Krieg – das unbesiegbare Chamäleon

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LV: 070480 Krieg und Militär (RV)
LVL: Eva Kreisky, Peter Feldbauer, Saskia Stachowitsch, Thomas Kolnberger
WS 2006/07
VORLESUNGSPROTOKOLL ZUR THEMATIK
„NEUE KRIEGE“
AN DER LVAK
Steiner Gerald
Matrikel-Nr.: 0605454
Studienkennzahl: 057390
31.12.2006
Vorlesungsprotokoll zu „Neue Kriege“
1
INHALT
1 Vorwort……………………………………………………………………………..……
2
2 Krieg – das unbesiegbare Chamäleon…………………………………………….......
3
2.1 Konflikttrend……………………………………………………………………..……
3
2.2 Definition von Krieg und bewaffneter Konflikt………………………………..….
4
2.3 Kriegsbestimmende Faktoren……………………………………………………..…
5
2.4 Kriegstypologie………………………………………………………………………..
6
2.4.1 Territorialkriege……………………………………………………………………..
6
2.4.2 Kalter Krieg………………………………………………………………………..… 6
2.4.3 Macht- und Ordnungskrieg…………………………………………………….….
7
2.4.4 Zerfallskriege bzw. Neue Kriege………………………………………………..…
8
2.4.5 Gestaltungs- und Interventionskriege……………………………………………
9
2.5 Asymmetrie des Krieges…………………………………………………………..… 10
3 Hi-Tech-War als Erfolgsrezept?.................................................................................... 10
3.1 Wozu werden militärische Streitkräfte eingesetzt?................................................. 10
3.2 Warum Technologie wichtig ist?..............................................................................
11
3.3 Aktuelles Gefechtsbild………………………………………………………………
11
3.4 Vernetzung der militärischen Mittel………………………………………………. 13
4 Kaldorsche Definition von Krieg……………………………………………….……. 13
5 Bilbliographie…………………………………………………………………………... 14
Vorlesungsprotokoll zu „Neue Kriege“
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1 VORWORT
In den historischen Räumlichkeiten der Landesverteidigungsakademie des Österreichischen
Bundesheeres in der Stiftskaserne sind im Rahmen der Ringvorlesung „Krieg & Militär –
zwischen Geschichte und Politikwissenschaft“ auch Militärpraktiker zu Wort gekommen.
Darunter, Herr Brigadier Mag. Dr. Feichtinger, Leiter des Institutes für Friedenssicherung
und Konfliktmanagement (IFK) mit dem Thema „Krieg – das unbesiegbare Chamäleon“ und
Herr Major Mag. Krasser vom Institut für Höhere Militärische Führung (IHMF) mit
„HighTechWar als Erfolgsrezept“. Mit diesen beiden Vorträgen wurde ein guter Überblick
der Thematik „Krieg der Gegenwart“ gegeben und gibt eine Idee wie „Neue Kriege“ in der
Zukunft aussehen könnten. Die Grundlage dieser Arbeit basiert auf den Vorträgen von
Brigadier Mag. Feichtinger und Major Mag. Krasser vom 16. November 2006 in der
Landesverteidigungsakademie.
Die beiden erwähnten
Institute sind Teil der Landesverteidigungsakademie des
österreichischen Bundesheeres.
Die Landesverteidigungsakademie setzt auf Weiterentwicklung um einen entsprechenden
Bildungsstandard liefern zu können. Sie ist sowohl das Herzstück der weiteren Entwicklung
als auch wenn es darum geht neues Wissen zu generieren und so aufzubereiten, dass es
tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden kann. Es wird speziell auf zwei wesentliche
Elemente Rücksicht genommen. Erstens wäre die Ausbildung (ab dem Dienstgrad
Hauptmann / Major möglich) und zweitens die Forschung, mit dem Schwerpunkt Sicherheitspolitik aus verschiedenen Perspektiven, zu erwähnen. Bezüglich der Forschung
beschäftigen sich primär zwei Institute damit, zum einem das Institut für Sicherheitspolitik
und Strategie (ISS) und zum anderen das Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK), dem wir auch die Abdeckung der operativen Perspektiven in der Gegenwart
zu verdanken haben. Diese Perspektiven sind im Zusammenhang mit der Vorlesung „Krieg
und Militär“ wichtige, nicht zu vernachlässigende Themengebiete. Die Forschung vollzieht
sich in Form von Projekten – allem voran wird auf die Entwicklung der europäischen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik wert gelegt. Ein zweiter Schwerpunkt wird auf die
Entwicklung des internationalen Krisenmanagements gelegt, welches laut Brigadier
Feichtinger das sicherheitspolitische Paradigma des 21. Jahrhunderts werden wird.
