von der mangelnden Unfallfreiheit gewusst hätte. Sie hat
somit eine Tatsache verschwiegen, die für den Vertragspartner, hier den N, von wesentlicher
Bedeutung ist und den Vertragszweck vereitelt hätte. Ferner müsste I arglistig gehandelt
haben. Arglistig ist die Täuschung, wenn sie mit Täuschungswillen vorgenommen worden
ist, wobei bedingter Vorsatz genügt. I wusste um die mangelnde Unfallfreiheit des PKW.
Mithin handelte I vorsätzlich und somit arglistig i.S.d § 123 BGB. Ein Anfechtungsgrund
gem. § 123 BGB besteht somit.
(bb)
Anfechtungserklärung gem. § 143 BGB
Ferner müsste N die Anfechtung auch erklären. Ausreichend ist hierbei, dass das Geleistete
zurückgefordert wird. Vorliegend verlangt N von I die Rückzahlung der 1.000 €. Mithin
liegt eine Anfechtungserklärung vor.
(cc)
Anfechtungsfrist gem. § 124 BGB
Des Weiteren müsste N die Anfechtungsfrist gem. § 124 BGB beachtet haben. Mangels
Angaben kann hiervon ausgegangen werden.
(dd)
Zwischenergebnis
N steht ein Anfechtungsrecht gem. § 123 BGB zu. Mithin ist die Einigung gem. § 142 BGB
als von Anfang an nichtig zu betrachten. Mithin ist I Eigentümerin des PKW zum Zeitpunkt
der Nutzungsziehung.
b)
Besitzer N
N müsste zum Zeitpunkt der Nutzungen auch Besitzer des PKW gewesen sein. N ist mit
dem PKW gefahren. Folglich hatte er die tatsächliche Sachherrschaft über das Fahrzeug und
war infolgedessen unmittelbarer Besitzer i.S.d. § 854 I BGB.
c)
Recht zum Besitz
N dürfte des Weiteren kein Recht zum Besitz gem. § 986 BGB gehabt haben. N hat durch
die erfolgte Anfechtung die Besitzverschaffungspflicht der I aus dem Kaufvertrag ebenfalls
gem. § 142 I BGB rückwirkend beseitigt. Mithin bestand kein Recht zum Besitz gem. § 986
BGB.
2.
Bösgläubigkeit des N
N müsste gem. § 990 I BGB bzgl. seines Besitzes bösgläubig gewesen sein. N hatte im
Zeitpunkt der Nutzung des PKW kein Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von der
Unwirksamkeit des Kaufvertrages und daher auch nicht von seiner fehlenden
Besitzberechtigung. Die Anfechtungserklärung durch ihn erfolgte erst nach der Nutzung des
PKW. Anhaltspunkte dafür, dass N bereits im Zeitpunkt der Nutzung die arglistige
Täuschung der I und damit den Anfechtungsgrund und die Anfechtbarkeit des
Rechtsgeschäfts kannte bzw. kennen musste und somit nach §§ 142 II, 122 I BGB als
bösgläubig anzusehen ist, bestehen nicht. Vielmehr hat er von der Täuschung durch I erst
nach einiger Zeit erfahren.
3.
Ergebnis
Ein Anspruch gem. §§ 990 I, 987 I BGB von I gegen N besteht nicht. Wegen § 993 I a.E
bestehen keine weiteren Ansprüche.
Abwandlung:
I.
Anspruch der I gegen P gem. § 988 BGB
I könnte gegen P einen Anspruch auf Nutzungsersatz gem. § 988 BGB haben.
Anmerkung:
Ein Anspruch auf Nutzungsersatz gem. § 987 BGB kommt aufgrund der fehlenden
Bösgläubigkeit nicht in Betracht. Hinzu kommt, dass etwaige Ansprüche aus dem
Deliktsrecht und dem Bereicherungsrecht gem. § 993 I a.E. BGB gesperrt sind.
1.
Unentgeltliche Erlangung des Besitzes
P müsste zunächst den Besitz an dem PKW unentgeltlich erlangt haben. P war im Besitz des
PKW. Des Weiteren müsste P1 den Besitz unentgeltlich erlangt haben. Zwischen N und P
wurde ein Mietvertrag geschlossen. Aus diesem Grund hat P den Mietpreis an N gezahlt.
Folglich
hat
er
den
Besitz
an
dem
PKW
nicht
unentgeltlich
erlangt.
Ein
Nutzungsersatzanspruch kommt folglich gem. § 988 BGB nicht in Betracht.
2.
Analogie unentgeltlich = rechtsgrundlos?
