Aktiengesellschaft für Dienstleistungen in der Schweineproduktion Geschäftsbereich SGD-SSP Literaturrecherche A presumtive case of vomiting and wasting disease in a swine nucleus herd J. E. Alsop Journal of Swine Health and Production 14, 2, 2006, 97-100 Das Hämagglutinierende Enzephalomyelitis Virus (HEV) gehört zur Familie der Coronaviridae und wurde erstmals 1962 in Kanada identifiziert. Seither konnte es weltweit in Schweinepopulationen gefunden werden. Obwohl das Virus in Labornagetieren adaptiert und vermehrt werden konnte, ist das Schwein der natürliche Wirt. Das Virus ist in vielen Schweineherden endemisch und kann auch aus dem Respirationstrakt von gesunden Tieren isoliert werden. Die Infektion verläuft meist subklinisch und die finanziellen Verluste sind meist gering. Bisher ist nur ein Serotyp von HEV bekannt und Sequenzierungen haben gezeigt, dass sich das Virus seit seiner ersten Isolierung weder genetisch noch antigenetisch verändert hat. Es ist kein Impfstoff erhältlich. In enzootisch infizierten Herden sind die Ferkel meist über kolostrale Antikörper für 4-18 Wochen geschützt und entwickeln anschliessend eine aktive Immunität. In einer naiven Herde erzeugt eine Infektion massive klinische Anzeichen, welche sich als Erbrechen und Kümmern oder mittels neurologischen Syndroms manifestieren. In seltenen Fällen kann auch eine Kombination auftreten. Beide Krankheitsbilder treten in Ferkeln auf, die jünger als 3 Wochen alt sind, obwohl ältere Schweine auch gelegentlich Erbrechen und kurze Phasen von Inappetenz, Apathie und ZNS Störungen zeigen. Das Vorkommen von nur einem Syndrom könnte zusammenhängen mit der Empfänglichkeit der Herde, Virusmenge und Unterschiede in der Virulenz des Virus. In Nordamerika kommen als Differentialdiagnosen PRRS, Schweineinfluenza, Aujeszky, Tollwut, TGE und Infektionen mit porzinen Enteroviren in Frage. Die ersten Anzeichen für einen Vomiting and Wasting Disease (VWD) Ausbruch sind repetiertes Würgen und Erbrechen bei Ferkeln und auch milder Husten ist möglich. Die Ferkel sind apathisch und liegen in Haufen, evt. entwickeln sie auch Fieber. Sehr junge Tiere dehydrieren sehr stark und sterben. Ältere Ferkel oder Absetzjager werden kachektisch und kümmern für mehrere Wochen bevor sie sterben. Das Abdomen kann aufgrund von Gasbildung in Magen und Darm aufgetrieben sein. Die encephalomyelitische Form kann als VWD Ausbruch beginnen. Das erste Anzeichen kann Erbrechen bei Ferkeln im Alter von 4-7 Tagen sein, dies ist jedoch meist mild und es kommt zu keiner Dehydrierung. Die Tiere können auch apathisch sein und Haufenlagerung zeigen, husten, niesen und schnell an Gewicht verlieren. Nach 1-3 Tagen verstärken sich die klinischen Anzeichen und Muskelzittern, Hyperästhesie, Lähmung der Hinterbeine und Krämpfe können beobachtet werden. Die Mortalität in Neugeborenen kann 100% erreichen. Die klinischen Anzeichen in einer Herde dauern in der Regel 2-3 Wochen an, dies entspricht der Zeit, die Sauen benötigen, um eine Immunität zu bilden und die Antikörper übers Kolostrum an den nächsten Wurf weiterzugeben. Im Januar 2002 zeigten Sauen und Ferkel in einer neu aufgebauten Kernzuchtherde mit 650 Sauen in Ontario Anorexie, Erbrechen, Fieber und Husten. Monatlich wurden die Ausmastschweine serologisch auf PRRS, M. hyopneumoniae, APP Typ 1, 5a und 5b und toxinbildende P. multocida getestet. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs war die Herde seronegativ für M. hyopneumoniae, APP, TGE, PRCV (porcines respiratorisches Coronavirus), P. multocida und Schweineinfluenza (SIV, H1N1). Für folgende Erreger wurde die Herde seropositiv getestet: L. intracellularis, St. suis, SIV (H3N2) und PCV2. Die Zuchtsauen wurden geimpft gegen PRRS, Parvo, 6 Leptospiren Serovare, Rotlauf und E. coli. Der Betrieb befand sich in einem bewaldeten Gebiet, 2 km vom nächsten Schweinestall entfernt. Die Abferkelkammern wurden reinraus bestossen, die Ferkel im Alter von 14-17 Tagen abgesetzt und zur Aufzucht in einen 14 km entfernten Betrieb gebracht. Nach ca. 8 Wochen in der Aufzucht wurden die Jager in 