Psychodiagnostik

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Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
1
PSYCHODIAGNOSTIK
Version 1.2, Februar 2001
Literatur:
GUTHKE, J., BÖTTCHER, H. R. & SPRUNG, L. (Hrsg.) (1991). Psychodiagnostik Band 1 und
Band 2. Berlin: Deutscher Verlag der Wissenschaften (im Folgenden zitiert als GBS1
bzw. GBS2)
JÄGER, R. S. & PETERMANN, F. (Hrsg.) (1992). Psychologische Diagnostik. Weinheim:
Psychologische Verlags Union
FISSENI, H. J. (1990). Lehrbuch der psychologischen Diagnostik. Göttingen: Hogrefe.
AMELANG, M. & ZIELINSKI, W. (1994). Psychologische Diagnostik und Intervention. Berlin:
Springer
KUBINGER, K. D. (1996). Einführung in die Psychologische Diagnostik. Weinheim:
Psychologische Verlags Union
WOTTAWA, H. & HOSSIEP, R. (1997). Anwendungsfelder psychologischer Diagnostik.
Göttingen: Hogrefe
Allgemeine Psychodiagnostik
Allgemeine Psychodiagnostik

Diagnostische Verfahren
(ab Januar in Seminargruppen eintragen,
4 Testprotokolle abgeben)


Explorationskurs in Kleingruppen
Beratung, Begutachtung, Intervention
Fallseminar zu erwachsenendiagnostischen
Fragestellungen*
3 Gutachten (Schein)


Klausur
Übung
Seminar
(Schein)
Vorlesung
Wegweiser durch die Psychodiagnostik-Ausbildung
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2

Testkonstruktion und Testevaluation
Fachdiagnostik
Schulpsychologische Diagnostik und Beratung*

Interessen- und berufliche Eignungsdiagnostik*

Klinisch-psychologische Diagnostik*

Computergestützte Diagnostik**
*
**

wahlobligatorisch
fakultativ
Gliederung:
I.
Einleitung und Grundfragen ......................................... 3
0.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
II.
Kritik der vorwissenschaftlichen Menschenbeurteilung und
«Urteilsfehler»
Was ist Psychodiagnostik?
Einiges zur Geschichte der Psychodiagnostik
Die Verflechtung der PD mit den anderen Grundlagen- und
Anwendungsdisziplinen der Psychologie
Datenquellen, Datenarten und Datengewinnungsmethoden
Exploration, Verhaltensbeobachtung und Ausdrucksanalyse
Der psychologische Test
Der psychodiagnostische Prozess und das diagnostische Urteil
Einführung in die Leistungsdiagnostik ........................... 36
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Aufgaben und Möglichkeiten der Leistungsdiagnostik
Leistungsdiagnostische Tests im Überblick und Vergleich
Intelligenztests
Kritik des herkömmlichen Intelligenztests und neue Ansätze
Das Lerntestkonzept und seine Varianten
Spezifische Fähigkeits- und Eignungstests
Allgemeine Leistungstests
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8.
9.
3
Curriculumbezogene Tests («Schultests»)
Entwicklungstests
III. Einführung in die «Persönlichkeitsdiagnostik» ............... 79
1.
2.
3.
4.
5.
6.
IV.
Gegenstand und Geschichte der Persönlichkeitsdiagnostik
Erfassungsebenen der Persönlichkeit
Übersicht über die Hauptmethoden
Die «subjektiven Tests»
Gestaltungs- und Deutungsverfahren
«Objektive Tests»
Der diagnostische Prozess, Spezialprobleme und
Tendenzen ................................................................. 99
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Diagnostik und Intervention
Präskriptive Modelle
Deskriptive Modelle
Tendenzen der Psychodiagnostik (Grobüberblick)
Computergestützte Diagnostik
Neuropsychologische Diagnostik
Prüfungsschwerpunkte ........................................................ 126
Informationen zu diesem Dokument ..................................... 128
I.
0.
Einleitung und Grundfragen
Kritik
der
vorwissenschaftlichen
«Urteilsfehler»
Menschenbeurteilung
und
Wie gut ist unsere natürliche Menschenkenntnis? – Einflussfaktoren:
 Selbsterkenntnis – SCHILLER: «Willst Du Dich selber erkennen, so sieh, wie die anderen es treiben, willst Du die
anderen verstehen, blick in Dein eigenes Herz.»







Alter
Künstlerische Befähigung
Häufigkeit des Kontaktes mit anderen Menschen
Geschlecht
Vorurteilsfreiheit
Psychische Gesundheit
Ausprägungsgrad der zu beurteilenden Eigenschaft beim Beurteiler selbst (vgl.
Kontrasteffekt)
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 Intellektuelle und emotionale Differenziertheit
Resümee:
 PD sollte Selbstreflexion anregen; Verhältnis Diagnostiker  Diagnostikand ist nicht
Verhältnis Subjekt  Objekt, sondern Subjekt1  Subjekt2
 Irren ist menschlich  keine illusionären Erwartungen: 100%-ige Diagnosen sind
unmöglich
 wegen
der
großen
Komplexität
des
Gegenstandes
kann
man
nur
Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen (vgl. Chaostheorie)

Bsp.: Schulpsychologe soll über Gymnasiumsbesuch eines Schülers entscheiden
 IQ des Kindes ist sehr hoch  Entscheidung für Gymnasium
 während der ersten Gymnasialjahre keine Probleme, doch dann plötzliche Krise  Schüler fliegt von Schule
 Eltern beschweren sich: Schuleignungsdiagnose war falsch!
 aber: Krise hatte andere Ursachen als mangelnde intellektuelle Begabung; die Diagnose war richtig, nur die
nicht berücksichtigten Einflüsse zu komplex
Fehlerquellen «Menschenbeurteilung» (treten nicht nur im Alltagsleben auf, sind auch
Gefahren für ausgebildete Diagnostiker):
 Halo- oder Hof-Effekt
 «zentrale» Eigenschaft überstrahlt andere, z. B. intelligent  «charakterlich gut»
 vgl. implizite Persönlichkeitstheorien
 Tendenz zur Mitte
 Bsp.: Extremwertscheue in Fragebögen – nur die mittlere Kategorie wird
angekreuzt  Fragebogen unbrauchbar
 Milde-Effekt
 negative Extremwerte werden gemieden
 Bsp.: Lehrer verteilt keine Fünfen
 bei derartigen Fehldiagnosen: Gefahr für den Diagnostikanden und andere
Beteiligte

Bsp.: Verkehrspsychologe muss Fahrtüchtigkeit eines Busfahrers einschätzen;
«fahruntüchtig» verliert Busfahrer seine berufliche Existenz
 Psychologe hat Mitleid  schätzt «fahrtüchtig» ein
 Busfahrer verursacht später schweren Unfall  viele Unbeteiligte verletzt
bei
Einschätzung
 Sequenz-Effekt
 Einfluss gerade zuvor beurteilter Diagnostikanden auf das gegenwärtige Urteil

Guthkes Lieblingsbeispiel: eine Leipziger Veterinärmedizinerprüfung (soll wirklich passiert sein)
 Prüfer hat total unfähigen Prüfling, schickt ihn verärgert mit einer Fünf nach Hause
 unmittelbar danach: anderer Prüfling, der noch dümmer ist
 Prüfer winkt den nach Hause gehenden ersten Prüfling durch das Fenster zurück mit den Worten:
«Müller, kommen Sie nochmal hoch. Sie bekommen eine Vier – hier ist jemand noch dümmer als Sie!»
 Kontrast-Effekt
 wie Sequenz-Effekt, aber das Urteil verschiebt sich, weil vorherige
Diagnostikanden gegenteilige Eigenschaften aufwiesen
 Bsp.: ein und derselbe schlechte Prüfling wird noch schlechter bewertet, wenn vor
ihm eine Reihe sehr guter Prüflinge absolvierte
 Projektions-Effekt
 Begriff aus Psychoanalyse: eigene schlechte Eigenschaften werden auf andere
projiziert
 Bsp.: Geiziger sieht sich nur von Geizigen umgeben
 besonders bei projektiven Tests
 Bsp.: Psychologen werten Zeichnungen mit aggressiven Elementen aus
 zuvor: Psychologen auf Aggressivität untersucht
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 Ergebnis: Aggressivste deuteten am aggressivsten
 Vorurteils-Effekt
 Bezugssystem- bzw. Anker-Effekt
 vgl. HELSON: adaptation level  beim Urteil gehen im Laufe des Lebens bei
Vorerfahrung mit dem Gegenstand erworbene Ankerreize mit ein
 Bsp.: Kind soll von 2 Psychologen auf Intelligenz und Begabung eingeschätzt
werden
 Psychologe A: arbeitet in Heim für geistig Behinderte; Psychologe B bei der
Hochbegabtenauswahl
 Urteile:
Kind
Intelligenz
B
A
 man sollte normierte Tests verwenden
 Übertragungseffekt
 auch aus Psychoanalyse: Pt. überträgt Gefühle gegenüber anderen Personen (z. B.
Vaterangst) auf Therapeuten
 tritt nicht nur in Therapie auf  man findet z. B. jemanden auf Anhieb
sympathisch oder unsympathisch, ohne zu merken, dass er einen an jemand anders
erinnert  beim Diagnoseprozess sich immer ersten Eindruck bewusst machen,
sonst hat dieser Einfluss auf gesamte Diagnose

Bsp. aus Guthkes Praxisleben:
 Guthke wird Junge vorgestellt, der lange guter und unauffälliger Schüler war, aber bei Klassenübernahme
durch neue Lehrerin plötzlich extrem auffällig wird
 Verhalten bleibt trotz vieler Tests und Gespräche ungeklärt
 Hintergrundgeschichte: Heimkind, schwerer Missbrauch seitens der Mutter
 Guthke bestellt sich Mutter  es «fiel mir wie Schuppen von den Augen»: totale Ähnlichkeit mit
Lehrerin
 Unangemessene Kausalattribuierungen
 vgl. Attributionstheorien (z. B. Kelley, Heider etc.)
 Beurteilung anderer Menschen: Gefahr des «fundamentalen Attributionsfehlers»
(ROSS) groß (Personenattributionen)
 Eigenbeurteilung: zumeist (v. a. bei Misserfolg): situative Attributionen
{GBS2 S. 12-18;
SADER, M. (1980). Psychologie der Persönlichkeit. München: Juventa, S. 99-118}
 vgl. auch ROSENTHAL-Effekt und Experiment von ROSENHAN
1.
Was ist Psychodiagnostik?
a) Gegenstand
 Verhältnis Subjekt1  Subjekt2
 Nachteile:
 gesamte psychologische Diagnostik ist Gefahr großer Irrtümer ausgesetzt (im
Gegensatz z. B. zur Diagnose eines Autos beim TÜV)
 Patient kann Ergebnisse bewusst verfälschen  v. a. wichtigstes therapeutischdiagnostisches Verfahren, Gespräch, hochgradig subjektiv
 Vorteile:
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 Auto beim TÜV kann nicht reden, aber Mensch als relfexives Wesen kann
Selbstauskunft geben  große Hilfe für Diagnostiker
 vgl. KELLYs Konzept der persönlichen Konstrukte
Definitionen der Psychodiagnostik:
Von einer Allgemeinen Diagnostik – und im psychologiebezogenen Sinne von einer
Allgemeinen
Psychodiagnostik
–
wird
dann
gesprochen,
wenn
der
im
Wechselwirkungsverhältnis von Diagnostiker (Psychologe, Lehrer, Techniker), Differentieller
Methodik (Test, Fragebogen, Stethoskop, Polygraph, Amperemeter) und Diagnostikand
(Patient,
Bewerber,
Schüler)
ablaufende,
diagnosezielbestimmte
und
randbedingungsabhängige diagnostische Urteilsprozess den Untersuchungs-, Darstellungsund Applikationsgegenstand bildet (vgl. GBS).
Psychologische Diagnostik ist eine wissenschaftliche Disziplin. Ihre Funktion besteht darin,
eine Methodologie zu entwickeln und anzuwenden. Die Methodologie wird aufgefasst als das
Insgesamt von Regeln, Anleitungen, Algorithmen etc. zur Bereitstellung von Instrumenten.
Sie dient sowohl der Gewinnung psychologisch relevanter Charakteristika von
Merkmalsträgern als auch der Integration gegebener Daten zu einem Urteil. Außerdem wird
sie eingesetzt zur Vorbereitung und Evaluation von Entscheidungen. Als Merkmalsträger
gelten Einzelpersonen und Personengruppen, Institutionen, Situationen, Gegenstände etc.. Die
Methodologie kommt in der praktischen Tätigkeit beim Diagnostizieren und Prognostizieren
zum Tragen (nach JÄGER  ist Guthke aber zu weit gefasst...).
Psychodiagnostik ist die Lehre über die Theorie, Methodologie, Methodik und Anwendung
psychologischer Verfahren zur Erfassung der psychischen Eigenschaften, Zustände und
Beziehungen von Individuen, Dyaden und Gruppen in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit,
Entwicklung und Bedingtheit. Gegenstand der Psychodiagnostik ist die Bedingungsstruktur
des individuellen bzw. gruppenspezifischen Person-Umwelt-Systems (Guthke  wichtig!).
 interindividuelle Varianzen sind nicht ausreichend als Gegenstand der PD: «Was nützt es,
wenn man ein Auto zur Werkstatt bringt und der Prüfer nur sagt: ‚Ihr Auto hat einen
Verkehrstüchtigkeitskoeffizienten von .85‘, ohne die Angabe von Details...»
 heute: PD nicht nur Personen-, sondern auch Umweltdiagnostik (Defekte werden nicht
beim verhaltensauffälligen Kind allein gesucht)
b) Begriff der Diagnose
 kommt aus Medizin: Zuordnung eines Patienten zu einer Krankheit (zu nosologischer
Einheit)  «nosologisch orientierte Diagnostik», z. B. ICD 10, DSM IV
 aber: vorwiegend Symptomkatalog, deskriptiv
 nicht gesamte Diagnostik lässt sich so beschreiben (z. B. Berufseignung, Schultyp
etc.)
 Versuch, Menschen als einmaliges Individuum zu begreifen (kein Schubladendenken)
Eine Diagnose in der Psychologie ist eine normativ wertbezogene und entweder individuumoder gruppenbezogene Aussage eines Diagnostikers über einen Diagnostikanden (oder eine
Gruppe von Diagnostikanden) als Ergebnis eines diagnostischen Urteilsprozesses. (nach
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Guthke)
21. 10. 1999
c) Methodentheoretische Taxonomie von Diagnoseformen
Normbezug
Zielbezug
Erklärungsebenenbezug
Zeitbezug
Dimensionsbezug
Ipsativnormative
Diagnose
Selektive
Diagnose
Deskriptive
Diagnose
Aktuelle
Diagnose
Monodimensionale
Diagnose
Gruppennormative
Diagnose
Klassifikative
Diagnose
Konditionale
Diagnose
Prognostische
Diagnose
Multidimensionale
Diagnose
Populationsnormative
Diagnose
Placierende
Diagnose
Kausale
Diagnose
Retrognostische
(retrodiktive)
Diagnose
Erklärungen:
Normbezug
Ipsativnormative
Diagnose
 Maßstab ist das Individuum selbst oder seine Veränderung
 Bsp.: Q-Sort-Technik  STEPHENSON (1953): Vpn erhalten Stapel von
Gruppennormative
Diagnose
 Maßstab sind Mittelwert und Standardabweichung der Gruppe
 Bsp.: TMS («Medizinertest»)  x und s an jedem Jahrgang
festgestellt, dann n% Beste ausgewählt
 «cut-off-Wert»: Mindestwert, der erfüllt sein muss (z. B. bei
Bewerbungen zur Ausbildung zum Piloten: wird der Wert
unterschritten, ist eine Aufnahme unmöglich, selbst, wenn es kaum
Bewerber gibt)
 heißt auch kriteriumsortientierte Diagnose
 v. a. in USA sehr weit verbreitet, z. B. SAT (School Aptitude Test):
Schulleistungs- + Intelligenztest; muss bei jeder Uni-Bewerbung
absolviert werden (bei guten Unis: höherer cut-off-Wert)
 Maßstab ist repräsentative Eich-Stichprobe aus Gesamtbevölkerung
(also nicht nur betimmte Gruppe)
 Mittelwert und Standardabweichung an dieser Stichprobe festgestellt
 fast alle Persönlichkeits- oder Intelligenztests sind solche Verfahren
Populationsnormative
Diagnose
i. d. R. 100
Karten mit Aussagen über Eigenschaften (z. B. «ist ängstlich»); Karten müssen in Kategorien
eingeordnet werden von «sehr charakteristisch für mich» bis «nicht charakteristisch für mich»;
NV kann verlangt werden (z. B. 8 Stapel: 2-4-8-11-16-18-16-11-8-4-2 Karten je Stapel); auf
diese Weise Real- und Idealselbst gemessen und korreliert  nach Therapie sollte Korrelation
gestiegen sein
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Zielbezug
Selektive
Diagnose
Klassifikative
Diagnose
Placierende
Diagnose
 bestimmte Auswahlstrategie (z. B. «geeignet für Studium oder nicht?»)
 Zuordnung zu bestimmten Treatments (hier: jede Maßnahme, die auf
Diagnose folgt, z. B. Einschulung in bestimmten Schultyp)
 typisch in Berufsberatung: Zuordnung zu Berufskategorien
 klinische Psychologie: Zuordnung zu Krankheitsbildern
 lt. Guthke problematischer Begriff, ist nur auf Insistieren seines
Mitautors Sprung in sein Buch gekommen (also besser nicht lernen)
 wie klassifikativ, aber auf mehr als einem Diagnosebereich
 z. B. Lehrerberuf: Diagnostikand hat ausreichenden IQ, aber hat
ungünstige Werte bei Persönlichkeitstests  trotz Bestehens des
Bereichs Intelligenz fällt die Diagnose negativ aus
Erklärungsebenenbezug
Deskriptive
Diagnose
Konditionale
Diagnose
Kausale
Diagnose
 wird eher selten angewandt
 reine Beschreibung eines Zustandes, den man gegenwärtig vorfindet
 Bsp.: «Wie ist im Moment die Intelligenz des Probanden?» (= status
praesent)
 Nachweis des Bedingungsgefüges für den status praesent
 Bsp.: «Welche Lebensbereiche verursachen Depression?»
 kaum in Psychologie anwendbar, eher in Medizin
 eine Ursache  eine Wirkung
 meist allerdings viele Ursachen:
U1
U2
Wirkung
U3
 evtl. im Einzelfall brauchbar, z. B. wenn Patient mit hohem Blutdruck
nur bei Präsentation ganz bestimmter Bilder hohe Blutdrucksteigerung
hat
 Bsp. für fälschliche Anwendung in Psychologie: Patient bekommt
Asthma-Anfälle immer dann, wenn er Bild der Schwiegermutter in
seinem Zimmer sieht; aber: in Bild war bestimmter chemischer Stoff,
der Anfälle auslöste ( psychologische Fehldiagnose –
Schwiegermutter war unschuldig – , aber medizinisch korrekte kausale
Diagnose)
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Zeitbezug
Aktuelle
Diagnose
Prognostische
Diagnose
Retrognostische
(retrodiktive)
Diagnose







Feststellung, die sich auf gegenwärtigen Zustand bezieht
Bsp.: «Wie ist der Zustand des Patienten jetzt nach der Operation?»
Vorhersage
Bsp.: Schullaufbahn- oder Therapiechancendiagnose
Bezug auf Vergangenheit
wichtig in Psychoanalyse
Bsp.: «Welche(s) zurückliegende Ereignis(se) ist (/sind) verantwortlich
für das plötzliche Schulversagen des Kindes?»
Dimensionsbezug
Monodimensionale
Diagnose
Multidimensionale
Diagnose
 nur eine Dimension berücksichtigt
 mehrere Dimensionen berücksichtigt
 Bsp.: Schulversagen, weil schlechtes Elternhaus + hirnorganischer
Defekt + traumatische Erlebnisse mit Mitschülern etc.
wichtig für Prüfung: nicht das Schema auswendig lernen, sondern einzelne Diagnoseformen
an Hand guter Beispiele erklären können!
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d) Praktische Aufgaben der Diagnostik
wirtschaftliche
Rahmenbedingungen
Technische
Rahmenbedingungen
Exploration
Differenzielle 
Sozial- 
Interview
Methoden
Befragung
Fragebogen
Grundlagen
Motivations- 
Psychologische
Kognitions- 
Diagnostik
Sprach- 
Testverfahren
Entwicklungs- 
Verhaltensbeobachtung
A & O
Forensische

Pädagogische

Klinische

Anwendungen
kulturelle
Rahmenbedingungen
Soziale
Rahmenbedingungen
Abb.: Das diagnostische Dreieck (nach HOSSIEP & WOTTAWA, 1993, S. 132)
 muss man für Prüfung nur sehr grob wissen
e) Anwendungsfelder der Psychodiagnostik in der Medizinischen Psychologie
Traditionelle Aufgaben:
1. Psychiatrie
2. Neurologie
 Beginn der Diagnostik (Diagnostiker fast Testknecht des
Psychiaters)
 Psychosen- und Neurosendiagnose
 z. B. bei Demenz: lt. WHO muss hier zusätzlich zum
neurologischen ein psychologischer Befund vorliegen
 allgemein:
wenig
Korrelation
zwischen
neurologischmedizinischem und psychologischem Befund (Menschen mit
schweren Läsionen können fast normal erscheinen, während andere
mit leichten bereits schwer gestört sind)
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3. Kinderpsychiatrie  Diagnose
bei
Lernund
Erziehungsschwierigkeiten;
/ Erziehungsberatg.
Schullaufbahnberatung
4. Psychotherapie
 Indikations-, Verlaufs- und Effizienzdiagnostik einer Therapie
 Indikationsdiagnostik: Ist Patient überhaupt für Therapie geeignet?
Neue Aufgaben:
Diagnose der
1. Persönlichkeitsstruktur und
Umweltbelastung psychosomatisch
erkrankter Menschen
2. psychischen Auswirkungen
körperlicher Erkrankungen und Unfälle
 «psychosomatische Ursachenforschung»
 z. B. psychische Folgen, wenn Patient am
Tropf hängt
 oder: Persönlichkeitsveränderungen durch
dauerhaften Schmerz
3. Arzt-Schwestern-Patient-Beziehung
 Bsp.: Schwester sagt zum Patienten: «Was hat
und des Krankenhausmilieus
denn der Doktor da wieder für einen Mist
gemacht?!»  Vertrauensverhältnis gestört
 Untersuchung
von
Psychologen
in
verschiedenen Stationen eines Krankenhauses:
«Stationsmilieu» hatte großen Einfluss auf
Genesung der Patienten
4. präoperativen psychosozialen
 Suche nach Antwort auf die Frage: «Wie kann
Situationen von postoperativen
man Patienten unmittelbar zuvor am besten
psychischen Folgen
auf die Operation vorbereiten?»
5. Bewältigungsstile (Coping-Forschung)  Wie werden Menschen mit ihren Krankheiten
fertig?
6. gesundheitsrelevanter
 z. B. Einstellung zum Rauchen
Verhaltensweisen
Folie: Definition von Aufgaben der pädagogisch-psychologischen Diagnostik
und Folie: Abb. 12.1: Bestimmungsschema ... (Kanter, 1980, S. 58)
fehlen bisher, sollen im Januar nachgereicht werden...
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21. 10. 1999
f) Arten der Diagnostik nach Amelang und Zielinski, 1993
(ergänzt durch den Verfasser)
Arten der Diagnostik
ABO- und
Pädagogische 
institutionell
individuell
häufig 
 häufig
Selektionsdiagnostik
Personenselektion
Bedingungsselektion
Klinische

Modifikationsdiagnostik
Verhaltensmodifikation
Bedingungsmodifikation
Begriffsklärungen:
Personenselektion  Konkurrenzauslese in der Bewerberauswahl

Bedingungsselektion
Verhaltensmodifikation
Bedingungsmodifikation
z. B. Aufnahmeprüfung an Hochbegabtenschulen
 = Eignungs- oder Placierungsdiagnostik, klassifikative Diagnostik
 Auswahl von Bedingungen, unter denen Personen mit bestimmten
Eigenschaften erfolgreich sind
 z. B. Zuordnung von Tätigkeiten für Rehabilitanten, aber auch Berufsberatung im Arbeitsamt
 Welche spezifischen Verhaltensweisen einer Person (z. B.
Ängstlichkeit) müssen geändert werden?
 Welche externen Bedinungen (z. B. Familie) müssen geändert werden,
um ein bestimmtes Problemverhalten abzustellen?
g) Wichtige Themen der Psychologischen Diagnostik














Fahreignungsdiagnostik (TÜV)
Rehabilitations- und Behindertendiagnostik
Diagnostik in Psychiatrischen Kliniken
Berufswahlunterstützende Diagnostik (Arbeitsamt)
Auswahl von Führungskräften
Auswahl von Mitarbeitern
Auswahl von Azubis
Flugeignungsuntersuchungen (z. B. Lufthansa, Bundeswehr)
Diagnostik im pädagogischen Bereich (z. B. Sonderschulzuweisung)
Hochschulzulassung (z. B. Medizinstudium)
Zuweisung militärischer Funktionen (Wehreignung)
Kriminalpsychologische / Forensische Psychologie (z. B. Glaubwürdigkeitsforschung)
Erziehungsberatung
Therapievorbereitung und –nachbereitung
{WOTTAWA & HOSSIEP, 1997, S. 5}
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2.
13
Einiges zur Geschichte der Psychodiagnostik
a) Vorläufer
 vgl. Vorlesung Einführung in die Psychologie: Sphinx stellt Ödipus das Rätsel, welches
Wesen morgens auf vier, mittags auf zwei, abends auf drei Beinen läuft (Lösung: der Mensch 
als Kleinkind krabbeln, als Erwachsener auf zwei Beinen, als Greis auf zwei Beinen und Krückstock)
 im alten China: Massentests, um geeignete Kandidaten für Mandarin-Ausbildung zu
finden
 sequentielle Tests: zuerst breite Masse in allen Bezirken, dann Beste aus jedem
Bezirk, dann Beste der Besten...
 Initiationsriten als Vorläufer von Tests
 Menschheit schon immer daran interessiert, Geeignete für Führungspositionen
auszuwählen
b) Geschichte der wissenschaftlichen Diagnostik
 «mental tests»
 Wurzel dafür im Labor von WUNDT (abgeleitet aus Experimenten der allgemeinen
Psychologie)
 Francis GALTON: Buch «Anthropometric Laboratory»  mental tests beim Menschen;
Beschreibung von Versuchen (damals mussten wohlgemerkt die Vpn noch Geld bezahlen...)
 Grundlage: Idee des Sensualismus
 «Es kann nichts im Verstand sein, was nicht vorher in den Sinnen war.»
  je besser die Sinne und deren corticale Repräsentationen, desto höher Intelligenz
 aus jener Zeit Begriff «Schwachsinn»
 James MCKEEN CATTELL: Schüler von WUNDT (Wahrnehmungsschwellen) und GALTON
(differenzialpsychologische Fragestellungen)
 testet High-School-Absolventen mit GALTONs mental tests, um Berufs- und
Studienerfolg vorherzusagen
 erleidet fürchterlich Schiffbruch: Nullkorrelationen

