Programa analitică Denumirea disciplinei Codul disciplinei Literatura germană, Anul II Semestrul Facultatea Litere Profilul Filologie Specializarea Română - Italiană I, II Numărul de credite Numărul orelor pe an / activităţi Total SI TC AT Categoria formativă a disciplinei: DF - fundamentală, DG - generală, DS - de specialitate, DE - economică/managerială, DU - umanistă Categoria de opţionalitate a disciplinei: DI - impusă, DO - opţională, DL - liber aleasă (facultativă) Discipline anterioare Obiective Conţinut (descriptori) Obligatorii (condiţionate) Recomandate AA DF DI - 1. Intelegerea si aprofundarea fenomenelor istorice, sociale, politice, culturale si literare specifice diferitelor perioade si epoci din evolutia limbii si literaturii germane. 2. Insusirea conceptelor si a terminologiei literare specifice fiecarei epoci istorice si literare. 3. Cunoasterea celor mai importante creatii literare si a celor mai importanti autori ai epocii. Die Epoche der deutschen Klassik (1780-1830) 1. Begriff und historischer Hintergrund. 2. Johann Wolfgang von Goethe. Weimarer Lyrik. „Iphigenie auf Tauris“, „Egmont“, „Torquato Tasso“. „Wilhelm Meisters Lehrjahre“, „Wilhelm Meisters Wanderjahre“. „Hermann und Dorothea“. „Die Wahlverwandschaften“. „Faust I und II“. 3. Friedrich Schiller. „Don Carlos“, „Wallenstein“, „Maria Stuart“. Zu den ästhetischen Schriften. „Die Jungfrau von Orleans“. „Die Braut von Messina“. „Wilhelm Tell“. Zwischen Klassik und Romantik ( 1793 – 1811 ) 1. Jean Paul. 2. Friedrich Hölderlin. Lyrik. „Hyperion oder der Eremit in Griechenland“. 3. Heinrich von Kleist. Kleist als Dramatiker. Kleist als Erzähler. Kleist als Lyriker Die Epoche der deutschen Romantik (1795 – 1830 ) 1. Was heißt Romantik? 2. Die frühe Romantik. Friedrich und August Wilhelm Schlegel. Ludwig Tiek. Novalis. 3. Die Hochromantik. Clemens Brentano. Achim von Arnim. Jakob und Wilhelm Grimm. 4. Die Spätromantik. Adalbert von Chamisso. E.T.A. Hoffmann, Eichendorff. Forma de evaluare (E - examen, C - colocviu / test final, LP - lucrări de control) E Stalibirea - răspunsurile la examen / colocviu / lucrări practice 50% notei - activităţi aplicative atestate / laborator / lucrări practice/ proiect etc. finale - teste pe parcursul semestrului 25% (procentaje) - teme de control 25% Bibliografia 1. Grosse, W./ Grenzmann, L. : Klassik/Romantik, E. Klett SchulbuchVerlag, 1993 2. Hinderer W. : Geschichte der deutschen Lyrik. Von Mittelalter bis zur Gegenwart, Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1983 3. Hoffmeister, G.: Deutsche und europäische Romantik, J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 1989 4. Müller- Seidel, W.: Die Geschichtlichkeit der deutschen Klassik, 1983 5. Schutte, J.: Einfuhrung in die Literaturinterpretation, 1993 6. Wellek, R./ Warren, A.: Theorie der Literatur, 1959 7. Kluges, H. – Geschichte der deutschen Literatur, Carl Hauser Verlag, Berlin 1992 8. Baumann, B. / Oberle, B.: Deutsche Literatur in Epochen, Verlag C.H. Beck, 1997 9. Rötzer, H.G.: Geschichte der deutschen Literatur, Bamberg, 1977 10. Van Rinsum: Eine Geschichte der deutschen Literatur in Beispielen, Verlag C.H.Beck, München, 1992 Lista materialelor didactice necesare Suport de curs ID Coordonator de disciplină Gradul didactic, titlul Andreea Ghiţă Asist. univ. dr. Semnătura Legenda: SI - studiu individual, TC - teme de control, AT - activităţi tutoriale, AA - activităţi aplicative aplicate SUPORT DE CURS Disciplina: LITERATURA GERMANĂ (Secolele al 18-lea – al 19-lea) Anul II ID, Semestrul I Titularul disciplinei: Asist. univ. dr. Andreea Ghiţă Prezentul suport de curs este realizat pe baza volumelor: Grosse, W./ Grenzmann, L. : Klassik/Romantik, E. Klett Schulbuch- Verlag, 1993, Hinderer W. : Geschichte der deutschen Lyrik. Von Mittelalter bis zur Gegenwart, Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1983, Hoffmeister, G.: Deutsche und europäische Romantik, J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 1989, Müller- Seidel, W.: Die Geschichtlichkeit der deutschen Klassik, 1983, Schutte, J.: Einfuhrung in die Literaturinterpretation, 1993, Kluges, H. – Geschichte der deutschen Literatur, Carl Hauser Verlag, Berlin 1992, Baumann, B. / Oberle, B.: Deutsche Literatur in Epochen, Verlag C.H. Beck, 1997, Rötzer, H.G.: Geschichte der deutschen Literatur, Bamberg, 1977, Van Rinsum: Eine Geschichte der deutschen Literatur in Beispielen, Verlag C.H.Beck, München, 1992, şi a materialelor accesibile online. I. Klassik I. Begriff Das Wort klassisch stammt vom lateinischen classicus mit dem man Angehörige der höchsten Steuerklasse bezeichnete. In der Bedeutung erstrangig wurde dieses Wort bald auf andere Bereiche übertragen. Heute meint man mit klassisch etwas zeitlos gültiges, überragendes und vorbildhaftes. Im schöpferischen Sinne bedeutet es die Orientierung an antiken Stil- und Formmustern. Mit Klassik verbindet man allgemein die Epoche des kulturellen Höhepunktes eines Landes. In Deutschland spricht man speziell von der Weimarer Klassik, da in Weimar der Höhepunkt im Schaffensprozeß Goethes und Schillers lag. Das Jahr 1786 sieht man mit Goethes Italienreise als den Beginn der Epoche an, das Jahr 1832 mit dem Tod Goethes als das Ende. II. Personelle und gesellschaftliche Basis Die Ideen der Klassik wurden hauptsächlich von zwei Dichtern entwickelt und verbreitet: Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) und Friedrich von Schiller (1759-1805). Ort deren Zusammenarbeit war Weimar. Dort residierte Herzog Karl August (1775-1828) über das kleine Fürstentum Sachsen Weimar und Eisenach (ca. 100.000 Einwohner). Der Fürst war "aufgeklärt", d.h. er war bestrebt, für das Wohl seiner Untertanen zu regieren, obwohl er ein absolutistischer Fürst war. (So gab er 1816 als erster deutscher Landesherr seinem Land eine Verfassung). Sein besonderes Interesse galt der Kunst und Wissenschaft. Karl August lud 1775 den 26-jährigen Goethe, den er ein Jahr zuvor kennen gelernt hatte, nach Weimar ein. Goethe war damals v.a. als Autor des 1774 erschienenen Romans "Die Leiden des jungen Werthers" bekannt. Am Hof zu Weimar wurde Goethe Vertrauter und Ratgeber des Herzogs, bald Minister. Neben seiner politischen Tätigkeit fand er viel Zeit zum Dichten und Forschen, er leitete das Hoftheater und unternahm zahlreiche Reisen. Einige davon führten ihn nach Italien (1786, 1788, 1790). Die Italienreise gehörte damals zum Bildungsprogramm junger Adliger und reicher Bürgersöhne. Goethe lernte in Italien die Antike (bzw. deren Überreste) mit eigenen Augen kennen, sie wurde von da an zu seinem entscheidenden Vorbild. (Aus diesem Grunde setzt man auch den Beginn der deutschen Klassik 1786 an.) Schiller, der aufgrund häufiger Krankheiten, politischer Verfolgung (wegen seines Stückes "Die Räuber") und ständiger Geldsorgen ein weniger geordnetes Leben als Goethe führen musste, wurde 1788 auf Betreiben Goethes als Professor für Geschichte nach Jena berufen. 1794 begannen Freundschaft und Zusammenarbeit mit Goethe. 1799 siedelte Schiller nach Weimar um. Weimar stellte neben Leipzig und Hamburg eines jener geistigen Zentren im damals aus vielen Einzelstaaten bestehenden Deutschland dar. Reiche Bürger oder kunstbeflissene Fürsten ermöglichten es Künstlern, ohne materielle Sorgen und ohne Rücksicht auf den Massengeschmack ihre Ideen zu verfolgen. Der geistige Austausch in diesen Zentren blieb unbehindert, Deutschlands provinzieller Charakter hatte wenig zu bieten, so nahmen die Gebildeten an den kulturellen und auch politischen Ereignissen der ganzen Welt teil, über die man in Zeitschriften und Büchern berichtete. Dies führte zu einer geistigen Weite, für die man den Begriff "Weltbürgertum" prägte. III. Grundideen Wie die Aufklärung ging die Klassik von der Erziehbarkeit des Menschen zum Guten aus. Ihr Ziel war die Humanität, die wahre Menschlichkeit (das Schöne, Gute, Wahre). Doch der Mensch sollte nicht nur einzelne Tugenden (z.B. Toleranz, Nächstenliebe) besitzen, sondern einem Ideal zustreben, das mit den Begriffen "Harmonie" und "Totalität" umschrieben wurde. Dies bedeutete, dass alle menschlichen Kräfte und Fertigkeiten ausgebildet werden sollten: Gefühl und Verstand, künstlerisches Empfinden und wissenschaftliches Denken, theoretisches Erfassen und praktische Umsetzung (Totalität). Dabei sollten diese Eigenschaften aber nicht im Widerspruch zueinander stehen, eine auf Kosten der anderen bevorzugt werden, sondern eine ausgewogene Einheit bilden (Harmonie). Verwirklicht sah man dieses Ideal in der griechischen Antike; die Griechen des klassischen Altertums hätten - jeder Einzelne und die gesamte Gesellschaft - ihre Kräfte allseitig und harmonisch entfaltet wie kein Volk zuvor oder danach. Das Klassikverständnis ging dementsprechend auf die Betrachtung antiker Bildkunst zurück.. Von ihr wurde z.B. durch Winkelmann abgeleitet, was das Schönheitsideal ausmachte. Für Winkelmann war das Menschenbild geprägt durch "edle Einfalt und stille Größe". Edle Einfalt meint die Simplizität des behandelten Stoffes, stille Größe eine große Geisteshaltung. Das Verständnis der Tragödie ging auf Sokrates, der Epik auf Homer und der Politik auf die polis zurück.. Die Wirklichkeit betrachteten die Klassiker gegenüber ihrem Ideal als unzureichend. Sie verstanden sie als geprägt durch die Arbeitsteilung der Gesellschaft, die den Einzelnen nur auf bestimmte, seinem Beruf zugeordnete Tätigkeiten und Fähigkeiten festlegte (Spezialisierung). Entsprechend herrsche im Menschen selbst ein Zwiespalt zwischen Gefühl und Verstand, Pflicht und Neigung, Denken und Handeln. Deutschland galt als rückständig, provinziell, spießbürgerlich. Große Hoffnungen setzte man zunächst auf die Französische Revolution (1789), war aber dann von deren Verlauf, v.a. der Schreckensherrschaft enttäuscht. Eine Änderung dieses Zustandes in Richtung auf das Ideals sei daher nicht durch eine revolutionäre Umwälzung der Gesellschaft zu erreichen (wie es die Französische Revolution versuchte), sondern durch die Veränderung des Einzelnen. Wie in der Aufklärung hielt man die Kunst für ein geeignetes Mittel, dies zu erreichen. Die Kunst sollte aber nicht nur die "Verzuckerung" der Pille sein, die unangenehme Lehren auf angenehme Weise nahe brachte. Die Kunst - so v.a. Schiller - veranschauliche das Ideal, sei ein "Vorschein" des Idealzustandes, seine Vorwegnahme im schönen Schein der Kunst. Durch die Beschäftigung mit dieser Kunst sollten die Menschen allmählich diesem Idealzustand angenähert werden. Dabei nahm man in Kauf, dass dieses Unternehmen sich zunächst auf einen kleinen Kreis von Gebildeten beschränkte, einen Kreis, der sich mit der Zeit vergrößern würde. IV. Dichtungstheoretische Schriften Einführung in die Propyläen (Goethe) Die Zeitschrift "Die Propyläen" wurde nach dem Eingangstor der Akropolis benannt. Sie vollzieht den Übergang von Naturwirklichkeit zur Kunstwahrheit. Sie wendet sich an Künstler, um diese zu bilden Stil zu erreichen. Handwerk ist nur ein Teil der Kunst, hinzu kommen geistiges Wissen und Empfindungen. Bezieht der Künstler sich nur auf sein Talent, kommt es zum Problem der Vereinseitigung. Mit der Darstellung der Schönheit des Menschen soll Vollkommenheit des Rezipienten erreicht werden. Das Stilkunstwerk stellt eine Möglichkeit dar, den schönen Menschen hervorzubringen und Harmonie zu schaffen. Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795, Schiller) Die Briefe Über die ästhetische Erziehung des Menschen stellen den Versuch dar, das Schöne zu bestimmen und die Frage nach der Funktion der Kunst innerhalb der Kulturentwicklung des Menschen zu klären, besonders in der Zeit nach der Französischen Revolution. Für Schiller ist eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft, wie die Französische Revolution, zum Scheitern verurteilt. Politische Veränderungen können erst erreicht werden, wenn der Mensch seine Harmonie wiedergefunden hat. Schiller fordert eine Erziehung hin zur Wahrnehmung der Kunst, die aus Phantasie und Vernunft das Ideal des selbstbestimmenden Menschen hervorbringt, der immer auch die Sache der Gesellschaft befördert. Über naive und sentimentale Dichtung (1795/96, Schiller) Schiller versucht in dieser Schrift Voraussetzungen und Merkmale moderner Kunst zu zeigen. Der moderne Dichter befindet sich in einer Welt, die ihm fremd ist: Trennung zwischen Mensch und Natur, Sinnlichkeit und Vernunft stehen der harmonischen Einheit der Antike gegenüber. Für den Dichter der Antike zeigte sich das Ganze seiner Natur in der Wirklichkeit, deshalb konnte der diese Wirklichkeit "naiv" nachahmen. Der moderne Dichter hingegen muß das durch Kultur und Zivilisation verlorene, ursprüngliche Ideal darstellen - sentimentalisch. 5. Wirkung Im 19. Jh. entfaltete die deutsche Klassik im Bildungsbürgertum eine ungeheure Wirkung. Zitate aus den Werken Goethes und Schillers wurden zu volkstümlichen Sprichwörtern. Die Lektüre der Klassiker wurde Pflichtpensum in den höheren Schulen, Schillers Dramen beherrschten die Spielpläne der Theater. 6. Literarische Formen Bildungsroman Ideendrama Charakterdrama bevorzugte Formen der Lyrik: Ode Hymne Sonett Distichon Stanze Ballade Ode: (griech. Lied, Gesang) = feierliches Gedicht, aber gedämpfter als Hymne; reimlos; festgelegte Strophenformen, geprägt von Erhabenheit und Würde Hymne: (griech. Festgesang) = feierlicher Lob- und Preisgesang; meist freie Rhythmen Sonett: Festgelegt sind: Versmaß, Reim, Strophenform und Länge. Ein Sonett besteht aus 14 Verse und hat als Versform den Alexandriner. Unterschieden wird zwischen Italienischem Sonett (Petrarca Sonett), das sich aus 2 Quartetten und 2 Terzetten zusammensetzt, und dem Elisabethanischem Sonett (Shakespeare Sonett), bestehend aus 3 Quartetten und einem abschließendem Reimpaar. Distichon: Kombination von Hexameter und Pentameter; meist reimlos Stanze: Strophenform zu acht Versen, mit fünfhebigem Jambus und weiblicher Kadenz; Reimschema: ab ab ab cc 7. Wichtige Werke Goethe Dramen Romane Iphigenie auf Tauris (1787) Wilhelm Meisters Lehrjahre (1796) Egmont (1787) Torquato Tasso Die Wahlverwandtschaften (1809) (1790) Faust I (1808), Wilhelm Meisters Wanderjahre (1829) Faust II (1832) Lyrik Römische Elegien (1790), Balladen Schiller Dram Schriften en D Menschen (1793) on Carlos (1787) W Dichtung (1797) allenstein (1799) M aria Stuart (1800) W ilhelm Tell (1804) Lyrik Über die ästhetische Erziehung des Balladen Goethe: Iphigenie auf Tauris Über naive und sentimentalische Der Tantalidenfluch - die Vorgeschichte Der Mensch Tantalus war einst als Gast beim Gott Jupiter eingeladen. Er feierte zunächst zusammen mit den anderen Göttern, wurde jedoch schnell übermütig und prahlte. Die Götter bemerkten, dass er als Mensch einfach nicht in ihre Welt passte und Tantalus sich negativ entwickelt hatte, sodass sie ihn daraufhin stürzten und ihn und seine Familie verfluchten. Hier entstand und begann der Tantalidenfluch. Seither werden Tantalus' Nachkommen meist zu Mördern an ihrer eigenen Familie oder/und selbst von Familienangehörigen aus Rache und Hass getötet. So opfert Agamemnon, ein Heerführer und Nachkomme des Tantalus, der Göttin Diana seine älteste Tochter Iphigenie, um seinen Krieg gegen Troja gewinnen zu können. Im Glauben, Iphigenie sei tatsächlich tot, ermordet ihre Mutter Klytaimnestra ihren Ehemann Agamemnon, welcher ihr gemeinsames Kind augenscheinlich töten ließ. Die verbliebenen Geschwister Iphigenies Orest und Elektra hingegen, hegen wegen des Mordes an ihrem Vater einen Groll gegen ihre Mutter und schließlich ermordet Orest mit Hilfe Elektras seine eigene Mutter. Somit ist auch er unrein geworden und dem Fluch verfallen. Er flüchtet vor seinem Schicksal, nun selber wohl von Familienangehörigen oder anderen wegen seiner Untat aus Rache getötet zu werden. Sein Ziel liegt darin, zur einzigen Möglichkeit zur Lösung des Fluches, eine beschriebene Götterstatue zu finden. So landet er auf seiner Flucht zusammen mit einem alten Freund an der Küste der Insel Tauris... Handlung des Stücks Iphigenie wurde von der Göttin Diana verschont. Sie wurde nicht getötet, sondern in einer „Wolke“ von der Göttin nach Tauris gerettet, wo Iphigenie ihr nun aus Dankbarkeit als Priesterin ihres Tempels dient. Iphigenie hält Thoas, welcher König von Tauris ist und sie heiraten will, durch ihre kluge und liebevolle Art davon ab, Menschen zu opfern. Bevor sie nämlich auf Tauris ankam, war es Brauch, alle fremden Gestrandeten der Göttin Diana zu weihen. Iphigenie kann sich dennoch nicht an Tauris gewöhnen und hat heimweh, auch obwohl Thoas sie ihrer Ansicht nach großzügig wie ein Vater behandelt. Dieser jedoch ist an Iphigenie als Ehefrau interessiert. Da sie sich ihm jedoch verweigert, will er die Menschenopfer wieder einführen. Dennoch liegt die Lösung Iphigenies Einsamkeit greifbar nah, als ihr Bruder Orest mit seinem Freund Pylades an der Küste Tauris' auftaucht und geopfert werden soll. Der tragische Konflikt für Iphigenie: Durch ihre Rückkehr könnte sie den Tantalidenfluch beenden, müsste sich dazu jedoch selber unrein machen, indem sie Thoas hintergeht. Außerdem würden die Menschenopferungen auf Tauris wieder fortgeführt werden. Lügt sie Arkas, den Diener Thoas', und Thoas selbst nicht an, so bleibt sie selbst rein, kann aber nicht nach Hause zurückkehren. Lügt sie, kann sie zwar Pylades und Orest retten und nach Hause segeln, jedoch wäre sie selber dadurch unrein geworden und der Fluch bliebe somit bestehen. Sie entscheidet sich schließlich dafür, die Wahrheit zu sagen und auf das zu hören, was die Seele im Inneren ihr eingibt. Iphigenie wird zum humanistischen Menschen, der gute und humanistische Götter zum Vorbild hat, sich aber nicht von ihnen abhängig macht und selber handelt. Goethes Idee von der Humanität - Iphigenie verweigert die Opferung für die Göttin Diana. Sie versucht die Menschenopfer zu verhindern und ließe niemals einen Menschen durch ihren eigene Hand sterben. - Thoas führt die Menschenopfer letzten Endes doch nicht wieder ein, obwohl Iphigenie ihn - verlässt. Iphigenie zeigt tiefe Aufrichtigkeit und Ehrlichtkeit. - Der Fluch wird nicht durch eine List aufgehoben, sondern durch Humanität, Wahrheit und Nächstenliebe. - Mitgefühl - Die Menschen sollen erkennen, dass sie eigenständig aktiv werden müssen und jeder sein Schicksal selber in die Hand nehmen kann. Man soll nicht blind auf die Götter vertrauen und an die Menschen glauben. Die klassische Ballade Um den Abstand zwischen Bildungselite und Volksmassen zu verringern, benötigt es nach Schiller nach einer "Idealisierkunst", die richtige Stoffwahl und höchste Simplizität der Darstellung vereint. Schillers Balladen sind der Versuch, den Abstand zwischen Bildungs- und Massenpublikum durch Rückgang aufs allgemein-menschliche, Klarheit und Einfachheit zu überbrücken. Die Balladenproduktion der Klassiker im Jahr 1797 waren Werkstatterfindungen. Die klassische Ballade beschränkt sich auf die Arbeiten Schillers und Goethe in den Jahren 1797 und 1798, die in den "Musenalmanach für das Jahr 1798" und "Musenalmanach für das Jahr 1799" veröffentlicht wurden. Im sog. "Balladenjahr" 1797 machten Schiller und Goethe die Ballade zum Gegenstand eines "bewußten Kunstwillens und ästhetischen Experiments". Im "Musenalmanach für das Jahr 1798" erschienen Goethes Der Zauberlehrling, Die Braut von Korinth, Der Gott und die Bajadere sowie Schillers Der Ring des Polykrates, Der Handschuh, Ritter Toggenburg , Der Taucher und die Kraniche des Ibykus. Im "Musenalmanach für das Jahr 1799" erschienen Schillers Der Kampf mit dem Drachen und Die Bürgschaft. Schillers Balladenproduktion fällt ganz in die klassische Phase, während sich Goethes Balladenproduktion über seine gesamte Schaffensperiode erstreckt. Die klassische Ballade hält Distanz zur volkstümlichen-germanischen, antik-klassischen, christlich- mittelalterlichen und orientalischen Welt. Schiller - Die Kraniche des Ibykus In dem Gedicht "Die Kraniche des Ibykus" von Friedrich Schiller geht es um einen sehr beliebten griechischen Sänger, der auf dem Weg zu einem musikalischen Wettstreit überfallen und ermordet wird. Die Täter können anschließend gefasst und verurteilt werden, weil einer von ihnen plötzlich einen Zug Kraniche wieder erkennt, der auch bei der Mordtat anwesend war, und laut seinen Kumpanen darauf hinweist. Der erste Teil des Gedichts umfasst die Strophen 1 bis 3 und stellt eine Art Einleitung dar, in der die Ausgangssituation geschildert wird. Die nächsten drei Strophen (4-6) gehören zusammen, weil dort die Mordtat geschildert wird. Die Kraniche bilden dabei eine Art Klammer zwischen den ersten drei und den darauf folgen-den drei Strophen. In der ersten Gruppe stellt der Sänger eine freundliche Beziehung zu den Vögeln her, vergleicht sich mit ihnen, in der zweiten Gruppe wendet er sich in seiner Verzweiflung an sie als die Einzigen, die ihn rächen können. Die Strophe 7 kann zusammen mit den Strophen 8 bis 12 gesehen werden, weil es hier um das Auffinden der Leiche und die Reaktion der Leute darauf geht. Die Strophen 13 bis 18 handeln nur vom Chor und verzögern die weitere Entwicklung: In gewisser Weise könnten sie auch wegfallen, sie sind aber wichtig, um der ganzen Ballade in diesem Teil eine düsterdrohende Rache- und Strafstimmung zu verleihen. Ein erstes Element des Dramatischen liegt im Aufbau und in der entsprechenden Spannungskurve: Das Ganze beginnt mit einer Exposition, in der die Ausgangssituation geschildert wird, es folgt eine dramatische Zuspitzung hin zu einem ersten Höhepunkt, dem Mord und der Wendung des sterbenden Sängers an die Kraniche. Anschließend fällt die Spannungskurve ein wenig ab, wenn die Trauer der Freunde und Festteilnehmer geschildert wird. Der geheimnisvolle Chor-Teil lässt dann die Spannungskurve bis ins Quälende hinein wieder steigen, bevor es zu einem zweiten Höhepunkt, der Selbstoffenbarung der Mörder, kommt. Die Spannung bleibt ab dann bis zum Schluss erhalten, ja steigert sich vielleicht sogar noch, weil ja aus einer einfachen Äußerung eine immer strengere Untersuchung und schließlich eine Gerichtsszene wird. Funktion und Wirkung des Chores Chor verbreitet Schrecken bei Zuschauern Chor verbreitet hohe Macht durch Chor wird Straftat künstlerisch dargestellt o beeindruckt Zuschauer Theateraufführung appeliert an das Gute im Menschen o Kunst aktiviert den Menschen und drängt ihn das Richtige zu tun Kunst vermittelt Ideale Goethe: Faust Das Leben des wirklichen Johann Faust wird von Johann Spies in Historia von D. Johann Fausten (1587) geschildert. Sie handelt von einem jungen Mann namens Johann Faust, Sohn eines Bauern, der nach dem Besuch der Schule in Wittenberg Theologie studiert und den Doktorgrad erwirbt. Später studiert er auch „Medizin, Astrologie und was sonst mit der Magie zusammenhing.