grundkurs-WS2014

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Wintersemester 2014/15
Prof. Dr. Hans-Werner Hahn
Grundkurs Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts/ Teil I 1780-1914
4. Die Revolution von 1848/49.
Literatur:
Dieter DOWE/ Heinz-Gerhard HAUPT/ Dieter LANGEWIESCHE (Hrsg.), Europa 1848.
Revolution und Reform, Bonn 1998.
Rüdiger HACHTMANN, Epochenschwelle zur Moderne. Einführung in die Revolution von
1848/49, Tübingen 2002.
Dieter HEIN, Die Revolution von 1848/49, 3. Aufl. München 2004.
1. Bedeutung und Ursachen der Revolution von 1848/49:
Zur Bedeutung der Revolution von 1848/49: europäischer Charakter, wichtige Etappe auf dem
Weg zu neuen Nationalstaaten (Deutschland, Italien), wichtige Etappe in der
Verfassungsgeschichte (Parlamentarismus, Entwicklung moderner Parteien, Parteipresse,
soziale Erweiterung der Politisierungsprozesse, neue politische Kultur); neue Ansätze zur
Lösung der sozialen Probleme, die mit dem Industrialisierungsprozess entstanden waren. In
der Geschichtskultur der Deutschen spielte 1848/49 als gescheiterte Revolution lange Zeit
eine untergeordnete Rolle. Heute sehen wir, dass die Revolution in ihren großen Zielen zwar
gescheitert ist, aber den weiteren Weg der deutschen Geschichte doch auf vielfältige Weise
mitgeprägt hat.
Zu den Ursachen der Revolution von 1848/49: Mehrere Faktoren spielen eine Rolle,
langfristig wirkende und kurzfristig wirkende Bedingungen.
a. Zu den wichtigsten Ursachen gehören der wirtschaftliche und soziale Wandel, der sich
in den dreißiger und vierziger Jahren beschleunigte: starkes Bevölkerungswachstum
1815–1848 in Deutschland von 23,7 auf 34,5 Millionen; Krise der vorindustriellen
Wirtschaftszweige wie Handwerk, Heimgewerbe, traditionelle Landwirtschaft;
Pauperismuskrise, die vor allem auf das Bevölkerungswachstum zurückzuführen ist,
durch die beginnende Industrialisierung aber noch verschärft wird. Weder der
Fortschritt der modernen Industrie (Eisenbahnbau als wichtigster Motor) noch die
zunehmende Auswanderung schaffen die nötige Entlastung.
b. Aufstieg des Bürgertums: Bürgertum ist keine homogene Klasse, unterschiedliche
Formationen wie Bildungsbürgertum, modernes Wirtschaftsbürgertum, Stadtbürgertum. Die Formierung des neuen Bürgertums erfolgt durch gemeinsame Werte und
Verhaltensnormen (neue bürgerliche Kultur). Die Stadt ist der Ausgangspunkt als Ort
neuer sozialer, kultureller und politischer Entwicklungen (Bedeutung des Vereinswesens). Die neue bürgerliche Gesellschaft wird als Gesellschaft der Hausväter
gedacht, die Gleichstellung der Frau ist nicht vorgesehen, allerdings ergeben sich auch
für die Frauen in der neuen Gesellschaft neue Entfaltungschancen. Ein großer Teil der
jüdischen Minderheit findet nach der rechtlichen Gleichstellung durch wirtschaftlichen
Erfolg und Bildung Zugang zur bürgerlichen Gesellschaft. In den vierziger Jahren
verstärkt das Bürgertum überall in Europa seine Forderungen nach grundlegenden
Veränderungen des politischen Systems und mehr politischer Mitsprache. Die
Revolution steht dabei aber zumindest in Deutschland oder England nicht auf der
Tagesordnung.
c. Kurzfristig wirkende Ursachen der Revolution: Konjunkturkrisen, Hungerkrisen
1846/47, wachsende Unterschichtenproteste verstärken die Legitimationskrise des
politischen Systems.
d. Europäisches Umfeld: wachsende Kritik an der Ordnung des Wiener Kongresses,
1846 Aufstände in den von Preußen und Österreich beherrschten Gebieten Polens,
1847 Schweizer Sonderbundskrieg, wachsende Opposition in italienischen Städten
und in Frankreich.