WUNDT übrigens in Streit mit MCKEEN CATTELL: lehnt Übertragung seiner Experimente auf derartige
Fragestellungen kategorisch ab
 heute: Renaissance des Konzeptes durch mental speed
 «cognitive tests» [von mir gewählte klassifikatorische Bezeichnung. T. E.]
 bereits im 19. Jahrhundert: psychiatrische Untersuchungen zur PatientenIntelligenzdiagnostik
 Vertreter: ITARD, SEQUIN, RIEGER
 Beispiel: Formbretter mit ausgestanzten geometrischen Figuren (z. B.   ) 
mussten in Löcher eingepasst werden (wird noch heute angewandt)
 BINET, SIMON: führen diese Gedanken weiter  keine mental tests, sondern komplexe
Fragestellungen zur Intelligenzmessung ( Konzept des IQ)
 EBBINGHAUS erhält in Breslau vom Schulamt den Auftrag herauszufinden, ob
Nachmittagsunterricht schlechter wirkt als Vormittagsunterricht
 verwendet Lückentext; Lücken mussten semantisch sinnvoll ergänzt werden
 KRAEPELIN, OEHRN: «Arbeitsversuch»  Untersuchung der Arbeitsfähigkeit von
Patienten; auch: Wirkung von Tee und Kaffee auf Leistungsfähigkeit
 Blatt mit Zahlen präsentiert, mussten in zwanzig Blöcken zu je drei Minuten eine
Stunde lang addiert werden
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individuelle Kurvenverläufe sollen
Rückschlüsse auf
Charakter erlauben
4
3
5
1
6
2
3
...
1 2 3 ... 20
 weitere Ansätze
 C. G. JUNG + Max WERTHEIMER  Assoziationsexperimente
 Wort wird vorgegeben, dazu so schnell wie möglich Assoziation finden
 erhoben: Latenz der Reaktion und Ungewöhnlichkeit der Assoziation (z. B. «Vater»
präsentiert  «Zensuren» genannt: ungewöhnlich  weitere Analyse)
 WERTHEIMER: auch Anwendung in forensischer Psychologie (Glaubwürdigkeit von
Zeugen)
 RORSCHACH (1921): Wahrnehmungsdiagnostische Experimente mit Tintenklecksen
(angeregt übrigens von Leonardo DA VINCI)
 Ziel: Feststellung schizophrener Neigungen, später auch Gesamtpersönlichkeitstests
(nach Meinung von RORSCHACH): Intelligenz, Angstneigung, Extra- und Introversion
etc.
 in Europa kaum noch angewandt, in USA aber recht häufig
c) Militärische Untersuchungen
 1917 anlässlich des Eintritts der USA in den Ersten Weltkrieg: army-alpha-test, armybeta-test (vgl. Entwicklungspsychologie)
 daraus fast alle modernen Intelligenztests hervorgegangen
 WOODWORTH (1917): sollte für Elitekorps der army psychisch Stabilste durch Tests
auswählen
 verwendet heute noch gängige Methode:
 verschiedene Items an Patienten und Normalpersonen erhoben
 Unterschiede in Patienten und Normalpersonen erhoben  wenn diese besonders groß:
Items in Fragebogen aufgenommen
 Walter MOEDE (1917): «Kraftfahrzeugprüfungsstand» für die deutsche Wehrmacht 
Geräte, an denen motorische Reaktionen getestet wurden
d) Standardisierte vs. qualitative Verfahren: eine klassische Kontroverse
 Fallbeispiel aus der jüngeren Geschichte:
 1981 Attentat auf Präsident Ronald REAGAN
 Attentäter HICKLEY: vier Tage zuvor beim Psychotherapeuten
 Frage vor Gericht: Einlieferung in Psychiatrie oder elektrischer Stuhl?
qualitativ arbeitende (analytische)
standardisiert arbeitende
Psychiater
Psychiater
 zumeist ältere
 zumeist jüngere
 diagnostizierten
auf
Grund
von  wandten DSM an
Lebensgeschichte etc.
 Schizophrenie
 Urteil des Gerichts
 keine Schizophrenie
 Urteil der allgemeinen Öffentlichkeit
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 nach Gerichtsurteil große Diskussionen; Forschungsgelder für psychodynamisch
orientierte Psychologen eingefroren
 in USA damals doppelt soviele Schizophreniefälle diagnostiziert wie in Europa (wegen
qualitativer Diagnostik)
 heute: fast nur noch nosologische Diagnostik (DSM IV, ICD 10)
 anderer Beleg gegen qualitative Diagnostik: ROSENHAN-Experiment
 aber (Guthke): der Mensch muss auch als Individuum betrachtet werden  auch
qualitative Ansätze einbeziehen
 bereits historische Kontroverse: nomothetisches vs. idiographisches Vorgehen
 William STERN: man braucht beides; was mehr nötig ist, hängt von Fragestellung ab
 Geschichte der Anti-Test-Bewegung:
 20-er Jahre: «irrationalistische Philosophie» («der Mensch muss über das Gefühl
verstanden werden»)  Verstandesfeindlichkeit
 die meisten ultra-linken und ultra-rechten Gruppierungen lehnen Tests ab
 Kritische Psychologie (HOLZKAMP): streicht zunächst alles Experimentelle
(HOLZKAMP revidiert dies allerdings später)
 Nazis: gegen Tests («analytisch jüdisch rationalistisches Denken») 
Beobachtungsseminare eingeführt (Vorläufer der Assessment-Centers)
 SU: bis 1936 viele Tests  1936: Pädologiebeschluss  gar keine Tests mehr erlaubt
 anderes Extrem: EYSENCK  «Wege und Abwege der Psychologie»: alles
Nichtexperimentelle ist unwissenschaftlich (aber: genauso überzogene Einstellung)
 heute: Synthese
 z. B. Schuleignung quantitativ, klinische Diagnose oft qualitativ (Exploration)
 auch in Eignungsdiagnose heute auch vereinzelt qualitative Ansätze
 klassische Methodik der Eignungsdiagnose: «Psychotechnik» (streng quantitativ, 20er und 30-er Jahre) (Begriff taucht schon bei Stern auf, aber anders definiert)
 Psychotechnik in Wehrmachtsdiagnostik nicht ausreichend  «Stress-Interview»
(heute noch gebräuchlich): Bewerber unter großen Stress gesetzt
 1942 Wehrmachtsdiagnostik aufgelöst (Neffe von Göring war als untauglich für Offizierslaufbahn
befunden worden)
 dominant in 20-er und 30-er Jahren: Ausdruckspsychologie, auch Graphologie
 nach 2. Weltkrieg beides verbannt aus Ausbildung  Dominanz der amerikanischen
Psychologie
 heute: Renaissance, z. B. nonverbale Kommunikation
{GBS1, S. 23ff., Jäger & Petermann, S. 1 bis 21}
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
16
10. November 1999
Vertretung wegen Erkrankung Guthkes durch Philipp Yorck Herzberg
Thematischer Einschub:
Psychodiagnostische Gesprächsführung
Einteilung:
Gespräch
psychodiagnostisches
Gespräch
Anamnese
Exploration
Eigen-,
Fremdanamnese
etc.
Beratungsgespräch
Interview
Stressinterview,
Gruppeninterview,
kognitives
Interview
etc.
 diagnostisches Gespräch essentiell für die Arbeit eines Psychologen
 diagnostisches Gespräch  therapeutisches Gespräch; vielmehr: Gespräch vor der
eigentlichen Intervention
A) Anamnese
 geschichtlich gesehen alter Begriff: PLATON  «Wiedererinnern der Seele»
 medizinisch: Datensammlung, die zur Diagnose führt
 beinhaltet:
 Prozess der Datenerhebung
 Daten selbst
 Krankheitsgeschichte im Ganzen
 Eigenanamnese = subjektive Anamnese; Fremdanamnese = objektive Anamnese
 in Literatur oft sehr unterschiedliche Definitionen
Definition nach SCHMIDT und KEßLER (1976):
Sammlung, Systematisierung und diagnostische Verarbeitung
 zum biographischen Hintergrund
 zu gegenwärtigen und früheren körperlichen Zuständen sowie Verhaltensweisen und
Erlebnissen eines Individuums in seinem sozialen Umfeld
 zu den verursachenden, auslösenden, aufrechterhaltenden und beitragenden Bedingungen
 zu prognostischen Entscheidungen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
17
B) Exploration
Definition nach UNDEUTSCH (1983)
 = die mit psychologischer Sachkunde vorgenommene, nicht-standardisierte mündliche
Befragung eines einzelnen Menschen durch einen einzelnen Gesprächsführer mit dem
Ziel, Aufschluss zu erhalten über das Individuum und seine Welt.
 unterteilt man die Anamnese in Datenerhebung, Systematisierung und Weiterverarbeitung
bzw. Interpretation, so ist die Exploration der Prozess der Datenerhebung
C) Interview
Definition nach KEßLER (1995)
 = eine zielgerichtete mündliche Kommunikation zwischen einem oder mehreren
Befragten, wobei eine Informationssammlung über das Verhalten und Erleben der zu
befragenden PersonEn im Vordergrund steht.
Einteilung nach Standardisierung:
Reaktionen (Antworten)
Reize
(Fragen)
standardisiert
unstandardisiert
standardisiert
standardisiertes
Gespräch
halbstandardisiertes
Gespräch
unstandardisiert
halbstandardisiertes
Gespräch
unstandardisiertes
Gespräch
a) standardisiertes Gespräch




Fragen vorgegeben
Antworten vorgegeben (meist ja/nein-Kategorien)
Vorteil: Fehlerkontrolle
Nachteil: subjektiver Lebensraum des Probanden vernachlässigt  für Einzelfallanalyse
ungeeignet
 oft Persönlichkeitsfragebögen bevorzugt vor standardisierten Gesprächen, aber jene nicht
immer möglich (z. B. bei Kindern oder geistig Behinderten)  Gespräch nötig
 Bsp. für standardisietes Interview: MDCL = Münchner Diagnostische Checkliste (HILLER
et al. 1990)
b) unstandardisiertes Gespräch
 Inhalt und Reihenfolge der Fragen und Antworten offen
 Vorteil: individuell auf Patienten eingehen
 Nachteile:
 keine Vergleichbarkeit zweier Gespräche
 eventuell Vergessen wichtiger Fragen
 entscheidend: Schulung des Interviewers
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
18
c) halbstandardisiertes Gespräch
 Mischung aus a) und b)
Anwendung der Verfahren:
 die unterschiedlich standardisierten Verfahren schließen sich nicht aus, sondern ergänzen
sich:
 i. d. R. soll Patient erst frei erzählen, sich später halb- bis vollständig standardisierten
Gesprächen unterziehen
 stets Antworten des Patienten hinterfragen: «ja» und «nein» können je nach Verfassung
des Patienten mehr oder weniger strikt zu verstehen sein bzw. auch völlig unzutreffend
Anwendung von Leitfäden:
 Vorteile:
 für Psychologen aller Schulen anwendbar, da ausschließlich deskriptiv
 valide und reliabel
 Nachteile:
 erfahrene Psychologen sehen dies als Einschränkung («haben wir doch nicht nötig!»)
 Interviewleitfäden haben lange Geschichte: z. B. im Mittelalter Leitfäden zur Befragung
von Hexen
Ziele und Funktionen der Exploration
Primärziel:
 Diagnostische Funktion
a) Orientierungsfunktion für Diagnostik
b) Exploration als Mittel der Persönlichkeitsuntersuchung
 Ziel von psychologischer Schule bestimmt (z. B. in Psychoanalyse bereits Beginn
des therapeutischen Prozesses, in Verhaltenstherapie dagegen anfangs total
abgelehnt, später aber wichtige Beiträge)
Sekundärziele:
 motivierende Funktion
 Möglichkeit der Kontaktherstellung, Schaffung einer angstfreien Atmosphäre
 therapeutische Funktion
 = kathartische Funktion (?): Patient wird zur Selbstreflexion angeregt, muss Erfahrung
machen, dass er ernstgenommen wird
 nicht gleich Ratschläge: erst Zuhören
Anwendung der Exploration
 in allen psychologischen Teilbereichen
 z. B. Klinische Psychologie, Fahreignungsprüfung, Zeugenbeurteilung, Beratung, ...
 Rahmenbedingungen:
 ungestört (kein klingelndes Telefon, keine unerwarteten Besucher)
 45°-Winkel
 1 bis 2 m Abstand
 maximal 60 bis 90 Minuten Dauer
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
19
 Inhalt:
 umstritten, je nach Schule
 Mindestbestandteile:
 Personalien
 Anlass des Kommens (z. B. ob freiwillig oder geschickt)
 Art und Ausmaß der Beschwerden
 Häufigkeit und Form des Auftretens
 Entwicklung und Verlauf
 Beeinträchtigung
 bisherige Maßnahmen und Bewältigungsversuche
 weitere gegenwärtige Beschwerden, Gesundheitszustand
 Noxen: Rauchen, Alkohol, Drogen, Medikamente
 soziale Anamnese
 Familienstruktur
 Wohnverhältnisse
 Arbeitsplatz
 wirtschaftliche Verhältnisse
 allgemeine Entwicklung
 Geburt
 Kindheit und Jugend
 Ausbildung
 Selbstbild
 Werte und Normen
 Konfliktverhalten
 Selbstkontrolle und Problemlösefähigkeit
 Interesse und Fähigkeiten
 kritische Lebensereignisse
 Ressourcen (z. B. andere stützende Personen)
 Therapieerwartungen / Fragen an Therapeuten
Eröffnung, Verlauf und Auswertung der Exploration
Eröffnung:
 Begrüßung des Patienten und Vorstellung mit Beruf und Namen
 Zweck und Erwartung der Exploration schildern, damit Patient nicht enttäuscht ist, dass
«nur ein Gespräch» geführt wird
Verlauf:
 günstig: Mitschriften oder Tonband (aber: Patient muss einverstanden sein)
 «Eisbrecherfragen», z. B. «Wie war die Herfahrt»  Patient in ein Gespräch bringen
 Ende der Exploration: nicht abrupt abbrechen, sondern mindestens 10 Minuten zuvor auf
das nahende Ende verweisen (teilweise beginnt der Patient erst dann mit seinem
eigentlichen Thema)
 zum Schluss Zusammenfassung geben und Stellung beziehen, über weiteres Vorgehen
informieren
 Terminangebot machen
Auwertung: (4 Möglichkeiten)
a) Sofortprotokoll
b) Gedächtnisprotokoll
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
20
c) Protokollierung durch Dritte (z. B. hinter Einwegscheibe), ist aber unüblich in klinischer
Psychologie (eher: Verhör)
d) Tonband und Video
 sinnvoll: nach Gespräch 3 bis 4 Minuten nachdenken und Wichtiges notieren
Arten von Fragen in Exploration und ihre Verwendung
 Funktionale Fragen
 steuern größere Einheiten des Gesprächs
a) Kontakt- oder Einleitungsfragen (= «Eisbrecherfragen»)
b) Übergangsfragen
 führen von einem Thema zum nächsten
 wichtig bei Vielrednern
c) Kontrollfragen
 Unklarheiten ansprechen, vermeintliche Widersprüche klären
 tatsächliche Widersprüche sichtbar machen
 aber: stets feinfühlig (nich Macht gegenüber Patienten ausspielen)
 Formale Fragen
 einzelne Bereiche des Gesprächs
 legen fest, wie der Befragte antworten soll
 Möglichkeit der Einteilung:
a) offene Fragen
 Antwortkategorie nicht vorgegeben
 günstig am Anfang des Gesprächs oder bei Einführung eines neuen Themas
b) geschlossene Fragen
 Antwortkategorie festgelegt («ja» / «nein»)
 typischer Verlauf des Gesprächs:
offene
Primärfrage
Antwort
Antwort ausreichend?
nein
offene
Nachfrage
ja
Antwort ausreichend?
nein
ja
Zusammenfassung
geschlossene
Nachfrage
Themenwechsel
 Unterscheidung zwischen Informationsfragen und Selektionsfragen (aus zwei oder
mehreren Antworten auswählen, z. B. «Fällt es Ihnen leichter, mit Männern oder mit
Frauen zu sprechen?»)
 weitere Unterteilung:
a) direkte Fragen
 benennen unmittelbar Gegenstand, auf den sie zielen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
21
b) indirekte Fragen
 zielen verdeckt auf Gegenstand hin
 Bsp.: Statt «Was sind Ihre Hobbies?»  «Was haben Sie am Wochenende denn so
gemacht?»
 nur bei Sachverhalten, über die Patient nicht offen spricht, dass heißt, wenn
Antworthemmung zu erwarten ist
 Nachteil: Generalisierung erschwert
c) Sugestivfragen
 «Meinen Sie nicht auch, dass...?»
 verletzen Neutralität  nur, wenn Patient sehr starke Abwehr bei bestimmtem
Thema zeigt
Einige Tips für die Exploration:
 Explortion  Frage-Antwort-Spiel, sonst fühlt sich Patient wie beim Verhör
 gleiche Sprachebene wie Patient
 kurze, knappe Sätze; keine doppelte Verneinung
 an Erfahrungen des Patienten anknüpfen
 nicht nach «vernünftigen Gründen» fragen  viele «Warum?»-Fragen bringen Patienten
in Rechtfertigungsdruck
Einzeltechniken der Gesprächsführung
«Wer fragt, der führt.»
 verbale Bekräftigung (Echo), keine Bewertung
 Paraphrasieren (umformulierendes Wiederholen der Hauptaussagegehalte des Patienten)
 Verbalisieren: in Botschaft mitschwingendes Gefühl zum Ausdruck bringen
 nonverbale Sprache, z. B. sich Patienten zuwenden
Aktives Zuhören erfodert
richtige Einstellung
richtiges Verhalten
«Du bist im Augenblick der
wichtigste Gesprächspartner für
mich.»
volle
Aufmerksamkeit
keine
Ergänzungen
intrapersonelles
Verhalten
vorsichtige
Interpretation
typische Fehler:
 Dirigieren, Debattieren, Dogmatisieren etc.
paraphrasieren
interpersonelles
Verhalten
verbalisieren
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias




22
Proband wird zu oft unterbrochen
Thema vorzeitig abgebrochen
zu frühe Hypothesenprüfung (d. h. nur noch Fragen stellen, die Hypothese stützen)
eigene Unsicherheit ausstrahlen
Schwierige Situationen:
 langes Schweigen des Patienten
 Weinen des Patienten
 Reaktionen auf private Fragen des Patienten
Gütekriterien der Exploration:
 Reliabilität der Auskünfte: globale zuverlässiger als Einzelaussagen
 Auskünfte über Gegenwart zuverlässiger als über Vergangenheit
 qualitative Angaben zuverlässiger als quantitative
 Validität: hängt von Schulung des Interviewers ab
 bei verschiedenen Vergleichsstudien teilweise gering, liegt aber daran, dass zwischen
verschiedenen Interviewarten nicht genügend differenziert wird
EYSENCK
 Exploration vollkommen unzuverlässig
ALLPORT u. a.
 Exploration via regia der Psychologie
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
3.
Die Verflechtung der PD mit den
Anwendungsdisziplinen der Psychologie
23
anderen
Grundlagen-
und
[ist durch Erkrankung Guthkes verlorengegangen, wird aber unter III.2 nachgeholt]
6. und 13. Januar 2000
4.
Datenquellen, Datenarten und Datengewinnungsmethoden
 Kritik an Methoden der «natürlichen Menschenkenntnis»
 Was wir zur Verfügung haben: Verhalten des Menschen  daraus, und nur daraus, kann
auf Psychisches geschlossen werden
 dabei viele Fehlerquellen:
 Verhalten uneindeutig mit Psychischem verbunden (z. B. Fleiß eines Schülers kann
unterschiedliche Ursachen haben, etwa Interesse am Fach oder für den Lehrer, aber
auch aus Leistungsdruck)
 ebenso umgekehrt: ganz unterschiedliches Verhalten kann gleiche Ursache haben (z.
B. ein Schüler reagiert aggressiv, ein anderer ängstlich  beide sind intellektuell
überfordert [nach EYSENCK sind dies die beiden Typen für Entstehung von Neurosen,
also Extra- vs. Introversion])
Faustregel in Diagnostik:
Ein Test ist kein Test!
 Versuche nie, auf Grund nur eines Verhaltensausschnittes Aussagen zu treffen.
 multimethodale, multimodale Diagnostik (z. B. auch physiologische Messungen)
Datentaxonomie in der Psychodiagnostik
Datenquellen:
a) Die zu untersuchende Person oder Gruppe (Diagnostikand)
b) Auskunfts- und Gewährspersonen (Eltern, Mitschüler etc.)
c) Dokumente (Schulhefte, Hobby-Produkte, Tagebücher)
d) Schriftliche Beurteilungen bzw. Berichte
{vgl. GBS S. 36-49, JÄGER/PETERMANN, S. 345-350}
Alternative Einteilung:
a) Erlebensdaten (Selbstbericht)
b) Verhaltensdaten (Beobachtung)
c) physiologische Daten
d) Fähigkeitsdaten
{SEIDENSTÜCKER et al.}
Datenarten:
(a bis c nach CATTELL)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
24
a) Life-Daten (L)
 biografische Merkmale, die frei berichtet werden, vom Diagnostikanden selbst oder
von Auskunftspersonen
 kann über Fragebögen geschehen («biografische Fragebögen»)
 Bsp.: Frage an Pilotenanwärter, ob sie früher Flugzeuge gebastelt hätten (hat sich als
sehr zuverlässig erwiesen)
 «Ich bin impulsiv.»  L
b) Questionaire-Daten (Q)
 Ergebnisse von schriftlichen Befragungen, z. B. über Interessen, Verhaltensweisen,
Einstellungen (Persönlichkeits- und Interessentests etc.)
 hohe Werte in Impulsivitätsfragebogen  Q
c) Objektive Testdaten (T)
 Ergebnisse von Leistungs- und Intelligenztests, objektiven Persönlichkeitstests etc.
 viele Fehler in Konzentrationstest, Folgerung: Impulsivität  T
d) Nicht-reaktive Daten (NR)
 Ergänzung CATTELLs von WEBB und CAMPBELL
 Dokumente (s. o., Punkt c)
 entscheidendes Kriterium: müssen bereits vor der Diagnostik vorgelegen haben
 viele Flüchtigkeitsfehler in Klassenarbeit, Folgerung: Impulsivität  NR
Datengewinnungsmethoden:
a) unter allgemein methodischem Aspekt
 Fremdbeobachtung / Selbstbeobachtung / Experiment (Test)
 Erhoben werden Urteile und Leistungen (aber nicht bei Deutungstests wie
RORSCHACH: hier weder Urteile noch Leistungen)
b) unter dem Aspekt des praktisch-diagnostischen Prozesses
 Erhebung der Vorgeschichte (Anamnese), v. a. L-Daten
 Diagnostisches Gespräch (Exploration)
 Untersuchung (Tests, Verhaltensbeobachtungen etc.)
5.
Exploration, Verhaltensbeobachtung und Ausdrucksanalyse
[Exploration: hat nach Guthkes Auffassung Herzberg vollständig abgedeckt (s. o.)]
Verhaltensbeobachtung
Definition:
Verhaltensbeobachtung ist die auf das Verhalten einer oder mehrerer Menschen gerichtete,
methodisch kontrollierte Wahrnehmung mit der Absicht, dadurch etwas über die
Persönlichkeit der beobachteten Person bzw. über die sozialen Beziehungen innerhalb einer
Personengruppe Charakteristisches zu erfahren.
Formen:
a) Selbst- vs. Fremdbeobachtung
 Probleme bei Selbstbeobachtung:
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias




25
 Beurteilungssubjekt = -objekt
 mit Beobachtung verändert man auch sein Verhalten (z. B. Tausendfüßler, der
versucht zu beobachten, wie er mit seinen tausend Beinen laufen kann  kann
danach gar nicht mehr laufen)
WUNDT: Selbstbeobachtung = via regia
bestimmte Dinge kann man nur über Selbstbeobachtung herausfinden
«subjektive Wahrheit»  so, wie Pt. sich sieht, ist seine Wahrheit
Probleme bei Fremdbeobachtung:
 Beobachtungsfehler (vgl. FAßNACHT, G.: Systematische Verhaltensbeobachtung,
Ernst Reinhardt-Verlag München, 1995):
 Fehler, die auf das Objekt zurückzuführen sind (z. B. Vp-Effekt: Vpn. ändern
durch Beobachtung ihr Verhalten)
 Fehler, die vom Untersucher stammen
 Stichprobenfehler
b) Gelegenheits- vs. systematische Beobachtung
 Bsp. Gelgenheitsbeobachtung: Psychologe in Klinik sieht, dass Patient nach Therapie
keinerlei Kontakte zu Mitptn. zeigt
c) Dauer- vs. Kurzzeitbeobachtung
 Kurzzeitbeobachtungen können effektiver sein: lieber sechs mal zehn Minuten in
verschiedenen Situationen beobachten als einmal eine Stunde in einer Sit.
d) Teilnehmende vs. nicht teilnehmende Beobachtung
 teilnehmend: in natürlichem Lebensumfeld, z. B. Psychologe wohnt in beobachteter
Familie mit
 in USA schon in 20-er Jahren: Psychologen in Street-Gangs eingeschleußt
 H. LEGEWIE in Berlin: zieht in Forschungsfreisemester in sozial niedriges Viertel 
veröffentlicht darüber Buch
e)