“ Er ererbt ein Vermögen von seinem Vetter, gibt dies aber schnell aus. „Sein unbegrenzter Durst nach Erkenntnis“ führt dazu, dass er in einem Wald bei Wittenberg den Teufel beschwört, der „in der Gestalt eines grauen Mönches“ erscheint und am nächsten Tag wiederkommen will. Dies geschieht, wobei der Teufel „zunächst als Schatten hinter dem Ofen und dann als zottige Bärengestalt mit einem Menschenkopf“ auftritt. Faust schließt einen Bund mit dem Teufel ab. Der Teufel soll ihm 24 Jahre lang dienen, dafür soll er Fausts Seele bekommen. Der Vertrag wird mit Fausts Blut unterzeichnet. Der Teufel „solle ihn nach 24 Jahren holen dürfen; wenn bis dahin alle seine Wünsche erfüllt würden.“ Der Teufel nennt sich Mephistopheles und dient Faust gemäß dem Vertrag. „Er verschafft ihm auch einen Famulus, Christoph Wagner mit Namen, und den wunderbar gelehrigen Pudel Prästigiar.“ Faust frönt fortan dem Genuss. Er beginnt zu reisen und „seine magischen Künste“ zu zeigen. In Leipzig reitet er auf einem Weinfass aus Auerbachs Keller, in Erfurt zapft er Wein aus einer Tischplatte, er besucht den Hof des Papstes in Rom, den Sultan in Konstantinopel, den Kaiser in Innsbruck und den Grafen von Anhalt. Nach 16 Jahren bereut er den Vertrag und will ihn aufheben, doch der Teufel schließt einen erneuten Pakt mit ihm. Er verschafft ihm Helena aus Griechenland, mit der Faust einen Sohn namens Justus zeugt, unter der Auflage, dass beide mit Faust sterben müssten. Darum bestimmt Faust seinen Famulus zu seinem Erben. Am letzten Tag der 24 Jahre erscheint „Satan, der Oberste der Teufel“ ihm in furchterregender Gestalt und kündigt ihm für die kommende Nacht den Tod an. Zweimal verhindert Mephistopheles den Suizid des Verzweifelten. Den letzten Abend verbringt er im Dorf Rimlich in der Gesellschaft seiner Freunde. Er bewirtet sie, „ermahnt sie zur Buße und Frömmigkeit“ und nimmt Abschied von ihnen. Zwischen Mitternacht und ein Uhr zieht ein starker Sturm auf. In Fausts Zimmer entsteht „ein Höllenlärm“. Am nächsten Morgen finden die Freunde die Wände im Zimmer mit Blut und Hirnmasse bespritzt, Fausts Augen liegen auf dem Boden, sein Leichnam im Hof „auf dem Miste“. Er wird „in aller Stille“ begraben. Auch das genaue Geburtsjahr ist umstritten. Es wird entweder mit 1480 oder 1481, aber auch mit 1466 angegeben. Faust 1: Inhalt Mephisto wettet mit Gott um Fausts Seele, dass es ihm gelingen wird, Faust dem Bösen verfallen zu lassen. Faust verzweifelt über die Beschränktheit der Menschen und findet keine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Nach den Naturwissenschaften versucht er sich in Magie, doch auch damit kommt er nicht weiter und wird nur durch das Erklingen der Osterglocken vom Selbstmord abgehalten. Am Tag darauf bietet Mephisto Faust übermenschliche Kräfte an, falls Faust ihm dafür die Seele verspricht und im Jenseits dient. Mephisto soll die Seele erhalten, sobald Faust sein Ziel erreicht hat und sagt: „Verweile doch! Du bist so schön!“. Mephisto möchte Faust zum Glück bringen durch Erfahrung/Leben und nicht durch Erkenntnis. Es folgt ein Rundgang durch die Welt der sinnlichen Freuden im Auerbachs Keller, was Faust jedoch abstossend findet. So wird Faust verjüngt (Hexenküche) und macht sich mit Gretchen bekannt, in welches er sich verliebt. Faust kann Gretchen für sich gewinnen. Um sie ungestört besuchen zu können, besorgt Mephisto einen Schlaftrunk für ihre Mutter, welcher sie jedoch tötet. Gretchen wird schwanger. Ihr Bruder Valentin will sich rächen, er wird jedoch von Faust mit Hilfe Mephistos erstochen. Faust wird von Mephisto in die Walpurgisnacht zum Hexensabbat mitgenommen. In der Zwischenzeit hat Gretchen, um der Schande zu entgehen, ihr Kind ertränkt und wird deswegen als Kindesmörderin zum Tode verurteilt. Faust will mit Mephistos Hilfe Gretchen vor der Hinrichtung befreien. Gretchen lehnt Fausts Hilfe ab. Sie akzeptiert den Tod als Strafe für ihr Vergehen und übergibt sich dem Gericht Gottes. Somit gewinnt Gott gegen Mephisto. Personen Faust: Wissenschaftler, betont wohlwollend, redet gerne, sowohl schweigsamer wie auch neugieriger Gast/Zuschauer (Auerbachs Keller, Hexenküche). Ziel: absolute Erkenntnis, möchte ganze Welt verstehen. Mephisto: Teufel, Teil des göttlichen Werkes, will das Böse aber schafft immer das Gute, Narrenrolle ermöglicht Kritik (an Uni, Kirche), Verwandlungskünstler, hat verbindende Funktion (zieht im Hintergrund die Fäden). Wichtig: Teufel = Knecht Gottes, ist nicht wirklich frei! Gretchen: Kleinbürgerlich, Idealistische Frauengestalt (Reinheit, absolute Liebe, Gläubigkeit, stark Eindringlich), realistische Eigenschaften (Lästern, träumt von Schmuck etc.), Entwicklung vom Mädchen zur Frau (leidenschaftliche Hingabe führt zu Sünde, ist aber bereit Konsequenzen zu tragen), wird zu gleichwertigen Gegnerin von Mephisto durch ihre Ideale selbst in Extremsituationen wie im Kerker. Wagner: wissbegierig, hat wenig Gespür, Karikatur (Gelehrter ist etwas besseres als das Volk) Schüler, Gretchens Bruder, Marthe Goethes dramatisches Hauptwerk, die zweiteilige Tragödie Faust (1. Teil erschienen 1808, 2. Teil 1833), war bestimmt von einer sechs Jahrzehnte dauernden, wechselvollen Entstehungsgeschichte. Mit dem Stoff des historischen Faust wurde er vermutlich in Form des Volksbuches von Johann Nikolaus Pfitzer (1674) und der Straßburger Version des Puppenspiels bekannt, die auf dem Drama Christopher Marlowes (1587) fußte. Ferner dürfte er bereits in seiner Jugend Lessings dramatisches FaustFragment (1759) gelesen haben, der die im Mittelalter nur als warnendes Exempel vorgeführte Gestalt erstmals mit positiven Zügen versah. Der Prozess gegen die 1772 in Frankfurt hingerichtete Kindesmörderin Susanna Margarete Brand regte wiederum die Gretchen-Handlung des ersten Teils an. Goethes erster, zwischen 1772 und 1775 entstandener Entwurf zu Faust eignete sich die im Sturm und Drang gängige "titanische" Auffassung der Figur an. Diesem nur als Abschrift erhaltenen so genannten Urfaust folgte 1790 die überarbeitete Fassung Faust. Ein Fragment. Erst auf Drängen und unter intensiver Beteiligung Schillers nahm Goethe 1797 die Arbeit wieder auf, die nunmehr im ästhetisch-philosophischen Vorzeichen der Weimarer Klassik stand. Der 1808 abgeschlossene erste Teil wurde erstmals 1829 in Braunschweig vollständig aufgeführt (unter der Direktion von Ernst August Friedrich Klingemann), als Goethe nach langer Pause bereits mit der Vollendung des zweiten Teils beschäftigt war (1825-31). Dieser wurde seiner Weisung gemäß erst posthum veröffentlicht (1833). Die erste vollständige Aufführung beider Teile erfolgte 1876 am Großherzoglichen Hoftheater in Weimar. Die der eigentlichen Handlung des ersten Teils vorangestellten Szenen "Zueignung", "Vorspiel auf dem Theater" und "Prolog im Himmel" führen zentrale Motive der Tragödie ein und schaffen die Ausgangskonstellation der Wette um Fausts Seele zwischen Gott und Teufel (Mephistopheles: "Was wettet ihr - den sollt ihr noch verlieren"). Die Anfangsszene im Studierzimmer Fausts rekapituliert dessen gescheiterte Versuche, dem Weltgeheimnis mit Hilfe von Wissenschaft und Magie auf die Spur zu kommen, und endet mit dem verzweifelten Entschluss zum Suizid, der im letzten Augenblick unter dem Eindruck der das Osterfest einläutenden Glocken wieder revidiert wird. Bei dem anschließenden Osterspaziergang wird Faust seines gespaltenen, zwischen Geistigkeit und Sinnlichkeit schwankenden Wesens gewahr ("Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust"). Diesen Konflikt verspricht der - in seiner teuflischen Provenienz von Faust bald erkannte - Mephisto in der folgenden Studierzimmer-Szene zu lösen, fordert aber Fausts Seele als Pfand. Der mit Blut besiegelte Pakt erhält durch die von Faust geforderte Zusatzklausel wiederum den Charakter einer Wette: "Werd' ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! Du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zu Grunde gehen!". Die zentrale Handlungseinheit, die Liebestragödie um Gretchen, wird vorbereitet in den teils witzig-satirischen, teils pittoresk-unheimlichen Szenen in Auerbachs Keller und der künstlichen Verjüngung Fausts in der Hexenküche. In der Gestalt Gretchens begegnet Faust das lebendige Idealbild der Frau, die ihm Mephisto zuvor in einem Zauberspiegel gezeigt hatte. Zur Erfüllung seiner leidenschaftlichen Begierde nimmt er dessen Hilfe in Anspruch, was sich als fataler Fehler erweist: Das Gretchens Mutter zugedachte Betäubungsmittel wirkt tödlich, ihr Bruder fällt im Duell mit Faust, sie tötet in Verzweiflung das gemeinsame Kind und endet im Kerker. Insofern scheint sich das Böse als beherrschendes Prinzip durchzusetzen, scheitert jedoch an der von Gretchen verkörperten Gegenmacht der göttlichen Liebe, über die Mephisto "keine Gewalt" besitzt. Die rein lustbetonte, letztlich egoistische Liebe Fausts demonstrierte Goethe in den eingestreuten Walpurgisnacht-Szenen, deren sexuell freizügige Teile er mit Rücksicht auf die moralischen Konventionen seiner Zeit vor der Veröffentlichung des Dramas tilgte. Die im Konflikt beider Liebeskonzeptionen aufscheinende Einsicht in die prinzipielle Unvereinbarkeit von Ehe und Erotik berührte die seinerzeit kontrovers geführte Diskussion um den Stellenwert der bürgerlichen Zweierbeziehung und belegte zugleich innerhalb des Dramas die offenkundige Unlösbarkeit des von Faust als schmerzlich empfundenen Grundwiderspruchs von geistiger und sinnlicher Existenz. Der erste Teil des Faust, der bei den Zeitgenossen teils enthusiastischen Zuspruch fand, vereinte das im Genie-Ideal des Sturm und Drang wurzelnde Faustbild mit der Ideendiskussion der Hochklassik und der nachklassischen Ästhetik Goethes, die besonders in der romantischen Ausmalung der Hexenszenen zutage trat. Die Einlösung der Wette blieb dem zweiten Teil der Tragödie überlassen, der aus der Sicht des alternden Dichters kaleidoskopartig die Summe seines eigenen jahrzehntelangen Ringens um Welterkenntnis und Lebenserfüllung zog. Die sogar nach Goethes Einsicht "inkommensurable" Gedanken- und Ereignisfülle, in der Mythen der deutschen Geschichte ebenso ihren Platz fanden wie diejenigen der Antike (Klassische Walpurgisnacht), ergibt im ganzen gesehen eher einen facettenreichen weltanschaulichen Essay als ein bühnengerechtes Schauspiel. Am Ende steht, ähnlich wie in Wilhelm Meisters Wanderjahren, die Einsicht in den absoluten Wert der in sich selbst vollendeten, auf kein konkretes Ziel gerichteten Tätigkeit: "Wer immer strebend sich bemüht, / Den können wir erlösen." Die Macht der unter dieser Voraussetzung wirksamen göttlichen Gnade besiegt letzten Endes den "Geist, der stets verneint" und macht Mephisto zum Verlierer der Wette. Im Gegensatz zum positiven Echo des ersten Teils stieß der zweite bei seiner Veröffentlichung weitgehend auf Unverständnis, was der enormen Nachwirkung, die die Tragödie insgesamt entfaltete, jedoch keinen Abbruch tat. Die Gestalt des Faust unterlag dabei unterschiedlichen, oft missverständlichen Interpretationen, wie der schließlich von der nationalsozialistischen Ideologie usurpierten Umwertung zum Ideal des deutschen Geistes. Als exemplarisches Menschheitsdrama hat Goethes Dichtung, die u. a. Charles Gounod (Margarethe, 1858) zu einer Vertonung anregte, gleichwohl ihren Platz unter den ersten Werken der Weltliteratur behauptet. Filmfassungen schufen Friedrich Wilhelm Murnau (1926) und Gustav Gründgens (1960). Faust 2 Der erste Teil des Faust ist ohne den zweiten gar nicht denkbar. Ein großer Aufwand wäre schmählich vertan, wenn sich Vor- und Nachteile von Fausts Teufelspakt auf die Verführung eines jungen Mädchens und dessen unseliges Ende beschränken würden. Das wäre ein bürgerliches Trauerspiel, nichts weiter. Daß der Faust zum Menschheitsdrama wird, verdankt er erst dem zweiten Teil, der vor allem in der klassischen Walpurgisnacht und der Helena-Handlung Raum und Zeit transzendiert, aber die Ur-Polarität von Trieb und Geist eben auch um die Polarität von nordisch-christlich und südlich-antik erweitert und differenziert, deren Synthese in der Gestalt des hochfliegenden aber in seiner Maßlosigkeit lebensunfähigen Euphorion letztlich scheitert. (In Euphorion hat Goethe übrigens ein Bild des griechenlandbegeisterten romantischen Dichters Lord Byron gegeben, der als Teilnehmer am hellenischen Freiheitskampf starb). War der Faust des ersten Teils ursprünglich bestimmt vom Streben nach Erkenntnis, also geistigem Durchdringen der Welt, so ist er vom Auftreten Mephistos an bis zum Ende der Helena-Geschichte auf verschiedenen Stufen dem Lebensgenuß ergeben: »Dem Taumel weih’ ich mich, dem schmerzlichsten Genuß, / [...] Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist, / Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen« – dessen Eignung zu dauerhaftem Glück er freilich von Anfang an mißtraut: »Kannst du mich mit Genuß betrügen – / Das sei für mich der letzte Tag! /[...] Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch, du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn.« Genuß aber ist an die Sinne gebunden, damit an die Sinnlichkeit, die den Eros ebenso umfaßt wie die Kunst. Nach der Erfahrung der im christlichen Norden schuldbeladenen Sinnlichkeit führt der Weg Fausts in die Welt der Antike. Hier entfaltet sich ein Kaleidoskop von Trugbildern, deren 'Realitätsgehalt' gar nicht bestimmbar ist, eine »klassich-romantische Phantasmagorie«, wie Goethe selbst den zweiten Akt der Helena-Handlung benennt. Es ist die Welt der Kunst: im doppelten Sinne von künstlich und künstlerisch, damit gleichzeitig die Welt des schönen Scheins, der Ästhetik in ihrem Verzicht auf Erkenntnis der Wahrheit: »Am farbigen Abglanz haben wir die Welt«. Vom geistigen Durchdringenwollen der Welt zu ihrer sinnlichen Erfahrung, von der Metaphysik zur Ästhetik geht also zunächst Fausts Weg, auf dem er – über die Sinne Eindrücke empfangend – notwendigerweise passiv geblieben ist. In einem nächsten Wandlungsschritt wird Faust erstmalig aktiv: Er will die Welt verändern. Die Tat ist es nunmehr – bereits zu Anfang des ersten Teils in seinen Übersetzungsversuchen vorgeahnt – der er sein weiteres Leben widmen will. Daß aus dem Himmelsstürmer und Helenabeschwörer zum Schluß ein Deichbau-Ingenieur wird, mag auf den ersten Blick enttäuschen. Man neigt vielleicht dazu, Goethe einen bürgerlichen Nützlichkeitsoptimismus vorzuwerfen, oder – je nach Standpunkt – erleichtert aufzuatmen: Endlich ist Faust vernünftig geworden II. Zwischen Klassik und Romantik Friedrich Hölderlin (1770-1843) Friedrich Hölderlins lyrisches Werk ist ein Höhepunkt deutscher Dichtkunst. Dennoch erschienen zu Lebzeiten seine Hymnen, Oden und Elegien, abgesehen von einem schmalen, 1826 von Gustav Schwab und Ludwig Uhland zusammengestellten Gedichtband, nur vereinzelt in Zeitschriften und Almanachen. Erst nach seinem Tode wurde versucht, aus den handschriftlichen Manuskripten gültige Fassungen zu transkribieren und in Buchform zu publizieren. Die frühesten Gedichte Hölderlins, entstanden während der Schulzeit im pietistischen Maulbronner Kloster (1786-1788), sind geprägt vom religiös-emphatischen Ton der Hymnen Klopstocks. In seinen Studienjahren am Tübinger Stift (1788-1793) verfaßt er politisch-religiöse Hymnen, in denen er die Französische Revolution als eine Offenbarung des Göttlichen feiert. Formal orientiert Hölderlin seine in achtzeiligen Reimstrophen verfaßten "Hymnen an die Ideale der Menschheit" an Schillers idealistischer Lyrik (Die Götter Griechenlands, 1788). In der Tübinger Zeit setzt Hölderlins intensive Beschäftigung mit der griechischen Antike ein. Griechenland wird im folgenden zum zentralen Topos seines gesamten Werkes, zur geschichtsphilosophischen Utopie, denn nicht das reale Griechenland, das Hölderlin nie besucht hat, ist gemeint. Griechenland steht vielmehr für die Sehnsucht nach einem von Harmonie, Freiheit und Schönheit bestimmten ganzheitlichen Leben ohne die moderne Vereinzelung des Individuums. In seinen ab 1797 entstandenen Oden und Elegien orientiert sich Hölderlin auch formal an der Antike: Seine Oden dichtet er nach den strengen asklepiadischen und alkäischen Odenmaßen, in seinen Elegien benützt er das Distichon, das klassische elegische Versmaß. Inhaltlich evoziert er ein Spannungsverhältnis zwischen einem harmonischen griechischen Weltzustand und der von Göttern verlassenen Gegenwart. In der Elegie Brot und Wein (entstanden um 1800) heißt es: "Aber Freund! Wir kommen zu spät. Zwar leben die Götter, / Aber über dem Haupt droben in anderer Welt." (VII, 1-2) In den Jahren um die Jahrhundertwende kreist nicht nur sein lyrisches, sondern auch sein dramatisches (das 1797-1800 entstandene Fragment Der Tod des Empedokles) und episches Werk (der Briefroman Hyperion oder der Eremit in Griechenland, 1797-1799) in zunehmend verschlüsselterer Sprache um die Polarität von Griechenland und Gegenwart. Dabei mischen sich in seine Texte immer stärker Enttäuschung über die eigene Dichtung und Zweifel an seiner Rolle als 'Verkünder': "Und sag ich gleich, / Ich sei genaht, die Himmlischen zu schauen / Sie selbst, sie werfen mich tief unter die Lebenden / Den falschen Priester, ins Dunkel, daß ich / Das warnende Lied den Gelehrigen singe. Dort" (Ende des Gedichtes Wie wenn am Feiertage). In den Vaterländischen Gesängen seines sogenannten Spätwerks (bis 1806) verortet Hölderlin die ersehnte Erneuerung der Welt nicht länger in Griechenland, sondern in konkreten historischen und antiken Gestalten, vor allem aber in Christus als Botengestalt des Abendlandes. 1806 wurde Hölderlin als Geisteskranker in die Klinik Tübingens eingewiesen und im Jahr darauf als unheilbar entlassen; bis zu seinem Tode im Jahr 1843 lebte Hölderlin in einem umgebauten Stadtturm, gepflegt vom Tischler Zimmer. Die während dieser Zeit entstandenen Gedichte wurden lange als Werke eines geistig Umnachteten abgetan. Auffällig an ihnen ist Hölderlins Abkehr von den komplizierten Formen hin zu einer formelhaften Einfachheit (z.B. An Zimmern, 1812). Hölderlins Werk wurde von der zweiten Generation der Romantiker (Brentano, Schwab, Uhland) hoch geschätzt, geriet im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts aber mehr und mehr in Vergessenheit. Erst um die Jahrhundertwende besann man sich im Umkreis Stefan Georges - freilich in mystifizierender Weise - auf den "großen Seher für sein volk" (George). Wichtige Schriften: o Hymnen, Oden und Elegien (1788-1806) o Der Tod des Empedokles (entstanden 1797-1800) o Hyperion oder der Eremit in Griechenland (1797-1799) Heinrich von Kleist Heinrich von Kleist gehört zu den großen deutschen Dramatikern. Er bedeutet das Bindeglied zwischen Gotthold Ephraim Lessing, Friedrich Schiller und Johann Wolfgang Goethe einerseits und Franz Grillparzer, Friedrich Hebbel, Gerhard Hauptmann andererseits. Sein Leben und sein Werk sind vor allem durch sein Streben nach unbedingter Wahrheit, nach sicheren Grundlagen für ein sinnvolles Leben, durch glühende Vaterlandsliebe und seinen leidenschaftlichen dichterischen Ehrgeiz gekennzeichnet.Trotz aller Berührungen mit der Romantik ist er durch sein vor nichts zurückschreckendes Wahrheitsstreben, seine psychologischen Realismus, der ähnlich der späteren Psychoanalyse eines Sigmund Freud in die unterbewußten seelischen Gebieten vorstößt, ein Vorläufer der modernen Dramatik des 19. Und 20. Jahrhunderts. Innerhalb der Romantik nimmt er auch dadurch eine Sonderstellung ein, daß er nicht wie diese von der Klassik, sondern von der in seiner Zeit im allgemeinen bereits überwundenen Aufklärung ausgeht. Heinrich von Kleist vereint in seinem Werk Realistisches und RomantischMärchenhaftes, Tragik und Humor, klassische Harmonie und maßlose Leidenschaftlichkeit, die mitunter an das Pathologische grenzt. Er erlebt keine Aufführung seiner Dramen. Nach langer Verkennung wird er erst nach dem Ersten Weltkrieg als einer der genialsten Dichter der Weltliteratur und als größte Dichter Preußens erkannt. Sein erstes Drama ist ,,Die Familie Schroffenstein". Ein Trauerspiel in 5 Aufzügen (1802). Wichtige _ ,,Der zerbrochene _ _ Dramen: Krug", ,,Penthesilea", ,,Das _ Käthchen ,,Die Lustspiel (1806) Trauerspiel von Heilbronn", (1808) Ritterschauspiel Hermannsschlacht", Drama (1808) (1808) _ ,,Prinz Friedrich von Homburg" (1810) Das Käthchen von Heilbronn Käthchen, die Tochter eines Kaisers, wird von dem Heilbronner Waffenschmied Theobald Friedeborn erzogen und für seine Tochter gehalten. Eines Nachts erscheint ihr im Traum eine Gestalt, die ihr vom Grafen Friedrich von Strahl erzählt. Sie verliebt sich in den Grafen vom Strahl, erzählt es jedoch niemanden. Als sie den Grafen eines Tages trifft, fällt sie vor ihm auf die Knie und kann nicht glauben, daß er wirklich vor ihr steht. Sie zieht wie ein Schatten hinter dem Grafen her. Der Graf will aber nichts von ihr wissen und so schläft sie bei seinen Pferden im Stall. Der Einzige, der sich um sie kümmert ist Gottschalk der Knecht des Grafen. Auf seiner Burg angekommen beschließt der Graf ihren Vater Theobald zu benachrichtigen. Käthchen weigert sich jedoch nach Hause zurückzukehren. Theobald Friedeborn zeigt den Grafen an, weil er glaubt, daß dieser sein Kind entführt hat. Der Graf beteuert seine Unschuld und Käthchen muß mit ihrem Vater nach Hause zurückkehren. Graf Friedrich zieht mit Ritter Flammberg weiter und befreit Kunigunde von Thurneck, aus den Händen des Burggrafen von Freiburg. Kunigunde ist überglücklich und will ihn heiraten, sie folgt ihm auf seine Burg. Der Graf glaubt daß sie die Tochter des Kaisers ist und daß sie diejenige ist, die er vor Wochen in seinem Fiebertraum gesehen hat. Er bereitet alles für die Hochzeit vor und verspricht ihr am Tag der Hochzeit die Papiere über den Landsitz Stauffen. Der Rheingraf von Stein, Kunigundes Verlobter erfährt von der Hochzeit und will das Schloß vernichten. Er sendet einen Brief an einen Verbrüderten der innerhalb des Schlosses wohnt. Durch Zufall gelangt Käthchen, die von ihrem Vater und ihrem Bräutigam ins Kloster geführt werden soll, von diesen Brief und kann den Grafen warnen. Trotzdem gelingt es dem Rheinsgrafen, das Schloß in Brand zu setzen. Käthchen gerät durch eine falsche Bitte Kunigundes in Lebensgefahr, wird aber gerettet. Sie erzählt dem Grafen von ihrem Traum und der Graf merkt, daß sie das Mädchen ist, daß er im Traum gesehen hat und daß sie die Tochter des Kaisers ist. Sie darf auf dem Schloß wohnen und findet heraus, daß Kunigunde nur durch ihre Maske ein so schönes Gesicht hat. Kunigunde ist wütend und will Käthchen vergiften, diese wird aber von Gottschalk gerettet. Endlich erkennt der Kaiser in Käthchen seine Tochter. Der Graf entdeckt die Liebe zu Käthchen und bittet sie seine Frau zu werden. Wichtige