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2. Europäisches Umfeld und deutsche Reaktionen:
Januar/Februar 1848 Aufstände in Italien: neue Verfassungen im Königreich Neapel und
dem Großherzogtum Toskana
22.–24. Februar Revolution in Frankreich: Sturz des Julikönigtums, Einführung der
Republik, allgemeines Wahlrecht, neue soziale Bewegungen und Forderungen nach
grundlegenden soziale Reformen (Louis BLANC, Louis-Auguste BLANQUI, Arbeitsbeschaffung durch Nationalwerkstätten).
Winter 1847/48 wachsende soziale Spannungen und Politisierung in Deutschland
Februar 1848 Forderung nach einer deutschen Nationalrepräsentation in der badischen
Kammer (Friedrich Daniel BASSERMANN)
seit Anfang März Massendemonstrationen in Residenzstädten des deutschen Südens,
Forderungen nach Freiheit und Einheit, vermischt mit sozialen Protestbewegungen von
Bauern (Kampf um Abschluss der Bauernbefreiung) und Unterschichten (z.T. auch
antijüdische Exzesse). Die Regierenden der deutschen Klein- und Mittelstaaten kommen
den Forderungen nach politischen Veränderungen und Reformen rasch nach: Erfüllung
der Märzforderungen (deutsches Parlament, Pressefreiheit, Volksbewaffnung, Schwurgerichte) und Einsetzen von „Märzministerien“ (gemäßigte Liberale übernehmen die
Regierungsverantwortung).
Unruhen in Wien und in der gesamten Habsburger Monarchie. Unterschichtenproteste in
Wien und die lauter werdenden Reformforderungen des liberalen Bürgertums führen am
15. März zu Unruhen in Wien und zum Sturz METTERNICHS. Die neue Staatsführung (kein
Märzministerium) macht erste Konzessionen, zu einer weitgehenden Erfüllung der
liberalen Forderungen kommt es aber erst im Mai 1848 nach neuen Unruhen, da die
Führung der Habsburger Monarchie jetzt auch durch die aufgebrochenen Nationalitätenkonflikte geschwächt ist.
Auch in Preußen setzt Anfang 1848 zunächst vor allem im Westen die Revolutionsbewegung ein. Am 18. März 1848 kommt es in Berlin zu schweren Straßenkämpfen, die
zum Nachgeben von König FRIEDRICH WILHELM IV. führen. Abzug des Militärs aus der
Stadt; Einsetzen einer neuen Regierung und Bekenntnis zu gesamtdeutschen Reformen.
Trotz des Nachgebens sind die konservativen Kräfte in Preußen und Österreich von
Anfang an bestrebt, die Voraussetzungen für eine Gegenrevolution herbeizuführen.
Sieger der Märzrevolution ist zunächst das liberale Bürgertum, das an politischem
Einfluss gewinnt und nun an die Verwirklichung seines nationalen Reformprogramms
geht. Die liberalen Kräfte stehen freilich von Anfang an unter doppeltem Druck der
sozialen Protestbewegungen und den alten, nach wie vor über die Militärmacht
verfügenden monarchischen Gewalten.