Begleitendes vs. selbständiges Verfahren
in Protokollen unbedingt Verhalten des Pt. beim Test festhalten!
z. B.: Übereinstimmung verbal – nonverbal?
oder: Körpersprache in Ehe-Diagnostik
Beispiele für direkte Beobachtungsverfahren:
a)
b)
c)
d)
Sozialverhalten: Erfassung verbaler Interaktion in einer Gruppe nach BALES (s. u.)
Lehrerverhalten: System nach FLANDERS
Psychomotorisches Verhalten nach BARKEY: für hyperaktive Kinder
Aufmerksamkeitsverhalten (HELMKE & RENKE)1: Kategoriensystem zur Beobachtung des
Aufmerksamkeitsverhaltens von Kindern im Unterricht
e) Psychische Auffälligkeiten: Direct Observation-Form der Child Behavior Checklist
(BLIESNER & LÖSEL)  wird Kategorien werden Beobachtern, Lehrern, Eltern und
Kindern selbst vorgelegt, danach auf Übereinstimmungen und Unterschiede untersucht
 Untersuchung zur Übereinstimmung der Einschätzungen von Kindern und Eltern von
KLIEME (1998): viele Gemeinsamkeiten, aber Unterschiede im Punkt «Psychische
Probleme»  werden von Kindern mehr eingeschätzt
1
HELMKE & RENKE: Münchner Aufmerksamkeitsinventar, Diagnostica 2, 1992, S. 120 – 142
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
26
Beispiele für Rating- bzw. Schätzskalen:
(werden nicht «on-line», sondern am Schreibtisch ausgefüllt)
a) Kategoriensystem zum gesamten Schülerverhalten im Unterricht (KREPPER & WINTHER)
b) Kinderbeobachtungsbogen nach ETTRICH
c) Encephalopathie-Fragebogen nach MEYER-PROBST: Ziel  Kinder mit minimalen
Hirnschädigungen zu identifizieren; Rostocker Klinik unter MEYER-PROBST war der Meinung, 10% aller
Kinder wären betroffen.
 Teilskalen des EF z. B.:
 Soziale Anpassung (11 Items): Unfug anstellen, Reizbarkeit, Trotz
 Emotionale Labilität (4 Items): Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit,
Hypersensibilität
 Intelligenz (7 Items): ...
 Literatur zu Psychopathie-Fragebögen:
 PLIESENER & LÖSEL (Diagnostica 1993)
 generell zu Beobachtungsverfahren: MANNIS et al. (1987): Beobachtungsverfahren in
der Leistungsdiagnostik.
Verhaltensbeobachtung und Verhaltenstherapie:
 besondere Bedeutung der Verhaltensbeobachtung: in Verhaltenstherapie 
Verhaltensdiagnostik ist Grundlage derselben
 vgl. SCHULTE: Diagnostik in Verhaltenstherapie
 Verhaltenstherapeuten kritisieren herkömmliche Diagnostik
 SORK-Schema:
 Situation (z. B.: Wann tritt Erbrechen des Kindes auf?  immer vor der Schule)
 Organismus (z. B. Disposition in der Familie)
 Reaktion (wie stark, wie schwach etc.)
 Konsequenzen (z. B.: Wie reagiert die Umgebung?)
Die BALES-Analyse:
 z. B. bei Kindern: Kindergruppe bekommt Aufgabe, z. B. gemeinsam einen Turm zu
bauen
 wird (heutzutage) per Video aufgezeichnet  jedes Kind kann einzeln beobachtet werden
 Kategorien:
A: Sozialemotionaler Bereich: positive Reaktionen
B: Aufgabenbereich: Versuche der Beantwortung bzw. Lösung
C: Aufgabenbereich: Fragen stellen
D: Sozialemotionaler Bereich: negative Reaktionen
 ähnliches Verfahren: «Familienrorschach» nach WILLI
 Familie muss gemeinsam Rorschach-Bilder deuten, Verhalten der einzelnen
Mitglieder wird beobachtet
Verhaltensbeobachtung: Heute große Bedeutung in Assessment Centers.
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27
Ausdrucksanalyse
einige Literaturempfehlungen:
 LERSCH, P.: Gesicht und Seele. München, 1966
 KIEZ, G.: Der Ausdrucksgehalt des menschlichen Ganges. Leipzig, 1956
 ARNOLD, W.: Ausdrucksdiagnostische Verfahrensweisen. In: ARNOLD, W.:
Diagnostisches Praktikum. Stuttgart, 1972.
 KIRCHHOFF, R. (Hrsg.): Ausdruckspsychologie. Handbuch der Psychologie. Band 5.
Göttingen, 1972.
 EKMAN, P.: Gesichtsausdruck und Gefühl. Paderborn, 1988.
 FAST, J.: Körpersprache. Hamburg, 1972.
 DARWIN, C.: Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen beim Menschen und bei den
Thieren. Stuttgart, 1872.
 BÄNNINGER-HUBER, E. & SALISCH, M.: Die Untersuchung des mimischen
Affektausdrucks in face to face Interaktion. Psychologische Rundschau, 2, 1994, 79 – 99
 RUDERT, J.: Vom Ausdruck der Sprechstimme. In: Handbuch der Psychologie. 5. 1965
und 1972, 422 – 464.
 MOLCHO, S.: etliche Titel...
Bedeutung des Ausdrucks:
 erster Eindruck von Menschen: Deutung seines Ausdrucks (Alltagsphänomen)
 natürliche Menschenkenntnis basiert vor allem auf Analyse der nonverbalen
Kommunikation
 Formen des Ausdrucks:
 Mimik
 Gestik (insbesondere Hände)
 Pantomimik (Ausdruck des gesamten Körpers)
 Phonognomik (Stimme, Sprache)
 Physiognomik (habituelle Gesichtszüge)
 Graphologie
Ausdrucksmerkmale
situativer / aktueller Zustand
(nonverbale Kommunikation)
habituelle Merkmale
(Deutung hier problematisch)
 am unkompliziertesten: Deutung des Ausdrucks von Kleinkindern
Wie kommt es dazu, dass wir Ausdruck überhaupt verstehen können?
 nicht geklärt
 «Nachahmungstheorie»  man nimmt Ausdruck des Anderen an und fühlt dasselbe (vgl.
auch Facial-Feedback-Theory)
 vielleicht gibt es «begabte Ausdrucksdiagnostiker»
 «Augendiagnostik»  Diagnose von Krankheiten durch Blick in die Augen des Patienten;
bei geübten Ärtzten möglich
 umstrittene Theorie: braunäugige Menschen mehr extra-, blauäugige mehr introvertiert
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
 LOMBROSO: «Verbrecherzeichen» in Physiognomie des Menschen
zusammenstehende
Augenbrauen,
angewachsene
Ohrläppchen)

Ausdruckspsychologie in Verruf
28
(z. B.
brachte
Geschichte der Ausdruckspsychologie:
 Antike: Menschen haben den Charakter der Tiere, denen sie ähnlich sehen («Löwenkopf»,
«Adlerkopf»)  Anmutungsqualitäten; lassen sich auch bei heutigen Studenten
nachweisen
 Experiment: Man legt Studenten 3 Köpfe vor: Adler, Kopf des röm. Diktators GALBA,
Kopf eines «Verbrechers» von LOMBROSO  ähnliches Polaritätsprofil bei
Einschätzung
 18. Jahrhundert: Blüte der Ausdruckspsychologie (z. B. LAVATER)
 LAVATER: «Physiognomische Übungen»
 GALL: Phrenologie
 20-er und 30-er Jahre des 20. Jahrhunderts: Blüte in Deutschland
 Philipp LERSCH, J. RUDERT  Einfluss auf Wehrmachtspsychologie, wenig Tests, viel
Beobachtung  heute: Assessment Centers
 60-er Jahre: weg vom Ausdruck hin zum Test
 70-er / 80-er Jahre: wieder verstärktes Interesse (Paul EKMAN)  naturwissenschaftliche
Herangehensweise
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
29
20. Januar 2000
zu Paul EKMAN:
 untersuchte Formen des Blickes:
a) ruhiger und bestimmter Blick  Konzentration, Bedürfnis nach Kontakt und Nähe
b) ruhiger, unbestimmter Blick in die Leere  Ziellosigkeit, Müdigkeit,
Unentschlossenheit
c) lebhafter Blick  Betriebsamkeit, Lebendigkeit, Aktivität, Handlungsorientierung
d) unruhiger Blick  Unkonzentriertheit (als Krankheitsbild eretisch)
e) «verhangenes Auge»  Desinteresse, aber auch Herablassung (als Krankheitsbild
torpide)
Ausdruck – angeboren oder erlernt?
 Wut und Unterwürfigkeit bei Affen genauso wie bei Menschen gezeigt
 viele Abläufe interkulturell, aber vieles anderes auch erlernt
 Mentalitätsunterschiede auch zwischen Völkern  kulturelle Überformung des
Ausdrucks
Kritik der Ausdruckspsychologie
a) Es gibt unterschiedliche «Darstellungsqualitäten» bei Menschen  nicht jeder kann
Ausdruck gleich gut zeigen oder verstellen bzw. vorspielen
 Menschen mit hoher Selbstaufmerksamkeit (SNYDER) können sich gut im Ausdruck
darstellen
b) Möglichkeit der direkten Täuschung: Es gibt Methoden, Ausdruck vorzutäuschen (oft
negative Emotionen kaschiert)
 ist nicht immer erkennbar (manchmal aber gut)
 unechtes Lachen: Asymmetrie des Gesichts etc.
 Anleitungen zu «impressment»
c) Ausdruck ist sehr individuell  generelle Aussagen in Büchern oft unbrauchbar
d) Ausdruck ist immer kontext- bzw. situationsabhängig
e) Ausdruck dient nicht nur dazu, intraorganismische Zustände zu zeigen, sondern auch zur
Steuerung des Anderen
 HOLODYNSKI: Untersuchung bei Kindern  «Interiorisierung» des Ausdrucks (wird
nach Innen verlagert), d. h., je älter die Kinder, desto mehr dient Ausdruck der
Steuerung Anderer
f) «double bind»-Phänomen (Begriff aus Psychiatrie): Kind wird für gleiche Aktionen
unterschiedlich behandelt
 Bsp.: Man sagt mit lächelndem Gesicht jemandem eine Gemeinheit.
 kann auch im Ausdruck selbst auftreten, z. B. unechtes Lächeln
Exkurs: Graphologie
 in der Schrift: «gefrorener Ausdruck»
 Literatur:
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
30
 PLOOG, H. (1998): Handschriften deuten. (populärwissenschaftlich)
 SEIPT, A. (1994): Schriftpsychologie
 GOETHE (1820): verteidigt Ansicht, Handschrift gebe Auskunft über Charakter
 Schriftpsychologie  Graphologie  Graphometrie
Schriftpsychologie:
 Schrift eines Menschen soll Schreiber zugeordnet werden (Gericht, z. B.
Testamentsanforderungen)
 Veränderungen der Schrift durch Alkohol etc. (HAASE-Test: Dosierung von Neuroleptika)
 in Verkehrspsychologie: Schrift unter Alkohol verglichen mit «Normalschrift»
Graphometrie:
 will exakt messen, z. B. computergestützte Auswertung der Schrift
 Anwendung der Testtheorie auf die Graphologie
Graphologie:
 Aussagen über Charakter und Intelligenz eines Menschen
 nicht experimentell, ganzheitlich, ohne Messung
 nicht bewiesen, aber auch nicht beweisbar
Entwicklung:
 Begriff geprägt von MICHON in Frankreich
 in Deutschland Ludwig KLAGES (1872 – 1956) Begründer
 1916: Handschrift und Charakter  alle Einzelmerkmale sind doppeldeutig  erst
Schrift in Gesamtheit betrachten
 in Frankreich und Schweiz sehr populär, aber auch dort in Schulpsychologie verrufen
 in Schweiz v. a. C. G JUNG; Lehrbuch von PULVER
 in Deutschland:
 POPHAL: Hirnphysiologe, wollte physiologische Grundlagen der Schrift herausfinden
(heute veraltet)
 R. HEIß (1903 – 74): Schrift ist Bewegung in Raum und Zeit  Analysieren von
Geschwindigkeit, Raumausnutzung, Formgestaltung (bewegungsbetont: Unbewusstes,
Spontaneität), Schrift muss über Lebenslauf hinweg verglichen werden
 weitere Graphologen: S. RUDERT in Leipzig, SCHMIDT-LOSSOW, PFANNE
 schließlich von allen Instituten verbannt als unwissenschaftlich (in USA gab es nie
Graphologie)
Allgemeines:
 Schrift trägt erst individuelle Züge nach Pubertät; aber vielleicht auch
Gehirnschädigungen bei Kindern diagnostizierbar
 Schrift als Intelligenzindikator?
 Graphologe SCHNEEVOIGT (1968): nur bei sehr heterogenen Stichproben (z. B.
Hilfsschüler vs. Studenten) signifikante Unterschiede, aber nicht innerhalb von einer
dieser Stichproben
 vielleicht Indikator: Wegfall von Schlussstrichen, Originalität (umstritten)
Kritik an Graphologie:
a) Deutungskunst, keine empirische Beweisführung
b) keine Gütekriterien (im Gegensatz zu Graphometrie, wo die Reliabilität von
Schriftmerkmalen höher als die von Tests ist (!))
c) kaum Validitätsuntersuchungen, bzw. nur solche mit schlechtem Ergebnis:
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
31
 KRÜGER-ZIETZ-Phänomen: wenn man Gutachten nur schwammig genug formuliert,
erkennt darin jeder sich selbst
 BARNUM-Effekt: Graphologen erstellen 12 Gutachten zu 12 Studenten, Studenten
sollen ihres heraussuchen  Ergebnis: Zufall (!)
 veraltete Persönlichkeitstheorien
27. Januar 2000
Was spricht für Graphologie?
 Schrift spricht uns unmittelbar an, hat Ausdruckscharakter, der auch Laien zugänglich ist
 Man hat Laien Schriften vorgelegt, deren Urteile mit denen von Graphologen
verglichen  hohe Korrelationen
 Klinische Psychologen und Graphologen sollten auf Grund von Schrift Berufserfolg
vorhersagen  Korrelation bei beiden ca. .20 (teilweise überzufällig gut)
 (Validität aber oft überschätzt: in Personalauswahl hat man «vorselektierte» Stichproben)
 hohe Ökonomie, hohe Verfügbarkeit des «Datenmaterials»
 historische Schriftanalyse oft einzige direkte Quellen bei Beurteilung nicht mehr lebender
Persönlichkeiten
 Nichtverfälschbarkeit (Fragebögen kann man fälschen, Schriften nicht: Graphologen
erkennen «verfälschte» Schrift)
 Psychologie sollte sich mehr mit Graphologie beschäftigen
Methodische Mängel der Vergleiche zwischen «Psychometrie» (Tests) und Graphologie:
 unterschiedliches Konstruktverständnis (Introversion  Introversion)
 Gegenüberstellung isolierter Schriftmerkmale ( Graphologie) mit komplexen
Persönlichkeitsskalen (Rechtsneigung der Schrift als Indikator der Extraversion)
 mangelnder Einbezug der Graphologen mit ihrer mehr «ganzheitlichen» Sichtweise
(graphologische Introversionsurteile basieren auf Zusammenspiel von 13
Schriftmerkmalen)
 Ungenügende Berücksichtigung der Verfälschungstendenzen in Fragebögen (siehe z. B.
soziale Erwünschtheit)
 Beispiel: 1997 in Holland: mit Intro- und Extraversionstests 6 Extrempersonen selektiert,
dann Schriftproben dieser Personen 10 Graphologen gegeben ( 60 Urteile)  58
richtige Urteile (!)
 zur Leipziger Studie (mit uns als Versuchspersonen):
 Hell-Dunkel-Versuch: Veränderung nur bei Extraversion
 Gewissenhaftigkeit: Korr. Graphologen und Tests bei .28, sonst Nullkorrelationen!
 ABER: objektive und subjektive Tests der Psychologie hatten auch Nullkorrelationen!
 Korrelationen mit sozialer Erwünschtheit (SE):
 hohe SE: Graphologenurteil schlecht
 niedrige SE: Graphologenurteil gut
 Graphologie zu Unrecht vernachlässigt, sollte aber nie isoliert angwandt werden (ein Test
ist kein Test...).
6.
Der psychologische Test
Literatur:
 GBS S. 23 – 29, 107 – 113
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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 Leon KAMIN: Der IQ in Wissenschaft und Politik
 Verriss des Testens: S. GRUBITZSCH
 Gegenposition: INGENKAMP: Testkritik ohne Alternative, in JÄGER, INGENKAMP und
STARK (1981), S. 146 – 171
Zur Geschichte des Testverfahrens: Fachinterne und gesellschaftliche Wurzeln
 Vorgeschichte: siehe Vorlesung Einführung in die Psycholgoie
 Beamtenauswahl im alten China
 Bibel: Männer, die Flusswasser wie Tiere schlürften, also ohne die Hände zu
gebrauchen tranken, wurden von König für Feldzug ausgewählt
 Mittelalter: Minnegesang, Hexenproben
 Eigentliche Geschichte:
 Sir Francis GALTON (vgl. Vorlesung Differentielle Psychologie)
 James McKeen CATTELL
 BINET  Intelligenz
 RORSCHACH  Charakter
 MÜNSTERBERG, MOEDE (Kfz-Prüfstand)
 1917 army-alpha-test (für Alphabeten), army-beta-test (für Analphabeten)
 1917 WOODWORTH: erster Persönlichkeitsfragebogen
 wissenschaftliche Wurzeln: Entwicklung der Psychologie zu einer Naturwissenschaft
 WUNDT-Schüler: wandeln allgemeinpsychologisches Experiment zu «Prüfexperiment»
(= Test) um
 GULLIKSEN, THURSTONE: Validität untersucht
 PEARSON: Maßkorrelation
 gesellschaftliche Wurzeln:
 Tests konnten erst mit Industrialisierung entstehen: von herrschender Klasse mit
großem Interesse aufgenommen als Versuch einer «wahren» Einschätzung
menschlicher Fähigkeiten (Interesse der Arbeitgeber)
 Eignungsdiagnostik hat immer dann Blüte, wenn hohe Arbeitslosigkeit
 Diagnostik aber auch wichtig für Arbeitnehmer, damit keine Über- oder
Unterforderung am Arbeitsplatz
 Gefahr: Etikettierung des Menschen  Soziale Psychiatrie (DÖRNER)
 Kritik von KAMIN (s. o.): Immigrationspolitik in USA auf Grund von Intelligenztests
 Gesellschaft für Eugenik: wollte Immigration steuern (nur «gute Gene»)  Tests
 army-alpha-test: «nordische Rassen» am besten
 Folgerung der Eugeniker: angeborene intellektuelle Überlegenheit
1. Februar 2000
 YERKES: rassistische Ableitungen aus army-alpha- und beta-test
 schließlich JENSEN: Unterschiede Weiße-Schwarze 15 IQ-Punkte
 Forderung von eigenen Schulen für Schwarze
 Schwere Bedrohungen  Vorlesungen mit Polizeischutz
 MURRAY & HERRNSTEIN: The Bell Curve
 These 1: Die Intelligenz verteilt sich normal
 These 2: Die Intelligenz korreliert mit sozialer Schicht.
 These 3: Die Intelligenz ist genetisch bedingt.
  Sozialprogramme bremsen.
  Bildungsprogramme bremsen.
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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  Unterstützung für alleinstehende schwarze Mütter bremsen.
  Unterschichtsangehörige sterilisieren.
 Kritik: Mit Intelligenztests nur Intelligenz C gemessen, nicht A und B
 Wiederholung:
 A: allgemeines intellektuelles Potenzial (stark anlagedeterminiert)
 B: aktuelle Intelligenz als Produkt von Genotyp und Umwelt
 C: Testperformance
 echter Vergleich der genetischen Anlage wäre nur bei gleichen kulturellen
Bedingungen möglich
Begriffsklärung Test
 kam über Psychologie in die Alltagssprache
 2 Arten:
 statistische Testverfahren
 psychologische Tests
 Begriffsprägung durch MCKEEN CATTELL: testimonium (lat.) = Beweis, Stichprobe,
Zeugnis, Prüfung
 2 Komponenten charakterisieren psychologischen Testbegriff:
a) Provozieren einer Verhaltensstichprobe
b) Registrierung und Auswertung des Registrierten
 beide Komponenten müssen standardisiert werden: genaue Bedingungen, wie man ein
Verhalten auslöst, und genaue Bedingungen zur Registrierung und Auswertung 
Wiederholbarkeit, Vergleichbarkeit, Objektivität; außerdem: Normierung (=
Vergleichsmaßstab, mit dem das Registrierte verglichen werden kann)
 Ist ein Test ein Experiment?
 SPRUNG: Nein  quasiexperimentell
 GUTHKE: Doch  erfüllt alle wichtigen Bedingungen für ein Experiment
 UV: Raum, Zeit, Aufgabe, Instruktion
 AV: Vpn.
 Vgr.: ein Testant  Notwendigkeit der Standardisierung wichtiger als in
Allgemeiner Psychologie
 Kgr.: Normstichprobe
 SPRUNG: Test sind keine Experimente, weil bereits Vorliegendes (z. B. Intelligenz)
registriert wird, wobei Experimente das Beobachtete verändern
 Gegenmeinung:
a) Lerntets verändern das Wissen
b) es wird etwas Neues provoziert, nicht etwas Omnipräsentes (hier: sowieso schon
Vorhandenes)
Def. nach G. A. LIENERT:
Ein Test ist ein wissenschaftliches Routineverfahren zur Untersuchung eines oder meherer
empirisch abgrenzbarer Persönlichkeitsmerkmale mit dem Ziel einer möglichst quantitativen
Aussage über den relativen Grad der individuellen Merkmalsausprägung.
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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Def. nach GUTHKE:
Ein psychologischer Test ist ein wissenschaftlich entwickeltes und überprüftes
Routineverfahren, bei dem in standardisierten Situationen Verhalten – provoziert durch
definierte Anforderungen – registriert bzw. Verhaltensmerkmale von Personen bzw.
Personengruppen erfasst werden, die als Indikatoren für bestimmte Eigenschaften, Zustände
oder Beziehungen dienen sollen.
Tests ermöglichen Klassifikationen, die an einer Gruppe vergleichbarer Personen gewonnen
wurden bzw. die durch Annäherung an ein Kriterium oder einen Idealwert bestimmt werden.
Für und Wider von Testverfahren
+
 hoher Grad an methodischer Gütesicherung / Ökonomie, Validität, Reliabilität
 zeitökonomischer als andere Verfahren (am besten: Multiple Choice, Computertests,
Fragebögen)
 Erhalt von quantitativen Werten, mit denen man rechnen kann (Mittelwerte,
Korrelationen, Faktoranalysen, Rasch-Skalierung, Ausprägungsgrade von Eigenschaften
z. B. in Depressionsskalen)
 höhere intersubjektive Vergleichbarkeit durch einen Vergleichsrahmen
–
 missbräuchliche, Systemfehler vertuschende Interpretation von Messergebnissen (z. B.
JENSEN)
 Verbot von Testverfahren sowohl in Amerika (Californien) als auch UdSSR (STALIN)
 mangelnde theoretische Fundierung vieler Testverfahren (sind oft von Praktikern erstellt)
 Notwendigkeit, bei Fragebogenkonstruktion auf Grundlagenwissen zurückzugreifen
 Testverfahren sind statisch, messen nur Ist-Zustand  Lerntests, Veränderungsmessung
 funktionalistisches statt ganzheitliches Denken (Mensch ist mehr als die Summe seiner
Teile)  Tests dürfen nicht von Laien durchgeführt werden, Gesamtpersönlichkeit als
Hintergrund einbeziehen
 Kritik am «Vermessungswahn» vieler Testologen  platte Addition von Testwerten
unterschiedlicher Kategorien
 Testdiagnostik ist nicht mit der Würde des Menschen vereinbar (ethische Problematik)
Forderungen an die Testkonstruktion und Testen
 bessere Einbeziehung der Grundlagendisziplinen in die Testkonstruktion
 stärkere methodische und gesellschaftskritische Reflexion über die Funktion der Tests in
der Gesellschaft
 Testanwendung immer im Sinne des Betroffenen (ist oft schwer)
 Tests müssen den gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen entsprechen, unter
denen sie angewandt werden
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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 Tests ein diagnostisches Instrument unter vielen anderen (ca. ¼ der Tätigkeit der
praktischen Psychologen)
 Tests müssen sachgemäß angewandt und ausgewertet werden (Tests benötigen als
Anwender Skeptiker, nicht gläubige Laien!)
7.
Der psychodiagnostische Prozess und das diagnostische Urteil
[scheint er ausgelassen zu haben...]
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
36
Teil II
3. April 2000
II.
1.
Einführung in die Leistungsdiagnostik
Aufgaben und Möglichkeiten der Leistungsdiagnostik
a) Aufgaben
 Eine optimale Leistungsdiagnostik würde Volkswirtschaft Milliarden sparen
 2 Arten von Leistungsdiagnostik: Individual- vs. Gruppendiagnostik
Individualdiagnostik
Gruppendiagnostik
 bezogen auf das Individuum
 gesamte Gruppen
 dieses soll Tätigkeiten ausüben, welche es  z. B. gesamte Schulklassen, ganze
weder über- noch unterfordert
Schulsysteme verschiedener Länder (auch
 negative Varianten der Leistungsfähigkeit:
international)
Sonderschulbedürftigkeit, LRS, Akalkulie
etc. (Erwachsenenalter: Hirnorganische
Störungen, Leistungsneurosen, Alzheimer,
...)
 positive Varianten: Gymnasialempfehlung
/ Hochschulreife / Studienauswahl,
Hochbegabtenauswahl
 Tauglichkeitsund
Berufseignungsuntersuchungen
(Tauglichkeit: wenn man Beruf bereits
ausübt – regelmäßig erforderlich z. B. bei
Piloten;
Eignung:
Berufsberatung,
Personalauslese im Betrieb, TÜV etc.)
Lit.: WOTTAWA und HOSSIEP (1997): Anwendungsfelder psychologischer Diagnostik.
Hogrefe.
b) Möglichkeiten
 Verhaltensbeobachtung (z. B. Jugendliche, die in Arbeitssituationen beobachtet werden)
 HOLZ: Heidelberger Kompetenzinventar für geistig behinderte Jugendliche
 C. F. SCHMIDT (Dresden): Tätigkeitsanalyse (TAL) für geistig Behinderte
 HACKER, RICHTER und IWANOWA: Tätigkeitsbewertungssystem für geistige und
körperliche Arbeit (für Gesunde)
 ADL-Listen («Activities of Daily Living»), z. B. Einkaufen gehen, Toilettengang etc.
 Dokumentenanalyse (z. B. Schulhefte bei Kindern, Hobbyprodukte, Basteleien etc.)
 Tests (s. u.)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
2.
37
Leistungsdiagnostische Tests im Überblick und Vergleich
[handelt er in den anderen Punkten mit ab...]
3.
Intelligenztests
a) Tests zur Erfassung einer Allgemeinen Intelligenz
Def. Intelligenzdaten (aus VL Differentielle Psychologie):
Als Intelligenzdaten werden Informationen bezeichnet, die aus der Analyse der Lebens-,
speziell aus der Bildungs- und Lerngeschichte eines Individuums, der aktuellen Schul-,
Studien- und Berufsleistungen, aus der Beobachtung bei der Bewältigung von kognitiven
Problemstellungen, aus der psychologieschen Exploration und aus Intelligenztests gewonnen
werden und Hinweise auf die Höhe (das Niveau) sowie auf die qualitativen Besonderheiten
(das Intelligenzprofil bzw. die Intelligenzstruktur) eines Individuums geben.
Wiederholung aus VL Differentielle Psychologie:
  Intelligenzanlage = Intelligenz A
 bei der Geburt vorhandene, aber heute noch nicht exakt diagnostizierbare Erb- bzw.
Anlagebesonderheiten (anatomisch-phsysiologische Besonderheiten; individuell
verschieden)
  Intelligenzstatus = Intelligenz B
 zum Untersuchungszeitpunkt vorhandene Ausprägung der Intelligenz
 Prdukt von Anlage und Umwelt
 feststellbar durch Intelligenzstatustests; Ergebnis = Ausschnitt aus diesem Status =
Intelligenz C
  Intelligenzpotenz = Intelligenz C
 wichtigster Bestandteil der intellektuellen Lernfähigkeit
 zum Untersuchungszeitpunkt noch feststellbare Fähigkeit zur Leistungssteigerung
unter „leistunsgoptimierenden Untersuchungsbedingungen“ (Feedback, Denkhilfen,
Training, Motivierung etc.)
 kurz: Fähigkeit, Leistung zu verbessern
 v. a. wichtig bei Kindern in schlechtem Milieu
 wichtig, weil Intelligenztests v. a. dazu benutzt werden, um zukünftige Leistungen
vorauszusagen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
38
 SPEARMAN: 2-Faktoren-Theorie der Intelligenz
 general factor („geistige Energie“)  allgemeine
Intelligenz (heute partiell vergleichbar mit
mental speed)
 si: special factors, spezifische Faktoren für jeden
Test
 si haben unterschiedlichen Anteil an g (z. B.
Raven-Test: großer Anteil)
g-factor
Test3
Test1
Was spricht für den g-factor?
 gute Schüler  überall gute Noten
S
 bei geistiger Behinderung jede intellektuelle
Fähigkeit gestört; sehr selten hohe mechanische
Merkfähigkeit bzw. motorische Fähigkeiten ( Intelligenz)
 Vielseitigkeit von Genies (viele Universalgenies, z. . Leibnitz, Goethe)
 hohe allgemeine Intelligenz  kurze Lernphase für neue Berufswege
S1
Test2
S3
2
Was dagegen?
 Mehrfaktorentheorien (THURSTONE, 40er Jahre):
 es gibt keine allgemeine Intelligenz
 lediglich Intelligenzfaktoren, die unterschiedlichst ausgeprägt sein können: primary
mental abilities
 es gibt typische sprachliche und mathematische Begabungen
Die Hauptfaktoren der Intelligenz nach THURSTONE (1938):
  Sprachverständnis (verbal comprehension) (z. B. Lücken im Text sinnvoll ergänzen)
  Wortflüssigkeit (word fluency) (z. B. Wörter, die mit „re...“ anfangen)
  Numerischer Faktor (numerical) (4 Grundrechenarten)  Intelligenzfaktor oder
Fertigkeit?
  Schlussfolgerndes und regelfindendes Denken (reasoning) (Analogien, Zahlenreihen)
 Kernfaktor
  Auffassungsgeschwindigkeit (perceptual speed) (z. B. in Buchstabenfolge alle „n“
durchstreichen)
  Gedächtnis (memory)
  Raumvorstellung
(Ende der Wiederholung)
Lit.: Spektrum der Wissenschaft spezial: Intelligenz (3/99).
 Versuche, die allgemeine Intelligenz zu messen:
 g-factor-Tests vs. Messung der Sub-Intelligenzen, die dann gemittelt werden
 Messung des g-factor: John RAVEN: Progressive Matrices Test (Formen: SPM –
Standard Progressive Matrices, CPM – Children Progressive Matrices, APM:
Advanced ...)
 hoch g-factor-geladen, aber nicht culture fair, und messen nicht nur g-factor
 CATTELL: «Culture Fair Intelligence Test» (CFT)  logische Folgen von Symbolen
 Schätzmethoden [?], z. B. Mann-Zeichen-Test nach ZILER  6 – 14 Jahre,
Berechnung des MZQ (Mann-Zeichen-Quotient)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
39
 Störfaktor: Zeichenunterricht, daher ab 7. Lebensjahr unzuverlässig
 Erwachsenenalter: Wortschatztests (z. B. SCHMIDT & METZLER 1992, oder klassisch:
LEHRL)
 SCHMIDT & METZLER [oder?]:
 42 Wörter; Ziel: Bildungsniveau und Allgemeine Intelligenz (z. B. prämorbide
Intelligenz bei Hirngeschädigten, weil wenig anfällig für Hirnstörungen)
 Problem: misst eher verbale Bildung als Allgemeine Intelligenz
 normiert: 20. – 90. Lebensjahr
 Zahlenverbindungstest (ZVT) nach OSWALD und ROTH
 nicht von Bildung beeinflusst
 misst mental speed  bei Hirnschäden langsamer
 LEHRL et al.: KAI (Kurztest Allgemeine Intelligenz) (Grundfrage: Wieviel Zeit braucht
ein Mensch, um 1 bit zu verarbeiten?)
 3 Untertests: schnelles Buchstabenlesen, Zahlenreihen merken und
Buchstabenreihen merken
 Klassiker: BINET und SIMON: Intelligenz messbar machen, indem man Kindern
Aufgaben gibt (keine schulischen), die z. B. logisches Denken messen
 Aufgaben, die von 75% der Kinder einer Altersstufe gelöst wurden, kamen in den
Test hinein
 Ziel: Auswahl von Sonderschulkindern
 Bestimmung eines Intelligenzalters; wenn Kind mehr als 2 Jahre im Rückstand –
BINET: «debil»  Sonderschule
 Problem: wenn 4-jähriges Kind 2 Jahre im Rückstand, ist das gravierender, als
wenn 14-jähriges Kind 2 Jahre im Rückstand
  W. STERN: Alter relativieren  IQ = 100*Intelligenzalter (IA) / Lebensalter (LA)
 Bsp. 1: LA = 12 a = 144 Mon.; IA = 10 a = 120 Mon.  IQ  83; nach WHO
Debilität erst bei weniger als 70
 Bsp. 2: LA = 7 a = 84 Mon.; IA = 5 a = 60 Mon.  IQ  71, also viel näher an der
Debilitätsgrenze, obwohl auch nur 2 a Unterschied zwischen IA und LA
 Bsp. für IA-Berechnung nach BINET-SIMON-KRAMER:
 LA = 10 a und 1 Mon.
Aufgabe
1
2
3
4
5
6
7
8
9
+
+
+
+
+
+
12
Mon.
Testjahr
10
11
+
½
+
+
½
+
+
½
+
+
+
+
11
10
Mon. Mon.
12
–
+
–
+
–
–
4
Mon.
13
 8*12 Mon. + 12 + 11 + 10 + 4 = 133 Mon. = 11 a und 1 Mon. = IA.
 IQ = 100 * 11;1 / 10;1  110.
6. April 2000
 bekannteste BINET-Tests:
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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 BINET-TERMAN (Stanford-BINET):
 Unterschied zum klassischen BINET-Test:
 2. – 20. Lebensjahr (nicht 3. – 12. wie klass. BINET)
 nicht nur verbal orientiert
 4. Auflage 1980 (aber nicht deutsch) berücksichtigt Unterscheidung kristalline vs.
fluide Intelligenz und Kurzzeitgedächtnis
 «Abweichungs-IQ» berechnet
 BINET-SIMON-KRAMER-Test (BSK):
 für jede Altersstufe entsprechende Aufgabenkärtchen (z. B. «Gib mir 3 Spielsteine.»)
 Farbkärtchen etc.
 man beginnt 1 Testjahr vor dem Lebensalter
 Ende: wenn weniger als 1/3 der Aufgaben einer Altersstufe gelöst werden
 Guthke: Schulfähigkeit  von Altersstufen VI + VII (16 Aufgaben) 12 gelöst  Kind
zweifelsfrei schulfähig
 Kritik:
 v. a. ältere Tests zu sehr verbal (aber nicht Stanford oder KRAMER)
 erlauben keine differenzierte Tätigkeitsanalyse (v. a. KRAMER, aber nicht 4. Auflage
Stanford)
 Kinder von 0 bis 3 Jahren nicht untersuchbar
 problematisch: Untersuchung von Erwachsenen («Ein 40-jähriger Behinderter hat IA
eines 8-Jährigen.»  keine qualitativen Aussagen über Unterschiede der Intelligenz)
  Altersstufen-IQ v. a. bei älteren Kindern und Erwachsenen überholt (heute:
Abweichungs-IQ); Altersstufen-IQ beruht auf Adoleszenz-Maximum-Hypothese
 Abweichungs-IQ: Abweichung vom Mittelwert der Altersgruppe
HAWIE / HAWIK:





entstanden Ende der 30-er Jahre, heute meistbenutzter Intelligenztest
Autor: David Wechsler, Bellevue-Krankenhäuser
1939: Wechsler Adult Intelligence Scale (WAIS), inzwischen: WAIS III
1949: Wechsler Intelligence Scale for Children (WISC)
in 50-er Jahren in Hamburg übersetzt – Verfahren bis heute kaum verändert
Theorie des HAWIE:
g-factor
Allgemeine Intelligenz
V
Verbale Intelligenz
SV1
SV2
SV3
SV4
P
Handlungsintelligenz
SV5
Verbalteil:
 AW (Allgemeines Wissen) (Allgemeinbildung)
SP1
SP2
SP3
SP4
SP5
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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 AV (Allgemeines Verständnis, common sense)
 ZN (Zahlen nachsprechen) (Kurzzeitgedächtnis  3 – 9 Zahlen); müssen auch rückwärts
nachgesprochen werden
 RD (rechnerisches Denken) (einfache Rechenaufgaben, oft Proportionalrechnung)
 GF (Gemeinsamkeiten finden) (z. B. Apfelsine, Banane  Südfrüchte)
 WT (Wortschatztest), 42 Worte, Verständnis erfragt
Handlungsintelligenz (HI):
 BO (Bilder ordnen)
 BE (Bilder ergänzen)
 Mosaik-Test (Muster nachlegen)
 Figuren legen
 Zahlensymboltest (Konzentrationstest): Zahlen müssen Symbolen zugeordnert werden
S
Zahlensymbole
M
Allgemeines
Wissen
M Allg. Verst.
M Gemeins.
M Rechn.
find.
Denken
M
Wortschatz
H Bilder
ordnen
H Figuren
legen
geometrisch
verbal
HAWIK:
Schlussfolgern
numerisch
M BE
H Mosaikaufg.
Anwenden
S
Labyrinth
numerisch
numerisch
M Zahlen
nachsprechen
Lernen
numerisch
 Abb.: Radex-Modell nach GUTTMAN & LEVY (1991) für den Wechsler Intelligenztest für
Kinder.
 M: mündlich, S: schriftlich, H: Handlungstest; BE: Bilder ergänzen, Allg. Verst.:
Allgemeines Verständnis.
 HAWIK misst verbal / geometrisch / numerisch als Faktoren, dabei auf 3 Ebenen:
schlussfolgern, anwenden, lernen
10. April 2000
 mit dem Hamburg-Wechsler-Intelligenztest wird ein Abweichungs-IQ berechnet
 Abweichungs-IQs: Mittelwert = 100 (normiert), Standardabweichung s varriiert je nach
Test – HAWI: s = 15, Amthauer: s = 10.
 HAWI: berechnet wird sowohl Verbal- also auch Handlungs- und Gesamt-IQ
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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 Abweichungs-IQ ist genaugenommen kein Quotient, sondern das Maß der individuellen
Abweichung vom Mittelwert in Punkten, die sich an der jeweiligen Standardabweichung
orientieren
 keine lineare Beziehung zwischen Lebensalter und Intelligenz (!)  keine Annahme eines
Intelligenzalters
 Konstanz der IQ-Variabilität: IQ bedeutet in jeder Altersstufe dasselbe, was die
Rangfolge betrifft
 Gemeinsamkeiten und Unterschiede klassischer IQ und Abweichungs-IQ (vgl. Folie 23):
 Schritt 1 (bei beiden): Bestimmung der absoluten Leistung des Probanden in
Rohpunkten
 Schritt 2: Bezug der Probandenleistung auf die Norm
 klassischer IQ: Ermittlung des Alters des durchschnittlichen Probanden mit
gleicher Leistung
 Abweichungs-IQ: Ermittlung der relativen Stellung der Probandenleistung in der
Leistungsverteilung seiner Bezugsgruppe
Einwände gegen IQ:
 Annahme, dass IQ genetische Intelligenz widerspiegelt, ist zweifelhaft (spiegelt lediglich
Intelligenzstatus, also Intelligenz B wider; vgl. Diskussion um «The Bell Curve», VL Diff.
Psychologie)
 Ist es überhaupt möglich, Intelligenz eindimensional (mit einem Wert) zu messen?
 IQ wird teilweise wie Absolutskala behandelt (aber kein absoluter 0-Punkt, und 1502*75)
 IQs verschiedener Tests nicht direkt vergleichbar  es müsste immer Verfahren
angegeben werden
 probabilistische Testtheorie (Rasch-Modellierung): Homogenität angezweifelt (Gesamt-IQ
ist unsinnig)  Kubinger und Wurst: AID (Test, der dies berücksichtigt)
 Folgerung aus der Kritik: IQ nie Laien mitteilen!
 aber: WHO gibt Stufen geistiger Behinderung in IQ-Punkten an
 ebenso vor Gericht, in Krankenakten, in USA sogar in Personalakten IQ angegeben
Einwände gegen Wechsler-Tests:
 Altersunangemessenheit der Aufgaben (6-Jähriger mit gleichen Aufgaben konfrontiert wie
14-Jähriger)
 aber: Entwicklung der Intelligenz gut nachvollziehbar
 AID: unterschiedliche Aufgaben für Altersstufen
 Problem der Abbruchkriterien (z. B. nach n nicht gelösten Aufgaben abgebrochen)
 aber: Schwierigkeitssteigerungen individuell unterschiedlich
 alte Wechsler-Tests: zu gute Resultate, weil an alten Stichproben normiert
  Revisionen, z. B. HAWIK-R2.
 Wechsler-«Profile» umstritten (z. B. Aussage in Wechsler-Handbüchern: «Alle
Hirngeschädigten haben schlechtere Handlungsintelligenz.»)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
43
Bsp. für ein «Profil»:
Punkte



Differenzen können nur gedeutet werden, wenn
sie größer als die Messfehler sind
(sonst nicht statistisch signifikant)


A
B

C D E
F
Untertests
 moderne Tests geben in den Handbüchern immer die Messfehler mit an!
b) Intelligenz-Struktur-Tests
 3 Gründe, warum man heute mehr die Struktur der Intelligenz betrachtet als den IQ:
 Problem der Berufsberatung, z. B. ob Kfz-Schlosser oder Deutschlehrer 
unterschiedliche Intelligenzfähigkeiten verlangt  Gesamt-IQ nicht aussagefähig
 Hochbegabtendiagnostik  Hochbegabte oft nur in bestimmten Bereichen (Mathematik,
Sprache) hochbegabt
 Klinisch-neuropsychologische Diagnostik: Ausfälle oft auf sehr spezifischen Gebieten 
spezifische Tests
 Idee bereits in den 20-er Jahren, z. B. ROSSOLIMO (russ. Psychiater): prägte den Begriff
des Intelligenz-Profils  unterschiedliche Subtests messen unterschiedliche Fähigkeiten
Beispiel:
WP

13

10
Standardabweichung

7


: individueller Mittelwert

A
B
C D E
F
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 2. Idee: Faktorenanalyse (vgl. THURSTONE, s. o., bzw. GARDENER)
 Wiederholung GARDENER (aus VL Differentielle Psychologie):
(Hoch-)Begabungen nach der Theorie der „multiplen Intelligenzen“ von GARDENER (1983)
sprachliche
Intelligenz
logischräumlichmathematische bildhafte
Intelligenz
Intelligenz
= klassische (akademische) Intelligenz
körperlichkinästhetische
Intelligenz
personalesoziale
Intelligenz
musikalische
Intelligenz
 zu GARDENER
 „Intelligenzen“ liegen relativ unabhängige kognitive Strukturen zugrunde 
nimmt keine „allgemeine Intelligenz“ an
 bisher nur „anekdotische Beweisführung“, nicht empirisch  Modell umstritten
(Ende der Wiederholung)
 Gefahr: Inflation des Begriffs der Intelligenz
Verschiedene Faktoranalytische Verfahren:
 PMA (Primary Mental abilities) (THURSTONE) (s. o. – 7 Faktoren, 1 Test misst genau 1
Faktor  ließ sich nicht realisieren)
 IST (Intelligenz-Struktur-Test) (in Deutschland) (Rodolf AMTHAUER); IST 70: 70-er Jahre,
IST 2000: heute (dabei: gerichtlicher Streit über die Rechte an AMTHAUER zwischen ISA
und IST-2000); IST allgemein:
 ab 14. Lebensjahr (heute: 13 – 60 Jahre)
 v. a. für höher Intelligente
 Vorläufer: army-alpha-test und army-beta-test
 gemessen: sprachliche, rechnerische, räumliche Intelligenz und Merkfähigkeit
 Beispiele: Wortauswahl, Analogien, Zahlenreihen, Rechenaufgaben
 neueste FA-Studien: AMTHAUER misst als Faktoren nur sprachliche vs.
nichtsprachliche Intelligenz (letztere: Würfel, Zahlenfolgen, Figurenauswahl,
Merkfähigkeit); Rechenaufgaben lassen sich keinem der beiden Faktoren zuordnen
17. April 2000
 LPS (Leistungsprüfsystem) (HORN, USA)
 in 60-er Jahren in Deutschland weit verbreitet; 3 Bereiche:
(a) Intelligenzaufgaben
(b) Schulleistungsaufgaben
(c) Konzentrationstest
 angewandt auf Schüler
 2 Tochtertests: PSB (überholt, aber Revision in Vorbereitung) und LPS 50+ (WILLMES
et al. 1993)  Neuropsychologie, 50 – 90 Jahre, misst Rechtschreibung,
Zahlenreihen, Wortschatz, Schließen von Gestalten etc.
 KFT (Kognitiver Fähigkeitstest) (HELLER et al.)
 Schulpsychologie
 neuere Form: KFT-R (2000)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
45