Vorlesungsprotokoll zu „Neue Kriege“
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Im internationalen Vergleich wäre die Landesverteidigungsakademie eine Militäruniversität,
welchen Weg sie auch zu gehen versucht.
2 KRIEG – DAS UNBESIEGBARE CHAMÄLEON
„Der Krieg ist also nicht nur ein wahres Chamäleon, weil er in jedem konkreten Falle seine
Natur etwas ändert, sondern er ist auch seinen Gesamterscheinungen nach, in Beziehung auf
die in ihm herrschenden Tendenzen eine wunderliche Dreifaltigkeit, (…)“ (Clausewitz 1832).
2.1 Konflikttrend:
In den 90er Jahren hat sich die Anzahl der Kriege und bewaffneter Konflikte hinaufgepuscht
und in den letzten Jahren kann man aber feststellen, dass der Trend wieder rückläufig ist.
Im Jahr 2005 wurden 28 Kriege und 11 bewaffnete Konflikte festgestellt und ein wesentliches
Phänomen ist das 91 % dieser Kriege und Konflikte innerstaatlicher Natur sind – sie finden
innerhalb von Staaten statt, was aber nicht heißt, dass sie nicht massive Auswirkungen in die
Umgebung beziehungsweise in umliegenden Regionen haben können.
Die Konflikte nehmen generell ab, aber das Krisenmanagement nimmt seit 2002 kontinuierlich zu. Wenn wir beim Jahr 2005 bleiben, hatten allein die Akteure der Europäischen Union,
NATO und der Vereinten Nationen 48 internationale Missionen mit insgesamt weit mehr als
100.000 Zivil- und Militärpersonen im globalen Einsatz.
Man könnte hier von einem sicherheitspolitischen Paradoxon sprechen – weniger Konflikte
aber mehr Krisenmanagement.
Die Erklärung dafür ist relativ einfach, einerseits haben die oben genannten Akteure
zunehmend mit schwachen Staaten zu tun, die nicht in der Lage sind für Ruhe und Ordnung
und für einen geordneten Austausch im internationalen System zu sorgen, andererseits
haben diese Akteure es heute bei den internationalen Einsätzen nicht nur mehr mit Überwachung eines Waffenstillstandsabkommens zu tun sondern die Herausforderung ist eine ganz
Andere: Heute geht es darum, Staaten-, Institutionen-, und Nation Building zu betreiben –
dies ist nicht das zentrale Thema, sondern soll nur erklären warum eine scheinbare
Diskrepanz von der Anzahl der immer weniger werdenden Kriege und bewaffneter
Konflikte zu dem steigendem Engagement im internationalen Bereich festzustellen ist.
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2.2 Eine mögliche Definition für Krieg laut der Arbeitsgemeinschaft
Kriegsursachenforschung (AKUF):
In Anlehnung an den ungarischen Friedensforscher István Kende (1917-1988) definiert die
AKUF Krieg als einen gewaltsamen Massenkonflikt, der alle folgenden Merkmale aufweist:
(a) an den Kämpfen sind zwei oder mehr bewaffnete Streitkräfte beteiligt, bei denen es sich
mindestens auf einer Seite um reguläre Streitkräfte (Militär, paramilitärische Verbände,
Polizeieinheiten) der Regierung handelt;
(b) auf beiden Seiten muss ein Mindestmaß an zentralgelenkter Organisation der Kriegführenden und des Kampfes gegeben sein, selbst wenn dies nicht mehr bedeutet als organisierte
bewaffnete Verteidigung oder planmäßige Überfälle (Guerillaoperationen, Partisanenkrieg
usw.);
(c) die bewaffneten Operationen ereignen sich mit einer gewissen Kontinuierlichkeit und
nicht nur als gelegentliche, spontane Zusammenstöße, d.h. beide Seiten operieren nach einer
planmäßigen Strategie, gleichgültig ob die Kämpfe auf dem Gebiet einer oder mehrerer
Gesellschaften stattfinden und wie lange sie dauern.
Kriege werden als beendet angesehen, wenn die Kampfhandlungen dauerhaft, d.h. für den
Zeitraum von mindestens einem Jahr, eingestellt bzw. nur unterhalb der AKUFKriegsdefinition fortgesetzt werden.