3. Die Verrechtlichung der deutschen Revolution:
5. März 1848 Heidelberger Versammlung der Liberalen und Demokraten
10. März 1848 Einsetzen des 17er Ausschusses (Männer des öffentlichen Vertrauens)
durch den Bundestag
31.3.–3.4. Frankfurter Vorparlament (Vorbereitung der Wahlen für ein deutsches
Parlament)
Niederschlagung der badischen Aprilrevolution (Friedrich HECKER) durch gemäßigt
liberale Regierung und Bundestruppen
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Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung: allgemeines Wahlrecht (Kriterium der
Selbständigkeit), Wahlkämpfe, Entstehen von neuen Presseorganen und politischen
Vereinen
4. Die Paulskirche:
18. Mai: Eröffnung des deutschen Parlaments in Frankfurt (Heinrich von GAGERN
Parlamentspräsident); soziale Zusammensetzung: Männer von Besitz und Bildung
dominieren; regionale Herkunft, nicht Klassenzugehörigkeit prägt das politische
Verhalten; einzelne politische Richtungen weisen starke regionale Schwerpunkte auf;
Fraktionsbildung: konservative Rechte mit 6% schwach vertreten, konstitutionell-liberale
Mitte stärkste Kraft mit 34% (v. a. Casino-Fraktion), parlamentarisch-liberal 13%,
entschieden demokratisch 15%, 32% fraktionslos.
gleichzeitig tagen die neugewählte preußische Nationalversammlung in Berlin und der
gesamtösterreichische Reichstag in Wien
28. Juni Gesetz über die deutsche provisorische Zentralgewalt (Reichsverweser Erzherzog
JOHANN von Österreich, Ministerpräsident Karl zu LEININGEN)
innerhalb der Beratungen über eine deutsche Verfassung steht zunächst die
Grundrechtsfrage im Zentrum; erst am 20. Dezember 1848 Verabschiedung des
Grundrechtskatalogs, wichtiger Meilenstein deutscher Verfassungsgeschichte.
5. Revolution und Öffentlichkeit
5 Handlungsebenen der Revolution:
1. Parlamente auf nationaler und auf einzelstaatlicher Ebene,
2. die neue Obrigkeit in Form der Reichszentralgewalt, der Märzministerien und der
Magistrate,
3. monarchisch-aristokratische Gewalten,
4. Straßenpolitik,
5. außerparlamentarische Öffentlichkeit
- die Straße war auch nach den Märztagen des Jahres 1848 ein wichtiger Ort im außerparlamentarischen Revolutionsgeschehen. Zum Teil fanden auf der Straße organisierte
Veranstaltungen statt (Straßenparlamente, Feste, Versammlungen, Demonstrationen), zum
Teil blieb die Straße Schauplatz des spontanen Protests (Katzenmusiken, Hungerunruhen).
Die Straßenpolitik des Volkes fügte sich nur schwer oder auch gar nicht in die Revolution
der Bürger ein (selbst bei den Demokraten).
- das politische Vereinswesen: freie Entfaltung von Vereinen und Presse, Differenzierung
der politischen Lager wird verstärkt; endgültiges Auseinandertreten von gemäßigten
Liberalen (konstitutionelle Monarchie) und entschiedenen Demokraten (Republik,
entschiedene soziale Reformen) und heftige Auseinandersetzungen zwischen beiden
Lagern schwächen die bürgerliche Revolutionsbewegung; beide Seiten bemühen sich um
nationale Organisation ihrer Richtung: deutsche Vereine der Liberalen; deutsche
Demokratenkongresse im Juni (Frankfurt am Main) und Oktober (Berlin) 1848. Ende
November 1848 wird von den linken Fraktionen in der Paulskirche der Zentralmärzverein
gegründet (erste moderne deutsche Partei, Verbindung von Fraktion und außerparlamentarischer Organisation).
- Anfänge der Arbeiterbewegung: Revolution von 1848/49 ist wichtige Etappe auf dem
Weg zu einer eigenständigen deutschen Arbeiterbewegung; zwei konkurrierende Organisationen der Arbeiterbewegung: der von MARX und ENGELS geführte Bund der
Kommunisten („Kommunistisches Manifest“) und die zahlenmäßig stärkere „Allgemeine
deutsche Arbeiterverbrüderung“ (Stephan BORN), starker Anteil von Handwerkern.