KFT 1-3: 1. bis 3. Klasse; KFT 4-13: bis 13. Klasse
Bereiche: verbal, numerisch, quantitativ/figural (quantitativ: Mathe)
ausgewertet nach T-Werten: x = 50, s = 10
individuelles Profil wird verglichen mit Durchschnittsprofil für Hauptschule,
Realschule und Gymnasium
 WILDE-IT (veraltet)
 Öffentlicher Dienst, Polizei etc. (z. B. Auswahl für Polizeihochschule)
 an THURSTONE orientiert
 geeignet: 13 – 22 Jahre
 Guthke: geringe Validität
 BIS (Berliner Intelligenzstrukturtest, JÄGER et al.)
 Öffentlicher Dienst, Polizei etc. (z. B. Auswahl für Polizeihochschule)
 Wiederholung aus der VL Differentielle Psychologie:
 JÄGER: bimodales Intelligenzmodell  2 Modalitäten:
  Inhalt  mit welchen Dingen setze ich mich auseinander?
 figural-bildhaft
 verbal
 numerisch
  Operationen  was fange ich mit diesen Dingen an?
 Gedächtnis
 Kreativität
 Bearbeitungsgeschwindigkeit
 Verarbeitungskapazität (entspricht reasoning)
 Bsp. für Umsetzung: BIS (Berliner Intelligenz-Strukturtest, 1998)
 jede Operation wird in allen drei Inhalten erhoben ( 12 Zellen); Mittelwert = gfactor
(Ende der Wiederholung)
 K : Verarbeitungskapazität (entspricht logischem Denken), E : Einfallsreichtum
(entspricht Kreativität)
 ursprünglich: alle 12 Zellen sollten einzeln gemessen werden, aber inzwischen nur 7
Einzelfähigkeiten gemessen
4.
Kritik des herkömmlichen Intelligenztests und neue Ansätze
Einwände gegen Leistungstests
 Tests berücksichtigen nicht die Entwicklungsbedingungen (Lebensgeschichte,
Vorerfahrung etc.)  nicht auf Anlage (Intelligenz A) schließen (vgl. «The Bell Curve»)
 Tests berücksichtigen nicht die Entwicklungspotenzen (Lernfähigkeit)  nur
Statusmessung (siehe aber als Alternative die Lerntests)
 Tests sind lebensfremd und künstlich:
(a) Labor- bzw. Prüfungssituation  Alltag (aber: dann dürfte man überhaupt keine
Prüfungen durchführen)  mehrere Testdurchläufe, Skepsis bei Ergebnissen in
Drucksituationen
(b) Testaufgaben sind nicht tätigkeitsbezogen (ökologisch valide) – z. B. RAVEN: Wo gibt
es im Leben solche Aufgaben?
 aber: Oberflächenstruktur vs. Tiefenstruktur (letztere misst zugrundeliegende
Mechanismen; z. B. schneiden Mathematiker beim RAVEN immer besser ab)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
46
 Tests registrieren nur Resultate, aber keine Lösungsprozesse (z. B. können individuelle
Lösungskonzepte zu anderen Lösungen führen als vorgesehen)
 Tests sind pragmatisch-praktizistisch konstruiert und nicht genügend theoretisch fundiert
 Tests vernachlässigen das kreative Denken (aber nicht so: BIS oder Kreativitätstests wie
der von KRAMPEN)
 Tests sind selektions- und nicht therapieorientiert (Frage nach dem Warum schlechter
Leistungen bleibt unbeantwortet)
Neuorientierungen (Trends) der Intelligenzdiagnostik
 Allgemein- und entwicklungspsychologische «Aufklärung» vorhandener bzw.
Neuentwicklung von Intelligenztestanforderungen auf dieser Basis
 kognitionspsychologisch-prozessorientierter Ansatz
 Überwindung der reinen Statusmessung durch Lerntests (dynamisches Testen, Erfassen
der «competence» und «Plastizität»)
 Lerntestkonzept
 Suche
nach
basalen
psychophysiologischen
Intelligenzkomponenten
(Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit,
Kurzzeitgedächtnis)
(Bsp.:
Zahlenverbindungstests, aber auch HAIER (mit PET): Glucoseverbrauch bei höher
Intelligenten geringer)
 Basalkomponenten
 Suche nach tätigkeits-, anforderungsbezogenen Verfahren, die ökologisch valide sind
(komplexes Problemlösen = «operative» Intelligenz, Weisheit, soziale / emotionale
Intelligenz, praktische Intelligenz, prospektives Vorgehen (nach SÜLLWOLD: prospektive
Intelligenz = Voraussehen von Entwicklungen))
 tätigkeitsorientiertes Vorgehen
 aber: Kritik: schlechter in Vorhersage als traditionelle Intelligenztests (dagegen:
FUNKE: wenn man Aufgaben klar stellt  hohe Korrelation mit klass. Intelligenztests)
 Beachtung der «Einbettung» des Subsystems «Intelligenz» und des intelligenten
zielbestimmten Handelns in das Gesamtsystem «Persönlichkeit» (Verflechtung mit
Metakognition, Motivation, sozialer Kompetenz, Emotion)
 systemischer Ansatz
 Adaptives antwortabhängiges individualisiertes Testen, bedingungsabhängiges Testen,
computergestütztes Testen, neue testmesstheoretische Modelle (probabilistische Ansätze,
item response theory)
 technologische Neuansätze
 adaptives Testen:
 Komplex 1: niedrige und hoch schwierige Aufgaben
 Komplex 2: je nachdem, welche Schwierigkeit gelöst wurde, leichter oder schwerer
 klass. adaptives Testen: nach jeder Aufgabe wird entschieden, welche Aufgabe als
nächstes
20. April 2000
5.
Das Lerntestkonzept und seine Varianten
a) Kurze Einführung in das Konzept
 Intelligenztests seit jeher umstritten, auch in der Öffentlichkeit
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
47
 Häufige Frage: Werden Menschen mit ungünstigem sozialem Niveau nicht benachteiligt?
Intelligenz, Wissen und intellektuelle Lernfähigkeit
Unterschiedliche Positionen:
 Wissen, Intelligenz und (intellektuelle) Lernfähigkeit sind hochgradig miteinander
korreliert (identisch), da der Intelligentere auch der Lernfähigere ist und der Lernfähige
sich mehr Wissen aneignet, wie auch Wissen das Lernen erleichtert.
 Gegenargumente / Probleme:
 Relative Intelligenzunabhängigkeit des Expertenwissens bzw. des Schul- und
Berufswissens
 Bei «irregulären Lernbedingungen» (vgl. unterpriviligierte Kinder) lassen
Wissens- und Intelligenzstatus keine zuverlässigen Schlüsse auf Intelligenzanlage
(Intelligenz A) und Lernfähigkeit zu.
 Wissens-, Lern- und Intelligenzstatustests korrelieren nur mäßig miteinander (auch
bei Berücksichtigung der Bereichsspezifik).
 Wissen ist (wesentlicher) Bestandteil der Intelligenz – besonders der mehr
«bildungsbedingten» sog. kristallinen Intelligenz, die fluide Intelligenz ist dagegen
weitgehend wissensunabhängig und mehr genetisch determiniert und alterskorreliert Gegenargumente / Probleme:
 Auch fluide Intelligenzleistungen lassen sich unter dem Wissensbegriff
(heuristisches Wissen, prozedurales Wissen) subsumieren.
 Wissen und Lernen sind keine getrennt zu betrachtenden Module;
wissensunabhängige Fähigkeiten kann es daher auch nicht geben.
 Die größere Erbdetermination, «Kulturabhängigkeit» und «Bildungsabhängigkeit»
der fluiden Intelligenz lässt sich nicht nachweisen, lediglich deren Altersabbau.
 im Sprachteil des HAWIE höhere genetische Determination nachgewiesen als bei
fluiden Bereichen
 Wissen sollte möglichst in Intelligenztests gänzlich ausgeschaltet werden, um die
vorwiegend genetisch determinierte Intelligenz «rein» erfassen zu können –
Basalkomponenten-Ansatz (Elementary Cognitive Tasks als «neue» Intelligenztests des
mental speed-Ansatzes)
 Gegenargumente / Probleme:
 Intelligenz nicht umfassend und differenziert genug untersucht
 Es fehlen Validitätsuntersuchungen an «Außenkriterien»
 Kann man die «Hardware» (Basalkomponenten) von der «Software» (Wissen) des
menschlichen Gehirns wirklich trennen? (Einheit von Struktur und Funktion, von
Wissen und Lernen)
 Stichwort Neuronale Plastizität  Gehirn nicht ausschließlich erblich determiniert
 Wissen (Vorwissen) ist der bisher in der Differentiellen Psychologie und Diagnostik
vernachlässigte, aber wichtigste Prädiktor der Leistungsfähigkeit in Schule, Studium und
Beruf (auch in komplexen Problemlöseaufgaben und in experimentellen Lernversuchen),
man sollte daher Intelligenztests ergänzen bzw. ersetzen durch «Wissensdiagnostik». Das
(Vor-)Wissen beeinflusst auch die aktuelle Fähigkeit zum Neulernen.
 Gegenargumente / Probleme:
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
48
 Rolle des «trägen Wissens» und des «impliziten Wissens» erschweren
Wissensdiagnostik.
 Qualitative, kognitionswissenschaftlich orientierte Wissensdiagnostik ist sehr
zeitaufwändig und erst in Ansätzen (z. B. bei einfachen Arithmetik-Aufgaben)
realisiert.
 Es wird lediglich der stark unterrichtsbedingte Wissensstatus, nicht aber die
«Wissensaneignungsfähigkeit» erfasst.
Guthkes eigene Position:
(a) Die bisherige Intelligenzstatusdiagnostik wird zu einer «Intelligenzpotenzdiagnostik»
erweitert, um zusätzlich zum Intelligenzstatus auch die Lernfähigkeit als
Wissensaneignungsfähigkeit im Bereich des prozeduralen Wissens zu erfassen.
(b) Wir vermuten, dass die Intelligenzpotenz mehr als der reine Intelligenzstatus die
Intelligenzanlage widerspiegelt.
(c) Die «globale Wissensaneignungsfähigkeit» wird an Intelligenztestitems gemessen
bzw. domänspezifische Lernfähigkeiten an curriculum- bzw. berufsbezogenen
Aufgaben (vgl. trainability concept).
 Gegenargumente / Probleme:
 Langzeit-Lerntests sind zu zeitaufwändig.
 Gestatten relativ bereichsspezifische Lerntests auch bereichsspezifische Prognosen
und Interventionsempfehlungen?
 Für Kurzzeit-Lerntests fehlen bisher überzeugende Nachweise für höhere Validität
gegenüber Statustests.
Ergänzungen dazu
 Wiederholung aus der VL Differentielle Psychologie: Intelligenzbegriffe unter dem
genetischen Aspekt:
  Intelligenzanlage = Intelligenz A
 bei der Geburt vorhandene, aber heute noch nicht exakt diagnostizierbare Erbbzw. Anlagebesonderheiten (anatomisch-phsysiologische Besonderheiten;
individuell verschieden)
  Intelligenzstatus = Intelligenz B
 zum Untersuchungszeitpunkt vorhandene Ausprägung der Intelligenz
 Prdukt von Anlage und Umwelt
 feststellbar durch Intelligenzstatustests; Ergebnis = Ausschnitt aus diesem Status =
Intelligenz C
  Intelligenzpotenz = Intelligenz C
 wichtigster Bestandteil der intellektuellen Lernfähigkeit
 zum Untersuchungszeitpunkt noch feststellbare Fähigkeit zur Leistungssteigerung
unter
„leistunsgoptimierenden
Untersuchungsbedingungen“
(Feedback,
Denkhilfen, Training, Motivierung etc.)
 kurz: Fähigkeit, Leistung zu verbessern
 v. a. wichtig bei Kindern in schlechtem Milieu
 wichtig, weil Intelligenztests v. a. dazu benutzt werden, um zukünftige Leistungen
vorauszusagen
(Ende der Wiederholung)
 Bestandteil der Intelligenz C: Intelligenz D, nämlich nach Guthke die im jeweiligen Test
gemessene
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
49
 Begriffe zum Lerntestkonzept:
 «dynamic assessment / dynamic testing»  nicht nur Intelligenz, sondern gesamter
diagnostischer Bereich, z. B. auch Charaktereigenschaften
 «interactive testing»  Zusammenarbeit Vl und Vpn
 «learning potential assessment» (FEUERSTEIN, Israel)  gleiches Ziel, aber eher
Beobachtungsverfahren als Test
 Gemeinsamkeiten dieser Ansätze:
 keine Einpunktmessung
 Feedback, ob Antwort richtig oder falsch
 Denkhilfen
 Motivationshilfen
 eher Experiment als Test
 KRYSPIN-EXNER: Gegenteil  Vpn werden unter Belastung (z. B. Zeitdruck) gesetzt und
dann getestet vs. Test unter Normalbedingungen
b) Geschichte der Lerntestidee
 THORNDIKE: intelligence = learning ability (20-er Jahre), hat aber selbst nur Status
gemessen
 Wolfgang KÖHLER: untersuchte, wie Schimpansen verstehen, wenn man ihnen Hilfen gibt
gesellschaftliche Wurzeln:
 Kritik an unfairer Intelligenzmessung bei Unterpriviligierten (soziales Milieu sollte
berücksichtigt werden)
  Unterscheidung zwischen «mental retard» und «educable retard» (im Deutschen
«debil» vs. «pseudodebil») bei Kindern  beide Gruppen sind im Statustest oft gleich
 Wirtschaft: Lernfähigkeit als Schlüsselqualifikation stärker beachten (denn Wissen
veraltet schnell)
theoretische Wurzeln:
 WYGOTSKI (1896 – 1934):
 jüdisch bürgerliches Elternhaus  unter großen Problemen studiert (Jura)
 arbeitet als Theaterwissenschaftler
 autodidaktischer Psychologe
 Auftritt bei Psychologiekongress  begeisterte Aufnahme  Professur in
Psychologie (!)
 Schwierigkeiten wegen seiner Orientierung auf Tests  Bücher erst nach Stalins Tod
wieder erlaubt
 berühmte Schüler: LEONTJEW, LURIA
 Theorie in Entwicklungspsychologie: «Kulturhistorische Theorie»
 Begriffe: Aneignung (Begriff aus Literaturwissenschaft), Interaktion («Dialog», M.
BUBER)
 These: Psychische Prozesse entstehen durch Aneignung der Kultur, in der ein
Mensch aufwächst
 psychische Prozesse geprägt durch Interaktion Mutter-Kind, dann Lehrer/PeersKind etc.
 Entwicklungspsychologie untersucht «Zone der aktuellen Entwicklung», sollte
aber «Zone der nächsten Entwicklung» (also zukünftige, im entstehen begriffene
Entwicklung) untersuchen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
50
 Gärtner darf nicht Garten nur nach nach reifen, sondern auch nach
herangereiften (heranreifenden) Früchten beurteilen
  «experimentell-genetische Methode», bestehend aus 3 Teilen:
  Prätest (Niveau)
  Hilfestellung durch den Versuchsleiter
  Posttest
 Anwendung auf Kinder von Analphabeten
 W. gilt als Begründer des Konstruktivismus (aber nicht explizit)
 orientiert auch an MARX
 SINOTT [bin mir mit der Schreibweise nicht sicher, T. E.]: modifiability (Veränderbarkeit)
untersuchen – diese könnte auch genetisch determiniert sein (!)
 später, darauf aufbauend: FEUERSTEIN
Axiome nach ZUBIN
 Jedes Individuum (und jedes bei ihm gemessene Personenmerkmal) wird durch ein
gegebenes Performanzniveau charakterisiert, für das der beobachtete Testwert in einer
Einpunktmessung nur eine Zufallsstichprobe darstellt.
 Jedes Individuum ist außerdem auch durch einen gegebenen Grad an Variabilität um
dieses Performanzniveau gekennzeichnet. Diese intraindividuelle Variabilität variiert
ebenso stark von Person zu Person wie das Performanzniveau selbst.
 Veränderungen der internen und externen Stimulation führen zur Veränderung im
Performanzniveau seiner Variation oder beidem.
 Ziel des Testens: Intraindividuelle Variabilität erfassen.
c) Methodische Realisierung des Lerntestansatzes
Lerntestvarianten
 Langzeitlerntests (Trainingstets):
Versuchsanordnung:
1. Tag
Prätest
(Form
A/B)
2. Tag
3. Tag
Training
mit Lehrprogramm
45'
4. Tag
5. Tag
Training
mit Lehrprogramm
45'
6. Tag
7. Tag
Posttest
(Form
A/B)
Pädagogisierungsphase
 in Praxis wenig verbreitet, da zeitaufwändig
 Beispiel: Lerntest «Schlussfolgerndes Denken» (LTS) von GUTHKE, JÄGER & SCHMIDT,
1983
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
51
 Kurzzeitlerntests:
Versuchsanordnung:
Prätest, Pädagogisierungsphase und Posttest in nur einer Sitzung
Rückinformationen ri/fa (Typ I)
Rückinformationen + Denkhilfen (Typ II)
Applikation der Rückinformationen und Denkhilfen durch Computer oder
Versuchsleiter
 Beispiele:
 Mengenfolgetest (MFT) von GUTHKE, 1984
 Vorschullerntest (VLT) von ROETHER, 1983
 RAVEN-Kurzzeitlerntest (RKL) von FROHRIEP, 1978
 Adaptiver Computergestützter Intelligenz-Lerntest (ACIL) von GUTHKE (Hrsg.), 1995
 Leipziger Lerntest «Begriffsanaloges Klassifizieren» von GUTHKE, WOLSCHKE,
WILLMES und HUBER (1998, 2000)
27. April 2000
Diagnostische Programme
 Kognitionspsychologie + Lernkonzept + adaptives Testen
Kennzeichen:
 Sicherung
der
Kontentvalidität
durch
Charakterisierung
der
objektiven
Anforderungsstruktur des Items unter Bezugnahme auf grundlagenpsychologische
Erkenntnisse
 Sequenzieller (möglichst hierarchischer) Aufbau des Itempools und adaptive
Verzweigungen
 Einbau von systematischen Rückinformationen und Denkhilfen in den Testprozess
 Feststellung des Arbeitsverhaltens und des Lernverlaufs über den Testprozess
Beispiele:
 Fremdsprachenlernfähigkeitstest DP «Syntaktischer Regel- und Lexikerwerb»
 Zielgruppe: Kinder (ab 4./5. Klasse) und Erwachsene (Studenten)
 Kinder lernen in kurzer Zeit eine fiktive Fremdsprache:
ski
ski gadu la
ski gadu vep
...
?
...
 gadu ski la
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
52
(wird immer komplizierter)  sehr gute Vorhersagen der Lernfähigkeit von Fremdsprachen!
(Guthke hat das bei Arabern in Leipzig probiert, die kein Deutsch konnten...)
 DP Leipziger Lerntest «Begriffsanaloges Klassifizieren» (1998, 2000)
 Zielgruppe: Schüler am Ende der 1. Klasse
(Vl sucht Kreise
heraus und
sortiert diese)
?
(Pb. muss Prinzip
erkannt haben und
andersfarbige Kreise aussortieren)
(wird immer schwieriger...)
 DP
«Adaptive
Computergestützte
Intelligenz-Lerntestbatterie
(ACIL)
für
Schlussfolgerndes Denken» (2000)
 Zielgruppe: Schüler ab der 5. Klasse, auch für Erwachsene bedingt geeignet (bei
Reha)
 misst in JÄGERs Intelligenzmodell das logische Denken
 3 Subtests
 Versuch, Schwierigkeit an Hand der Komplexität der Items zu erheben
 Target-Items: stehen am Beginn bzw. am Ende eines Komplexitätsbereichs  müssen
von allen Probanden gelöst werden:
Items:
1
2
7
8
13 14
19 20
...
 wenn Kind dieses Item nicht löst, lässt es der Computer auf Item 3 zurückspringen,
sonst zu Items 13|14 vorspringen
 wenn auch Item 3 nicht gelöst  Hilfe, dann Item 4
 wenn 3 gelöst  Item 6.
 Auswertungsparameter:
 Anzahl der Hilfen
 Gesamtzahl der bearbeiteten Aufgaben
 Schrittzahl = Summe aller Aufgaben und Hilfen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias




53
Gesamtzeit
 bis  für die einzelnen Testkomplexe
alle Eingaben in ihrem Kontext
Latenzzeiten für die einzelnen Lösungsversuche
 Untertest ADAFI, Beispiel für Verlaufstypen (VT) bei diesem:
Anzahl
der
Hilfen
[oder?]




 bleiben schlecht...
 werden nach Hilfen besser (interessant!)
 sind und bleiben gut...
Komplexitätsbereich





I
II
III
d) Einige Hauptbefunde der Lerntestforschung
 Lerntestergebnisse liefern zusätzliche diagnostische Informationen (in Bezug auf
Ergebnisse in Intelligenzstatustests).
 es gibt aber trotzdem Korrelationen zwischen Status- und Lerntests
 Das Posttestergebnis in Langzeitlerntests korreliert höher mit dem Außenkriterium als der
Prätest.
 Außenkriterium: z. B. Lehrereinschätzung oder Schulnoten
 exemplarisch: Vergleich CPM (RAVEN) mit RKL (RAVEN-Kurzzeit-Lerntest):
 in Gesamtpopulation keine Unterschiede, aber in bestimmten Teilpopulationen
korreliert RKL viel höher mit Lehrereinschätzung und Noten
 aber: geeignete Validierung?
 fraglich, denn sind z. B. Schulnoten zuverlässig?
 Guthke: «Vergleich mit Lehrereinschätzung ist wie, wenn man Fieberthermometer
am Urteil der Mutter misst, ob Kind Fieber hat...»
 GUTHKE, BECKMANN und DOBAT (1991):
 Unterscheidung: rein empirische Kriteriumsvalidierung vs. Versuche der
Konstruktvalidierung
 rein empirische Kriteriumsvalidierung:
 konkurrente und prognostische Validierung an fragwürdigen Außenkriterien, z. B.
Schulnoten, Lehrerurteile etc.
 Versuche der Konstruktvalidierung (Möglichkeiten):
 Erhebung dynamischer Außenkriterien, z. B. Trends in Schulleistungstets über
mehrere Messzeitpunkte hinweg
 Modellüberprüfung durch faktorielle Validierung (RITTNER 1999)
 Inbeziehungsetzen von Lern- und Statusergebnissen mit Testangst, Neurotizismus,
häuslicher Förderung etc.
 experimentelle Validierung – Vorhersage zukünftiger Lernleistungen in
kontrollierten Lernversuchen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
54
 2 Dissertationen dazu: BECKMANN (1993), DOBAT (1999)  beide: höhere
Korrelation mit Lern- als mit Statustests
 BECKMANN (1993): Wissensaneignung in komplexen Situationen (Anlehnung
an DÖRNER)
 Zusammenhangsstruktur des Systems MASCHINE:
Regler 1
+
Instrument A
+ +
Regler 2
Regler 3
Instrument B
–
–
Instrument C
–
(Diagramm wurde aber Kindern nicht gezeigt...)
 Ergebnisse: Nullkorrelation mit Statustests, hochsignifikant mit Lerntest
 DOBAT (1999): praxisnäher als BECKMANN: Gelingt es Lerntests, auch
schulische Lernerfolge vorherzusagen?
 Prädiktoren: Lerntests, Statustests und Vorwissenstests
 Kriterium: Lernleistungen in den curriculumsbezogenen Aufgaben
 z. B. Computersimulation «Hunger in Nordafrika» u. ä.
 Variablen:
 Mathenote
 Deutschnote
 Richtig-Antworten in Kombinatorikprogramm
 Prätest und Postest «Hunger in Nordafrika» (beides Wissenstests)
 Ergebnisse:
 Statustest: Nullkorrelation, Lerntest: signifikante Korrelationen
 Zensuren: keine Signifikanz
 Statustest + Lerntest zusammen: 42% Varianzaufklärung
 nur Statustest: 0,14%
 nur Lerntest: 14,4%
 Vorwissen: 6,3%
 Lerntests haben eine höhere faktorielle Validität als deren Statustest-Pendants
 Lerntests sind weniger sensitiv bezüglich (Lern- bzw. sozialen) Umweltfaktoren
 GUTHKE, 70-er Jahre:
 Schulleistungstest Mathe: Durchschnitt zwischen Parallelklassen
unterschiedlich
 Statustest: Durchschnittsunterschiede kleiner
 Lerntest: Durchschnittsunterschiede am kleinsten
sehr
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
55
 CARLSON & WIEDL (1980):
Statustest
Schwarz
e
Mexikan
er
Weiße
Schwarz
e
Mexikan
er
X
Weiße
X
Lerntest
 Lerntest fairer
 Lerntests differenzieren weniger stark zwischen Schulklassen derselben Jahrgangsstufe
als tradierte Intelligenztests (s. o.)
 Lerntests korrelieren hoch mit Ergebnissen in experimentell kontrollierten Lernversuchen
 vgl. BECKMANN bzw. DONAT (s. o.)
 Lerntests haben größere Beziehungen zu Kreativitätstests und zum Erkenntnisstreben
 überraschend: kreative Schüler haben Vorteile
 Lerntests reduzieren nicht-intellektuelle Einflüsse auf die Testleistung (z. B.
Neurotizismus)
 v. a. Langzeitlerntests (bei Kurzzeitlerntests könnten neurotische Probanden durch
Falsch-Rückantwort verunsichert werden)
4. Mai 2000
e) Anwendungsbereiche des Lerntestkonzepts
Anwendungsfelder / Fragestellungen der «Dynamischen Testdiagnostik»
 Lit.: GUTHKE & WIEDL (1996)
 Intelligenzdiagnostik im Kindes- und Jugendalter, insbesondere für «Unterpriviligierte»,
ethnische Minoritäten, Kinder mit besonderem Förderbedarf
 z. B. BUDOFF, FEUERSTEIN, GUTHKE, HAMERS, KALMYKOWA, LJUBOWSKI, CARLSON &
WIEDL, HAYWOOD & TZURIEL, WINGENFELD, CAMPIONE & BROWN, LIDZ
 Idee: WYGOTSKI  beobachtete, dass Kinder in einigen Sowjetrepubliken deutlich
niedrigeren IQ hatten
 V. BUDOFF: Lerntest bei Slumkindern, Schwarzen (USA)
 FEUERSTEIN (Israel): äthiopische Juden (Einwanderer in Israel) hatten sehr schlechte
IQ-Leistungen  Lerntests  Leistungen deutlich besser
 Abschätzung der «Reserven» bzw. Plastizität der «gesunden Altersintelligenz» durch
lerntestartige Prozeduren
 z. B. P. BALTES & KLIEGL
 Altersdefizite z. T. durch Trainings kompensierbar – herausgefunden durch Lerntests
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias








56
 aber: nicht so bei Alzheimer  Lerntests zur Früherkennung von Alzheimer (z. B.
REISCHIES & LINDENBERGER 1996)
Curriculumbezogene Lerntests – auch im Rahmen der sog. Förderdiagnostik – für
Bildungswegentscheidungen und zu Interventionsoptimierungen
 Z. B. HAMERS, KORMANN, PROBST, RÜDIGER, SCHOLZ, GEBSER, WINKLER, MÜLLER
 v. a. in Niederlanden in Schulen eingesetzt
Diagnostik des «Rehabilitationspotenzials» in der Neuropsychologie, vor allem bei
«Hirnorganikern» und Schizophrenen
 z. B. CICERONE & TUPPER, ADLER & GUTHKE, KÜHL & BALTES, WIEDL, SCHÖTTKE
 relativ neuer Ansatz, aber schon von WOLFRAM zu DDR-Zeiten propagiert
 Lerngewinne: Hirnorganiker << Neurotiker  Gesunde
 wichtig bei Rentenanforderungen  wenn kein Potenzial: Reha sinnlos
Klinisch orientierte Lerntests für Differentialdiagnostik im Erwachsenenbereich (z. B.
neurotisches vs. hirnorganisch bedingtes Leistungsversagen)
 z. B. ROETHER, WOLFRAM, GÜNTHER
Trainability-Tests und Lern-Assessment Centers für die Berufseignungsdiagnostik
 z. B. ROBERTSON, DOWNS, SARGES, OBERMANN, WOTTAWA
«Experimentelle Psychodiagnostik» durch systematische Variation der Instruktions-,
Aufgaben- bzw. allgemeinen Testbedingungen in Leistungstests
 z. B. BERG & SCHAARSCHMIDT, KORNMANN, LAUTH & WIEDL, KRYSPIN-EXNER,
MÖBUS & WALLASCH
 Fragstellungen z. B.: Wie werden Testleistungen unter Lärm verändert? Sind manche
Störungen nicht erst unter Belastung erkennbar?
Messwiederholungen und Variation der Applikation von Fragebogentests, z. B.
Standardinstruktion vs. Maximalinstruktion
 z. B. FISKE & BUTLER, EPSTEIN, PAULHUS & MARTIN, RIEMANN
 Instruktionen z. B.: «Wie verhalten Sie sich normalerweise im Straßenverkehr?» vs.
«Wie könnten Sie sich in Extremsituationen verhalten?» (Maximalinstruktion)
«Soziale Lerntests», z. B. für Untersuchung verhaltensgestörter Kinder und zur TherapieIndikation
 z. B. GÖTH, ZIMMERMANN
 «Probesitzungen» vor Therapie, in denen herausgefunden werden soll, ob eine
Therapie sinnvoll wäre, z. B. experimentelle Spiele, danach wird Kindern beigebracht,
dass es besser ist, kooperativ zu spielen; Zeit wird ermittelt, in der sie das lernen
«Progressive Learning Interview» (LUBBERS, Australien) für eine «dynamische
Einstellungsmessung», z. B. zum umweltbewussten Verhalten
Definitionsversuch «Dynamische Testdiagnostik»
«Dynamische Testdiagnostik» ist ein Sammelbegriff für testdiagnostische Ansätze – z. B.
Testing the Limits, Learning Potential Assessment, Interactive, Dynamic Assessment,
Lerntestkonzept, «reine» Testwiederholung bzw. unter systematischer Variation
(«experimentelle Psychodiagnostik»), Belastungsdiagnostik – , die über die gezielte
Evozierung und Erfassung der intraindividuellen Variabilität im Testprozess entweder auf
eine validere Erfassung des aktuellen Standes eines psychischen Merkmals und/oder von
dessen Veränderbarkeit abzielen.
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
6.
57
Spezifische Fähigkeits- und Eignungstests
Psychologischen Berufseignungsdiagnostik
 2 Bereiche:  Berufsberatung
Neuropsychologische Diagnostik
/
betriebliche
und
Probleme
Berufseignungsdiagnostik,
der