Fraglich ist, ob in diesem Fall eine analoge Anwendung des § 988 BGB in Betracht kommt.
Dies wird nicht einheitlich beantwortet.
a)
Erste Ansicht
Zum Teil wird eine analoge Anwendung des § 988 BGB auf den rechtsgrundlosen Erwerb
abgelehnt. Nach dieser Ansicht kommt eine direkte Anwendung der §§ 812 ff. BGB
entgegen dem Wortlaut des § 993 I a.E BGB in Betracht.
b)
Zweite Ansicht
Nach der h.M ist der rechtsgrundlose Besitzerwerb dem unentgeltlichen im Rahmen des §
988 BGB gleich zu stellen. Diese Ansicht gelangt hier somit doch zu einem Anspruch aus §
988 BGB.
c)
Stellungnahme
Fraglich ist, welcher Ansicht gefolgt werden kann. Für die erste Ansicht spricht der Gedanke
des Bereicherungsrechts. Danach sind fehlgeschlagene Geschäfte nach den Regeln über die
Leistungskondiktion
abzuwickeln.
Da
dies
ausnahmslos
für
fehlgeschlagene
schuldrechtliche Geschäfte gilt, müssen die Regeln erst recht zur Anwendung kommen,
wenn auch die dingliche Übereignung fehlgeschlagen ist. Die Sperrwirkung des § 993 I a.E.
BGB soll in diesem Fall aufgrund des Wertungswiderspruchs nicht gelten.
Hiergegen wendet die h.M jedoch, dass die §§ 987 ff. BGB geradewegs abschließende
Regelungen darstellen. Ferner besteht ein Wertungswiderspruch, wenn derjenige privilegiert
wird, der eine Sache aufgrund eines nichtigen Kausal- und Verfügungsgeschäfts nutzt. Der
Eigentümer steht in diesem Fall schlechter, als wenn er sein Eigentum durch eine wirksame
Übereignung verloren hätte. Wäre dies der Fall, bestünde ein Anspruch auf Nutzungsersatz
gem. §§ 812 ff. BGB. Aus diesen Gründen soll der h.M. gefolgt werden.
3.
Ergebnis
I hat gegen P einen Anspruch auf Nutzungsersatz gem. § 988 BGB analog.
16. Fall – Das Grundstück - EBV
S verkauft an K sein Grundstück im Stadtteil Hohenfelde. Auf dem Grundstück befindet sich, das
von S erbaute Familienhaus. Nachdem K das Grundstück erworben hat, errichtet dieser direkt neben
dem Haus eine Garage im Wert von 27.000 €. Nach dem Bau tritt der S an den K heran und
verlangt das Grundstück zurück. S war zum Zeitpunkt der Veräußerung geschäftsunfähig. K
verweigert die Herausgabe des Grundstücks, da er befürchtet, keinen Ersatz für die aufgewendeten
Mittel für den Bau der Garage zu erhalten. Er meint, dass ihm ein Zurückbehaltungsrecht zustehe.
Wie ist die Rechtslage?
Lösung Fall 16
I.
Anspruch des S gegen K gem. § 985 BGB
S könnte gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks gem. § 985 BGB haben.
1.
Eigentum des S
Zunächst müsste S Eigentümer des Grundstücks sein. Ursprünglich war S Eigentümer des
Grundstücks. Dieses Eigentum könnte er jedoch durch die Übereignung an K verloren
haben. Diesem steht jedoch entgegen, dass S zum Zeitpunkt der Veräußerung gem. § 104,
105 Abs. 1 BGB geschäftsunfähig war. Die auf die Übereignung des Grundstücks gerichtete
Willenserklärung des S war somit unwirksam. S ist folglich Eigentümer des Grundstücks
geblieben.
Anmerkung:
Durch den Bau der Garage ist der S Eigentümer dieser gem. §§ 946, 93, 94 BGB geworden.
Diese stellt einen wesentlichen Bestandteil des Grundstücks dar.
2.
Besitzer K
K müsste Besitzer des Grundstücks sein. Als Besitz bezeichnet man die vom
Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft. K übt hier die tatsächliche
Sachherrschaft über das Grundstück aus. Mithin ist er unmittelbarer Besitzer dessen.
3.
Recht zum Besitz gem. § 986 BGB
Des Weiteren dürfte K kein Recht zum Besitz haben. Ein Recht zum Besitz des K könnte
sich aus einen etwaigen Zurückbehaltungsrecht ergeben. Unabhängig von der Frage, ob die
Voraussetzungen hier gegeben sind, gibt ein solches Zurückbehaltungsrecht nach der ganz
h.M kein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 BGB. Ei solches Recht begründet allenfalls ein
selbstständiges Gegenrecht. Ein Recht zum Besitz seitens des K besteht somit nicht.