- Konservative Vereine: Schwerpunkt Preußen, „Neue Preußische Zeitung“ (Kreuzzeitung); „Verein zum Schutze des Eigentums und zur Förderung des Wohlstandes aller
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Klassen“ (später zur „Wahrung der Interessen des Grundbesitzes“), Preußenvereine,
Vereine für König und Vaterland und Militärvereine (Veteranen). Im Laufe der
Revolution gelangen dem Konservativismus in Ostelbien beträchtliche Mobilisierungserfolge unter Bauern, Stadtbürgern und teilweise auch Unterschichten.
Politischer Katholizismus: in der Paulskirche noch keine eigene Fraktion, aber Ausbau
des katholischen Vereinswesens und der nationalen Organisation der katholischen
Interessen (Pius-Vereine, erster deutscher Katholikentag in Mainz, erste deutsche
Bischofskonferenz). Revolutionserfahrungen (Frontstellung gegen die Kirchenpolitik des
Liberalismus) verstärken im deutschen Katholizismus den Trend in Richtung Ultramontanismus.
Handwerkerbewegung: Handwerker wichtige Trägerschicht der Revolution, moderne
politische Ziele, in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht aber noch sehr der alten
Handwerkerwelt verbunden; erster deutscher Handwerker- und Gesellenkongress (15. Juli
1848 in Frankfurt), Spaltung von Meistern und Gesellen.
Schutzzoll- und Freihandelsbewegungen: Streit um den künftigen deutschen Zolltarif
führt zu nationalen Organisationen und Petitionskampagnen, der auf Norddeutschland
konzentrierten Freihändler und der Schutzzöllner, die ihre Zentren in Süd- und Mitteldeutschland hatten.
Frauen und Revolution: Die Revolution bildete auch für das politische Engagement von
Frauen eine wichtige Zäsur. Frauen beteiligten sich in mehrfacher und sehr verschiedener
Hinsicht an der Revolution: Unterschichtenfrauen am Straßenprotest und an Barrikadenkämpfen, bürgerliche Frauen in Vereinen, bei Festen und einige sogar an Aufständen.
Gründung von Frauenvereinen, 1848/49 Auftakt einer eigenständigen Frauenbewegung in
Deutschland.
6. Lage im Herbst 1848:
Politisierung der Gesellschaft; Vielfalt der Interessen und Gegensätze; Einheit der deutschen
Märzbewegung zerbrach, Dynamik der Revolution ließ nach durch die Pariser Junischlacht
24. Juni (Regierungstruppen unter General CAVAIGNAC), verstärkt Revolutionsfurcht im
Bürgertum und bei Konservativen.
7. Deutscher Einheitsstaat und europäische Nachbarn:
Kernfrage von 1848: Wie weit soll sich der deutsche Nationalstaat erstrecken, wie soll er
notfalls mit den in ihm lebenden ethnischen und sprachlichen Minderheiten umgehen? – Die
deutsche Nationalversammlung geriet aufgrund ihrer territorialen Zielsetzungen sehr schnell
in Konflikt mit anderen Nationalbewegungen und mit bestehenden Staaten:
A. Die Polen-Frage und Böhmen: nach früherer Unterstützung der polnischen Nationalbewegung kommt es 1848 in der Posenfrage zum Bruch. Nach Aufständen der Polen,
die Preußen niederschlägt, schließt sich die Nationalversammlung in Frankfurt nach
der großen Posendebatte vom 24. bis 27. Juli 1848 einem Teilungsplan an und beruft
sich auf die nationalen Interessen.
Auch der von František PALACKÝ an Pfingsten 1848 organisierte Prager Slawenkongreß zeigt die nationalen Gegensätze. Mitte Juni wird der Prager Aufstand gegen
die Habsburger vom österreichischen General Fürst WINDISCHGRÄTZ niedergeschlagen.