Novellen: - "Das Erdbeben in Chili" (1807); - "Die Marquise von O." (1808); - "Michael Kohlhaas" (Teildruck 1808) Die Novelle Michael Kohlhaas. Aus einer alten Chronik beruht auf realen Ereignissen, die in einer Chronik aus dem 16. Jahrhundert überliefert sind. Als dem Pferdehändler Michael Kohlhaas von einem Adligen zwei Pferde zugrunde gerichtet werden, zieht er vor Gericht, doch vergeblich. Nun greift er zur Gewalt und zettelt einen Aufruhr an. Kohlhaas wird gefangen genommen und zum Tod verurteilt. Kurz vor seiner Hinrichtung erhält er Genugtuung: Ihm werden zwei gesunde Pferde zurückgegeben; der Adlige kommt ins Gefängnis. Der Inhalt war damals subversiv: Ein einfacher Bürger, von einem Adligen betrogen, stellt durch einen Gesetzesbruch das Recht wieder her. Erst 100 Jahre nach ihrem Erscheinen erlangte die Novelle Weltruhm. Kleist bedient sich langer, verschachtelter Sätze, die die Bedingungen, Ursachen und Folgen jedes Sachverhaltes aufs Genaueste festlegen. Nicht zufällig erinnert der Satzbau an die Sprache von Gesetzestexten und Gerichtsurteilen. In Heinrich von Kleists Novelle "Michael Kohlhaas" geht es um Gerechtigkeit, Korruption und Selbstjustiz: Ein aufgebrachter Mann, dem Unrecht widerfahren ist, ruft die Gerichte an. Als er begreift, dass sein Widersacher von korrupten und einflussreichen Leuten geschützt wird, versucht er sein Recht gewaltsam zu erzwingen. Seine Angriff wächst sich rasch zu einer Rebellion aus, die vielen Menschen das Leben kostet und andere ins Unglück stürzt. So wird aus dem rechtschaffenen Pferdehändler ein Verbrecher, den ein kaiserliches Gericht schließlich zum Tod verurteilt. Aber Michael Kohlhaas (Michael wie der Erzengel?) schätzt den Wert der Gerechtigkeit höher als sein eigenes Leben ein. III. Romantik I. Einleitung 1. Zur Wortgeschichte Die Wörter “romantisch” und “Romantik” gehen auf das altfranzösische Wort romanz zurück. Seit dem 15. Jahrhundert wird das Wort romance für die erzählende Versdichtung in Frankreich verwendet. Die Variante romantisch erscheint zum ersten Mal in Deutschland im 17. Jahrhundert und bezieht sich auf die barbarischen Stilmerkmale der mittelalterlichen Romane. Die erste Bedeutung des Wortes ist also buchstäblich “wie im Roman” oder “im Roman vorkommend”, und bezeichnet abwertend alles “Phantastische”, “Fabelhafte”, “Unwirkliche” oder “Erfundene”. Auch als romantisch wird eine bestimmte Landschaft beschrieben, die wild, erhaben, gewaltig und malerisch ist und ein entsprechendes Naturgefühl beim Menschen auslöst. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kommt eine neue, in England geprägte Bedeutung des Begriffs nach Deutschland: romantisch wird nicht nur für die mittelalterliche Literatur, sondern für jede Art von Dichtung (Shakespeare, Tasso, Cervantes u.a.) gebraucht, die im Gegensatz zur klassisch-antiken Tradition steht. Diese Umwertung des Romanhaften in einen positiven Sinn erklärt die weitere Entwicklung des Wortes zum literaturhistorischen Begriff. “Phantasievoll”, “poetisch”, “erfinderisch” sind die Merkmale, die die literarische Epoche der Romantik ins Zentrum setzt. 2. Historische Situation Die europäische und somit deutsche Romantik steht in engster Verbindung mit den geschichtlichen Ereignissen und politischen Strömungen am Anfang des 19. Jahrhunderts. Das epochale Ereignis, das nicht nur die deutsche Romantik als Zeitbewegung sondern auch den Lebenslauf ihrer Vertreter markierte, ist zweifelsohne die französische Revolution. In direkter Auseinandersetzung mit deren Prinzipen entwickelte sich das ästhetische und geschichtliche Programm der Frühromantik, das später auch vom Scheitern der revolutionären Ideen aufs Tiefste beeinflusst wurde. 1. Die Frühromantik (1795/98-1804) Die Frühromantik als erste Phase der romantische Bewegung hat ihren Hauptsitz in Jena (daher wird sie auch als Jenaer Romantik bekannt). Sie hat einen stark philosophischen und kritisch-wissenschaftlichen Charakter; in der Zeitschrift Athenäum werden die Grundlagen des frühromantischen Programms dargelegt, dessen Stichworte u.a. progressive Universalpoesie, Selbstreflexivität, transzendentale Ironie, Witz, neue Mythologien sind. Den Jenaer Freundes- und Schaffenskreis bilden die Brüder August Wilhelm Schlegel und Friedrich Schlegel, Ludwig Tieck, Friedrich Schelling und Friedrich von Hardenberg (Novalis). Dazu gehören auch Dorothea Veit, die später Friedrich Schlegel heiraten wird, und Caroline Böhmer, die spätere Frau von Schelling. Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773-1798) Das Werk, das als Geburtsstunde der Frühromantik gilt, gehört einem jungen Studenten, der mit 25 Jahren einen frühen Tod erlebt, noch bevor sich die führende Gruppe in Jena gebildet hatte. Es handelt sich um das von seinem Freund Ludwig Tieck ergänzte und herausgegebene kunsttheoretische Essay Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (1796). Indem sich Wackenroder mit der bildenden Kunst, Malerei und Musik des Mittelalters und der Renaissance am Beispiel berühmter Künstler wie Raffael und Michelangelo, Piero di Cosimo und Albrecht Dürer beschäftigt, entwickelt er eine romantische Kunstphilosophie, die in der Kunst (vor allem der Musik, der vornehmsten aller Künste) die Vollendung des menschlichen Geistes und die Offenbarung einer überirdischen göttlichen Harmonie sieht: Kunst ist die Blume menschlicher Empfindung zu nennen. In ewig wechselnder Gestalt erhebt sie sich unter den mannigfaltigen Zonen der Erde zum Himmel empor, und dem allgemeinen Vater, der den Erdball mit allem, was daran ist, in seiner Hand hält, duftet auch von dieser Saat nur ein vereinigter Wohlgeruch. Er erblickt in jeglichem Werke der Kunst, unter allen Zonen der Erde, die Spur von dem himmlischen Funken, der, von ihm ausgegangen, durch die Brust des Menschen hindurch, in dessen kleine Schöpfungen überging, aus denen er dem großen Schöpfer wieder entgegenglimmt. Charakteristisch für die romantische Auffassung des Künstlers ist die Betonung seines souveränen, von allen tradierten Normen befreiten Schöpfertums, das keiner Anerkennung seitens des bürgerlichen Publikums bedarf. Die einzig passende Rezeptionshaltung ist diejenige, die Kunst mit Religion gleichsetzt und - anders als in der Aufklärung - dem Herzen entspringt. Miteinbezogen ist die Erzählung Das merkwürdige musikalische Leben des Tonkünstlers Joseph Berlinger, eine autobiographische Darstellung eines im absoluten Subjektivismus geführten Kunstlebens. Der „in ätherischen Träumen“ lebende Junge, der „ganz berauscht von dem Genuß einer herrlichen Musik“ dem bürgerlichen Alltag entfliehen konnte, muss die Erfahrung einer bitteren Wirklichkeit durchmachen, die den „reinen idealischen Enthusiasmus seiner Knabenzeit“ als Illusion entlarvt. Ludwig Tieck (1773-1853) Seine literarischen Anfänge stehen unter dem Einfluss der Aufklärung und des Sturm und Drang. In seinem dreibändigen Brief-Roman mit starken autobiographischen Zügen Geschichte des Herrn William Lovell (1795/96) verkörpert ein sehr begabter, schwärmerischer junger Mann das Genie-Ideal des Sturm und Drang. Lovell geht allerdings an seinem Hedonismus zugrunde. 1797 wendet er sich der Volksdichtung zu. Seine Sammlung Volksmärchen (herausgegeben von Peter Lebrecht) enthält Bearbeitungen alter Volkssagen, aber auch selbsterfundene Märchen, wie Der blonde Eckbert. Diese Märchennovelle zählt zu den berühmtesten Meisterwerken der deutschen Romantik und ist typisch für die Festlegung dieser Gattung, die schnell sehr populär unter den Dichtern der Epoche wurde, und des romantischen Motivs der „Waldeinsamkeit“. Die Mischung von Märchen-Elementen (das Wunderbare) und Novelle-Eigenschaften (der starke Akzent auf Psychologisch-Subjektivem) eignet sich vortrefflich zum romantischen Versuch, das gegenseitige Spiel von Alltäglichem und Wunderbarem, von Natur und Seele darzustellen. Anders als im Volksmärchen dient das Wunderbare dazu, die Natur zu dämonisieren: der Mensch unterliegt dunklen Mächten, die sowohl von außen (über- oder unterirdische Erscheinungen) als auch von innen (Drang zur Selbstzerstörung) kommen. Die äußere Landschaft und die Seelenlandschaft spiegeln einander wieder, wie Novalis es in seiner Bestimmung des Märchens als Maß aller Poesie forderte: In einem echten Märchen muß alles wunderbar – geheimnisvoll und unzusammenhängend sein – alles belebt. [...] Die ganze Natur muß auf eine wunderliche Art mit der ganzen Geisterwelt vermischt sein. Die Hauptfiguren, der blonde Eckbert und seine Frau Bertha, leben in völliger Isolation von der Gesellschaft und genießen eine scheinbare Idylle inmitten der Natur, die dann in Alptraum und Horror umschlägt. Eine grundlegende Ambivalenz prägt Tiecks Bearbeitung der Inzest- und Mord-Motive und erzeugt eine unaussprechlich schauerhafte Stimmung der seelischen Ferne. Für den allmählich in Wahnsinn versinkende Eckbert verwischen sich die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit: Jetzt war es um das Bewußtsein, um die Sinne Eckberts geschehn; er konnte sich nicht aus dem Rätsel herausfinden, ob er jetzt träume, oder ehemals von einem Weibe Bertha geträumt habe; das Wunderbarste vermischte sich mit dem Gewöhnlichsten, die Welt um ihn her war verzaubert, und er keines Gedankens, keiner Erinnerung mächtig. Der gestiefelte Kater ist ein anderes Beispiel dafür, wie Tiecks originale Bearbeitungen von anderen Märchen (in diesem Fall Le chat botté von Charles Perrault) romantische Anschauungen wiedergeben. In dieser Komödie, die kein Kindermärchen ist, werden Witz und Ironie dazu benutzt, die zeitgenössische Literatur und das phantasielose Publikum zu kritisieren. Die Satire verspottet auch die aufklärerische Theaterauffassung und stellt die künstlerische Freiheit und das freie Spiel der Einbildungskraft dem Verstand und den Regeln des „guten Geschmacks“ gegenüber. Mit dem unvollendeten Künstlerroman Franz Sternbalds Wanderungen. Eine altdeutsche Geschichte (1798), der unter dem Einfluss seines früh verstorbenen Freundes Wackenroder steht, schlägt Tieck eine weitere typische Thematik an: Darstellung einer poetischen Künstlerexistenz am Rande der Gesellschaft, die vom aufsteigenden Kapitalismus geprägt wird. Auch wenn der junge Maler Sternbald Schüler von Albrecht Dürer ist, hat er wenig mit der Renaissance zu tun, die sich nur als ein farbiger Hintergrund zur eigentlichen romantischen Problematik erweist. Er verkörpert den romantischen Künstler, dessen Größe nicht nach dem wirklich Vollbrachten sondern nach seinen geistigen Eigenschaften und seiner heiligen Begeisterung ermessen werden soll. August Wilhelm Schlegel (1767-1845) Der ältere der Brüder Schlegel, die als Initiatoren der Frühromantik den Jenaer Kreis um sich bildeten, ist weniger für seine eigenen Werke bekannt als für seine Tätigkeit als Literaturhistoriker und –kritiker und Übersetzer. Seine Übersetzungen aus Calderón, Cervantes, Petrarca u.a. zeigen eine außerordentliche Begabung, und seine Ausgabe von Shakespeare-Werken gilt bis heute als die deutsche Standardübersetzung für deutsche Sprache. In seinen Vorlesungen Über schöne Literatur und Kunst (1804) und Über dramatische Kunst und Literatur (1809-1811) tritt er für eine geschichtstheoretische Literaturkritik ein, die die Werke ganz im romantischen Sinne nicht kritisch beurteilen, sondern verstehen und von innen erfassen soll. Er legt die Prinzipien der