Als bewaffnete Konflikte werden gewaltsame Auseinandersetzungen bezeichnet, bei denen
die Kriterien der Kriegsdefinition nicht in vollem Umfang erfüllt sind. In der Regel handelt
es sich dabei um Fälle, in denen eine hinreichende Kontinuität der Kampfhandlungen nicht
mehr oder auch noch nicht gegeben ist. Bewaffnete Konflikte werden von der AKUF erst seit
1993 erfasst. (AKUF 2006)
Vorlesungsprotokoll zu „Neue Kriege“
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2.3 Kriegsbestimmende Faktoren:
Im Zentrum sind drei Elemente - die Akteure des Krieges (primär die politischen Akteure),
die Frage des Ziels welches verfolgt wird und in Verbindung zwischen Akteuren und Zielen
die Strategie die angewendet wird. Zeit und Raum sind zwei wesentliche Faktoren bei der
Planung und Durchführung von Kriegen.
Alles andere ist nachgeordnet aber trotzdem nicht außer Acht zu lassen:

Im Hinblick auf das politische System ist es ein Unterschied ob eine Diktatur oder
eine Demokratie Krieg führt.

Es ist auch ein Unterschied in welchem Raum und Region ein Krieg geführt wird
(Seekrieg, Landkrieg oder in Zukunft vielleicht einmal ein Krieg im All – der Raum
insgesamt).

Ein selbstverständlicher Unterschied ist es auch über welche Ressourcen die Akteure
verfügen (finanzielle Mittel, Waffensysteme, aber auch die Gesellschaft als Finanzier
eines Krieges).

Nicht alle die sich auf einem Gefechtsfeld befinden kämpfen auf die gleiche Art und
Weise. Es gibt reguläre Streitkräfte einerseits und auf der anderen Seite gibt es subkonventionelle Kämpfer, Guerillas oder einfach nicht zu kategorisierende Kämpfer
die ohne viel zu fragen bereit sind ihre Waffen, wovon es weltweit ja genug gibt,
einzusetzen.

Massenmedien spielen zunehmend eine große Rolle in der heutigen Kriegsführung,
einerseits ob man sich überhaupt an einem Krieg engagiert, andererseits wie er
transportiert wird und wie die moralische Komponente (die in vielen Fällen sehr
entscheidend ist) bedient wird.

Völkerrecht stellt meistens nur eine Parameter für reguläre Streitkräfte dar,
subkonventionelle Kämpfer, Guerillas kümmern sich in der Regel nur sehr wenig um
das humanitäre Völkerrecht. Daher ist das humanitäre Völkerrecht mit den Kriegen
und Konflikten der Gegenwart nicht wirklich abgestimmt und es fehlt diesbezüglich
ein enormer Handlungsbedarf.

Die geopolitische Konstellation spielt auch eine wichtige Rolle, es ist ein wesentlicher
Unterschied ob es eine bewaffnete Auseinandersetzung im tiefsten Kaukasus oder
direkt vor der europäischen Haustür, zum Beispiel im Kosovo, gibt. Die Betroffenheit
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anderer Akteure beziehungsweise ihre Unterstützung aus dem Hintergrund ist
natürlich ein wesentlicher Faktor bei der Führung und Planung von Kriegen.

Die Gesellschaft ist letztendlich die entscheidende Instanz. Nach einer gewissen
Abnützung in einem Krieg kommt irgendwann die Phase wo man sagt: „Trägt das
die Gesellschaft noch mit?“

Reguläre Streitkräfte und Demokratien zielen immer darauf ab einen Krieg so schnell
wie möglich zu beenden  der Pakt der Zeit.
2.4 Kriegstypologie:
Kriegstypologien kann man immer nur abstrahiert darstellen, denn in der Realität wird es
immer Mischformen geben. Dennoch sind große Unterschiede zwischen den einzelnen
Kriegstypen festzustellen sodass man explizit fünf voneinander unterscheiden kann.
2.4.1 TYP 1 - TERRITORIALKRIEGE (ZWISCHENSTAATLICH-INDUSTRIELLER KRIEG):
Territorialkrieg ist jener Krieg der für die europäische Gesellschaft das prägende Bild
darstellt.