B. Italien: Streit um Tirol; Mailänder Volksaufstand vom März 1848 unterstützt vom
Königreich Piemont-Sardinien; die Hoffnungen auf einen durchschlagenden Erfolg
einer gesamtitalienischen Einigung werden zerschlagen: durch vorsichtige Haltung des
Papstes, Gegenrevolution in Neapel-Sizilien und vor allem durch die Siege der von
Feldmarschall RADETZKY geführten Österreicher. 25. Juli 1848 Schlacht bei Custozza.
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C. Schleswig-Holstein-Frage: Ripener Freiheitsbrief von 1460: up ewig ungedeelt, März
1848 provisorische, beide Herzogtümer umfassende revolutionäre Landesregierung;
Einverleibungsgesetz des Dänenkönigs für Schleswig, deutscher Bundestag erklärt
Dänemark am 12. April 1848 den Bundeskrieg; Rückzug der erfolgreichen deutschen
Truppen aufgrund englischer Vermittlungsbemühungen, 26. August 1848 schließt
Preußen auf englischen und russischen Druck den Waffenstillstand von Malmö und
gibt Positionen preis, die die Nationalversammlung als unverzichtbar ansah; 5.
September 1848 nach heftigen Debatten in der deutschen Nationalversammlung
Ablehnung des Waffenstillstandes; 16. September 1848 Annahme des Malmöer
Waffenstillstandes gegen heftige Proteste der Linken und der öffentlichen Meinung.
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8. Innenpolitische Wende im Herbst 1848:
18. September Niederschlagung des Frankfurter Septemberaufstandes.
neue vergebliche Erhebungen im Rheinland und in Baden (Gustav STRUVE), teilweise
auch in Thüringen.
Folgen der Septemberkrise: Schwächung der politischen Legitimation und Handlungsfähigkeit der Revolution. Reichszentralgewalt und Nationalversammlung brauchen Schutz des
von alten Gewalten dominierten Militärs, dies mindert das Prestige und stärkt das Machtbewusstsein der gegenrevolutionären Kräfte. Weiter wachsende Spaltung innerhalb des
bürgerlichen Lagers (Linke: Preisgeben der Revolution; Liberale: soziale Revolution).
Erfolge der Gegenrevolution in Österreich:
10. Juli 1848 Konstituierung des neugewählten Reichstag in Wien, den bis auf Ungarn und
Oberitalien alle Gebiete der Habsburger Monarchie beschicken; rasche und bauernfreundliche
Lösung der Agrarfrage (Hans KUDLICH). Wachsende soziale Spannungen in Wien und Streit
um Verhalten gegenüber den auf Eigenständigkeit pochenden Ungarn führen zur Herbstkrise
im Oktober 1848. Am 6. Oktober beginnt „Wiener Oktoberrevolution“; neuer Kurs. Am 31.
Oktober wird Wien von WINDISCHGRÄTZ besiegt. Hinrichtung des Paulskirchenabgeordneten
Robert BLUM am 9. November. Der Justizmord an Robert BLUM löst in ganz Deutschland
eine Welle des Protestes aus.
Die Neuordnung der Habsburger Monarchie:
Am 19. November wird Fürst Felix SCHWARZENBERG, der Schwager von WINDISCHGRÄTZ,
als Ministerpräsident und Außenminister berufen. Er ist ein entschiedener Gegner der
nationalen, großdeutschen und demokratischen Bestrebungen. Seine neue Politik lief darauf
hinaus, die Habsburger Monarchie als Gesamtstaat zu erhalten und ihr die alte Vorherrschaft
über Mitteleuropa zurückzugeben. Voraussetzung dieser Politik war die Niederschlagung der
Revolutionen in Ungarn und Deutschland; Thronverzicht des Kaisers, Thronbesteigung seines
gerade 18-jährigen Neffen FRANZ JOSEPH am 2. Dezember 1848. Die erfolgreiche Wiener
Gegenrevolution gibt auch den preußischen Konterrevolutionären neuen Auftrieb.