romantischen Kunst dar, indem er eine klare Scheidung des Klassischen und Romantischen vornimmt. Er gilt auch als Mitbegründer (neben Humboldt und Franz Bopp) der Indologie und der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft. Friedrich Schlegel (1772-1821) Mit seinem Bruder August gibt er die kritisch-poetologische Zeitschrift Athenäum als „Sprachorgan“ der romantischen Strömung heraus. Besonders in den berühmten Fragmenten arbeitet er das ästhetische Programm der Frühromantik aus. Durch die Entwicklung seiner „Ästhetik des Hässlichen“ wird er zu einem wichtigen Vorläufer der literarischen Moderne. Sein Briefroman Lucinde (1799) stellt das berühmteste Zeugnis der romantischen Liebesauffassung dar. Das gewagte ästhetische Experiment, die Theorie des romantischen Romans als „Mischung aller Dichtarten“ in die Praxis umzusetzen, löste bei seiner Erscheinung einen riesigen Skandal aus. Das geschah allerdings nicht wegen den modernen poetologischen Prämissen, sondern wegen der Kühnheit, mit der Schlegel mit den gesellschaftlichen Konventionen brach. Besonders die unverschleierte Darstellung der Sinnlichkeit in der Liebe schockierte die Zeitgenossen des Dichters. Zentral in diesem Zusammenhang ist der Mythos der Androgynie: am Anfang der Zeit waren die Geschlechter eins. Nach dem Fall, der zur Trennung in männliche und weibliche Prinzipien führte, befindet sich der Mensch, von einem ständigen Gefühl von „Mangel“ geplagt, auf der Suche nach der ursprünglichen Einheit. Die Liebe wird also als religiöses Ritual gefeiert, durch das die verlorene Ganzheit der Menschheit wieder hergestellt werden kann. Es geht um eine wunderbare sinnreich bedeutende Allegorie auf die Vollendung des Männlichen und Weiblichen zur vollen ganzen Menschheit. Wenn Julius dieses Bekenntnis macht, unterstreicht er damit auch das Auserwähltsein der beiden Liebenden. Nur Lucinde kann das androgyne Paar ergänzen, weil sie allein, unter allen Frauen, das romantische Ideal der Frau als Doppelbild der männlichen Seele verkörpert: In dir habe ich es alles gefunden und mehr als ich zu wünschen vermochte: aber du bist auch nicht wie die andern. Am Beispiel von Lucinde findet man die beste Illustration der Schlegelschen theoretischen Überlegung, im Roman solle eine Vereinigung von Universalität und Individualität stattfinden. Sie ist zugleich Julius’ Geliebte, die am Ende einen individuellen Tod stirbt, und das ewige Sinnbild eines universalen Archetyps, der alle möglichen Formen des Weiblichen in sich kondensiert: „kindliches Mädchen“, Geschlechtsgefährtin, „Seelenfreundin“, Schwester, Ehefrau, „würdige Mutter“. Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis (1772-1801) Novalis gilt als emblematische Figur der deutschen und europäischen Romantik: „Novalis ist der einzig wahrhafte Dichter der romantischen Schule, nur in ihm ist die ganze Seele der Romantik Lied geworden“ (Georg Lukács). Der Tod seiner 15-jährigen Verlobten Sophie von Kühn (1797) rief beim Dichter tiefe Bestürzung hervor. Die 1800 erschienen Hymnen an die Nacht wurzeln in einem mystischen Erlebnis: am Grab seiner jungen Braut hat er die Vision der Überwindung des Todes durch ewige Liebe (aufblitzende Enthusiasmus Momente – Das Grab blies ich wie Staub, vor mir hin - Jahrhunderte waren wie Momente - ihre Nähe war fühlbar). Durch die Mystik Jakob Böhmes beeinflusst, stellen die Hymnen die bedeutendste lyrische Leistung der Romantik dar und geben eine Reihe von Themen und Motive vor, die für die ganze romantische Schule paradigmatisch werden. Als Reich einer unendlichen Fülle des Seins kommt der Nacht eine wesentliche metaphysische Funktion zu: sie erschliesst die Tore zum Jenseits, zu jenem überirdischen geistigen Land, in dem ewiges Leben und die mystische Verschmelzung mit der Geliebten möglich sind. Die Nacht steht hier als Metapher für den Tod, und der Tod verweist wiederum auf die absolute Erfüllung im Gott. Die Steigerung des religiösen Gefühls in den sechs Hymnen mündet in die Entfaltung einer persönlichen Mythologie, die in den letzten zwei Hymnen allerdings mit der christlichen Religion zusammen fällt. Novalis hat auch zwei berühmte, Fragment gebliebene Romane hinterlassen. Heinrich von Ofterdingen (1802) ist entscheidend für die Konstituierung der romantischen Bewegung um einen festen Kern symbolischer Konstanten. Dem Dichter ist gelungen, sowohl die romantische Theorie über die Roman-Gattung exemplarisch zu illustrieren, als auch das Vorbild des romantischen Helden zu schaffen. Der Plan zu dieser phantastischen Märchendichtung wurde ursprünglich als Gegenstück zu Goethes Wilhelm Meister entworfen, über das Novalis abwertend sprach: Gegen Wilhelm Meisters Lehrjahre. Es ist im Grunde ein fatales und albernes Buch – so pretentiös und pretiös – undichterisch im höchsten Grade, was den Geist betrift – so poëtisch auch die Darstellung ist. Der Roman stellt den Entwicklungsweg des jungen Heinrich zur Selbstverwirklichung als Dichter dar. Das Vorbild für den Helden liefert der sagenhafte Minnesänger Heinrich von Ofterdingen, der vermutlich am Hof des Kaisers Friedrich II. im 13. Jahrhundert gelebt hat. Die Verlegung ins Mittelalter ermöglicht Novalis, eine vergangene Welt darzustellen, in der sich Menschen und Natur im Einklang befanden und die in einer utopischen Zukunft durch die magische Kraft der Poesie zurückkehren wird. Der Roman ist allerdings kein historischer, das Mittelalter bleibt nur ein fabelhafter Hintergrund, vor dem sich das eigentliche Thema des Romans, die „Apotheose der Poesie“, entfalten kann. Im ersten Teil „Die Erwartung“ wird die Reise des jungen Heinrich mit seiner Mutter von Eisenach nach Augsburg beschrieben, die dem symbolischen Weg des Ich nach unendlicher Selbstverwirklichung entspricht. Auslöser der Sehnsucht nach der Ferne ist ein prophetischer Traum, mit dem der Roman ansetzt, und der entscheidend für die Poetik der Romantik ist: der Traum von der blauen Blume. Auf dem Weg lernt Heinrich unterschiedliche Figuren aus wichtigen Erfahrungsbereichen kennen, die ihm Schlüssel zur poetischen Erschließung der Welt liefern (Kaufleute, Kreuzritter, Kriegsmann, Bergsmann, Einsiedler). Die jeweiligen Gespräche werden zu selbständigen jedoch eng miteinander kommunizierenden Schwerpunkten des Textes, der keinen realistischen, kausalen Handlungsverlauf aufweist sondern wie ein harmonischmelodisches Ganzes vor sich hinfließt. Die Aufgabe der Kunst ist es, die Wiederkehr jenes Goldenen Zeitalters in die Welt vorzubereiten, anzumelden und letztendlich zu bewirken. Heinrich von Ofterdingen ist die Geschichte dieser verwirklichten Utopie, die die Erlösung der Welt durch die poetische Kraft voraussetzt. Im zweiten Teil des Romans, der unbeendet geblieben ist und „Die Erfüllung“ heisst, soll Heinrich am Ende die blaue Blume pflücken und das Reich der Poesie begründen. In den hinterbliebenen Aufzeichnungen verweist Novalis mehrmals auf die Modalität dieser Erfüllung: durch die Poetisierung der Welt ist die neue goldene Zeit angebrochen, die aber nicht einfach eine Rückkehr zur magischen Urzeit bedeutet, sondern gerade deren Übernahme und Transzendierung in einer neuen vollkommenen Existenzform. Die Bedingung dafür ist die universelle Verschmelzung, die Versöhnung aller Antinomien: Noch eine weitere, dem mechanistischen Weltbild der Aufklärung entgegengesetzte Auffassung ist das Thema des zweiten unvollendeten Romans von Novalis, Die Lehrlinge zu Sais (1798-1799 verfasst und 1802 nach dem Tod des Dichters erschienen). Es handelt sich um das naturphilosophische Verständnis der Welt als ein dynamisches Spannungsfeld von Geist und Natur, in dem Selbsterkenntnis und Naturerkenntnis einander in einem unendlichen Entwicklungsprozess wiederspiegeln und potenzieren. Der Roman besteht aus Bruchstücken, in denen eine Vielfalt verschiedener Stimmen und Perspektiven über dasselbe Thema zum Ausdruck kommt. 2. Die Hochromantik (1804-1816) Mit der Hochromantik rückte ein neues literarisches Zentrum in den Vordergrund: Heidelberg (daher auch die Bezeichnung „Heidelberger Romantik“). Die auch in der Frühromantik existierende Beschäftigung mit dem Volkstümlichen stand jetzt im Mittelpunkt. Die Perspektive war allerdings eine neue, insofern die Literaten für die Werte des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation eintraten und versuchten, auf die entmutigenden Umstände der französischen Besatzung mit der Erweckung eines neuen nationalen Gefühls durch Literatur und Kunst zu antworten. Volksmärchen und Volkssagen, Volkslieder und Volksbücher wurden neu entdeckt, wieder belebt und dienten als Inspirationsquelle für selbständige literarische Produktion. Clemens Brentano (1778-1842) Die Auswirkungen der Frühromantik auf den jungen Studenten, der in Jena im Kreis von Schlegel, Fichte und Tieck verkehrte, lassen sich in seinem 1801 veröffentlichten Bildungsroman Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter in der Nachfolge von Wilhelm Meisters Lehrjahre erkennen. In diese lyrische Prosa, die allerdings durch überraschende Wendungen und häufigen Stimmungswechsel gekennzeichnet wird, streut er Gespräche und Reflexionen ein, die das romantische Programm erläutern. Das Romantische wird aus der Sicht des subjektivistischen Individualismus definiert: Das Romantische ist also ein Perspectiv oder vielmehr die Farbe des Glases und die Bestimmung des Gegenstandes durch die Form des Glases. Das innere Licht des betrachtenden Auges verklärt die Wirklichkeit und gibt ihr „etwas von dem Seinigen“ mit. Durch die antiillusionistischen Verfahren im 2. Teil wird die Romanhandlung als Fiktion entblößt und das moderne Thema des Identitätsverlustes angeschlagen. Hier befindet sich auch die Ballade Zu Bacharach am Rheine, in der zum ersten Mal der Mythos der geheimnisvollen Lore Lay bearbeitet wird. Zusammen mit Achim von Arnim gab Brentano in Heidelberg die Zeitung für Einsiedler und die Volksliedsammlung in drei Bänden Des Knaben Wunderhorn (18061808) heraus, die die beiden Dichter zu Hauptvertretern der Hochromantik werden ließen. Die Volkslieder vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert spiegeln nach der Meinung der Autoren den ewigen reinen Geist des Volks und können also auch für die Gebildeten als Inspirationsquelle dienen. Die Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl (1817) zählt zu den hervorragendsten Novellen der deutschen Literatur. In dieser Rahmenerzählung beweist Brentano seine narrative Virtuosität, indem er aus der Perspektive von zwei IchErzählern über das doppelte tragische Dorfschicksal von Kasperl und Annerl berichtet, denen wegen Selbstmord bzw. Hinrichtung das Recht auf ein ehrliches Grab verweigert wird. Um das Grundthema der Ehre entfaltet Brentano eine heftige Kritik an der verlogenen Moral und den gesellschaftlichen Umständen der Zeit. An der kunstvollen Darstellung der blutigen Ereignisse lässt sich die Vorliebe der Romantik für Horrormotive erkennen. Sehr berühmt ist auch das Märchen Gockel, Hinkel und Gackeleia, 1838 veröffentlicht. Achim von Arnim (1781-1831) Achim von Arnim hat ein umfangreiches Werk, das alle literarischen Gattungen umfasst, hinterlassen. Bekannt sind allerdings am meisten die Novellen und ein Roman, Die Kronenwächter (1817), der das Genre des historischen Romans in Deutschland begründete. Gemäß dem Prinzip des Fragmentarischen in der frühromantischen Ästhetik ist er unvollendet geblieben. Die drei Meisternovellen sind Isabella von Ägypten. Kaiser Karl des Fünften erste Jugendliebe (1812), Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau (1818) und Die Majoratsherren (1820). Die Brüder Grimm Jakob (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) veröffentlichten gemeinsam die Kinder- und Hausmärchen (1812-1815). Die Sammlung gilt, neben Des Knaben Wunderhorn und den Sagen von Görres, als maßgebend für die Bemühungen der Romantiker, das Volkstümliche neu zu entdecken und zu beleben. Der romantischen Auffassung treu, die in der Volksdichtung den reinsten Ausdruck des nationalen Volksgeistes sieht, bieten die Märchen „echte Poesie“ dar, mit der die Kunst der Gebildeten kaum verglichen werden kann. Die Welt der Märchen ist die ersehnte romantische Welt der Naturverbundenheit, Einfachheit und Harmonie. Ein anderes gemeinsames Werk der Brüder ist das Deutsche Wörterbuch (1852-1859), das in vier Bänden erschienen ist. Jakob Grimm gilt als einer der Begründer der neueren deutschen Sprachwissenschaft. In seiner Deutschen Grammatik (1819) beschäftigte er sich mit der Entwicklung und den phonetischen Gesetzen der indogermanischen Sprachen. Die deutsche Mythologie (1844) hat der Mythen-Forschung rege Impulse gegeben. 