Geschichte:
 20-er Jahre: Psychotechnik – v. a. Eignung für technische Berufe, z. B. Handruhe,
Geschicklichkeit
 Arbeitsproben beobachtet (heute: «working samples»), d. h. eine gegebene Aufgabe
musste unter Beobachtung ausgeführt werden (aber: keine Standardisierung)
 Neuropsychologie: Allgemeiner IQ uninteressant, aber spezifische wichtig, da so Ausfälle
nachgewiesen werden können
 Lit.: BRONNBERG [habe ich vom Hören
Enzyklopädie der Psychologie, 1983
mitgeschrieben – garantiere nicht für die Schreibweise, T. E.],
Bereiche
 Tests zur Prüfung sensorischer Funktionen
 GALTON: mental tasks
 Hörschwelle, Farbtafeln
 Gesichtsfeldprüfung mit Perimeter
 mit psychologischem Training Erblindung verhinderbar (!)
 Tests für Neglect-Phänomene, z. B.:
 M. FELS, E. GEISSNER: NET (Verfahren zur Feststellung visueller NeglectPhänomene):
 Bilder werden gezeigt, Pt. muss alles beschreiben, was er sieht  neglect-Ptn.
lassen Details weg
 Liniendurchstreichtest
 Linien halbieren
 BENDER-Test: Figuren (einfache geometrische) abmalen; danach möglich: Posttest:
Abmalen auf schraffiertem Papier (WALLASCH: «Hintergrundinterferenzverfahren»)
 Ptn. mit Hirnschäden haben Probleme mit Figur-Grund-Trennung
 Tests zur Prüfung motorischer Funktionen
 Fein- oder Grobmotorik; Motorik spezieller Gliedmaßen etc.
 wichtig: Feststellung motorischer Entwicklung bei Kindern (klassisch: OSERETZKY;
LINCOLN-Skala; Rostocker OSERETZKY-Skala), z. B. auf einem Bein stehen, auf
Brettern balancieren etc.
 Motorik-Alter: wie Intelligenzalter berechnet; interessant: (IA – MA) groß bei
Kindern mit frühkindlichen Hirnschäden Motorik betreffend
 20-er Jahre: «Dynamometer»: Feder zusammendrücken, um Kraft zu messen (aber:
gemessen Motivierbarkeit)
(a) Präzision einfacher Bewegung (z. B. für Mikrochip-Herstellung)
 Frauen besser als Männer (sogar bei Schimpansen!)
 Tremometer: mit Metallstift muss ausgestanzte Linie nachgefahren werden, ohne
die Wände zu berühren
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
58
(b) Trekking: auf Monitor Kontur gezeigt, muss z. B. mit Hebeln nachgefahren werden (z.
B. Überprüfung von Kranführern)
(c) Geschwindigkeit fortlaufender Bewegung (psychisches Tempo eines Menschen)
 «Tippe so schnell wie möglich!» (Tapping-Test)
 oder: so schnell wie möglich Punkte in Kästchen einzeichnen
(d) Geschicklichkeit bei Ausführung von Arbeitsproben
 Drahtbiegeprobe von LIENERT (1967)  handwerkliche Geschicklichkeit
(e) Prüfung der Reaktionszeit
 heute am PC
 Prüfung des technischen Verständnisses bzw. der praktischen Intelligenz
 2 Ansätze:
  praktische Aufgaben (Pbn. müssen etwas herstellen), z. B. Figurenlegetest nach
LIENERT oder Marburger Formlegespiel
  gezeichnete technische Sachverhalte müssen beurteilt werden, z. B.
Mechanisch-Technischer Verständnistest («Welche Zahnräder drehen sich in
dieselbe Richtung?») oder Mannheimer Test zur Erfassung des physikalischtechnischen Verständnisses (CONRAD, BAUMANN & MOHR 1980)
8. Mai 2000
 Gedächtnistests
 problematisch, da Gedächtnis nicht homogen, sondern aus verschiedenen Facetten
bestehend (die kaum korrelieren)
 Facetten sind vor allem:
 Inhaltsperspektive: figural, numerisch, verbal
 oder:
Zeitperspektive:
Kurzzeitgedächtnis,
mittelfristiges
Gedächtnis,
Langzeitgedächtnis
 oder: Abruf- bzw. Prüfmethode: Wiedererkennung, free recall
 oder: Technik des Einprägens
 Gedächtnistests stark abhängig von momentaner Konstitution  geringere Reliabilität
und Interkorrelation als Intelligenztests
Tests:
(a) Lern- und Gedächtnistest LGT (Form 3) (BÄUMLER)
 verbal, numerisch, figural
 Bsp.: Weg auf einem Stadtplan merken, Gegenstände wiedererkennen,
Firmenzeichen merken; oder: türkische Vokabeln lernen, Telefonnummern etc.
 T-Werte (x = 50, s = 10)
 Gesamt-IQ bestimmbar, außerdem figurales und verbales Gedächtnis einzeln
 16 – 35 Jahre, aber mindestens 10. Klasse Schulabschluss
 v. a. im Öffentlichen Dienst bei Auswahl und Eignung eingesetzt, aber auch in
Kliniken
(b) Berliner Amnesie Test BAT (METZLER & VOSHAGE)
 in Klinik, meist nach Alkoholismus
 Feststellung von Korsakoff
(c) Verbaler Lerntest VLT, Nonverbaler Lerntest NVL (STURM & WILLMES 1999)
 Neuropsychologie, v. a. Langzeitgedächtnis
 v. a. unilaterale Schädigungen im Thalamus feststellbar
 Testkarten mit Kunstworten («eigsam», «Klaver»), dabei Kunstworte mit und ohne
Assoziationsmöglichkeit zu deutschen Wörtern  verbal
 160 Items, 64 wiederholen sich im Abstand von 13 Karten
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
59
 Aufgabe: Wörter wiedererkennen
 nonverbal: das Gleiche mit Figuren (chaotisch vs. wohlgeformt)
 20 – 76 Jahre, bildungsabhängige Normwerte
 keine Geschlechtsdifferenzen
(d) Wechsler Memory Scale WMSR (bisher nur englisch, 1987 revidiert)
 delayed recall (also zwischen lernen und abfragen andere Aufgabe)
(e) Vierfeldertest (SÜLLWOLD)
 keine intellektuelle Anforderung, aber sehr schwierig
 Gedächtnis unter Störbedingungen
Verhältnis
:
und
Beispiele:
+
(1 : 0, 0 : 1)
+
:
muss gemerkt werden
(1 : 1, 1 : 1) (mit oben; wird zusammengerechnet)
 nach 7 solchen Blöcken getestet (muss also bis dahin behalten werden)
 working memory
(f) Test für medizinische Studiengänge TMS (heute in der Schweiz), Untertest Figuren
merken
 Messung des räumlichen Vorstellenkönnens
 gilt als unabhängig von allgemeiner Intelligenz; hohe genetische Disposition
 geschlechtsspezifische Besonderheiten in der Fähigkeit des räumlichen
Vorstellenkönnens – Männer können es besser:
Frauen
Männer
(aber: Untergruppe von
Frauen genauso gut wie
Männer)
 keine homogene Fähigkeit, sondern 3 Facetten:
(a) Veranschaulichung (gedankliche Vorstellung von räumlichen Bewegungen;
Verschiebung, Faltung von Objekten)
Beispiele:
 «form boards» (WERDELIN 1961)  Einzelformen zu Figuren zusammensetzen
(mental)
 Untertest v. AMTHAUER
 Formlegetest (LIENERT)
(b) räumliche Beziehungen (spatial relations)
 räumliche Konfiguration von Objekten und ihren Teilen
 Objekt muss aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden (3D)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
60
Beispiele:
 Würfel aus AMTHAUER
 GITTLER 3D (auch Würfel, aber schwerer; beruht auf probabilistischer Testtheorie)
 «Einsteckprobe»
 Mosaiktest aus HAWIE
 Schlauchfiguren aus TMS
 SHEPARD & METZLER (1971)
 versteckte Figuren finden
(c) räumliche Orientierung
 richtige Einordnung der eigenen Person in räumlicher Situation
 Fähigkeit, sich real und mental im Raum zurechtzufinden
Beispiel:
 DELANGE (1984): «Serial orientation» – «Church, Mill, Tower» (man fährt mental
mit einem Schiff die Küste entlang)
 künstlerische Fähigkeiten
(a) Musik
 SEASHORE [?]
 WING: Analyse von Tonhöhen, Akkorden, Einschätzung von Harmonien
(b) schauspielerische Begabung
schwierig zu operationalisieren
(c) Grafik etc.
11. Mai 2000
Psychologische Berufseignungsdiagnostik
 Sektor nimmt in Psychologie dramatisch zu – WOTTAWA: ca. 30 000 DM Ersparnis pro
Arbeitnehmer durch Eignungsdiagnostik
Hauptzielstellung der psychologischen Berufseignungsdiagnostik:
«Vergleich zwischen Personen und Tätigkeiten zur Optimierung der Zuordnung von
Tätigkeiten und Personen im Interesse der Zufriedenheit und Gesundheit der Betroffenen
und der Organisation (d. h. höherer Profit, aber auch Zufriedenheit der Belegschaft, die
unter Ungeeigneten ebenso leidet).»
Tätigkeit
Person
Anforderungen
Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse
Befriedigungspotenzial
Interessen, Bedürfnisse und Werthaltungen
Veränderung
Entwicklungspotenzial
und
erfolgsrelevante Merkmale
allgemein
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
61
Hauptprobleme der psychologischen Berufseignungsdiagnostik:
 Sicherheit von Prognosen
 Problem von Konstanz und Variabilität von Personeneigenschaften:
 Kann man bei Berufsbeginn schon relativ zuverlässig aus den vorhandenen
Personeneigenschaften auf deren weitere Entwicklung im Beruf schließen?
 Die Konstanz im höheren Alter ist größer als in jüngeren Jahren. Sie ist auch
abhängig von Personenmerkmalen (z. B. Extraversion, Flexibilität, Intelligenz,
Interessen und spezifischen Kenntnissen).
 Extraversion und Intelligenz relativ stabil, aber nicht Interessen und spezifische
Kenntnisse.
 Anforderungsanalysen
 Exakte Anforderungsanalysen als Grundlage für Diagnoseinstrumente liegen oft nicht
vor.
 Veränderungen in der Berufswelt bringen neue Probleme bei der Anforderungsanalyse
der darauf aufbauenden Diagnostik mit sich.
 Bewährungskriterien
 Es gibt große Probleme bei der Auswahl der geeigneten Bewährungskriterien
(Ausbildungserfolg vs. Berufserfolg, Leistung, Zufriedenheit im Beruf,
Vorgesetztenurteil, Einkommen, Fluktuation).
 Verzerrungen und Verfälschungen
 In allen transparenten Diagnoseverfahren (Interview, Fragebogen, Interessentest usw.)
besteht die Gefahr, dass Prüfungsangst, spezifische Vorerfahrungen und Testtraining
mehr die Ergebnisse bestimmen als die eigentlich zu testenden
«Entwicklungspotenziale».
 Gültigkeit
 Das bei Bewerbern und Diagnostikern am meisten geschätzte Interview hat die
niedrigsten Gültigkeitskoeffizienten und ist hochgradig subjektiv in Durchführung und
Auswertung.
Haupterkenntnisse der psychologischen Berufseignungsdiagnostik:
 Die Wahl des Berufes und der Organisation (Betrieb) erfolgt nicht zufällig, sondern oft
vom Persönlichkeitstyp her.
Typen der Orientierung nach HOLLAND (1966):
(a) Realistische Orientierung
Personen dieses Typus
 sind «männlich», aktiv und aggressiv,
 sind an physischer Aktivität interessiert und motorisch befähigt,
 haben eher konventionelle Werthaltunge – sowohl im politischen wie im
ökonomischen Bereich,
 tendieren bei der Berufswahl zu handwerklichen und technischen sowie zu
land- und forstwirtschaftlichen Berufen.
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
62
(b) Intellektuelle Orientierung
Personen dieses Typus
 sind aufgabenorientiert und in gewissem Sinne «asozial»,
 trachten danach, Probleme intellektuell zu bewältigen, durch «Manipulation
von Ideen, Worten und Symbolen», nicht dagegen durch physische oder
soziale Aktivität,
 haben starkes Bedürfnis, Zusammenhänge zu verstehen,
 besitzen eher unkonventionelle Wertvorstellungen und Einstellungen,
 wählen eher naturwissenschaftliche und mathematische Berufe.
(c) Soziale Orientierung
Personen dieses Typus
 sind sozial orientiert und von sozialer Verantwortung erfüllt,
 haben ein starkes Bedürfnis nach Beachtung und sozialer Interaktion,
 verfügen über gute verbale und soziale Fähigkeiten,
 tendieren dazu, Probleme eher emotional und durch soziale Aktivität zu
bewältigen als intellektuell,
 wählen pädagogische und sonderpädagogische Berufe oder sind Sozialarbeiter,
klinischer Psychologe oder Berufsberater.
(d) Konventionelle Orientierung
Personen dieses Typus
 bevorzugen weitgehend strukturierte verbale und numerische Aktivitäten und
Untergebenenrollen,
 sind konformistisch eingestellt und vermeiden unklare Situationen sowie
Probleme, die soziale Aktivität oder ausgeprägte physische Fähigkeiten
erfordern,
 identifizieren sich mit Machtpositionen und schätzen materiellen Besitz und
Status,
 wählen Berufe wie Buchhalter, Rechnungsprüfer, Bankangestellter, EDVOperator und Statistiker.
(e) Unternehmerische Orientierung
Personen dieses Typus
 verstehen sich als starke, männliche Führungspersönlichkeiten,
 besitzen ausgeprägte verbale Fertigkeiten und fühlen sich wohl, wenn sie
anderen etwas verkaufen können,
 vermeiden jedoch klar definierte verbale Situationen sowie Aufgaben, die
einen längeren angestrengten intellektuellen Einsatz erfordern,
 wählen
Berufe
wie
Hotelier,
Unternehmer,
Industrieberater,
Immobilienhändler, Wahlkampfmanager, Versicherungsvertreter etc.
(f) Künstlerische Orientierung
Personen dieses Typus
 ähneln denjenigen des intellektuellen Typus hinsichtlich ihrer «asozialen»
Ausrichtung, unterscheiden sich jedoch von diesen durch ihr Bedürfnis nach
Selbst-Ausdruck mit Hilfe künstlerischer Medien,
 meiden hochgradig strukturierte Probleme und Aufgaben, die grobmotorische
Fertigkeiten erfordern,
 haben eine geringe Ich-Stärke, sind eher feminin und leiden häufiger unter
emotionalen Störungen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
63
 wählen vor allem künstlerische oder mit dem Kultur- und Kunstleben befasste
Berufe.
 dazu: BERGMANN, C. & EDER, F. (1992): Allgemeiner Interessen-Strukturtest
(AIST), Beltz
 Lit.: H. SCHULER (1996): «Psychologische Personalauswahl»
 Typischerweise liegen prognostische Gültigkeitskoeffizienten für die Korrelation von
Tests etc. mit Kriterien um .30 und lassen damit eine deutlich bessere Prognose
gegenüber dem Zufall zu.
 cut-off-Wert: Wert in einer Verteilung, ab dem ein Proband einen kritischen Wert
innerhalb eines Merkmals erreicht
 bei vielen Bewerbern: cut-off-Wert hoch angesetzt, bei wenigen Bewerben niedrig
  Tests nur bei vielen Bewerbern («Selektionsquote») sinnvoll.
 Basisrate: hier: Wieviel Geeignete gibt es für den Beruf in der Population überhaupt?
 Tests nur bei niedriger Basisrate sinnvoll (s. o.)
 Diplomarbeit zur Gültigkeit von Tests von ECKERT (Gießen), 1990 – Unternehmen:
Deutsche Bahn
 fast überall Nullkorrelationen (!)
 HOSSIEP (1992), Deutsche Bank  Tests deutlich besser (Azubis getestet, verglichen
mit Berufserfolg)
 Der Ausbildungserfolg lässt sich meist besser vorhersagen als der (komplexer bedingte)
Berufserfolg.
 Für die Prognose des Ausbildungserfolges sind die Zensuren und die Intelligenz- bzw.
Leistungstests die besten Prädiktoren – am günstigsten ist allerdings deren Kombination
(z. B. TMS-Ergebnisse zu Vorhersage des Studienerfolgs).
 USA: HUNTER, D: SCHMIDT-ATZERT: Metaanalysen
 Ausbildungserfolg am besten vorhergesagt durch Allgemeine Intelligenztests (!)
(keine spezifischen Tests)
 Je komplexer und intelligenzintensiver die Berufsanforderungen und je heterogener die
Bewerberpopulation, desto höher ist die Aussagekraft von Intelligenztests.
 Psychomotorik- und Persönlichkeitstests spielen nur eine geringe Rolle. Letztere sind
allerdings von größerer Bedeutung, wenn weniger die Leistung als das Verhalten
verhergesagt werden soll (z. B. bei Verkäufern, siehe auch neue Erfahrungen mit dem
NOE-FFI).
 ATKINSON: Berufserfolg abhängig zu:
 25% von Fähigkeiten, 50% von Motivation, 25% Abschaltung störender
Motivation (z. B. Hobbies)
 Unterkonstrukte (z. B. Dominanz, Kontaktfreudigkeit, Selbstbewusstsein, internale
Kontrollüberzeugung) sind bedeutsamer als globale Persönlichkeitseigenschaften (z. B.
Big Five). Für diese Aussage sprechen auch neuere Erkenntnisse über die Rolle der sog.
emotionalen Intelligenz.
 vgl. auch STERNBERGs Erfolgsintelligenz, VL Differentielle Psychologie
 Es lassen sich allgemein Auswahlverfahren mit höherer und geringerer prognostischer
Validität unterscheiden.
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
64
 SCHULER (1993): Wie beliebt sind Auswahlverfahren bei Bewerbern?
 Plätze:
1. Einstellungsgespräch
2. Arbeitsprobe
3. Schnupperlehre
4. Zeugnisnoten
5. Fähigkeitstests
6. Lebenslauf
7. Handschriftsanalyse
8. Losverfahren
 Bevorzugt wird 1. eigenständige Verhaltenskontrolle, 2. Orientierung auf die
zukünftige (nicht die vorangegangene) Leistung, 3. Informationsgewinn über Details des
Jobs.
Demgegenüber: Validität von Auswahlverfahren:
 eher gering: Bewerbungsunterlagen, Schulnoten
 höher: Assessment Centers, kognitive Fähigkeitstests
Hauptverfahren der psychologischen Berufseignungsdiagnostik
 Unterscheidung zwischen eigenschaftstheoretischer Erfassungsweise (z. B. räumliche
Vorstellungsfähigkeit im Test) und simulationsorientierter Vorgehenswei, wo komplexe
berifliche Anforderungen im Vordergrund stehen (z. B. Arbeitsprobe, Assessment Center,
Interview).
 Auwertung der Berbungsunterlagen
 hier wird vom ersten Eindruck ausgegangen, formale Dinge stehen manchmal mehr im
Vordergrund als Qualifikationsmerkmale
 Untersuchung in Australien: Fotos von Bewerbern mit Glatze und den gleichen
Bewerbern ohne Glatze gezeigt  Bewerber mit Glatze hatten schlechtere Karten
 Auswahlgespräche
 Personalfragebögen
 Biografische Fragebögen
 Testverfahren
 Assessment Center und Arbeitsproben
 inclusive Computergestützter Szenarien, z. B. Postkorbübung
 Ausdrucksdeutungen
 spielen zwar für den ersten Eindruck eine große Rolle (z. B. Einschätzung von
Introversion, Gewissenhaftigkeit oder verbaler Intelligenz), werden aber
wissenschaftlich kaum beachtet
 Kenntnisse
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
65
 werden nur indirekt (über Zensuren, Fragen im Interview etc.) erhoben, aber nicht
durch standardisierte Tests, obwohl Vorgesetzte ihre Einschätzung vor allem auf den
Kenntnissen im Beruf aufbauen
15. Mai 2000
Berufseignungstestbatterien:
 DORSCH & GIESE, 20-er Jahre
 im Rahmen der Psychotechnik
 Frage: Mehr technisch oder mehr kaufmännisch befähigt?
 Berufseignungstestbatterie (BET), SCHMALE & SCHMIDTKE (1967)
 8 schriftliche Tests und 4 Manipulationstests (Unterlegscheiben etc.)
 auch kaufmännische vs. technische Befähigung erhoben
 Allgemeiner Büro-Arbeitstest, LIENERT & SCHULER (1994)
 Routinetätigkeiten im Büro, Rechtschreibung, Rechnen
 Eignungstestserie 93 (Arbeitsamtinternes Verfahren)
 Intelligenz (Reasoning-Analogien, Figurenfolgen, Zahlenfolgen)
 auch Rechtschreibung und Rechnen
 heute auch computergestützt
 Firma: Intelligenz-System-Transfer  Verfahren POKO (nicht veröffentlicht)
 fluide und kristalline Intelligenz
 Flexibilität
 Tenazität in Verfolgung von Zielen
 Leistungsmotivation
 Stressstabilität
 soziale Kompetenz
 Durchsetzungsfähigkeit
 Lernfähigkeit für neue Qualifizierungsinhalte
Haupttrends der gegenwärtigen psychologischen Berufseignungsdiagnostik
 Anforderungsmerkmale
 Betonung der allgemeinen Anforderungsmerkmale «Vernetztheit des Denkens»,
«Flexibilität» und «Lernfähigkeit»
 zunehmende Rolle der «emotionalen Intelligenz» in Service-Berufen, sowie
organisatorischer
Fähigkeiten
und
«Vigilanz»
(Daueraufmerksamkeitbei
Überwachungstätigkeiten) in technischen Berufen
 Arbeitsproben
 im Rahmen von Assessment Centers immer größere Bedeutung
 verschiedene Verhaltensmerkmale wie «Teamfähigkeit», «Belastbarkeit» etc. geprüft
 i. d. R. mehrere Urteiler und Bewerber im AC (Verhältnis ca. 1 : 2)
 auch kognitive Arbeitsproben (z. B. rev. Büro-Arbeitstest nach LIENERT & SCHULER,
1994)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
66
 auch computergestützte komplexe Problemstellungen (z. B. «Tailorshop», «Airport»,
«Postkorb»)
Ergänzung (aus dem Seminar Assessment Centers – hat Guthke so nicht gebracht):
Die Postkorbübung:
1. Umlauf für die Geschäftsleitung zu aktuellen
betriebswirtschaftlichen Zahlen mit Hinweis
auf Verschlechterung
2. Mitarbeiter A lässt erkennen, dass zu
Mitarbeiter
B
Kommunikationsprobleme
bestehen
3. Zwei
Investitionsalternativen
werden
vorgeschlagen; nach Berechnung ist eine
davon kostengünstiger
4. Störung wichtiger Fertigungslinie tritt auf




5. Messebericht mit Hinweisen auf technische
Entwicklungen, die in eigener Firma nicht
berücksichtigt werden
6. Mitarbeiter C soll zum Stellvertreter ernannt
werden, Andeutungen jedoch, dass er keine
Akzeptanz hat
7. Schreiben
von
Mitarbeiter
mit
Bitte
«gelegentlich darum kümmern», ist inhaltlich
jedoch sehr wichtig



In hohem Maße delegieren
Sensibilität für
zwischenmenschliche Konflikte
Ausgeprägte Kostenorientierung
Hohe Entscheidungsorientierung,
mit Druck umsetzen können
Wahrnehmungsfähigkeit für
schwache wirtschaftliche Signale
 Bewerber wird vor einen Korb voller Post an einen Schreibtisch gesetzt und muss auf
die einzelnen Aufträge reagieren, d. h. angeben, was er in welcher Reihenfolge wie
erledigen würde
 zuvor werden Bewältigungsstrategien für die Aufgaben erhoben
 im Beispiel: fünf Bewältigungsstrategien (Tabellenkopf), für jede davon 3
Postkorbvorgänge (nach OBERMANN, 1992):
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
67
8. Es treten plötzlich teure Qualitätsprobleme
auf,
jetzt
jedoch
andere,
eigentlich
unwichtige Termine
9. Mitarbeiter versucht «Rückdelegation»


10. Vermehrte Kündigungen in einer bestimmten
Abteilung, Hinweise auf Unzufriedenheit von
Mitarbeitern
11. Sehr teure Investition mit unsicherem Nutzen
wird von Mitarbeiter dringend empfohlen


12. Wird
mit
Bitte
um
Problemlösung
angesprochen,
ist
eigentlich
Verantwortungsbereich von Mitarbeiter
13. Mitarbeiter bittet um Entscheidung, die er
auch selber treffen könnte
14. Vergleichskennzahlen
von
IHK
zu
Kostenentwicklung
weisen
auf
eigene
Schwächen hin
15. Schreiben von Mitarbeiter mit indirektem
Hinweis, dass wichtiger Prototyp nicht
termingerecht fertig wird