Er wird zwischen Staaten geführt, wobei man sich auf die industrielle Leistungsfähigkeit
stützt (Waffensysteme). Typische Beispiele dafür waren der erste und der zweite Weltkrieg,
auch die napoleonischen Kriege (wichtig war Masse, Energie und Schlagkraft aufzubringen)
sind schon in diese Richtung gegangen und heutzutage wäre in diesem Zusammenhang
auch der Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea und die Auseinandersetzung zwischen
Indien und Pakistan zu erwähnen. Die wesentlichen Faktoren hierbei waren das Ringen um
Überlegenheit (politisch und militärisch), die Konzentration der Kräfte, die Hegung des
Krieges in Richtung Zeit und Raum und das Suchen der Entscheidungsschlacht (militärisch
betrachtet). Man kann auch davon ausgehen, dass diese Kriege – wo Staaten die Akteure
waren – auch politisch erhandelbar gewesen wären. Finanziert wurden/werden diese Kriege
zentral durch den Staat, sprich durch die Gesellschaft.
2.4.2 TYP 2 – KALTER KRIEG (IDEOLOGIEKONFRONTATION):
Dieser Typ ist eine Sonderform von Krieg, hier geht es um die Konfrontation von Ideologien,
bei denen sich zwei Blöcke (Staaten verbunden in Allianzen) gegenüberstehen, wo auf der
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politischen Ebene ausgetauscht wird und was sich in einem massiven Wettrüsten auswirkt.
In den Jahren 1946 bis 1956 handelte es sich im „Kalten Krieg“ zwischen der UdSSR und der
USA – mit ihren jeweiligen Bündnispartnern (Esser 2004) – um einen enormen
Kostenaufwand (durchschnittliche Verteidigungsbudgets waren 5 – 8 %), wobei dieser
Konflikt militärisch in einer Sackgasse geendet hat weil er nicht führbar gewesen ist (beide
Blöcke haben sich durch das Vorhandensein ihrer Waffensysteme die Vernichtung
garantiert). Politisch ist der Krieg mittels Wettrüsten und der Wirtschaftskraft entschieden
worden. In diesem Zusammenhang gab es aber die nicht ganz so kalten Stellvertreterkriege
(Kriege des Typs 1, aber mit einer politischen Zurückhaltung um immer die Notleine ziehen
zu können) in Korea, Vietnam und den afrikanischen Kriegsschauplätzen.
2.4.3 TYP 3 – MACHT- UND ORDNUNGSKRIEG (GUERILLAKRIEG):
Begonnen haben diese Kriege mit den Dekolonisationskriegen der 1960er Jahre, in weiterer
Folge versuchte man die politische Landschaft innenpolitisch voranzutreiben und
abzusichern. Primär ist dies bereits der innerstaatliche Krieg (HIIK 2003). Ein wesentliches
Merkmal des innerstaatlichen Krieges ist, dass er nicht konventionell geführt wird. Einerseits
nicht mit konventionellen Waffensystemen und andererseits nicht mit Einhaltung der
geltenden völkerrechtlichen Konventionen (humanitäres Völkerrecht). In diesem Fall haben
wir es mit einer Asymmetrisierung des Krieges zu tun. Diese Asymmetrisierung ist auf
verschiedenen Ebenen zu bemerken (z.B. politisch-strategisch). Es gibt die staatlichen
Akteure (Machthaber, Regierungen) und die nicht staatlichen. Dies können kleine politische
Gruppierungen sein die um mehr Autonomie, Abspaltung oder mehr Mitspracherecht
kämpfen oder es können auch Gruppierungen sein die gegen damals noch bestehende
Besatzer kämpften (Afghanistan 1979 – 1989). Es werden komplett unterschiedliche Merkmale bei der Vorgehensweise der Akteure gesucht. Die nicht staatlichen Akteure kämpfen
vehement um eine Internationalisierung des Krieges, dies heißt das man Anerkennung für
das eigene Anliegen sucht, man sucht Unterstützung und kämpft darum um überhaupt als
Akteur auf der internationalen Bühne anerkannt zu werden. Internationale Bühne heißt –
alle Staaten die von der UN in ihrer Charta anerkannt sind gelten als souveräne Staaten;
substaatliche Akteure scheinen nicht auf – sie finden keinen Zugang - und deshalb ergeben
sich daraus die Befreiungskrieger auf der einen Seite und die Anarchisten und Terroristen
auf der anderen.