3. Die Spätromantik (1816-1830) Wichtige Zentren der Spätromantik sind Berlin und Schwaben. Eine genaue Einteilung ist jedoch schwer, da manche Schriftsteller wie Tieck, Brentano oder Arnim, deren Werk größtenteils in die früh- oder hochromantischen Phasen fällt, noch literarisch tätig sind und ihre Schriften neben jüngeren Autoren wie Hoffmann oder Chamisso veröffentlichen. Die Kennzeichen der Epoche sind die Wendung zum Katholizismus, die Unzufriedenheit und die Enttäuschung über das Scheitern der revolutionären Projekte der Frühromantik, die in skeptische Melancholie und schwarzen Humor umschlagen. Diejenigen, die mit zügelloser Begeisterung auf eine dramatische Umwälzung auf gesellschaftlicher Ebene und bedingungslose Erfüllung des Geistes auf metaphysischer Ebene gezielt hatten, mussten bald entdecken, dass unendliche Sehnsucht und künstlerisches Leben sich schlecht mit dem durch die Konventionen des Philistertums bestimmten Alltag vereinbaren lassen. Mangelnde Tatkraft und die zunehmende Neigung, sich in einer kompensatorischen Welt der Vorstellungen zu isolieren, die Wirklichkeit zu fliehen statt sie verändern zu wollen, treten immer häufiger auf. 3.1. Die Spätromantik in Berlin Joseph von Eichendorff (1788-1857) Eichendorff ist einer der berühmtesten Autoren der Spätromantik, dessen Lyrik und Prosa sehr inspirierend auf viele Generationen wirkten. Seine Gedichte kennzeichnen sich durch den volksliedhaften Charakter, der ihnen eine absichtliche Einfachheit und ausgeprägte Musikalität durch die Wiederholung derselben Formeln und Motive verleiht. Daher waren sie für Vertonungen geeignet, die sehr populär wurden und bis heute bekannt und beliebt. Eichendorff teilt mit allen Romantikern den Glauben an die magische Kraft des Dichters, der hinter der Oberfläche der Dinge den wahren Sinn des Daseins entdecken kann. Es geht ihm im Wesentlichen um die Verklärung der Welt durch das poetische Wort, wie es sein berühmtes Gedicht Wünschelrute, das als ars poetica der gesamten Romantik betrachtet werden kann, in der knappen Form eines Vierzeilers zusammenfasst: Schläft ein Lied in allen Dingen, Die da träumen fort und fort, Und die Welt hebt an zu singen, Triffst du nur das Zauberwort. Zentral für die romantische Poetik ist hier nicht nur der Topos der natura loquitur, der wunderbaren Sprache der Natur, die gleich mit der ursprünglichen Dichtung der Welt ist, sondern auch die Schlaf- und Traum-Metaphorik und die Vorstellung der heiligen Aufgabe des Dichters, die Natur aus ihrem bewusstlosen Schlaf zu erwecken und zu befreien. Durch das „Zauberwort“ der Poesie wird sie zu ihrem ewigen Sein zurück geführt. Charakteristisch für die Spätromantik ist aber auch die melancholische Gewissheit, poetisches Dasein und nüchterne Wirklichkeit seien unvereinbar. Die Flucht in die Ferne gelingt nie ganz, das lyrische Ich bleibt in der banalen Alltags-Realität gefangen. Das Sänger- und Wanderleben, das auch im Gedicht Der frohe Wandersmann im Mittelpunkt steht, wird zum Thema des berühmtesten Werks Eichendorffs, der Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts (1826 veröffentlicht). Das erzählerische Ich verkörpert das Sinnbild des romantischen Wanderers, der durch die ganze Welt mit seiner Geige zieht und die Schönheiten der Natur in einem freien, ungebundenen Leben zu genießen weiß. Das zentrale Anliegen des Werks ist der Gegensatz zwischen Künstler- und Philisterleben, so wie er schon am Anfang der Novelle in einem vom Taugenichts gesungenen Lied dargestellt wird. Dem Künstler gehören also die Poesie und die heiligen Wunder der Welt, dem Bürger, der in der romantischen Epoche als Philister karikiert wird, der banale Alltag. Um diesen Zwiespalt am besten zu verdeutlichen, legt Eichendorff seine Novelle als Märchen mit phantastischen und komischen Zügen an. Von seinem Vater, der zu den tüchtigen „Trägen“ mit festem Beruf (Mühler) und den gesellschaftlichen Normen angepassten Vorstellungen gehört, wird der Knabe wegen „Faulheit“ von zu Hause weg getrieben, damit er sein Brot endlich erwerben lernt. Was als ein gewöhnlicher Wanderund Bildungsroman anfängt, entwickelt sich jedoch mehr und mehr zu einer realitätsfernen Phantasie. Das ist in erster Linie der Figur des Taugenichts selbst zu verdanken, und seinem eigenartigen Blick auf die Welt: das erzählerische Ich nimmt die Wirklichkeit nie als solche wahr, sondern immer verklärt zu einem Idealbild. Fröhlich und gutherzig, naiv und enthusiastisch, völlig unfähig, die Umstände des Lebens richtig einzuschätzen und folgendermaßen in komischen Situationen aller Art ständig verwickelt, erlebt der Taugenichts alles, was auf ihn zukommt, wie einen beseligenden Traum. Die feindlichen Eingriffe der Realität in seine Vorstellungswelt verursachen zwar Melancholie-Anfälle, die werden aber schnell mit Hilfe des Geige-Spielens überwunden, so dass das Reich der Phantasie andauernd in seiner Reinheit erhalten wird. Den Worten des Lieds entsprechend, erweist ihm Gott seine „rechte Gunst“ indem die Vorfälle seiner Reise wirklich märchenhaft sind und zu einer Apotheose des absoluten Glücks führen. Das Ende der Novelle widerspricht somit dem Vorbild des Bildungsroman: der Taugenichts erfährt keine psychologische Entwicklung, keine äußerlichen Einflüsse oder Begebenheiten können auf sein Wesen wirken, da die Kunst die magische Kraft hat sich über die Realität hinweg zu setzen, und trotzdem (oder deswegen) fällt ihm alles zum Glück aus. Die Eigenschaften des Protagonisten: Naturverbundenheit, künstlerische Veranlagung mit Ausklammerung der rational-pragmatischen Fähigkeiten, die ihm einen ordentlichen Gelderwerb sichern würden, kindische seelische Verfassung, die ihm hilft, trotz allen Hindernissen die Harmonie der Welt und das Glück in der Phantasie immer wieder zu finden, machen aus ihm eine typische Figur der Romantik, die große Popularität genossen hat. Adelbert von Chamisso (1781-1838) Chamisso war der Sohn eines französischen Grafen, der infolge der Revolution nach Süddeutschland und dann Berlin floh. Seine Muttersprache war also Französisch, und doch gelang es dem Dichter und Naturforscher als bedeutendste Leistung, eine der bekanntesten und in mehreren Ländern volkstümlich gewordenen Erzählungen der Romantik zu verfassen: Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1814). Diese Novelle hat auch märchenhafte Züge (daher die Bezeichnung „Märchennovelle“), denn ihr zentrales Motiv ist der Schatten-Verkauf an den Teufel, wodurch der Held, Peter Schlemihl, dessen Familienname auf einen unglücklichen Menschen, dem nichts geschieht, verweist, sich das Glück durch Geld zu erobern versucht. Bald muss er aber feststellen, dass der Handel ihn zum ewigen Außenseitertum verurteilt: in den Augen der Menschen hat er mit seinem Schatten auch das Recht verloren, ein Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu sein. Ständig auf der Flucht, erlebt er eine unglückliche Liebe für die schöne Mina, die er aber nur unter der Bedingung heiraten darf, dass er seinen Schatten zurück bekommt, was ihm nicht gelingt. Statt den Kaufvertrag rückgängig zu machen, bietet ihm der Teufel bei einem zweiten Treffen die Möglichkeit, an Stelle des Schattens seine Seele zu bekommen. Schlemihl weigert sich diesmal darauf einzugehen und verbringt den Rest seines Lebens als Naturforscher, in enger Naturverbundenheit. Dank einem Paar alter Stiefel, die er mit seinem letzten Geld gekauft hat und in Wirklichkeit Siebenmeilenstiefel waren, kann er auf der Erde nach seiner Herzenslust umherstreifen. Friedrich de la Motte Fouqué (1777-1843) Der Schriftsteller französischer Abstammung ist am besten für seine Erzählung Undine (1811) bekannt, die eine weltweite Wirkung genossen hat (auch dank der Vertonung als Oper: Undine von E.T.A. Hoffmann und Ondine von Jean Giraudoux). Es ist ein Märchen, in dessen Mittelpunkt der Konflikt zwischen Elementargeistern und menschlicher Welt steht. Die Elementargeister sind übernatürliche Wesen, die über die vier Grundelemente herrschen und die Urgewalt der Natur symbolisieren. Inspiriert wurde de la Motte Fouqué durch die Vorstellung des Paracelsus, die Elementargeister als eine Mischung von Geist und Mensch zu sehen, die Gott als Hüter der Naturbereiche bestimmt hat. Für seine Erzählung wählt der Dichter die Elementargeister des Wassers, die in der Gestalt von Sirenen oder Nixen oder Nymphen die Romantiker schon immer fasziniert haben, als Verkörperung einer zauberhaften, jedoch wild-irrationalen und daher höchst gefährlichen Weiblichkeit, an der der Mann zugrunde geht. Der Ritter Huldbrand muss die bittere Erfahrung der Unmöglichkeit machen, die zwei verschiedene Bereiche der Menschenwelt und Geisterwelt zusammen zu führen. Auch wenn er die Nixe Undine, die durch die Heirat mit einem Sterblichen eine Seele zu erwerben sucht, liebt, wird er immer mehr vom gewaltigen Unterschied, den er in ihrer fremden Natur entdeckt, weg getrieben und wendet sich zu einer menschlichen Frau. Undine muss ins Wasserreich zurückkehren und das unabwendbare Gesetz der Elementargeister verurteilt ihren untreuen Mann zum Tode. E. T . A. Hoffmann (1776-1822) E. T. A. Hoffmann ist zweifelsohne die berühmteste Künstlerpersönlichkeit der Spätromantik, dessen Werk eine erstaunliche Vielseitigkeit aufweist: nicht nur im literarischen Bereich war er außerordentlich begabt, sondern zeichnete sich auch durch seine Tätigkeit als Komponist, Kapellmeister und Zeichner aus. Sein Ruhm verbreitete sich rasch nach Frankreich, Russland und sogar Amerika, und viele Autoren (u.a. Baudelaire, Maupassant, Puschkin, Dostojewski und Poe) lassen seinen Einfluss erkennen. Die Surrealisten waren von seiner Behandlung des phantastischen Grauens begeistert und zählten ihn zu ihren Ahnen. Bei keinem anderen Vertreter der Spätromantik wird mit solcher Prägnanz den schmerzhaften Konflikt zwischen dem bürgerlichen Alltag und der Phantasiewelt ausgelebt und zum Thema der ganzen Dichtkunst gemacht. Der (meist schwarze) Humor und die Ironie sind die zwei Waffen, die Hoffmann meisterhaft handhabt um über den inneren Zwiespalt