Anmerkung:
Der Anspruch des S gegen K gem. § 985 BGB ist somit entstanden. Ferner ist er nicht
erloschen. Fraglich ist hier allein die Durchsetzbarkeit
4.
Durchsetzbarkeit des Anspruch
Fraglich ist, ob der Anspruch des S hier auch durchsetzbar ist. Diesem könnte eventuell ein
Zurückbehaltungsrecht des S gem. § 1000 BGB entgegenstehen. Gem. § 1000 BGB kann
der Besitzer die Herausgabe der Sache verweigern, bis er wegen der ihm zu ersetzenden
Verwendungen befriedigt wird.
a)
Anspruch des K gegen S gem. § 994 Abs. 1 BGB
K könnte gegen S einen Anspruch auf Ersatz seiner Verwendungen gem. § 994 BGB haben.
(1)
Vindikationslage
Zunächst müsste zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung eine Vindikationslage bestanden
haben. Zum Zeitpunkt der Errichtung der Garage war S Eigentümer und K Besitzer. Mithin
lag eine Vindikationslage vor.
(2)
Gutgläubigkeit des K
Ferner müsste K zu diesem Zeitpunkt gutgläubig gewesen sein. K hatte hier keinerlei
Kenntnis bzgl. der Geschäftsunfähigkeit des S zum Zeitpunkt der Veräußerung. Mithin war
er gutgläubig.
(3)
Verwendungen i.S.d § 994 BGB
Ferner müsste der K Verwendungen i.S.d § 994 BGB getätigt habe. Umstritten ist hierbei,
was unter dem Begriff der Verwendungen im Einzelnen zu Verstehen ist.
(aa)
Rechtsprechung – der enge Verwendungsbegriff
Nach Ansicht der Rechtsprechung gilt der sog. „enge Verwendungsbegriff“. Hiernach sind
Verwendungen alle Maßnahmen, die darauf abzielen, den Bestand der Sache zu erhalten,
wiederherzustellen oder zu verbessern, ohne die Sache dabei grundlegend zu verändern oder
umzugestalten. Nach dieser Ansicht ist die Errichtung der Garage keine Verwendung, da das
Grundstück auf dem Teil, wo die Garage errichtet worden ist, nicht erhalten bleibt, sondern
grundlegend verändert worden ist.
(bb)
Literatur – der weite Verwendungsbegriff
Nach der Gegenauffassung sind Verwendungen alle Vermögensaufwendungen, die der
Sache zu Gute kommen. Dies gilt auch dann, wenn die Sache grundlegend verändert oder
umgestaltet wird. „weiter Verwendungsbegriff“ Folgt man dieser Ansicht, so stellt sich der
Bau der Garage als Verwendung dar, da es sich bei dem Bau der Garage um eine
Vermögensaufwendung handelt, die der Sache zu Gute kommt.
(cc)
Stellungnahme
Fraglich ist, welcher Ansicht hier gefolgt werden kann. Für die erste Ansicht spricht, dass
Aufwendungen, die zu einer Umgestaltung der Sache führen schon nach dem
Sprachgebrauch keine Verwendungen sein können. Insbesondere soll der Eigentümer vor
besonders kostenintensiven Aufwendungen, die zu übermäßigen Ersatzforderungen führen
könnten, geschützt werden.
Demgegenüber muss jedoch der Sinn und Zweck der §§ 994 f. BGB bedacht werden. Dieser
liegt darin, einen Ausgleich zwischen Eigentümer und Besitzer zu schaffen. Würde man dies
nicht zulassen, bliebe selbst dem gutgläubigen und unverklagten Besitzer nur das
Wegnahmerecht aus. § 997 Abs. 1 BGB. Vor der aufgedrängten Bereicherung kann sich der
Eigentümer gem. § 1001 BGB schützen. Der enge Verwendungsbegriff bevorzugt den
Eigentümer in einer unangemessenen Weise. Die Regeln über das EBV dienen dem Schutz
des gutgläubigen unrechtmäßigen Besitzers. Der Eigentümer muss selbst die Zerstörung der
Sache durch diesen hinnehmen. Aus dieser Konsequenz ist dem weiten Verwendungsbegriff
zu folgen.
(dd)
Zwischenergebnis
Dem K steht ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 BGB zu.
5.
