IP/09/696 Brüssel, den 4. Mai 2009 Internet-Governance: EU-Kommissarin Reding fordert vollständige Privatisierung und uneingeschränkte Rechenschaftspflicht der ICANN ab 1. Oktober Viviane Reding, die in der Kommission für Informationsgesellschaft und Medien zuständig ist, forderte in einem heute Morgen auf ihrer Website veröffentlichten Video mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht bei der Verwaltung des Internet ab Oktober 2009. Zentrale Entscheidungen wie z. B. über die Domänen oberster Stufe und die Verwaltung des InternetZentralverzeichnisses werden gegenwärtig von der Zentralstelle für die Vergabe von Internet-Namen und -Adressen (ICANN) getroffen, einer in Kalifornien niedergelassenen Privatgesellschaft ohne Erwerbszweck. Die Tätigkeiten der ICANN sind bisher durch ein Abkommen mit dem Handelsministerium der USA geregelt, das jedoch am 30. September dieses Jahres ausläuft. Deshalb stellt Frau Reding heute ein neues Modell der Internet-Governance für die Zeit nach diesem Datum vor. Sie fordert darin insbesondere eine vollständige Privatisierung und uneingeschränkte Rechenschaftspflicht der ICANN, der eine unabhängige gerichtliche Instanz sowie eine „G12 für Internet-Governance“, d. h. ein multilaterales Forum, in dem Regierungen über allgemeine Fragen von Internet-Governance und -Sicherheit sprechen können, zur Seite gestellt werden sollen. „Ich vertraue darauf, dass Präsident Obama den Mut, die Klugheit und den nötigen Respekt für den globalen Charakter des Internet hat, um im September den Weg für eine neue Art der Internet-Governance frei zu machen und damit mehr Rechenschaftspflicht, mehr Transparenz, mehr Demokratie und eine stärkere multilaterale Ausrichtung zu ermöglichen“, so Kommissionsmitglied Viviane Reding in ihrer Videomitteilung von heute Morgen. “Jetzt ist die Zeit zu handeln, und Europa ist bereit, Präsident Obama in seinen Bemühungen zu unterstützen.“ Frau Reding weiter: „Mit dem 30. September dieses Jahres, wenn das derzeitige Abkommen zwischen ICANN und der US-Regierung ausläuft, kommt ein Moment der Wahrheit. Dann öffnet sich die Tür für eine vollständige Privatisierung der ICANN und wird gleichzeitig die Frage aufgeworfen, wem die ICANN ab dem 1. Oktober Rechenschaft ablegen soll.” Die ICANN befasst sich mit einigen der heikelsten Fragen im Zusammenhang mit der Verwaltung des Internet wie den Domänen oberster Stufe und der Verwaltung des Internet-Adressensystems, das Millionen von Computernutzern die Verbindung untereinander erst ermöglicht. Die ICANN wurde im Jahr 1998 in Kalifornien durch ein Abkommen mit der Regierung der USA geschaffen. „Die Rechenschaftspflicht der ICANN ist ein absolutes Muss“, so Reding. „Die Entscheidung der Clinton-Regierung, das System der Internet-Namen und -Adressen schrittweise zu privatisieren, war die einzig richtige. Langfristig kann nicht daran festgehalten werden, dass das Ministerium eines einzigen Landes die Aufsicht über eine Internetfunktion innehat, die von Hunderten von Millionen Menschen weltweit genutzt wird. " Die EU-Kommissarin beschrieb ein mögliches neues Modell der InternetGovernance für die Zeit nach dem 30. September, das u. a. folgende Komponenten umfassen könnte: - - eine vollständig privatisierte und unabhängige ICANN, die – insbesondere im Hinblick auf Transparenz in finanziellen Fragen und interne Rechenschaftspflicht – nach strengsten Corporate Governance-Normen arbeitet und einer wirksamen justiziellen Überprüfung unterliegt; ein multilaterales Forum, das Regierungen die Möglichkeit bietet, über allgemeine Fragen der Internet-Governance zu diskutieren. Dieses Forum würde als eine Art „G12 der Internet-Governance“ fungieren und als informelle Gruppe von Regierungsvertretern eingerichtet, die mindestens zweimal jährlich zusammentreffen und der ICANN bei Bedarf mehrheitlich angenommene Empfehlungen geben. Diese Gruppe würde bei Gefahren für Stabilität, Sicherheit und Offenheit des Internet schnelle Reaktionen ermöglichen. Um geographische Ausgewogenheit zu gewährleisten, würde diese „G-12 der Internet-Governance“ sich aus jeweils zwei Vertretern von Nordamerika, Südamerika, Europa und Afrika, drei Vertretern von Asien und Australien sowie dem Vorsitzenden der ICANN als Mitglied ohne Stimmrecht zusammensetzen. Internationale Organisationen mit Zuständigkeit auf diesem Gebiet könnten Beobachterstatus erhalten. Am 6. Mai wird die Europäische Kommission in Brüssel eine erste öffentliche Anhörung veranstalten, um der Internet-Gemeinschaft Europas die Möglichkeit zu bieten, ihre Erwartungen hinsichtlich der Zukunft der Internet-Governance zu äußern. Hintergrund Die Europäische Union spielt in den internationalen Gesprächen zur InternetGovernance seit vielen Jahren eine wichtige Rolle und hat wiederholt ein System gefordert, das vollständig vom Privatsektor getragen wird, ohne dass Regierungen sich in die tägliche Verwaltung des Internet einmischen (siehe IP/06/1297). Sie unterstützt einen offenen politischen Dialog über Internet-Governance und -Entwicklung, an dem möglichst viele Interessierte beteiligt werden (IP/06/1491) und nimmt am Beratungsausschuss der Regierungen (GAC) teil, der von der Zentralstelle für die Vergabe von Internet-Namen und -Adressen (ICANN) eingerichtet wurde und dessen Hauptaufgabe in der Beratung der ICANN zu öffentlich-rechtlichen Aspekten ihrer Koordinierungstätigkeiten besteht. Die Videoansprache von EU-Kommissarin Reding können Sie unter folgender Internetadresse abrufen: http://ec.europa.eu/commission_barroso/reding/video/index_en.htm Weitere Informationen über die öffentliche Anhörung zum Thema InternetGovernance, die von der Europäischen Kommission am 6. Mai in Brüssel organisiert wird, sind unter folgenden Adresse verfügbar: http://ec.europa.eu/information_society/policy/internet_gov/index_en.htm 2