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Die internationale Anerkennung, das aufsteigen auf die internationale Bühne und die
Aufnahme in die Agenda sind sehr schwer zu erreichende Unterfangen. Tschetschenien ist
es gegen Putin bis heute nicht gelungen, im Gegensatz zum Kosovo. Der amerikanische
Sonderbeauftragte
Richard
Holbrooke
hat
mit
kosovanischen
Vertretern
Hintergrundgespräche geführt, worauf ein (wahrscheinlich absichtlich fotografiertes) Bild
durch die Medien ging. Es zeigte Holbrooke mit UÇK-Vertretern am Boden auf Kissen
sitzend, der Vertreter der „Supermacht“ spricht mit „denen“, und somit sind sie zu einem
politischen Akteur aufgestiegen und ab diesem Zeitpunkt hat sich das dramatisch zu
Gunsten der Kosovoalbaner verändert.
Weitere typische Macht- und Ordnungskriege wurden in Kolumbien und Südsudan geführt.
2.4.4 TYP 4 – ZERFALLSKRIEGE / NEUE KRIEGE:
Mary Kaldor hat Ende der 1990er den Terminus „Neue Kriege“ (siehe Schlussteil) als erste in
der Literatur zum Ausdruck gebracht. Im deutschsprachigen Raum hat Herfried Münkler
mehrere Bücher zu diesem Thema veröffentlicht. Besonders beeindruckend sind seine
Kurzstatements über die Veränderung des Krieges durch militärische Überlegenheit
(Münkler 2004). Nennenswert wäre auch Hans Magnus Enzensberger, der bereits 1996 vom
„molekularen Bürgerkrieg“ gesprochen hat. Enzensberger hat sehr zeitig auf dieses
Phänomen aufmerksam gemacht. Der wesentliche Knackpunkt bzw. Unterschied zu allen
anderen Kriegen ist, dass hier keine politische Zielsetzung mehr existiert.
In Kolumbien behauptet die F.A.R.C. (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) –
eine linksgerichtete Guerillabewegung – das sie nach wie vor politische Ziele verfolgt, aber
in Wirklichkeit geht man davon aus das es der Bewegung nur mehr darum geht, ihren
Handlungsspielraum weiter auszubauen und abzusichern. Die F.A.R.C. will die Durchsetzung des Staatsmonopols von staatlicher Seite verhindern, damit sie in Ruhe ihren
kriminellen Machenschaften nachgehen können. Dies hat massive Auswirkungen auf jene,
die diesen Konflikt beenden bzw. eindämmen wollen, denn man kann mit solchen
Gruppierung sehr schwer verhandeln. Dieses Phänomen wird in Zukunft noch massiv
zunehmen (lt. Brigadier Feichtinger).
In den meisten Fällen wird keine politische Zielsetzung verfolgt, es geht hauptsächlich um
pure Gewalt. Das Ausleben purer Gewalt ohne politischer Zielsetzung, ohne Steuerungsmöglichkeit, ohne Verhandelbarkeit und ohne Regulierbarkeit. Oft wird auch Religion für
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individuelle Zwecke missbraucht. Wie man es im Irak-Krieg bei der Auseinandersetzung
zwischen Sunniten und Schiiten sah. Es handelte sich hierbei um das reine Ausleben von
Gewalt und nicht um religiöse Konflikte, wie der Leiter des IFK erklärte.
Auch in Somalia kann man das Vorgehen privater „Warlords“ und ihrer Armeen in diese
Kategorie der Kriegführung einreihen. Sie wollen nicht den Staat umgestalten bzw. ein neues
politisches System integrieren sondern es geht in erster Linie darum das der Staat nicht in
ihre Machenschaften „hineinpfuscht“. Dies ist sehr oft mit pseudo-politischen Zielsetzungen
verbunden, welche in weiterer Folge für die Propaganda verwendet werden.
2.4.5 TYP 5 – GESTALTUNGS- UND INTERVENTIONSKRIEGE:
Im Prinzip geht es darum einen Stabilitäts- und Sicherheitstransfer durchzuführen. Die
Gesellschaft selbst ist sehr widerstandsfähig, sie bleibt über Jahre im Land, weicht den
Kampfzonen aus (internally displaced persons – IDP’s) aber irgendwann setzt die Flucht aus
dem Land ein. Dies ist eine sehr kritische Situation, denn in den meisten Fällen sind die
Nachbarstaaten auch nicht in der besten Verfassung und damit breitet sich auch die Destabilisierung aus. Diverse Begleitphänomene wie, Waffenschmuggel, Menschenschmuggel,
organisierte Kriminalität, Drogenhandel und das einnisten von Widerstandskämpfern oder
von kriminellen Banden in bestimmten Gegenden wo der Staat keinen Einfluss mehr hat,
gehen mit dieser Flucht mit sich.