Gegenrevolution in Preußen: wachsende soziale Spannungen, vor allem in Berlin; Ausgleich
zwischen Monarchie und preußischer Nationalversammlung ist schwierig aufgrund
unterschiedlicher Verfassungsvorstellungen; König FRIEDRICH WILHELM IV. will die vom
Parlament vorgelegte preußische Verfassung – die Charte Waldeck – nicht annehmen
(Ablehnungsgründe: suspensives Veto, Abschaffung des Zusatzes von Gottes Gnaden,
Eingriffe in das altpreußische Herrschafts- und Gesellschaftssystems). 9. November
Verlegung der Nationalversammlung nach Brandenburg, vergebliche Proteste der Nationalversammlung, Aufruf zur Steuerverweigerung. Auch in Preußen hat die zweite Revolution
aber keine Chance. Auflösung der Nationalversammlung, aber oktroyierte Verfassung, die am
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5. Dezember 1848 vom König bekannt gegeben wird, kommt aber Charte Waldeck noch recht
nahe (noch allgemeines Wahlrecht). Der Sieg der Gegenrevolution in Preußen und Österreich
erschwert alle weiteren Einigungsbestrebungen in Frankfurt.
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8. Probleme einer deutschen Reichsverfassung.
Debatte der Nationalversammlung über Umfang und innere Struktur eines deutschen
Bundesstaates. Kernfragen: Stellung der Einzelstaaten zum Gesamtstaat, Frage nach den
Kompetenzen der Reichsgewalt gegenüber den Einzelstaaten; Wahlrecht; Kompetenzabgrenzung zwischen Exekutive und Parlament
große Mehrheit der Paulskirche tendiert zur bundesstaatlichen Lösung.
allgemeines und gleiches Männerwahlrecht, aber nicht unumstritten.
parlamentarische Monarchie mit suspensivem Veto des Monarchen.
Die Entscheidung über die groß- oder kleindeutsche Lösung und die Kaiserwahl:
- Scheitern der großdeutschen Hoffnungen durch unnachgiebige Politik SCHWARZENBERGS
(Einheit der Habsburger Monarchie)
- Idee des engeren und weiteren Bundes (Heinrich von GAGERN als neuer Ministerpräsident).
- die Wiener Obstruktionspolitik führt in der Paulskirche zu einer Verschiebung der
politischen Fronten; nach neuen Debatten kommt es im März 1849 zu Entscheidungen
über die deutsche Frage: Die Mehrheit für GAGERNS Plan wird durch den sogenannten
Simon-Gagern-Pakt erreicht. Am 27. März entscheidet sich eine knappe Mehrheit dafür,
die Würde des Reichsoberhauptes einem regierenden deutschen Fürsten anzutragen und
für die Erblichkeit der Kaiserwürde. Am 28. März 1849 unterstützen 290 Abgeordnete die
Forderung, FRIEDRICH WILHELM IV. die deutsche Kaiserkrone anzubieten. 248 enthalten
sich.
Die Entscheidung von FRIEDRICH WILHELM IV.:
- Ablehnung der vom deutschen Parlament angebotenen Kaiserkrone durch den
preußischen König (3. April 1849), unwürdige („aus Dreck und Letten“) Krone des
Volkes, Rücksicht auf Österreich; König lässt sich auch von der Mehrheit der deutschen
Einzelstaaten und vom preußischen Parlament nicht umstimmen; das preußische
Parlament wird aufgelöst und auf der Basis des Drei-Klassen-Wahlrechts neu gewählt.
- 28. April 1849 endgültige Ablehnung der Kaiserkrone durch FRIEDRICH WILHELM IV.