Durchsetzbarkeit des Anspruchs gem. § 273 Abs. 2 BGB
Ferner könnte dem K eine Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 2 BGB zustehen. Ein
solches käme in Betracht, wenn dem K ein Ansprcuh auf Ersatz der Kosten für die
Errichtung des Brunnens aus §§ 951 i.V.m 812 BGB zustehen könnte. Ob ein solcher
Anspruch bei einer bestehenden Vindikationslage gegeben sein kann, ist umstritten.
a)
erste Ansicht
Nach einer Ansicht sind die §§ 951 i.V.m 812 bei vorliegen einer Vindikationslage
grundsätzlich anwendbar.
Folgt man dieser Ansicht, so bestünde ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 2 BGB.
b)
zweite Ansicht
Nach gegenteiliger Auffassung, die den engen Verwendungsbegriff zugrunde legt, sind die
§§ 994 ff. BGB eine abschließende Sonderegelung, die eine Anwendung der §§ 951, 812
BGB ausschließt. Hiernach bestünde kein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs.2 BGB.
c)
Stellungnahme
Fraglich ist, welcher Auffassung hier gefolgt werden kann. Für die erste Ansicht lässt sich
zunächst anführen, dass man es als nicht gerechtfertigt ansehen könnte, den unrechtmäßigen
Besitzer, der Verwendungen tätigt, schlechter zu stellen als den nicht besitzenden
Verwender. Ferner lässt sich der Wortlaut des § 951 Abs. 2 BGB anführen, nach dem die
Vorschriften über den Verwendungsersatz unberührt bleiben. Demgegenüber muss jedoch
angeführt werden, dass die Regelungen im EBV abschließen sein sollen. Würde man hier
eine Anwendbarkeit der §§ 951, 812 BGB in Betracht ziehen, so wäre die Differenzierung
zwischen der Gut- und Bösgläubigkeit, wie sie im EBV vorgenommen wird, sinnlos.
Aufgrund dieser systematischen Unterwanderung der Regelungen im Eigentümer Besitzer
Verhältnis ist der letzteren Ansicht zu folgen. Ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 2
BGB besteht mithin nicht.
6.
Ergebnis
S hat gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Grundstücks aus § 985 BGB. Die
Durchsetzbarkeit ist aber wegen eines Zurückbehaltungsrechts gehemmt.
17. Fall – Der Diebstahl - EBV
Der Braumeister B. Ecks tüftelt im heimischen Keller gerne an neuen Rezepturen für
außergewöhnlich gute Bierssorten. Seine neueste Rezeptur wird eines Nachts aus seiner Wohnung
von dem D. Iebels gestohlen. Bei der Konkurrenz bleibt dieser Diebstahl nicht lange unbemerkt. V.
Eltins, der Vertreter der Schalke GmbH, kauft die neueste Rezeptur von dem D an. Kurz darauf
erfährt der B, wo sich sein neuster Entwurf befindet.
Er verlangt die Herausgabe innerhalb von zehn Werktagen. Kann B Schadensersatz von der Schalke
GmbH verlange, wenn die Vorlage nach Ablauf der zehn Tage bei einem Verkehrsunfall zufällig
zerstört wurde?
Lösung Fall 17
I.
Anspruch des B gegen die Schalke GmbH gem. §§ 989, 990 I BGB
B könnte gegen die Schalke GmbH einen Anspruch auf Ersatz des Schadens gem. § 989,
990 I BGB haben.
1.
Vindikationslage
Zunächst müsste eine Vindikationslage zum Zeitpunkt des Untergangs der Rezeptur
vorgelegen haben.
a)
Eigentum des B
B müsste Eigentümer der Rezeptur gewesen sein. Durch den Diebstahl ist B die Rezeptur
abhanden gekommen. Gem. § 935 BGB scheidet ein gutgläubiger Erwerb der Schalke
GmbH somit aus. B ist Eigentümer geblieben.
bb)
Besitz der Schalke GmbH
Die Schalke GmbH müsste ferner Besitzer der Rezeptur sein. Die Schalke GmbH übt die
tatsächliche Sachherrschaft über die Buchvorlage aus. Dies geschieht durch ihre Organe
gem. § 31 BGB analog (Organbesitz). Mithin ist sie unmittelbare Besitzerin.
Anmerkung:
Die Organe haben zwar die Sachherrschaft, sind aber dennoch nicht Besitzer.
cc)
Kein Recht zum Besitz
Ferner dürfte die Schalke GmbH kein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 BGB haben. Dies ist
hier der Fall. Eine Vindikationslage besteht somit.
2.
Bösgläubigkeit der Schalke GmbH bei Besitzerwerb, § 990 I BGB
Die Schalke GmbH müsste beim Erwerb des Besitzes nach § 990 I BGB bösgläubig
gewesen sein.