Das ist nun der Moment wo das Krisen- und Konfliktmanagement eingreift bzw. eingreifen
müsste. Dies wird in erster Linie als Aufgabe jener gesehen, die dazu in der Lage scheinen –
es müssen die politischen Systeme und die dazu nötigen Ressourcen vorhanden sein. Das
Krisenmanagement ist aber ein schwieriges Unterfangen, denn wir leben in einer
„postheroischen Gesellschaft“. Das bedeutet, dass es uns gut geht, es gibt die „Ein-KindFamilie“ wobei dieses Kind der zentrale Bestandteil der Familie ist. Genau das macht es sehr
schwierig diesen „zentralen Bestandteil“ der Familie, der Armee eines Krisenmanagements
zur Verfügung zu stellen. Für Verteidigungsaufgaben an der Grenze des eigenen Landes
kann man das noch einigermaßen argumentieren, für ein Krisenmanagement im Kongo oder
in Afghanistan ist die Argumentation wesentlich schwieriger. Der Lösungsansatz um dies in
den Griff zu bekommen lautet „TECHNIK“. Aber auch „Private Companies“ werden immer
stärker als Lösung des Problems herangezogen.
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2.5 Asymmetrie des Krieges:
Die Asymmetrie des Krieges ist ein strategisches Prinzip. Es ist ein „Denken“ bestimmendes
Element, dass sich auf den verschiedenen Ebenen äußern kann. Es gibt die politischstrategische Ebene, die operative Ebene aber auch die gefechttechnische Ebene, sprich wie
schlagen die Akteure vor Ort aufeinander ein. Die Definition asymmetrischen Handelns ist
das strategische Prinzip zur Kompensation einer offenkundigen / vermeintlichen
Unterlegenheit in einem oder mehreren entscheidenden Bereichen. Die Asymmetrie stellt auf
der einen Seite die schwer bewaffneten aber auch schwer geschützten Soldaten dar und auf
der anderen Seite sehr leicht bewaffnete Kämpfer mit enormer Ortskenntnis und mit einer
außerordentlichen Motivation für den Kampf.
Laut Herrn Brigadier Dr. Feichtinger ist Technologie nicht die alleinige und ausschließliche
Antwort auf die Herausforderungen die auf die westliche Kriegsführung in der Zukunft
zukommen.
3 HI-TEC-WAR ALS ERFOLGSREZEPT?
ODER
ERFOLG IN MILITÄRISCHEN KONFLIKTEN DURCH DEN EINSATZ VON TECHNOLOGIEN.
Die primäre Frage ist wie werden militärische Streitkräfte eingesetzt und verwendet um
ihren Anteil an der Erreichung politischer Ziele optimal und effizient sicher zu stellen?
3.1 Wozu werden militärische Streitkräfte eingesetzt?
Im Allgemeinen werden militärische Streitkräfte für zwei Zwecke eingesetzt:
1. Um den eigenen politischen Willen durchzusetzen (eines Staates, einer Koalition).
2. Um eine Niederlage zu vermeiden.
Beim Einsatz von militärischen Mitteln steht man immer unter dem Primat der Politik, es
wird nicht um den Zweck gekämpft sonder immer um das höhere Ziel der politischen Führung, welches zwingendermaßen vorzugeben ist.
Dies ist relativ einfach im Kampf zwischen Staaten, Kampf zwischen konventionellen Streitkräften. Komplizierter und wesentlich umfangreicher wird es in einem Szenario wo man mit
„weak states“ oder „fale states“ in Kontakt kommt. (Einen gelungenen Aufsatz diesbezüglich
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schrieb der Forschungsbeauftragte Stewart Patrick vom „Center of Global Development“ in
Washington D.C. (Patrick 2006)). Der Sieg der errungen werden will, wird nicht gegen eine
staatliche Autorität erreicht sondern gegen verschiedenste Gruppierungen, die gegebenenfalls diesen Sieg letztendlich nicht zulassen wollen.
3.2 Warum Technologie für Streitkräfte wichtig ist?
Zu aller erst geht es um den Schutz der eigenen Soldaten und den Schutz des Humankapitals
das zur Zielerreichung vom Staat eingesetzt wird. Niemand will, wenn Soldaten ihre Aufträge erfüllen, dass sie zu Tote kommen oder verletzt werden – dies passiert dennoch. Die
Aufgabe der Technologie ist es die Soldaten effizient zu schützen beziehungsweise sein
Überleben am Gefechtsfeld zu ermöglichen. Weiters ist zu verhindern, dass wir allzu viele
Bilder dieser Art über unsere Medien nach Hause bekommen.