(Ende der Ergänzung)
 Arbeitsproben und kognitive Leistungstests weisen zwar hohe Prognosekoeffizienten
auf – im AC entscheiden aber vor allem Intelligenz, Leistungsmotivation, Dominanz
und Selbstvertrauen über das Abschneiden
 Standardisierung der Interviews
 v. a. 2 Aspekte:
 Biografische Fragebögen
 Multimodales Interview nach SCHULER, 1992, 1996
 SCHULER: standardisiertes Interview hat mindestens Qualität eines Tests (!)
  schlägt Maßnahmen zur methodischen Verbesserung des Interviews vor, z.
B. Verwendung von Skalen
 wenn Interview wenig standardisiert, dann zusätzliche Beurteiler
empfehlenswert
Aufbau des Multimodalen Einstellungsinterviews (SCHULER, 1992)
(a) Gesprächsbeginn
 kurze informelle Unterhaltung
 Bemühen um allgemeine und offene Atmosphäre
 Skizzierung des Verfahrensablaufs
 keine Beurteilung
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
68
(b) Selbstvorstellung des Bewerbers
 Bewerber sprechen einige Minuten über ihren persönlichen und beruflichen
Hintergrund
 Beurteilung nach anforderungsbezogenen Dimensionen auf einer
dreistufigen Skala
(c) Berufsorientierung und Organisationswahl
 standardisierte Fragen zu Berufswahl, Berufsinteressen, Organisationswahl
und Bewerbung
 Antwortbeurteilung auf dreistufigen beispielverankerten Skalen
(d) Freies Gespräch
 offene
Fragen
in
Anknüpfung
an
Selbstvorstellung
und
Bewerbungsunterlagen
 Summarische Eindrucksbeurteilung
(e) Biografiebezogene Fragen
 biografische
(oder
«Erfahrungs-»)
Fragen
werden
aus
Anforderungsanalysen abgeleitet oder anforderungsbezogen aus
biografischen Fragebögen übernommen
 bezogen auf Vergangenheit, aber immer auf tatsächliches Verhalten
 immer konkret, alles muss nachprüfbar sein, faktisch (nicht interpretativ)
 Bsp.: «Wann haben Sie sich das letzte Mal gefreut, dass sie Ihren Einfluss
geltend machen konnten?», «In welchem Fall haben Sie einen Kollegen bei
der Lösung eines Problems unterstützt?»
 Antworten an Hand einer dreistufigen (einfache Fragen) bzw. fünfstufigen
(komplexe Fragen) verhaltensverankerten Skala beurteilt
(f) Realistische Tätigkeitsinformation
 ausgewogene Information seitens des Interviewers über Arbeitsplatz und
Unternehmen
 Überleitung zu situativen Fragen
(g) Situative Fragen
 auf critical incident-Basis konstruiert
 Antworten auf fünfstufigen Verhaltensskalen beurteilt
(h) Gesprächsabschluss
 Fragen des Bewerbers
 Zusammenfassung
 weitere Vereinbarungen
 Lerntests
 stärkere Beachtung des Entwicklungs- und Lernpotenzials (Trainability-Concept,
Lern-AC)
 Computergestützte Diagnostik
 Vorteile sowohl für das Test- als auch für das Arbeitsprobenparadigma
 Erhöhung der ökologischen Validität durch multimediale Darbietung
Vorteile computergestützter Eignungsdiagnostik
(a) volle Standardisierung der Durchführung und Auswertung sowie Kontrolle der
Zeitvorgabe für Items und Verfahrensstile
(b) Möglichkeit zur Registrierung von Zusatzdaten wie Latenzzeiten, Fehlerreaktionen
und Korrekturen, allerdings z. T. mit Problemen bei der Validierung und
Interpretation
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
69
(c) Rationalisierung
bei
Durchführung
und
Auswertung,
schnellere
Ergebnisverfügbarkeit, Einsparung seperater Dateneingaben für spätere Analysen
(d) erhöhte Schutzmöglichkeiten gegen unzulässige Verbreitung des Verfahrens
(Kopierschutz)
(e) Akzeptanz computergestützter Verfahren bisher meist höher als die verbleichbarer
Papier-Bleistift-Verfahren: Computererfahrung hat bei der Mehrzahl der Studien
positiven Einfluss
(f) reduziertes «impression management» der Bewerber mit allerdings teilweise
widersprüchlichen Ergebnissen und noch unklarer Verursachung (einige
Untersuchungen haben ergeben, dass man dem PC ehrlicher antwortet als einem
Menschen – aber umstritten)
Fragen zur «sozialen Validität» (Akzeptanz der Verfahren)
 denn: Betriebsrat entscheidet, ob ein Test angewandt werden darf
Fragen nach:
 Infos:
 Ich wurde über meine künftigen Aufgaben informiert.
 Die Aufgabe half mir, meine beruflichen Pläne zu präzisieren.
 Partizipation / Kontrolle
 Transparenz:
 Die Aufgabenstellung war verständlich.
 Mir ist klar, welche Fähigkeiten untersucht wurden.
 Urteilskommunikation / Feedback:
 Ich wurde offen und klar informiert, wie ich abgeschnitten habe.
 Die Aufgabe hat mir geholfen, über meine berufliche Eignung klarzuwerden.
 KERSTING (1998): Akzeptanz von Intelligenztests in Bezug auf Anforderungsnähe
niedriger als PC-Szenarien bei Managern; in Bezug auf Messqualität aber Intelligenztests
höher (!)
 Akzeptanzurteil über Intelligenztests um so höher, je höher IQ des Befragten; nicht so
bei Problemlöseszenarien
18. Mai 2000
7.
Allgemeine Leistungstests (Ausdauer- / Konzentrationstests)
 Leistungsfähigkeit hängt nicht nur von Intelligenz ab, sondern in starkem Maße auch von
Konzentration
 Schulversagen häufig durch Konzentrationsschwächen (z. B. hyperkinetisches Syndrom)
 Aufmerksamkeit hat viele Facetten (zeitlich und inhaltlich)  kein homogenes Konstrukt
 Begriffe: geteilte Aufmerksamkeit, Inhibition, selektive Aufmerksamkeit, Vigilanz
(Daueraufmerksamkeit); akustische, optische Aufmerksamkeit etc.
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
70
 Erfassung nur durch Testbatterien (einzelne Tests messen nur Einzelaspekte)
 in Literatur manchmal Unterschied: Aufmerksamkeit = state, Konzentration = Fähigkeit
(WESTHOFF)
 Guthke: Konzentration nie ohne Aufmerksamkeit
Geschichte:
 Konzentrationstests genauso alt wie Intelligenztests
 Grundidee: ganz einfache Anforderungen, die keine intellektuellen Anforderungen stellen
 problematisch, weil kaum zu trennen
 Rechenaufgaben
 KRAEPELIN-Schüler (Name war nicht zu verstehen) entwickelt Test: Vp. muss eine
Stunde lang Zahlen addieren; angewandt zunächst auf psychiatrische Patienten
 veröffentlicht durch PAULI: großes Blatt mit Ziffern; Proband muss alle 3 Minuten
Strich machen
 Leistung kann so alle 3 Minuten getrennt ausgewertet werden, um
Konzentrationsschwankungen festzustellen
 außerdem: Fehler erhoben
 ideal: viel schaffen und wenig Fehler
 Gesamtzeichen minus Fehler berechnet
 «Steighöhe» = beste – schlechteste Leistung
 PAULI: wollte Test auch auf Charakter anwenden
 z. B. bei Leichtathleten:
Leistg.
Leistg.
Kurzstreckenläufer
1 ...
20 Striche (= 60 Minuten)
Marathonläufer
1
...
20
 aber: heute überholt  Test nur noch für Konzentration angewandt
 DÜKER & LIENERT: KLT (Konzentrations-Leistungs-Test)
Bsp.:
8+9–2
Ergebnisse merken, dann größeres minus kleineres aufschreiben
5–4+3
 aber: Korrelation mit Mathe-Note  nicht nur Konzentration gemessen
 Durchstreichaufgaben
 BOURDON: a, r, s, i durchstreichen; Auslasser und «Fehlalarme» erhoben
 BRICKENKAMP: d2 (alle d mit 2 Strichen durchstreichen):
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
d
p
d
d
p
d
71
p
d
d
 Gesamtzeichen GZ, Fehler F sowie GZ minus F erhoben
 Kritik: Man könnte von hinten anfangen  scheinbar viele GZ
  neuer Test: MOOSBURGER & OELSCHLÄGEL (1996): FAIR
 Quadrate mit 2 Punkten müssen mit Zacken markiert werden:
 alle Zeichen müssen von links nach rechts bearbeitet werden
 Guthke: «Links-offen-Test»  augenfreundlicher, weil größere Zeichen
 Beispiele:
 Lerntest: Prä- und Posttest; Hirngeschädigte haben beim Posttest keine Vorteile
 Sortieraufgaben
 ABELS (1961): KVT (Konzentrations-Verlaufs-Test)
 60 Karten mit je 36 Zahlen, darunter die Zahl(en)
 43 oder
 63 oder
 43 und 63 oder
 keine von beiden
 entsprechend in 4 Kategorien sortieren
 Fehler werden erhoben; auch Verlauf der Konzentration feststellbar, da Karten
immer in fester Reihenfolge gegeben werden
 KOCH & PLEIßNER: KHV (?)
 keine Zahlen, sondern Bilder
 Prinzip wie KVT, aber weniger als 60 je Karte
 für Vorschulkinder
 OSWALD & ROTH: ZVT (Zahlen verbinden)
 Trail-Making-Test: 2 Versionen (A und B)
 Version A: Zahlen verbinden
 Version B: Kombination aus Zahlen- und Buchstabenverbinden (alternierend, in
aufsteigender Ordnung):
A
1
2
3
B
C
D
4
 KAGAN (1966): MFF (Matching Familiar Figures)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
72
 Teddybär- (oder andere) Bilder mit geringen Unterschieden
 Vergleich der Bilder gefordert
 streng genommen kein Konzentrationstest
 KURTH: TPK (Test zur Prüfung der Konzentrationsfähigkeit)
 2. bis 6. Klasse
 Text abschreiben
 Tiergeschichte  Tiere müssen angegeben werden
 Rechenaufgaben
 Kritik: zu sehr mit Schulleistungen verbunden
 Vorteil: schulnäher
Kritik und Problematik von Konzentrationstests:
 Hauptdilemma: Wenn Test zu einfach  Pbn. nicht motiviert  Leistungen vielleicht
schlechter als in Praxis
 aber: nicht anders messbar
 Tests nur für enge Anforderungsbereiche
 fragwürdig, z. B. d2 in der Schule (wozu?)
 Kondition und Disposition nicht berücksichtigt
  Prinzip der Mindestschätzung (Pb. kann nicht schlechter sein als seine Testleistung,
sehr wohl aber besser)
 Maximalleistungen kaum feststellbar
 Leistungsschwächen können leicht ausgeschlossen werden (ein Gegenbeweis genügt),
aber schwer bestätigt
Entwicklungstrends bei den Allgemeinen Leistungstests
a) Versuche zu einer besseren theoretischen Fundierung – allgemeinpsychologische und
neuropsychologische Ansätze
b) Taxonomie der Konzentrationsleistungen nach den Dimensionen (WESTHOFF & KLUCK
[?])
 Geübtheit (z. B. Pauli vs. KLT, große ind. Differenzen)
 Komplexität der Reizgrundlage (z. B. FAIR vs. d2, Zahlen vs. Buchstaben etc.)
 Geforderte Leistungen (z. B. d2 vs. KVT, wo auf 4 Merkmale geachtet werden muss;
KLT vs. Pauli)
c) wieder stärkere Beachtung des Fehlerwertes (WESTHOFF et al.) als Indikator für die
«Eigenschaft» Neigung zu Konzentrationsschwankungen
d) Prozessanalysen und Lerntestversionen (Differentieller Leistungstest nach KLEBER für die
Schullaufbahn; KOLLO nach WINKLER & GUTHKE; Bonner Konzentrationstest BKT;
Vigilanztest nach DVORAK)
e) Computerunterstützte Verfahren (Wiener Determinationsgerät; FACT [Computerform des
FAIR]; Neuropsychologische Aufmerksamkeitsbatterien nach FIMM)
 im Vigilanztest (siehe d) drei Typen gefunden:
 unauffällige jüngere Probanden (am besten)
 unauffällige ältere Probanden (am Anfang so schlecht wie Versager, am Ende aber so
gut wie unauffällige jüngere Probanden  Test nicht zu kurz machen, sonst
verfälschtes Bild)
 Versager
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
8.
73
Curriculumbezogene Tests («Schultests»)
 auf Lehrplan bezogen, meist Schule (aber auch Berufsschule)
 Ziel: Erkenntnisse der Intelligenzforschung auf Schule übertragen
Curriculumsbezogene Tests – Schulleistungstests – Lehrzielorientierte Tests –
Bereichsspezifische Fähigkeits- und Kenntnistests
Curriculumsbezogene Tests sind standardisierte, nach den Regeln der Testkonstruktion
entwickelte
Verfahren
zur
Erfassung
einer
repräsentativen,
kontentvaliden
Aufgabenstichprobe aus einem Aufgabenuniversum, das durch ein Lehrziel definiert ist, bzw.
zur Erfassung von spezifischen Lernvoraussetzungen für den Erwerb eines Lernziels.
Hauptzielstellungen:
 «Verwissenschaftlichung» und höhere Objektivität bei der curriculumbezogenen
Leistungskontrolle
für
regionale
und
überregionale
Leistungsmessungen
(Effizienzuntersuchungen des Allgemeinbildenden und Berufsbildungssystems)
 Hilfe für den Lehrer bei der Optimierung des Unterrichts, bei der Bewertung der Leistung
und Rückkopplung
Einzelfunktionen:
 Erfassung von Lernvoraussetzungen (readiness tests)
 Erfassung von Lernfortschritten im Curriculum zur besseren «Lernsteuerung» Kriterumsorientierte Tests nur normativen Evaluation
 Erfassung von speziellen Lernproblemen einzelner Schüler – fehleranalytische Verfahren,
«Förderdiagnostik»
 Erfassung des Lernergebnisses am Ende des Curriculums – Lernkontrolltests – summative
Evaluation
 «Objektivere» Bewertung von Schülern und Feststellung der Eignung für weiterführende
Schulen
Beispiele für Schulleistungstest:
 AST (Allgemeiner Schulleistungstest)
 1991 Vergleich Neue vs. Alte Bundesländer  neue Bundesländer tendenziell besser
 internationale Studie zu Schulsystemen  Deutschland relativ schlecht
Typen von Schultests
Unterscheidungsaspekt
 Populations- () oder anforderungsbezogene () Normierung
 Information über die Bewältigung
begrenzter Themengebiete () oder des
gesamten Schulstoffes in einem Fach ()
Verfahrenstyp
 Schulleistungstests (Differenzierungstests)
 Lehrzielorientierter Kontrolltest
 Thema-Test
 Jahresschluss-, Übergangs- und
Eingangstests
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
 Nur
globale
Information
über
Lehrplanerfüllung (Kriteriumserfüllung)
()
oder
auch
fehleranalytische
Auswertungsmöglichkeit ()
 Nur Erfassen des momentanen Könnens
() oder auch Erfassen der Möglichkeiten
zur Leisungssteigerung («Zone der
nächsten
Entwicklung»)
und
des
Lernprozesses ()
74
 Kriteriumstest
 Sondierungstest
 Statustest
 Lerntest bzw. Lernprozesstest
 Schulleistungstests: i. d. R. binomialverteilt
 Lernzielorientierter Kontrolltest: Gauß-Verteilung
22. Mai 2000
Ausgewählte Schulleistungstests:





Allgemeine Schulleistungstests für 2. Klassen
Schulleistungsbatterie für Lernbehinderte
Hauptschul-Abschlusstest für 9. Klassen
Diagnostischer Rechtschreibtest für 1. Klassen
etc.
Neuentwicklungen bei Schulleistungstests
 BORCHERT, KNOPF-JERCHOW und DAHBASHI (1991): 200 Tests vorgestellt
 BIRKEL (1994): Weingartener Grundwortschatz Rechtschreibtestfür 3. und 4. Klassen
(WRT3+) (reiner Rechtschreibtest):
 «Seid ihr bereit, können wir ...» («beginnen» wird diktiert)
 KLAUER (1994): Diagnose- und Förderblätter für Rechenfertigkeiten 2 – 4
 MARX (1999): Knuspels Leseaufgaben für 1. bis 4. Schuljahr
 basiert auf moderner Leseforschung
 KAUTER et al. (2000): Mathe-Lesen-Schreiben (1. Klasse)
 MIETZEL & WILLENBERG (2000): Hamburger Schulleistungstest für 4. / 5. Klasse (HAST
4/5)
 Bsp.: Schulleistungstest Deutsch 4. Klasse:
 «Sechs Läufer waren am Start, und e___ war s___ still i___ Stadion.»
Tendenzen in der Entwicklung von Curriculumbezogenen Verfahren
 zur Zeit starke Kritik an Massentestungen (wie in USA)
a) Entwicklung stärker förderungsorientierter, fehleranalytischer, «komplexer» Verfahren,
Kritik am multiple-choice-Format




wieder komplexere Aufgaben
Förderungsdiagnostik
kognitionspsychologisch orientierte «Wissensdiagnostik»
Performance based assessment (v. a. Problemlösungen verlangt)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
75
 Ausgangspunkte:
 Kritik an den herkömmlichen multiple-choice-Verfahren und der isolierten
Wissenserfassung
 Anwendung
von
Erkenntnissen
der
Kognitionspsychologie,
Problemlösepsychologie und modernen Pädagogik
 Kennzeichen:
 open-end-Tests
 Orientierung auf komplexere Problemstellungen
 Erfassung von Lernstrategien
 größere Wahlfreiheit der Aufgabenbearbeitung
b) Messtheoretische Weiterentwicklunge auf der Basis der probabilistischen Testtheorie und
des Binomialmodells – kriteriumsorientierte Tests
c) Entwicklung von curriculumsbezogenen Lerntests
Arten von Studieneignungstests:
 Allgemeine Studierfähigkeitstests
 z. B. SAT (Scholastic Aptitude Test, USA), obligatorisch für Zulassung für Studium
 Mittelwerte seit 1967 stetig gesunken
 Spezifische Studierfähigkeitstests
 z. B. TMS (Test für medizinische Studiengänge, Schweiz)
 oder Law School Admission Test (USA)
 Wissenstests
 z. B. Japanischer Hochschultest
 oder: Achievement Tests (USA)
 Persönlichkeitstests (selten)
 z. B. Eingangsprüfung der Union of Newcastle (Australien)
9.
Entwicklungstests (Mauri Fries)
 Entwicklungsdiagnostik  2 Begriffe: Entwicklungspsychologie und Diagnostik
 Wozu Entwicklungsdiagnostik?
 oft: Eltern kommen in Beratung, weil sie Zweifel an Entwicklung ihres Kindes haben
 Eltern haben es oft eilig und haben sehr subjektive Ansichten zur Entwicklung
 oder: Erzieher und Lehrer schicken Eltern in Beratung (z. B.: Kind läuft nicht oder
interessiert sich nicht für Bilderbücher)
 Folge: Diagnostiker entwickeln Entwicklungstests
 MONTADA: Fragen zur Anwendungsorientierung von Entwicklungsdiagnostik:
 Was ist?
 Status
 Wie ist es geworden?
 Entstehung der Fähigkeit
 Was wird?
 Prognose
 Was sollte werden?
 Norm  Kriterien
 Wie kann dies erreicht werden?
 Methoden
 Was ist geworden?
 Haben die Maßnahmen Erfolg gehabt?
 Entwicklungsdiagnostik nicht nur Statusmessung, sondern auch Veränderungsdiagnostik
 Was verändert sich?
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias







76
 Leistungen und Verhaltensweisen des Kindes, aber diese Leistungen sind auch
Indikatoren für dahinterliegende Fähigkeiten (z. B. Arbeitsgedächtnis)
man muss auch berücksichtigen, dass sich Umweltbedingungen ändern können
Geschwindigkeit und Richtung der Entwicklung sind variabel (z. B. Phasen der
Akzelleration, Stagnation, Regression)
 Entwicklungsdiagnostik profitiert stark von Entwicklungspsychologie
  Übersetzung entwicklungspsychologischer Kenntnisse in entwicklungsdiagnostische Verfahren (aber dennoch oft nur Statusmessung...)
 Qualität der Verfahren hängt ab von zu Grunde liegenden Entwicklungstheorien
Festlegen von Altersnormen (z. B. zum Wortschatz eines Dreijährigen)
Ziele:
 Früherkennung von Rückständen (unter der Annahme, man könne diese am Status
ablesen)  je früher diese Erkennung, desto besser
 Beruhigung der Eltern (die oft zu hohe Ansprüche stellen)
 «Gras, an dem man zieht, wächst auch nicht schneller.» (afrikanisches Sprichwort)
Verhaltensauffälligkeiten hängen mit Besonderheiten des Kindes zusammen (z. B.
Hyperaktivität durch sensorische Defizite)
 Verhaltensauffälligkeit = Indikator, nicht Rückstand selbst
Resümee: Anwendung von Tests reicht nicht aus
  ausführliche Anamnese und Verhaltensbeobachtung
 Kind kommt nicht aus eigener Entscheidung  Einlassen auf die Erwartungshaltung des
Kindes, seine emotionale Befindlichkeit
 z. B.: Untersuchungen in Krippen bringen schlechtere Ergebnisse als Untersuchungen
zu Hause
 Vorsicht bei Interpretationen von Fehlern  vielleicht mangelnde Sicherheit in
Untersuchungssituation
 entwicklungsspezifische Lösungen: typisch für bestimmte Altersphase – später: Hinweis
auf Rückstände
 z. B.: Beherrschung von Passivsätzen
Beispiele für Entwicklungstests
Entwicklungsbereich Testverfahren
Allgemeine Entwicklung  HELLBRÜGGE et al. (1994): Münchner Funktionelle
Entwicklungsdiagnostik (MFE)
 BRANDT (1983): Griffiths-Entwicklungsskalen (GES)
Intelligenz bzw.
 TEWES (1985): Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder
kognitive Entwicklung
(HAWIK-R)
 WINKELMANN (1975): Testbatterie zur Erfassung kognitiver
Operationen (TEKO)
Motorik
 KIPHARD & SCHILLING (1974): Körper-Koordinationstest für
Kinder (KTK)
 SCHILLING (1976): Checklist motorischer Verhaltensweisen
(CMV)
Wahrnehmung
 LOCKOWANDT (1991): Frostigs Entwicklungstest der visuellen
Wahrnehmung (FEW)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
Sprachentwicklung
Soziale Entwicklung
Emotionale
Entwicklung
77
 SAUTER (1979): Prüfung optischer Differenzierungsleistungen
(POD)
 GRIMM & SCHÖLER (1991): Heidelberger
Sprachentwicklungstest (HSET)
 ANGERMAIER (1977): Psycholinguistischer Entwicklungstest
(PET)
 HUSS (1979): Fragebogen zur Erfassung praktischer und sozialer
Selbstständigkeit 4- bis 6-jähriger Kinder (FPSS)
 SEITZ & RAUSCHE (1992): Persönlichkeitsfragebogen für Kinder
9-14
Geschichte
(a) Intelligenztests nach BINET (hinlänglich bekannt)
 Auswahl von «Schwachsinnigen»
 Intelligenz = Fähigkeit, gut zu urteilen, zu verstehen und zu denken (BINET)
 Intelligenz wächst mit Alter des Kindes stetig (BINET)
 Serie mit 30 Aufgaben mit zunehmenden Schwierigkeitsgrad
 z. B. mit Augen und Kopf brennendem Streichholz folgen
 Zuordnung zu Altersstufen  Intelligenzalter
(b) Motorik
 OSERETZKY (1925)  Prinzip von BINET (Altersspezifik)
(c) Kleinkindertest
 Arnold GESELL (amerikanischer Arzt und Philologe): Entwicklungstest für Säuglingsund Kleinkindsalter, aber nicht nur kognitive Entwicklung (wie BINET), sondern auch
«geistig-seelische»
 Ch. BÜHLER, Hildegard HETZER: übernahmen BINET-Skalen, aber zusätzlich 24Stunden-Dauerbeobachtung (zusammen mit der Stadt Wien)
 Vorwurf der Methodiker: nur der Eindruck zählte, keine Testtheorie
 6 Dimensionen:
 Sinnesrezeption (= Wahrnehmung)  z. B. auf Geräusch lauschen
 Körperbeherrschung (= Motorik)
 z. B. frei stehen
 soziales Verhalten
 z. B. organisiertes Spiel mit dem Ball
 Lernen
 z. B. 3 Gegenstände verstecken; Kinder
müssen sich erinnern, wo
 Materialbeherrschung
 z. B. Turm bauen
 geistige Produktion
 z. B. Gegenstand mit Stock heranholen
 Tests beginnen 2 Testreihen vor Lebensalter und enden 2 Reihen nach Lebensalter
 Anzahl der Tage entspricht Entwicklungsalter (Aufgaben sind Tagen zugeordnet)
 Wahl der Items auch heute noch nach ähnlichen Dimensionen
 Einwände:
 Bezug auf endogenistische Entwicklungstheorien (Stufenfolge geschlossener
Aufbausysteme)  Vernachlässigung von Umwelt und Erziehung
 fehlende Überprüfung der Dimensionen und der Schwierigkeit der Aufgaben
 aber: auch in Gegenwart strenge Forderungen der Methodiker nur ungenügend
umgesetzt (am besten noch für Sprachentwicklung)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
78
 immer noch zu wenig allgemeine Entwicklungstests für Vorschulalter (3 – 6
Jahre)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
79
Teil III
25. Mai 2000
III. Einführung in die «Persönlichkeitsdiagnostik»
1.
Gegenstand und Geschichte der Persönlichkeitsdiagnostik
 viele Übergänge zu Leistungsdiagnostik: alle kognitiven Leistungen sind durch
Motivation und Emotion beeinflusst
Zielstellung:
 Erfassung von Persönlichkeits- bzw. Charaktereigenschaften (traits), aktuellen
Stimmungen (Befindlichkeiten) (states), Einstellungen, Erlebnissen und Konflikten unter
Berücksichtigung der Person-Umwelt-Bezüge
Geschichte
 Wurzeln in Ausdrucksdiagnostik (Mimik, Gestik, Verhaltensbeobachtung, z. B. LAVATER,
CARUS etc.)
 weitere wichtige Wurzel: Graphologie
 experimentell: KRAEPELIN (maß z. B. Schriftdruck seiner Patienten  antriebsstark vs. schwach)
 RORSCHACH (1921): Kleckse, wollte damit gesamte Persönlichkeit erfassen
 WOODWORTH (1917): erster klinischer Persönlichkeitsfragebogen, für Elitetruppe der USArmy, parallel zu army-alpha-test
 MURRAY (1935): TAT  Bilder gezeigt, Geschichte dazu erzählen
 C. G. JUNG: Assoziationsversuch (Wort vorgelesen, Pt. muss Assoziation nennen  Zeit
gemessen; umstritten) (ursprünglich von Max WERTHEIMER für Zeugendiagnostik
entwickelt)
2.
Erfassungsebenen der Persönlichkeit
 vgl. dazu I.3: Persönlichkeitsdiagnostik baut auf Grundlagendisziplinen auf: Differentielle
Psychologie, Allgemeine Psychologie, Sozialpsychologie, Entwicklungspsychologie
(a) Allgemeine Psychologie
 liefert Beschreibungsdimensionen menschlichen Verhaltens, z. B. über
Gedächtnis, Aufmerksamkeit etc.
 experimentelle Paradigmen, z. B. Komplexes Problemlösen oder mental-speedAufgaben
 Diagnoseprozess = Problemlöseprozess  präskriptive Diagnoseprozessmodelle
(b) Sozialpsychologie
 Interaktionsprozesse:
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
80
Diagnostiker
Patient
Auftraggeber
(c) Entwicklungspsychologie
 Entwicklungstests
 heute: Entwickelbarkeit aller Eigenschaften des Menschen stark betont
(d) Differentielle und Persönlichkeitspsychologie
 in Persönlichkeitspsychologie zunächst Versuch, alles Verhalten des Menschen auf
wenige Grundeigenschaften zurückzuführen  trait-Ansatz; später im Kontrast
dazu andere Ansätze
 Trait-Ansatz
 vertreten durch Faktoranalytiker, z. B. EYSENCK, CATTELL
 Grundlage: Sedimentationsansatz (Grundeigenschaften in Alltagssprache
verankert)
 z. B. Big Five – entsprechen Alltagsdenken
 Standardmethode: Tests
 Situationsorientierter Ansatz (MISCHEL)
 es gibt keine alles determinierenden Eigenschaften: Mensch verhält sich in
jeder Situation anders
 