2 Mastbetriebe geliefert, welche wiederum ca. 18 km vom Abferkelbetrieb entfernt lagen. Die Biosicherheit auf dem Betrieb wird als hervorragend ausgewiesen. Am 14. Januar wurde ein 4-stündiger Stromausfall verzeichnet, wobei auch der Notstromgenerator ausfiel. Die Temperaturen und die relative Luftfeuchtigkeit in den Abferkelkammern stiegen an. Bei den Galtsauen und im Deckzentrum blieb die Raumtemperatur in etwa konstant, da dort bei Stromausfällen die Vorhänge automatisch schliessen. Ersteller : Riccarda Ursprung Datum : 30.04.2006 Seite 1 von 3 Am 16. Januar zeigten die säugenden Sauen verminderte Futteraufnahme. Die Problematik verschärfte sich bis zum 21. Januar und die Sauen entwickelten nun auch vereinzelt milden Husten. Futterproben wurden auf Mykotoxine untersucht und das Futter ersetzt. Am 24. Januar konnte bei 1015% der Ferkel Erbrechen beobachtet werden. Der Tierarzt konnte folgende Krankheitsanzeichen feststellen: Fieber (bis 43°C), Zittern, Haufenlagerung, hyperämische Haut und Erbrechen. Ca. 50% der säugenden Sauen waren anorektisch und hatten erhöhte Körpertemperaturen zwischen 40 und 41°C. Die Galtsauen zeigten keine Klinik. Am gleichen Tag zeigten auch frisch abgesetzte Ferkel die gleichen Symptome. Es wurden 4 Tiere euthanasiert und Gewebe- und Blutproben untersucht. Vom klinischen Bild her kamen folgende Differentialdiagnosen in Frage: TGE, SIV und PRRS, welche jedoch alle mittels Laboruntersuchungen ausgeschlossen werden konnten. Die gepoolten Lungenproben waren leichtgradig positiv für PCV2 mittels PCR. Histologisch konnte eine milde chronische interstitielle Pneumonie nachgewiesen werden, was auf eine virale Infektion hinwies und renale tubuläre Nekrosen, welche sekundär nach Dehydrierung entstanden. Der Tierverkehr wurde gestoppt. Zwischen dem 21. und 28. Januar wurden 50% der betroffenen Sauen und Ferkel mit Procain Penicillin G behandelt. Den restlichen Tieren wurde Oxytetrazyklin verabreicht, keine der beiden Behandlungen schlug an. Am 29. Januar wurden die anorektischen Sauen übers Trinkwasser mit Acetylsalicylsäure und die zugehörigen Ferkel mit Flunixin meglumine behandelt. Innerhalb von 24 h war das Fieber verschwunden. Einige der Sauen waren jedoch bereits agalaktisch und mussten abgesetzt werden. Beim Betriebsbesuch am 4. Februar konnte bei den Sauen keinen Husten mehr festgestellt werden. Die Ferkel waren dünn jedoch aufgeweckt und munter. Die Futteraufnahme nach dem Absetzen war deutlich reduziert. Am 18. Februar mussten 510 Absetzferkel wegen Anorexie und Kümmern euthanasiert werden. Zusätzlich wurden 30 Blutproben bei Sauen, die früher klinische Anzeichen ausgebildet hatten, genommen und mit dem akuten Titer verglichen. Aufgrund der klinischen Symptome bei den Absetzferkeln wurde HEV zu den Differentialdiagnosen zugeführt. Nachträglich konnte bei den Serumproben vom 7. Januar HEV Titer zwischen 16 bis 4096 festgestellt werden und am 18. Februar wurden Titer zwischen 32 und 16384 festgestellt. Das Laktationsfutter wurde negativ auf Vomitoxin getestet. Aufgrund der klinischen Anzeichen und der Laborresultate wurde VWD bedingt durch HEV diagnostiziert. Im Deckzentrum und bei den Galtsauen konnten zu keinem Zeitpunkt klinische Anzeichen festgestellt werden. Das gleiche gilt für die Mastschweine. Die Diagnose wurde erschwert erstens durch die anfängliche Anorexie bei den säugenden Sauen, welche jedoch seit Oktober (Beginn der ersten Abferkelphase) auf dem Betrieb immer wieder aufgetreten war, und zweitens durch den milden Husten, der dem Ventilationsproblem zugesprochen wurde. Erst als die Ferkel anfingen klinische Anzeichen auszubilden wurde offensichtlich, dass es sich um eine infektiöse Erkrankung handeln musste und nicht um fütterungs- oder umweltbedingte Probleme. HEV wird via nasale Sekretion übertragen. Die Virusvermehrung findet in den Epithelzellen der Nasenschleimhaut, Tonsillen, Lunge und Dünndarm statt. Nach lokaler Vermehrung kommt es zur Virusverbreitung vom peripheren Nervensystem ins zentrale Nervensystem. Es wird vermutet, dass Veränderungen der Funktionen der