Genauso wichtig ist es Verluste unter der Zivilbevölkerung bei Einsätzen unter politisch
legitimierter Gewalt zu minimieren. Bilder von verletzten und getöteten Zivilisten flimmern
ständig über die Bildschirme, aus politischer Sicht passiert dann immer jenes, dass bei
besonders vielen Verlusten die politische Führung bei der Zielerreichung unter Druck gerät.
Einerseits muss die Zivilbevölkerung geschützt werden um ihr Leid zu lindern und
andererseits muss man den Handlungsspielraum bei der Zielerreichung der politischen
Führung so weit wie möglich erhalten. Deshalb ist die Verwendung von beispielsweise
präziser, technologisch höchstausgereifter Munition beim Einsatz von Streitkräften
zwingend notwendig. Letztendlich geht es aber auch darum die eigene militärische Überlegenheit durch den Einsatz von Technologie zu schaffen bzw. zu erhalten. Dass heißt, wenn
sich Streitkräfte gegenüber stehen, dann erwartet sich der Soldat von seiner politischen
Führung, dass er die Mittel hat, um dem Gegenüber überlegen sein zu können.
3.3 Aktuelles Gefechtsbild: Wie werden Streitkräfte verwendet?
Es wird grundsätzlich von drei Faktoren ausgegangen die wesentlich für dieses „Wie“ sind.
1. Preemption – Dem Gegner zuvor kommen:
Wer den ersten Schlag anbringt hat gute Chancen den Kampf zu gewinnen. Am
Beispiel Irak wollte man die politische Führung des Gegners bereits im Vorfeld
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schwächen und setzte daher zu einem Präventivschlag an. Sei es durch U-Boote,
durch Flugzeuge oder durch weit reichende Waffen. Die wesentlichsten Mittel sind
Marschflugkörper, Spezialeinsatzkräfte und Luft landbare Kräfte die in der Lage sind
rasch große Entfernungen zu überbrücken und dort tätig zu werden. Räume sind zu
überwinden und Technologie hat das machbar zu machen.
2. Dislocation – Stärken des Gegners irrelevant machen (Ausmanövrieren):
Man darf die Stärken des Gegners nicht zur Wirkung kommen lassen indem man
seine eigenen Mittel dort einsetzt wo sich der Gegner nicht befindet bzw. einen
eigenen Einsatz vortäuscht. Die Stärken des Kontrahenten – seine großen mechanisierten Kräfte – kommen somit gar nicht erst zum Einsatz und man kann seine Ziele
ungehindert bzw. nur mit geringen Widerstand verfolgen. Erforderlich sind in
diesem Zusammenhang Transportmittel im großen Umfang welche die technologischen Erfordernisse des jeweiligen Einsatzgebietes erfüllen (z.B. Sicht zu jeder
Witterung mittels Infrarot etc.) und über große räumliche Distanzen schnell
vorankommen. Weiters kommt die Nutzung jeglicher Technologie im Sinne der
Aufklärung hinzu, seien das Satellitenbilder oder thermische Bilder um die Stärken
des Gegners zu schwächen.
3. Disruption – Zusammenhalt des Gegners auflösen/unterbrechen bzw.
Schock/psychologischer Effekt:
Wenn der Kampf gesucht werden muss und durchzuführen ist, ist mit Ausnützung
von Technologie der Gegner so zu schwächen das er den Kampf einstellt. Dies erfolgt
durch Beweglichkeit und Tempo, wozu der Bedarf von mechanisierten Kräften, Luftund Lastfahrkräften und Kräften die über große Räume transportiert werden können
gedeckt werden muss. Der Faktor der Information wird im Zusammenhang mit
„Disruption“ immer wichtiger, da er für den Einsatz von Streitkräften und deren
Wirkung ausschlaggebende Resultate erzielen kann.
Dies macht wiederum die im Hintergrund agierende Technologie erst möglich.
Technologie hat aber nur dann Sinn wenn wir sie vernetzen um dann die einzelnen Mittel
optimal nutzen zu können.
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3.4 Vernetzung der militärischen Mittel
Man spricht vom Verbund der Aufklärung. Darunter versteht man die Entscheidung was
mit der Information zu tun ist und die Wirkung auf ein jeweiliges Ziel.