hinweg zu kommen und das fragile Gleichgewicht eines Lebens zu bewahren, das von Armut, Trinksucht, Krankheit, Geistervisionen und Zusammenstoßen mit der Obrigkeit geplagt wurde (daher die Benennung „Gespenster-Hoffmann“). Seine Werke spiegeln die Zerrissenheit dieser Existenz wieder und zeigen, wie die unmittelbar gegebene Wirklichkeit mit der dunklen Welt des Dämonischen kollidiert. Das Thema, das sich wie ein roter Faden durch seine Schriften zieht, ist das ambivalente Verhältnis zwischen Traum und Wirklichkeit. Die zwei Welten fließen oft unbemerkbar ineinander um dann unerwartet und mit schauerlichen Folgen auseinander zu brechen, was zu komplizierten und schockartigen Verwirrungen führt und bei seinen Gestalten psychische Krankheiten und seelische Störungen, die an Wahnsinn grenzen, verursacht. In seiner Beschäftigung mit den Nachtseiten des Daseins schöpft Hoffmann aus dem umfangreichen Repertoire der Zeit viele Themen und Motive, wobei er sich in bester romantischer Tradition auch die naturwissenschaftlichen Vorstellungen und medizinischen Kenntnisse zu Nutze macht. Daher erweist seine Novelistik eine enge Verwandtschaft mit der romantischen Schicksalstragödie: das Gespenstische und Unberechenbare walten im menschlichen Leben, die Gestalten sind dem Dämonischen hilflos ausgesetzt, von dem man nie wissen kann, ob es eine Erscheinung dunkler Mächte, die in Wirklichkeit existieren und hinter der Oberfläche des banalen Alltags lauern oder nur die Wahnvorstellung einer überspannten Psyche ist. Schicksalsschläge, Verirrungen des Geistes, grauenhafte Zufälle und Unglücksfälle, Rachedämonen, Doppelgängertum und Auseinandersetzung mit den unheimlichen Folgen der faszinierenden aber auch befürchteten Entwicklung der Technik (Automaten) stehen im Zentrum seiner Werke und werden durch eine eigenartige Erzählweise virtuos gestaltet. Hoffmann beginnt seine literarische Tätigkeit im Jahre 1814 mit einer vierbändigen Sammlung von Erzählungen, die, an den französischen Zeichner und Kupfersticher Jacques Callot anknüpfend, Phantasiestücke in Callots Manier. Blätter aus dem Tagebuch eines reichen Enthusiasten heißt. Wie der Dichter selbst in der Einleitung unterstreicht, will der Titel auf das Phantastisch-Humoristische seiner Schreibart die Aufmerksamkeit lenken, denn die Zeichnungen Callots sind „Reflexe aller der phantastischen wunderlichen Erscheinungen, die der Zauber seiner überregen Phantasie hervorrief“. Inspiriert von der Kunst des barocken Meisters, der sogar Figuren und Geschehnissen des Alltags eine „gewisse romantische Originalität“ zu verleihen fähig war, erstrebt Hoffmann für sich dieselbe Leistung und sieht im von den Romantikern bevorzugten Mittel der Ironie den Angelpunkt seines Stils. Der goldne Topf, vom Autor selbst „Ein Märchen aus der neuen Zeit“ bezeichnet, wurde als dritter Band der Sammlung veröffentlicht und gilt als ein unumstrittenes Meisterwerk Hoffmanns, das zu den berühmtesten Erzählungen deutscher Literatur gehört. Es ist die Geschichte des armen ungeschickten Studenten Anselmus, der mühsam versucht, sich den bürgerlichen Konventionen anzupassen, während in seiner Seele das ganze Reich der Poesie lebendig ist. Durch eine Reihe von Zufällen verliebt er sich in eine Schlange, lernt den Archivarius Lindhorst kennen, der in Wirklichkeit ein Elementargeist aus Atlantis ist und dessen Tochter Serpentina ihm früher in der Form der Schlange erschienen war, und dringt immer tiefer in die Geheimnisse der phantastischen Welt hinein, die sich, anderen Augen verborgen, mitten des banales Alltags entfaltet. Wie das in vielen seiner Arbeiten der Fall ist, liegt dem Text eine unaufhebbare Spannung zwischen Wirklichkeit und Phantasie zugrunde, die sich auch im Aufbau widerspiegelt: die zwei Ebenen, der realen Stadt Dresden, wo sich Hoffmann zum Zeitpunkt des Schreibens befindet, mit ihrer realistisch dargestellten Topographie (dem Schwarzen Tor, der Elbe, dem Linkischen Bade, dem Pirnaer Tor, der Kreuzkirche usw.) und der phantastischen Welt verschlingen sich und entsprechen einander wie in einem Spiegel. Sogar die Figuren-Konstellationen wiederholen sich: dem Konrektor Paulmann entspricht der geheimnisvolle Archivarius Lindhorst, deren Tochter, die an bürgerlichen Werten orientierte Veronika und die zauberhafte Serpentina zwei parallele Möglichkeiten der Liebeserfüllung darstellen. Durch die Heirat mit Veronika, die ihn mit Hilfe der bösen Hexe für sich selbst gewinnen will, könnte Anselmus Zugang zur bürgerlichen Idylle eines stabilen und reizvollen Haushalts in der oberen Schicht der Stadt finden, wofür er aber die poetische Fülle seines inneren Wesens aufopfern müsste. Die Liebe Serpentinas eröffnet ihm aber den Weg zur magischen Selbsterfüllung im unendlichen Reich der Poesie. Das Schmerzhafte am menschlichen Schicksal ist, eine Vereinigung beider Lebensbereiche ist nicht möglich. Wenn Veronika den neulich zum Hofrat genannten Heerbrand heiratet, verliert sie jeden Kontakt zur übernatürlichen Sphäre; das Liebesglück mit Serpentina im entfernten Atlantis-Land muss der zum Dichter gewordene Anselmus durch Verzicht auf ein Leben unter Menschen, also Vereinsamung und Weltentfremdung, einbüßen. In einer anderen möglichen Interpretation ist die wirkliche Welt nur eine minderwertige Spiegelung des wahren Seins im Reich der Poesie: der ursprüngliche Zustand der Menschheit ist derjenige des Atlantis-Mythos, und wurde durch den Sündenfall verloren. So wie Anselmus die Befreiung von den Zwängen des verfallenen Lebens gelingt, das man wegen Ignoranz für das wirkliche hält, gilt es für alle Menschen durch Phantasie und Poesie erlöst zu werden. Der goldene Topf, in dem sich das Reich Atlantis spiegelt, fungiert somit als Symbol für die romantische Poesie, genau wie die blaue Blume bei Novalis. Aber die hervorragendste Leistung Hoffmanns ist in diesem Märchen die raffinierte Erzählkunst: er bedient sich eines fiktionalen Erzählers um die entgegengesetzten Ebenen der Handlung zusammenzufügen, die Grenzen des Erzählten immer wieder durch Ironie zu springen und dem Leser durch direkte Anrede die Erkenntnis beizubringen, er kann sich auch mit Hilfe der Phantasie aus der Enge der Wirklichkeit loslösen. Als am Ende des Märchens der Erzähler klagt, er kann Anselmus nach Atlantis nicht folgen und muss zu seinem „Dachstübchen“ und zu den „Armseligkeiten des bedürftigen Lebens“ zurückkehren, erklärt ihm der Archivarius, dass Anselmus’ Seligkeit für alle möglich ist, denn sie bedeutet nichts anderes als „das Leben in der Poesie, der sich der heilige Einklang aller Wesen als tiefstes Geheimnis der Natur offenbaret“. Weitere Werke Hoffmanns sind der schwarze Roman Die Elixiere des Teufels (1815-1816), in dem Motive der Schauerliteratur erscheinen wie Doppelgängertum, Fluch und Mord, Wahnsinn und Walten dunkler Mächte, die den Menschen in ihren Bann ziehen und zur Zerstörung bringen, das Märchen Nussknacker und Mausekönig (1816), das als Vorlage für Tschaikowskis Ballets Der Nussknacker diente, Die Nachtstücke (1817), eine Sammlung von dämonisch-fatalistischen Erzählungen. In der Erzählung mit märchenhaft-phantastischen Zügen Klein Zaches, genannt Zinnober (1819) schildert Hoffmann die gesellschaftlichen Verhältnisse an dem fiktiven Hof des Fürsten Paphnutius, der die Aufklärung per Dekret einführen will und die Poesie aus dem Lande bannt. Der böswillige Zauberer Zinnober, ein hässlicher Zwerg, erwerbt sich durch Magie die höchste Anerkennung, Belohnungen und Auszeichnungen, die ehrlichen Menschen wie dem Studenten Balthasar und dem Beamten Adrian für reale Verdienste verweigert werden. Ebenfalls als beißende Satire erweist sich auch der Roman Lebensansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern (2 Bd., 1819-1821), der zwei entgegengesetzte Lebensgeschichten gegenüberstellt: die Biographie des Katers Murr als Literaten, eine Parodie bürgerlicher Vorstellungen über Bildung und Kunst, und der nur teilweise geschilderte, gebrochene Lebenslauf des Künstlers Kreisler, den die nur an Anschein orientierten gesellschaftlichen Normen zum Scheitern verurteilen. Damit liefert Hoffmann eine fesselnde Mischung des romantischen Künstlerromans und gleichzeitig der Parodie desselben vor dem Hintergrund einer scharfen Gesellschaftskritik. 3.2. Die Spätromantik in Schwaben Die schwäbische Gruppe der Romantiker bildete sich um Ludwig Uhland, entwickelte sich jedoch nicht zu einer regelrechten „Dichterschule“. Die Liebe für die Natur aber auch für das Vaterländisch-Volkstümliche, das Interesse für das Mittelalter sowie die Miteinbeziehung realistischer Elemente, die den Übergang zur wirklichkeitsnahen Poetik des Realismus machen, sind charakteristische Merkmale. Ludwig Uhland (1782-1862) Seine erste Sammlung Gedichte, 1815 veröffentlicht, gibt den Ton für sein ganzes dichterisches Werk an: das Volksliedhafte steht im Mittelpunkt und die Thematik ist romantisch, jedoch fehlt in der Verarbeitung der typisch romantische Hang zum Subjektivismus, und die Lyrik entwickelt sich nie zur Erlebnisdichtung. Die einfache Schönheit seiner Verse erinnert oft an Eichendorff, auch wenn Uhland das Zwielichtige und Ambivalente völlig ausklammert und wenig auf die Nachtseite der Natur verweist. Dank der Schlichtheit und Musikalität seiner Lyrik wurden viele Gedichte von Schubert, Liszt, Schumann usw. vertont. Seine Frühlingslieder sind besonders beliebt. Er verarbeitet in seinen Balladen, Romanzen und Rhapsodien viele mittelalterliche Themen (Bertran de Born, die Nibelungen usw.). Seine berühmteste Ballade ist Des Sängers Fluch, in der der Dichter das humanistische Thema des Konflikts zwischen Kunst und Tyrannei gestaltet. Eduard Mörike (1804-1875) Mörike gilt als einer der bekanntesten Lyriker der Spätromantik, der zu einem Klassiker der deutschen Literatur geworden ist. Biedermeier-Züge in seinen Werken sind die Vereinigung von Phantasie und Wirklichkeit in schwermütiger Stimmung und der Rückzug in die Innerlichkeit. Es gibt jedoch bei Mörike eine subtile Ironie, mit der die scheinbare Idylle immer wieder als abgründig und brüchig entblößt wird. Am meisten hat sich Mörike der Lyrik gewidmet, die er als reinen Ausdruck des Gemüts versteht. Was Mörikes Gedichte aber am besten auszeichnet, ist seine hervorragendste Leistung in Bezug auf die musikalischen Eigenschaften der poetischen Sprache. Auch in unserem Beispiel beeindruckt die Virtuosität, mit der die Herbststimmung durch das Zusammenspiel von Klängen, die Einfachheit der poetischen Ausdrücke, die Ausgeglichenheit des Rhythmus und die gewählten Alliterationen wiedergegeben wird. Die Novelle Mozart auf der Reise nach Prag (1856), in der Mörike seine Verehrung für den genialen Komponisten in literarischer Form verschlüsselt, wurde sehr berühmt. Das Thema ist eine erfundene Begebenheit aus dem Leben Mozarts, seine Reise mit Ehefrau Konstanze nach Prag und ihren kurzen Aufenthalt auf einem Schlösschen, wo der Graf die Verlobung seiner Nichte feiert. In diesem Erzählwerk erstaunlicher Modernität kommt es gar nicht auf die äußeren Vorgänge an, die auch keine steigende Handlung bilden. Andere Schriftsteller aus der schwäbischen Romantik sind Justinus Kerner (1786-1862), von dem ein paar sehr berühmte Gedichte stammen (Wanderlied, Der Wanderer in der Sägmühle) und Wilhelm Hauff (1802-1827), bis heute für seine Märchen (Kalif Storch, Der kleine Muck) bekannt.