gastrischen intramuralen und vagalen Plexus Neurone zu Erbrechen führen. Die Persistenz von VWD wird zurückgeführt auf viral-induziertes neuronales Absterben. Evt. spielt auch die verzögerte Magenentleerung eine Rolle beim Kümmern. Das Virus kann aus den Tonsillen und dem Respirationstrakt während der Inkubationszeit von 5 Tagen isoliert werden. Die Sensitivität ist jedoch gering, ausser bei Ferkeln, die akut bereits 1-2 Tage erkrankt sind. Es wird vermutet, dass Virusantikörper die Virusisolierung zu einem späteren Zeitpunkt hemmen können. Weil die Erkrankung häufig subklinisch verläuft, müssten gepaarte Seren gesammelt werden, um einen vierfachen Anstieg der Antikörpertiter nachzuweisen. Die Akut-Seren sollten so schnell wie möglich, sobald klinische Anzeichen auftreten, gewonnen werden, da die Titer sehr schnell ansteigen. Respiratorische Anzeichen bei Sauen im Zusammenhang mit VWD wurden bisher in der Literatur nicht beschrieben, wohingegen Anorexie bei Sauen bereits bekannt war. 1986 wurde jedoch ein Fall mit Husten bei Sauen beschrieben. Der Nachweis von PCV2 war nicht erstaunlich, da die Jungsauen von einer PCV2 positiven Herde zugekauft wurden. Es wird vermutet, dass die Circoviren zu einer Verstärkung der Klinik der HEV Infektion führten. Wieso es zu diesem Ausbruch von VWD gekommen ist, konnte nicht geklärt werden. Die serologischen Resultate vom 7. Januar haben jedoch gezeigt, dass die Sauen bereits vorher HEV seropositiv waren. Da die Zuchtherde sehr jung war (alles primipare Tiere) ist es möglich, dass naive, subklinisch infizierte und seropositive Sauen gleichzeitig vorhanden waren. Am 7. November 01 Ersteller : Riccarda Ursprung Datum : 30.04.2006 Seite 2 von 3 wurden Remonten zugekauft und es wird gemutmasst, dass diese Tiere mit einem virulenteren Strang infiziert waren. Bedenkt man jedoch, dass die Inkubationszeit nur 4-7 Tage beträgt, ist der Ausbruch mit keinem Zukauf assoziiert. Evt. wurde die Infektion durch andere Träger eingeschleppt. Verglichen mit anderen Coronaviren ist HEV im Winter stabiler und kann über längere Zeit an Stiefeln, Kleidern, Transportfahrzeugen u. a. haften. Jedoch sollte aufgrund der guten Biosicherheit eine solche Übertragung ausgeschlossen werden. Als dritte Möglichkeit wird vermutet, dass der Zusammenbruch des Ventilationssystems der Auslöser des Ausbruchs war und dies könnte erklären, warum nur die säugenden Sauen betroffen waren und nicht die Galtsauen. Es ist jedoch schwierig diese Vermutung zu belegen oder zu widerlegen. Die Dauer der Erkrankung (3 Wochen) stimmte mit den beschriebenen Fällen überein. Trotz der massiven Probleme überschritt die Saugferkelsterblichkeit 12% nicht. Dies weicht von den Angaben in der Literatur ab, welche Mortalitäten von bis zu 100% bei betroffenen Würfen beschreiben. Dies lag evt. an der guten Pflege der Saugferkel mit Antipyretika und Milchsupplementierung. Trotzdem war es nötig eine grosse Anzahl von Absetzferkeln zu euthanasieren. Ca. die Hälfte dieser Tiere war für die Verwendung als Zuchtremonten gedacht, wodurch ein grosser wirtschaftlicher Schaden entstand. - Ein Ausbruch von VWD wurde im Januar 2002 in einer 650 Sauen umfassenden Nukleus Herde in Ontario diagnostiziert. Die klinischen Anzeichen umfassten Husten, Fieber und Inappetenz bei den säugenden Sauen, sowie Haufenlagerung, Fieber und Erbrechen bei den Saugferkeln. Mehr als 500 Absetzferkel mussten wegen Anorexie und Kümmern euthanasiert werden. Keine klinischen Anzeichen konnten bei den Galtsauen oder den Mastschweinen festgestellt werden. Der Grund des Ausbruchs konnte nicht gefunden werden, da die Sauen bereits vor dem Ausbruch seropositiv auf HEV getestet werden konnten. Seit dem 18. Februar konnten keine klinischen Anzeichen für HEV mehr ausgemacht werden. HEV sollte als Differentialdiagnose bei Ferkeln mit Erbrechen und Fieber eingeschlossen werden. Da eine Diagnose ohne gepaarte Serumproben nicht durchgeführt werden kann, sollte die erste Blutentnahme möglichst früh in der akuten Phase erfolgen. Ersteller : Riccarda Ursprung Datum : 30.04.2006 Seite 3 von 3