Die Informationen sollen rasch zur Verfügung stehen um die militärischen Mittel optimal
nutzen zu können.
Technologie ist so zu nutzen, dass damit die optimalen Informationen über das Ziel und
dem Gegner so akkurat und präzise wie möglich parat stehen. Die Mittel können in verschiedensten Dimensionen eingesetzt sein, vom Satelliten über das Flugzeug (Drohnen) bis
hin zum Menschen. Bei der Entscheidung die herbeigeführt werden will ist Technologie
sofern entscheidend damit die Menschen die mit den Informationen arbeiten (z.B.
Flugzentralen) auch die richtigen Entscheidungen treffen können. Die Wirkung muss nicht
nur durch Waffentechnologie erzielt werden sondern kann auch durch Radiosendungen an
bestimmte Zielgruppen, durch Abwurf von Flugblättern, durch richtige Pressekonferenzen
mit dem richtigen Inhalt zur richtigen Zeit oder auch durch das ausstrahlen von
„Propaganda“ Sendungen direkt auf die gegnerischen Truppen durchgeführt werden.
Also Wirkung nicht nur im Sinne von Zerstörung sondern auch Wirkung im Sinne von Beeinflussung.
Somit ist das digitalisierte Gefechtsfeld nicht die Zukunft sondern bereits Realität wobei man
die volle Vernetzung aller zur Verfügung stehenden Mittel der Streitkräfte anstrebt.
Technologie schafft den Streitkräften die Voraussetzung, die Entscheidung bringt aber
schlussendlich der Mensch.
4 KALDORSCHE DEFINITION VON KRIEG
Mary Kaldor definiert laut Dirk Feustel und Verena Stehli vom Geschwister-Scholl-Institut in
München eine „neue“ Art des Krieges, welcher im Verlauf der achtziger und neunziger Jahre
besonders in Afrika und im osteuropäischen Raum aufkam und eine neue Dimension der
organisierten Gewalt geschaffen hat. Diese Gewalt entwickelt sich parallel zum
Globalisierungsprozess und ist unmittelbar damit verbunden. Die „alten“ Kriege haben sich
von den „neuen“ in der Form ab, als sie enorm zur Herausbildung des modernen Staates
beitrugen, das Staatsinteresse verfolgten und enorm auf Masse und Mobilität setzten. Die
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Grenze von den „neuen“ zu den „alten“ Kriegen ist nicht genau zu definieren, da es einen
schleichenden, sich überschneidenden Prozess gab. Die Internationale Gemeinschaft ist
unfähig das „neue“ zu erkennen und richtig einzuschätzen um es effektiv zu bekämpfen.
Kaldor fordert eine neue kosmopolitische Denkweise die sowohl die internationale
Gemeinschaft als auch die betroffenen örtlichen Bevölkerungen umfasst. Kosmopolitismus
als eine positive politische Vision die internationales Recht achtet und auf Toleranz,
Demekratie und Integration aufgebaut ist. (Kaldor 1999)
Dies ist eine weitere Erläuterung zu „Neue Kriege“ und schlussendlich sollte man sich aber
seine eigene Meinung über diese komplizierte Thematik bilden. Die beiden Vorträge von
Brigadier Feichtinger und Major Krasser, sowie Mary Kaldor geben aber einen ausführlichen
Überblick über die Entwicklung in der Zukunft.
5 BIBLIOGRAPHIE:
AKUF (2006): Kriegsdefinition. http://www.sozialwiss.unihamburg.de/publish/Ipw/Akuf/kriege_aktuell.htm, 14.12.2006
Clausewitz, General Carl von (1832): Vom Kriege.
http://www.carlvonclausewitz.de/vom_kriege_1_1.php, 30.11.2006
Esser, Brigitte/Vennhoff, Michael u.a. (2004): Weltpolitik des Kalten Krieges. In: Daten der
Weltgeschichte. Gütersloh/München: Chronik Verlag, 748 – 749.
HIIK (2003): Konfliktbarometer. http://www.hiik.de/de/index_d.htm, 14.12.2006
Kaldor, Mary (1999): Neue und alte Kriege. Organisierte Gewalt im Zeitalter der Globalisierung.
Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Münkler, Herfried (2004): Die neuen Kriege. In: Der Bürger im Staat 2004 (54:4); 179 - 184
Patrick, Stewart (2006): Weak States and Global Threats: Facts or Fiction? In: The Washington
Quarterly, Spring 2006 (29:2), 27 – 53.
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