Anmerkung:
Bei juristischen Personen wird auf den guten oder bösen Glauben ihrer Organe
abgestellt, § 31 BGB analog.
Fraglich ist, wie es sich in der hier vorliegenden Konstellation darstellt. Problematisch ist,
dass sich die GmbH hier eines Vertreters bedient.
a)
erste Ansicht - § 831 BGB analog
Nach einer Ansicht findet die Zurechnung der Bösgläubigkeit in einem solchen Fall über §
831 BGB analog statt. Begründet wird dies damit, dass die §§ 987 ff. BGB eine
Sonderregelung des Deliktsrechts darstellen. Hierzu passt nur § 831 BGB. Dagegen lässt
sich anführen, dass sich der Geschäftsherr relativ leicht durch die Möglichkeit der
Exkulpation nach § 831 I S. 2 BGB der Haftung entziehen kann
b)
herrschende Meinung - § 166 BGB analog
Nach herrschender Meinung kommt in einem solchen Fall § 166 BGB analog zu tragen.
Begründet wird dies damit, dass es sich bei dem Besitzbegründungswillen um einen
tatsächlichen Willen handelt und nicht um eine Willenserklärung, so dass eine direkt
Anwendung nicht in Betracht kommt.
Anmerkung:
Wenn die Exkulpation scheitert kann der Streit dahinstehen. Dies ist vorliegend der
Fall.
§ 278 BGB kann beim Besitzerwerb durch Erfüllungsgehilfen nicht angewandt
werden, da zu diesem Zeitpunkt noch kein Schuldverhältnis besteht. Wurde jedoch
erstmal ein EBV begründet, so stellt die ein gesetzliches Schuldverhältnis dar, in
dessen Rahmen § 278 BGB z.B. bei der Frage, ob dem Besitzer bei § 989 BGB ein
verschulden trifft, anwendbar ist.
Nach h.M. erfolgt bei der Einschaltung eines Dritten als Vertreter und Besitzdiener bei
Besitzerwerb eine Zurechnung der Bösgläubigkeit gem. § 166 I BGB analog, sofern der
Besitzerwerb im Zusammenhang mit einem rechtsgeschäftlichen Vorgang stattfindet, bei
dem die Mittelperson eingeschaltet ist.
Anmerkung:
Nach gegenteiliger Auffassung kommt in einem solche Fall § 831 BGB in analoger
Anwendung zum Tragen.
Der V wusste hier bei Besitzerlangung, dass die Rezeptur von dem D gestohlen worden war.
Gem. § 932 II BGB analog war er somit bösgläubig. Dies wird der Schalke GmbH gem. §
166 I BGB analog zugerechnet, so dass ein Bösgläubigkeit nach § 990 I bei Besitzerlangung
vorliegt.
3.
Verschulden der Schalke GmbH
Ferner müsste die Schalke GmbH den Untergang auch zu verschulden haben. Die richtet
grundsätzlich nach § 276 BGB, wonach der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu
vertreten hat, wenn eine strengere oder mildre Haftung nicht bestimmt worden ist. Die
Rezeptur wurde hier bei einem Verkehrsunfall zufällig zerstört, so dass ein Verschulden
i.S.d § 276 BGB nicht in Betracht kommt.
4.
Zufallshaftung gem. § 287 S. 2 BGB
Fraglich ist, ob die Schalke GmbH hier auch für Zufall haften könnte. Dies könnte sich aus §
287 S. 2 BGB ergeben, wonach der Schuldner während des Verzug auch für Zufall haftet.
Anmerkung:
Einer Anwendung des § 287 BGB steht hier nichts entgegen. Gem. § 990 II BGB bleibt
eine weitergehende Haftung wegen Verzugs unberührt.
Es müssten somit die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs vorliegen. Es müsste demnach
eine schuldhaft Nichtleistung der Schalke GmbH auf einen fälligen, einredefreien Anspruch
des B trotz dessen Mahnung vorliegen. Der Anspruch des B gem. § 985 BGB ist gem. § 271
BGB im Zweifel sofort fällig. Ferner bestehen keine Einreden. Eine wirksame Mahnung des
B liegt ebenfalls vor. Das Verschulden der Schalke GmbH wird gem. § 286 IV BGB
vermutet. Der Schuldnerverzug ist somit eingetreten. Infolgedessen haftet die Schalke
GmbH auch für Zufall.
5.
Ergebnis
B. Ecks hat gegen die Schalke GmbH einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 989, 990
I BGB.
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