10. Vergebliche Versuche zur Durchsetzung der Reichsverfassung
(Reichsverfassungskampagne)
1. gewaltfreie Versuche: parlamentarische Kämpfe (Reste der Paulskirche bis zur
gewaltsamen Auflösung des nach Stuttgart ausgewichenen Rumpfparlaments am 18. Juni)
und außerparlamentarische Bewegungen in Form von Versammlungen und Petitionen
(letzteres stark in Thüringen).
2. Aufstände zur Durchsetzung der Reichsverfassung:
- Dresdener Maiaufstand, Beginn am 3. Mai (Michael BAKUNIN, Richard WAGNER,
Gottfried SEMPER); 4. Mai 1849 provisorische Regierung, 9. Mai Niederschlagung
durch preußische Truppen.
- Kämpfe in Preußen: Aufstände in Schlesien, der Provinz Sachsen und dem Rheinland,
Zerschlagung durch Militäreinsatz unter Prinz WILHELM.
- preußische Truppen schlagen anschließend auch die Reichsverfassungskampagne in
der bayerischen Pfalz nieder, wo sich ebenfalls eine provisorische Regierung gebildet
hatte. Am 14. Juni 1849 flieht diese aus Kaiserslautern.
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längere Zeit braucht man dann bei der Niederschlagung der badischen Revolution.
Man versucht, vom Süden aus der Revolution noch einmal neuen Schwung zu geben.
16. Mai provisorische Regierung nach Flucht des Großherzogs; nach Vorrücken der
preußischen Truppen Niederlagen der Revolutionsarmee (15. Juni Fall Mannheims;
21. Juni entscheidender preußische Sieg bei Waghäusel; 23. Juli 1849 Kapitulation der
6000 Revolutionskämpfer in der Festung Rastatt nach dreiwöchiger Belagerung).
Hartes Vorgehen der Preußen, Standgerichte, zahlreiche Todesurteile.
Mit dem Fall von Rastatt war die deutsche Revolution im Sommer 1849 zu Ende. Im
August 1849 stellten die österreichischen und französischen Truppen dann auch in
Italien die alte Ordnung wieder her. Im gleichen Monat konnten die Österreicher mit
Unterstützung des Zaren auch die Revolution in Ungarn (13. August 1849)
niederwerfen.
11. Ursachen und Folgen des Scheiterns der Revolution von 1848/49
Die neuere Forschung hat davon Abstand genommen, das Scheitern der deutschen Revolution
von 1848/49 monokausal zu erklären (z.B.: Widerstand der europäischen Mächte; Verrat des
Bürgertums; großdeutsch-kleindeutsche Frage). Es war eher das Zusammenfallen unterschiedlichster Faktoren, das den Erfolg der Revolution verhinderte. Man muss vor allem die
soziale Vielschichtigkeit der Revolution, die unterschiedlichen Revolutionsbewegungen, die
großen regionalen wie konfessionellen Mentalitäts- und Interessenunterschiede und das
schwierige Verhältnis zwischen bürgerlichen und unterbürgerlichen Bewegungen
hervorheben. 1848/49 war keine rein bürgerliche, politisch wie sozialökonomisch in die
Zukunft gerichtete Revolution. Allerdings trat die bürgerliche Gesellschaft als Gegenmodell
zur vorrevolutionären Staats- und Gesellschaftsordnung am Ende der Revolution
(Reichsverfassung) klarer hervor als noch zu Beginn. Sie hat auch trotz des Scheiterns der
großen Ziele modernisierende Auswirkungen gehabt (1848/49 als Epochenschwelle):
Stärkung der Einheits- und Freiheitsidee, Politisierung der Gesellschaft, Impuls für Bildung
von Parteien und Verbänden, Begünstigung des wirtschaftlichen Aufschwungs durch
einzelstaatliche Reformen während und nach der Revolution. Preußen bleibt Verfassungsstaat. Nach der Revolution konnte keine Regierung in Deutschland mehr da anknüpfen, wo
man 1847 aufgehört hatte.
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