klassische
Persönlichkeitsdiagnostik
abgelehnt,
dafür:
«symptomorientierte Fragebögen» (z. B. «Wann genau tritt die Angst
auf?»)
 heute: nicht mehr so orthodox (man muss z. B. beim Phobiker auch
allgemeine Ängstlichkeit (trait) erheben)
 Standardmethode: Verhaltensbeobachtung
 Typologischer Ansatz
 Typen bilden (z. B. KRETSCHMER)
 im ICD 10 z. B. Begriffe direkt von KRETSCHMER übernommen (!)
 Gefahr: Schubladendenken – Gesamtpersönlichkeit vernachlässigt
 Standardmethoden: Verhaltensbeobachtung und Experimente
 Biografisch-psychoanalytische Persönlichkeitstheorien
 Persönlichkeit ist individuell durch Lebensgeschichte geprägt
 stark explikativ
 2 Ansätze:
 Analytischer Ansatz
 Lerntheoretischer Ansatz
 Prozessmodelle der Persönlichkeit
 teilweise auch ADLERs Minderwertigkeit eingearbeitet
 Standardmethode: Exploration
 andere Methoden: Traumanalyse, freie Assoziation
 wenige Tests, z. B. Gießener Persönlichkeitstest
 Handlungsregulatorischer Ansatz
 basiert auf Handlungstheorien der Persönlichkeit
 bisherige Psychologie zu sehr individuumsorientiert, zu weit weg vom
Alltag
  Betonung der Bereichsspezifik der diagnostischen Messung
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
81
 keine allgemeinen Persönlichkeitstests, sondern krankheitsspezifische
Verfahren (z. B. Fragebögen für Dialysepatienten)
 möglichst komplexe Handlungen vorgeben, die dann analysiert werden
(vgl. DÖRNER)
 auch: experimentelle Spiele in Sozialpsychologie
 zusätzlich hat aber die Diagnostik auch selbst Gundlageneigenschaft für andere
Anwendungsfächer, z. B. Klinische Psychologie, Pädagogische Psychologie
 z. B. Schadstoffbelastung am Arbeitsplatz durch psychische Symptome
(Konzentrationsschwäche) eher feststellbar
3.
Übersicht über die Hauptmethoden
1) Lebenslauf-, Tageslaufanalyse durch Exploration, Anamneseerhebung und
Tagebuchauswertung
 besonders Tagebuchauswertungen heute wieder beliebt, v. a. bei Kindern (z.
B. bei anorexia nervosa)
2) Verhaltensbeobachtung (Gelegenheits- und systematische Verhaltensbeobachtung,
Rating-Skalen)
3) Analyse von Dokumenten (nichtdirektive Methoden)
4) Persönlichkeitsdiagnostische Verfahren
(a) Projektive Verfahren (z. B. Zeichnungen, Sceno-Test, verbale
Ergänzungsverfahren)
(b) Aufsatzanalyse (z. B. Wie ich bin und wie ich sein möchte, Meine gute und
meine schlechten Seiten, Wie stelle ich mir meine Zukunft vor...)
(c) Persönlichkeits-, Einstellungs-, Problem- und Interessenfragebögen
(d) «Objektive» und psychophysiologische Tests
8. Juni 2000 (nachträglich eingeschoben)
4.
Die «subjektiven Tests» / Persönlichkeitsfragebögen
 = Fragebögen, mit denen man sich selbst oder andere beurteilt  Bezeichnung
«subjektiv»
 aber: in der Literatur auch als «objektive Tests» (im Gegensatz zu projektiven Tests)
bezeichnet, da die Auswertung nicht subjektiv verzerrt werden kann (also irreführend)
 Selbstauskunft ist immer verzerrt, aber: gibt es denn «objektive Wahrheit»? – trotzdem:
bewusst verfälschbar
 Lit.: GBS 2, MUMMENDEY, H. D.: «Fragebogenmethodik», Hogrefe 1995
Definition: Persönlichkeitsfragebögen sind eine Liste von Feststellungen, die nach den Regeln
einer Testtheorie konstruiert sind und gemäß den vorgegebenen Antwortalternativen zu
beantworten sind.
Geschichte:
 1917 WOODWORTH (s. o.)  Vorläufer heutiger «Beschwerdelisten»
 St. HALL, F. GALTON: nutzten schon einfache Fragebögen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
82
 in 20-er Jahren: Versuch, Extra- und Introversion zu messen (eindimensionale Tests), z.
B. HEIDBRENNER (1926)
 z. B. Item: «Gewinnen Sie schnell Kontakt?»
 später: HANES-KJ (1969) (Hamburger Neurotizismus- und Extraversionsskala), für 11bis 16-Jährige; hat zusätzlich «Lügenskala»
 40 Items Neurotizismus
 16 Items Extraversion, mit 2 Unterskalen
 12 Items Lügenskala («Redest du manchmal schlecht über andere Leute?»)
 dann: mehrdimensionale Fragebögen, z. B. BERNREUTHER: «Personality Inventory»  4
unabhängige Dimensionen (neurotische Tendenz, Dominanz, Extraversion,
Selbstständigkeit)
3 Arten der Konstruktion von Fragebögen:
•
external (aus der Praxis, z.B. MMPI)
•
rational-theoretisch (z.B. FPI)
•
faktoranalytisch (z.B. 16 PF)
Item-Arten nach ANGLEITNER, JOHN & LÖHR (1986, S. 69), modifiziert:
(a) Beschreibungen eigener Reaktionen
(b) Trait-Zuschreibungen
(c) Wünsche und Interessen (z. B. Berufsinteressen, wie im BIT von IRLE)
(d) Biographische Fakten
(e) Einstellungen und Überzeugungen
(f) Reaktionen anderer gegenüber der Person
(g) Bizarre Items (z. B. «Jemand will mich vergiften»)
 oft gebraucht: Befindlichkeitsskalen, z. B.
 ausgelassen: Nein (0), Ja (1 2 3 4 5 6)
 werden in Pharmakologie und Klinischer Psychologie eingesetzt; hier nicht näher
besprochen
 Persönlichkeitsfragebögen sind mehrheitlich dem trait-Konzept verpflichtet (Ausnahme:
Stimmungsfragebögen)
 je mehr Items in der Schlüsselrichtung beantwortet werden, desto höher ist die
Ausprägung dieses traits  Problem: sehr verschiedene Items tragen zur Bewertung
des gleichen Merkmals bei
 2 Arten von Untersuchungsverfahren:
 Erfassen einzelner Persönlichkeitsmerkmale (Angst, Neurotizismus, etc)
 Aufspalten eines Merkmales in seine Facetten
 geht mehr in die Tiefe, als in die Breite
 Persönlichkeitsstrukturtests
 sind multidimensionale Fragebögen
 geben Überblick über die Gesamtpersönlichkeit  gut für Screening
 erfassen Persönlichkeit durch intra- oder interpersonelle Vergleiche
Verfahren zur Erfassung einzelner Persönlichkeitsmerkmale
Problemfragebögen:
 ROTH, SÜLLWOLD, BERG: Problemfragebogen für Jugendliche (1967)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
83
 entstanden auf Grundlage anonymer Aufsätze Jugendlicher
 über 300 (!) Items zu verschiedenen Themen, z. B. «In der Schule», «Gesundheit»,
«Verhältnis Jungen zu Mädchen» etc.
 geschlechtsspezifische Prozentränge (über 3000 Jugendliche als Stichprobe), aber:
Normen aus den Sechzigern!
 WESTHOFF et al.: Problemfragebogen für 11- bis 14-Jährige (1981)
 hat Bedürfnishierarchie zur Grundlage (nach MASLOW); dabei 5 Bedürfnisse:
 nach Sicherheit
 Zugehörens- und Liebesbedürfnis
 nach Selbstverwirklichung
 nach Verstehen der Umwelt und der Lebenssituation
 erhoben u. a. in Bereichen Familie, Freunde / Mitschüler, ...
 Beispielitem: «Bist du der Meinung, du müsstest fleißiger sein?» (70%: Ja.)
Diagnostik von Leistungsmotivation:
 Annahme, dass Erfolg in Beruf zu 50% von Motivation abhängt
 Bsp.: HERMANS et al. 1978: LMT (Schüler und Studienanfänger von 16. bis 20.
Lebensjahr)
 Dimensionen:
 Ehrgeiz
 Persistenz-Aspekt (Ausdauer und Fleiß)
 Leistungsfördernde Prüfungsangst
 Leistungshemmende Prüfungsangst
 Ergebnisse: Prüfungsängstliche sind weniger gut vorbereitet
 gefährdet durch Soziale-Erwünschtheit-Äußerungen
  ergänzende Verfahren, z. B. TAT (favorisiert von HECKHAUSEN)
 ROLLETT & BARTRAM (19833) Anstrengungsvermeidungstest (für Kinder)
 misst Motivation, Anstrengungen aktiv zu vermeiden
 Normierung nach Klassenstufen und geschlechtsspezifisch
Angstdiagnostik:
 THURNER: KAT (Kinder-Angst-Test), 18 Items
 WIECZERKOWSKI et al. (Jahr?): AFS (Angstfragebogen für Schüler)
 Manifeste Angst, Prüfungsangst, Schulunlust, soziale Erwünschtheit
 Normen für 9 bis 17 Jahre
 Kritik: Normen veraltet
  ROST & SCHERMER (1987, 1995, 1997): Angstprozessdiagnostik
(a) Angstauslösung
(b) Angstmanifestation
(c) Angstverarbeitung
(d) Angststabilisierung
 BECKER: IAF
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
84
Wiederholung aus der Vorlesung Differentielle Psychlogie:
 Klassifizierung und Differenzierung im Interaktions-Angst-Fragebogen von P. BECKER:
Faktor
dritter
Ordnung
Globale Angstneigung
Faktoren
zweiter
Ordnung
Faktoren
erster
Ordnung
Angst vor physischen
und psychischen Angriffen
Angst vor
physischer
Verletzung
Angst vor
Erkrankungen
oder ärztlichen
Behandlungen
Angst vor
Bewährungssituationen
Angst vor
Abwertung und
Unterlegenheit
Angst vor
Normüberschreitung
Angst vor
„Auftritten“
Angst vor
Selbstbehauptung
 Faktor 3. Ordnung (entspricht g-factor) entsteht durch Korrelation
(Ende der Wiederholung)
Persönlichkeitsstrukturtests
Multidimensionaler Fragebogen
 SEITZ & RAUSCHE: PFK 9-14 (Persönlichkeitsfragebogen für Kinder, 19923, in press4)
 3 Bereiche:
(a) Verhaltensstile
 z. B. Emotionale Erregbarkeit
(b) Motive
 z. B. Bedürfnis nach Ich-Durchsetzung, Aggression und Opposition
(c) Selbstbild
 Selbsterleben von allgemeiner (existenzieller) Angst
 Trierer Persönlichkeitsfragebogen (TPF)
 Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI)
(Ergänzungen von Wulf Mirko, wörtlich übernommen:)
Fähigkeitsmessung
Instruktion
Fragen
„Gib Dein bestes!“
überwiegend eindeutig
Antworten
Art der Antwort
Meßsituation
richtig oder falsch im logisch
eindeutigen Sinne
Leistung
Vp weiß, was erwartet wird
Motivation
hohe Motivation angestrebt
vs.
Persönlichkeitsmessung
„Sei ehrlich“
relativ eindeutig bis völlig mehrdeutig (projektive Tests)
kein richtig/falsch, statt dessen
subjektive Stimmigkeit
Urteil / Deutung (projektive T.)
keine Klarheit über Erwartungen
des Vl.
kann deutlich variieren, je nach
Untersuchungsbereich und
Situation
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
Ziel
Lösungsverhalten
85
Erhebung des Fähigkeitsmaximums Erhebung des typischen,
durchschnittlichen Verhaltens
Realisation (Lösen einer Aufgabe) Deskription (Selbstbeschreibung)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
86
Anwendung von PersönlichkeitsFragebögen
• Diagnostik (möglichst objektiv)
• Vergleiche
• Beiträge zur psych. Sprachregelung
• Identifikation von Interventionsbedarf und Interventionserfolg
• Forschung
Vorteile von PersönlichkeitsFragebögen
• psychometrische Konstruktion (Kennwerte über Instrumente vorhanden, genügen
verschiedenen Gütekriterien)
• direkter Zugang zu Persönlichkeitsmerkmalen, die sich der direkten Beobachtung
entziehen (z.B. Konstrukte wie der „locus of control“)
• ökonomisch, z. B. durch den Einsatz in Gruppen oder wenn Verhaltensbeobachtung
nicht möglich/zu aufwendig ist
• hohe Augenscheinvalidität  gute Akzeptanz
• Normbezug: Vergleich der Werte der Vpn mit repräsentativer Normstichprobe
• Quantifizierung von Persönlichkeitsmerkmalen erleichtert Vergleiche
• Abbildung der Inter- und Intra-Merkmalsstruktur
• Distanzierung vom persönlichen Eindruck
• Angleichung der Sprachregelung zwischen Psychologen: verschiedene Untersucher
verwenden für gleiche Verhaltensweisen gleiche Begriffe
• Standardisierung von Durchführung und Auswertung + Normierung = höhere
Objektivität
Nachteile von PersönlichkeitsFragebögen
• nur Aussagen über den vorgegebenen Inhaltsbereich möglich
• Fragen von FB zu FB in ihrer Qualität sehr unterschiedlich
• Mehrdeutigkeit der Items („Hof“, Überschneidungen)
• es werden (außer bei projektiven Verfahren) nur bewußte Inhalte abgefragt
• begrenzte Validität: verschiedene Fragebögen mit gleich benannten Skalen messen oft
ganz verschiedene Merkmale.
Fehlerquellen
• Unterschiedliche Interpretation der Items
• uneindeutige formal-syntaktisch Item-Merkmale (unterschiedliche Auffassungen der
Quantitatoren (z.B. über oft, manchmal,...), durch den Kontext, etc. pp)
• Gedächtnisfehler
• mangelnde Sorgfalt, Unaufmerksamkeit
• Defizite der Selbstbeobachtung und Selbsterkenntnis ( keine FB für Personen mit
IQ<80, Kinder <10 Jahre, Schizophrene)
• Tendenz zur konsistenten Selbstdarstellung
• logische Fehler (implizite Persönlichkeitstheorien, Beobachtungsfehler)
• Absichtliche Verfälschung (Lügen, Simulation, Dissimulation)
• Tendenz zu sozial erwünschten Antworten
• unterschiedliche semantische Strukturen von Testleitern und Probanden
• Tendenz zur unkritischen Zustimmung
• Tendenz zur unkritischen Ablehnung
• Tendenz zu extremen Antworten (Schwarz-Weiß-Malerei)
• Tendenz zu undifferenzierten Antworten
• Tendenz zu indifferenten Antworten (= Tendenz zur Mitte)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
•
87
Positions- und seriale Effekte
Gütekriterien
• Objektivität wird gewährleistet durch die Invarianz der einmal gewählten Items und
Antwortkategorien sowie der standardisierten Interaktion zwischen Proband und Vl.
• PersönlichkeitsFragebögen sind keine objektiven Verfahrten, sondern nur hinsichtlich
ihrer Durchführungs- und Auswertungskriterien objektiv.
• im Vergleich mit Leistungstests haben FB´s wesentlich geringere
Stabilitätskoeffizienten (.50-.70)
• Persönlichkeitsfragebögen haben eine relativ geringe innere Konsistenz
(.60<ru(?)<.80), aber facettenreiche Skalen sind als Prädiktoren von
Persönlichkeitsmerkmalen oftmals interessanter, als homogene
• Korrelationen mit quantitativ abgestuften Außenkriterien von nennenswerter prakt.
Bedeutung liegen zwischen .20-.30. Nicht die Höhe des Koeffizienten gibt den
Ausschlag, sondern der inkrementelle Entscheidungsnutzen bei konkreten
Problemstellungen.
• die differentielle Validität im Sinne der Terminologie der Klassifikationsliteratur ist
gering
• die Korrelation von Q-Daten mit L- und T-Daten, die auf einem gemeinsamen
Konstruktionsanspruch basieren, ist im allgemeinen niedrig  es gibt eine bessere
Validität bei breiteren Faktoren (Faktoren 2. Ordnung)
(Ende der Ergänzungen von Wulf Mirko)
5.
Gestaltungs- und Deutungsverfahren
= «Projektive Tests»
Der Projektionsbegiff
 projicio (lat.) = hinauswerfen
 in Psychologie sehr unterschiedlich gebraucht
 Lit.: Ch. SCHAIPP, E. PLAUM (1995): «Projektive Techniken: unseriöse Tests oder
wertvolle Methode?»
Der klassische Projektionsbegiff:
 umstritten, Meinungen zu projektiven Tests: von Kaffesatzleserei bis zu unverzichtbar
 klassisch: Projektion bei FREUD (Abwehrmechanismus  Angstvermeidung)
 verbotenes Motiv des eigenen Handelns (unerwünschte Eigenschaft) projiziert auf andere
Personen
 z. B. Eifersucht = Wunsch nach Fremdgehen
 Inhalt und Mechanismus der Projektion unbewusst
  Patient sendet unbewusst verschleierte Botschaften
  genialer Deuter (Hermeneutiker) vorausgesetzt (gemäß DILTHEY: den Autor besser
verstehen, als er sich selbst verstanden hat)
 aber: Wer weist Wahrheitsgehalt der Deutungen nach?
  Oberlandesgericht München (1978): im Familienrecht keine projektiven Verfahren
gestattet
Moderner Projektionsbegiff:
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
88
 «weitere Projektion»: Hypothese der Wahrnehmung  Input (wird je nach der Hypothese
der Wahrnehmung unterschiedlich verarbeitet)  Kompromiss aus Hypothese und Input
 Hypothesen werden durch Persönlichkeitseigenschaften, Einstellungen, states geprägt
 Ansatz in der Psychologie: Kompromiss aus Hypothese und Input gibt Aussage über
Eigenschaften etc. des Menschen (Gegenrichtung der Wahrnehmungstheorie) 
Projektion
 dies muss nicht unbewusst passieren
 auch in Kunstwissenschaft angewandt: Situation eines Menschen wird reflektiert in
seinem Werk (z. B. VAN GOGH)
 Nachteil dieses weiten Projektionsbegiffs: alles Verhalten ist Projektion
29. Mai 2000
Ergänzungen und Erweiterungen des klassischen Projektionsbegriffs:
(a) attributive Projektion
 eigene Gefühle werden (teilweise bewusst) anderen Menschen zugeschrieben
 Untersuchung: aggressive Psychologen erkennen aus Patientenzeichnungen mehr
Aggressionen als nichtaggressive  Kritik an projektiven Verfahren
(b) autistische Projektion (misperception)
 Wunschvorstellungen (z.B. Fata Morgana)
 Bsp.: Quäker-Experiment
 im 2. Weltkrieg wollten Quäker nicht zum Wehrdienst, sondern verpflichteten sich
dafür, freiwillig an medizinischen Experimenten teilzunehmen
 eines der Experimente: extremer Hungerzustand
 je größer der Hunger war, desto mehr Essbares wurde wahrgenommen (auch,
wenn es sich nicht um Essbares handelte)
  Projektion
(c) rationalisierte Projektion
 eigenes Fehlverhalten wird unbewusst rationalisiert und durch andere Umstände und
Fehlverhalten anderer erklärt
 z. B.: Negativ-Korrelation zwischen studentischen Fähigkeiten und Kritik am
Bildungssystem
MEILI: Unterscheidung:

affektiv-inhaltliche Projektion (z. B. TAT)
 Darstellung von Konflikten / Problemen

struktural-formale Projektion
 Darstellung stabiler Persönlichkeitsmerkmale
 nicht «Fleisch», sondern «Skelett» der Persönlichkeit
 Neigung des Menschen (z. B. Ängstlichkeit, Extraversion)
Einordnung projektiver Daten:
 generell schwer einzuordnen
 CATTELLs Schema: Q (Questionnaire), L (Life), T (Test)  Projektion lässt sich nicht
einordnen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
89
 Guthke: Unterkategorie zu T: «Deutungs- und Gestaltungstests»
 v. a. RORSCHACH fällt in diese Kategorie (wird in USA sehr häufig angewandt, in
Deutschland aber kaum)
Wann und wo werden welche projektive Verfahren angewandt?
 in psychologischen Praxen in Deutschland: ein Fünftel aller Testverfahren projektiv
 aber: generell Fragebögen viel häufiger
 Welche projektiven Verfahren werden in Deutschland häufig angwandt? Rangreihe:
1. Scenotest
2. Familie in Tieren
3. TAT
4. Children Apperception Test (CAT)
5. Family Relations Test
6. RORSCHACH
 aber: STECK (1997): RORSCHACH meistgenannt bei unbeliebten Verfahren
 ALLPORT und EYSENCK: lehnten projektive Verfahren völlig ab
Definition:
Projektive Verfahren sind eine Gruppe von psychodiagnostischen Techniken und
Vorgehensweisen, die für sich in Anspruch nehmen, die Persönlichkeitsstruktur, die Motive,
Konflikte und zum Teil auch unbewusste Wünsche und Bedürfnisse eines Individuums
aufzudecken, indem sie das Individuum auffordern, sich mit Material oder Stimuli
schöpferisch auseinanderzusetzen oder auf sie zu reagieren in einer freien, nicht festgelegten
Weise und ohne irgendeinen Bezug auf ein vorgefasstes System von richtigen oder falschen
Antworten.
(frei nach SCHUMER & ZUBIN)
 Anmerkung: es gibt auch Objektivierungsversuche von projektiven Verfahren
 Versuche der psychometrischen Auswertung bei:
 Kommunikations-Einstellungs-Test
 Familien-System-Test (FAST)
 Picture Frustration Test
 essenziell: Art der Interpretation
 klassisch: «hermeneutische Technik»  genialer Deuter vorausgesetzt, der alles
herausfindet (in klassischer Psychoanalyse z. B. bei Traumdeutung)
 PLAUM: Wir brauchen im Unterschied dazu eine «quantitativ heuristische Strategie»
(aus Soziologie übernommen, MAYRING 1996, KLEINING 1995), die nicht so
subjektivistisch ist
 Der Autor wird in die Interpretation der Texte einbezogen (in der Psychologie der
Klient).  Man muss immer in Kommunikation mit dem Patienten stehen
(«kommunikative und kumulative Validierung»)
 Gestaltungsprodukt ist immer vieldeutig
 z. B. beim Baumzeichentest: Pt. malt umgeknickten Baum  es kann aber sein, dass
am Tag zuvor Sturm war und er viele umgeknickte Bäume gesehen hat
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
90
Gegenüberstellung von projektiven und psychometrischen Verfahren
Aspekte
projektive Verfahren
Struktur
Standardisierung
Entfaltungsspielraum für den
Testanden
Interpretationsspielraum für
den Psychologen
Rolle der Intuition und
klinischen Erfahrung
Normen
Bandbreite
Wiedergabegenauigkeit
Versuchsleitereinfluss
Auswertung
Objektivität
Reliabilität
Validität
psychometrische Verfahren
weitgehend unstrukturiert
gering
groß
strukturiert
hoch
gering
groß
gering
groß
gering
im Allgemeinen nicht
vorhanden
groß
gering
groß
qualitativ
gering
gering (???)
???
vorhanden
gering
groß
gering
quantitativ
groß
groß
mäßig
Erläuterung:
 Bandbreite: Begriff aus der Nachrichtentechnik
 Gegenteil zu Wiedergabegenauigkeit
 geringe Bandbreite bedeutet: Test misst nur einen ganz bestimmten Bereich, diesen
aber dafür sehr genau (also mit hoher Wiedergabegenauigkeit)
 hohe Bandbreite: Test misst viele Bereiche, dafür aber Wiedergabegenauigkeit in den
einzelnen Bereichen gering
 bei Hypothesenbildung: große Bandbreite wichtig
 bei Hypothesenüberprüfung: große Wiedergabegenauigkeit wichtig
Typen von Deutungs- und Gestaltungstests
 Wortassoziation und verbale Ergänzungsverfahren (z. B. JUNG, THOMAS)
 verbale Vorgabe, z. B. Wort oder Geschichtenanfang
 Aufgabe: anderes Wort / Geschichte / Satz produzieren
 Beginn: Assoziationstests in der Allgemeinen Psychologie (z. B. WUNDT, später
WERTHEIMER, s. o.)
 dann: C. G. JUNG (hinlänglich bekannt)
 bisher keine statistische Normierung  Subjektivität
 Lit.: «Therapeutische Konzepte der Analytischen Psychologie» (Bd. 5:
Assoziationsexperiment)
 Satzergänungstests:
 Beispiele [ich weiß leider nicht, aus welchem Test genau, T. E.]:
 1. Wenn er / sie allein war ...
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias





91
 2. Er / Sie wünschte sich oft ...
 5. Wenn die anderen Kinder ihn / sie nicht mitspielen lassen ...
WILDE: «Wunschprobe»
 «Stell dir vor, du kommst nochmal auf die Welt, aber nicht als Mensch, sondern
als Tier oder Gegenstand...»
 Karten mit Bildern präsentiert, Kinder sollen Rating abgeben, wie gern sie das
Abgebildete sein möchten
THOMAS: Erzählanfänge
 z. B.: «In der Pause spielt er nicht mit anderen Kindern.»  Geschichte draus
machen
DÜSS-Fabeln (DÜSS: analytische Therapeutin)
 «Fabel» mit offenem erzählt, Kind soll fortsetzen
W. ZIMMERMANN:
 K-E-Test (Kommunikations-Einstellungs-Test) (in GUTHKE & WITZLAK 1982)
 streng normierter projektiver Test [Guthke hat leider verschwiegen, wie er aussieht...]
ROSENZWEIG (USA): Picture Frustration Test (PFT)
 Situation auf Bild gezeigt, geht mit Kindern und Erwachsenen
 Frage: Wie reagieren die Interaktionspartner?
 z. B.: Kind klaut Apfel und wird erwischt  was sagt es zum Erwachsenen?
 extrapumitive Reaktion
 Vorwürfe, aggressive Reaktion
 intropumitive Reaktion
 Schuld auf sich selbst nehmen
 impumitive Reaktion
 gar keine Vorwürfe («ach, das macht doch
überhaupt nichts...»)
 Verfahren ist normiert
 Thematische Apperzeptionsverfahren (TAT, CAT)
 MURRAY, 30-er Jahre: Thematic Apperception Test (vgl. Seminar)
 Kritik: Bilder sind antiquiert
  REVERS & ALLESCH: «Thematischer Gestaltungstest»  wie TAT, aber mit
moderneren Bildern
 BELLAK: Children Apperception Test (CAT)  wie TAT, aber Tiere als Akteure
 bei allen Thematischen Apperzeptionsverfahren: sog. «Identifizierungshypothese» 
Pt. selbst ist der «Held» der von ihm interpretierten Geschichte
 ist allerdings fraglich  oft wird die Frage gestellt: «Mit welcher Person in der
Geschichte können Sie sich am besten identifizieren?»
 Formdeuteverfahren (RORSCHACH)
 RORSCHACH: ursprünglich 10 Tafeln mit Klecksen, farbig oder farblos, aber immer
symmetrisch
 erstmals von Leonardo DA VINCI verwandt
 RORSCHACH führte Begriff «Psychodiagnostik» ein, wollte mit seinem Test
Gesamtpersönlichkeit erfassen
 zur Auswertung:
 Bestimmung eines «Erfassungstypus», z. B.: Geht Pt. von Detail aus und bringt
dann Gesamtdeutung? Oder: deutet er die weißen Zwischenräume? etc.
 gut gesehene vs. schlecht gesehene Formen (F+ vs. F–) – ist aber höchst subjektiv!
 Bestimmung eines «Erlebnistypus»: Verhältnis zwischen Farbantworten und
Bewegungsantworten
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias




92
 Farbantwort z. B.: «Das ist ausgelaufenes Blut.» - Bewegunsantwort (nicht auf
Tiere bezogen, nur bei Deutungen mit Menschen) z. B. «2 Menschen laufen
aufeinander zu.»
 Dominanz der Farbantwort  Extraversion
 Dominanz der Bewegungsantwort  Introversion (original RORSCHACH)
 Sukzession: wenn man mit Details beginnt und dann Gesamtdeutung bringt
 Inhalt: z. B. Anatomiedeutungen (Leber etc.), Tiere, Architektur, ...
 keine Menschendeutungen  schlechte Kontaktneigung
 «Schocks», z. B. Farbschock, d. h., wenn zum ersten Mal Farbkarte auftaucht und
Pt. sich z. B. mit «Oh!» äußert  Neurotiker
 wenn viele Vulgärdeutungen (also Deutungen, die von sehr vielen Ptn. gegeben
werden)  Durchschnittsmensch, wenig kreativ
Kritik:
 keine theoretische Fundierung, keine psychometrische Fundierung
 in hohem Grade versuchsleiterabhängig (z. B.: wenn Vl autoritär auftritt 
weniger Farbdeutungen und Zwischendeutungen; weniger autoritär  Gegenteil,
auch mehr Mensch-Deutungen)
 1945
Kriegsverbrecher-Prozess,
US-Psychologe
GILBERT
untersucht
Kriegsverbrecher mit RORSCHACH
 später: Deutungen von Kriegsverbrechern zusammen mit Deutungen von
Durchschnittsmenschen anderen Psychologen präsentiert, diese sollten
Kriegsverbrecher heraussuchen  klappte nicht (!)
 aber auch Gegenbefunde  RORSCHACH kann ergänzend angewandt werden
Weiterentwicklung: HOLTZMANN-Inkplot-Technik (man darf hier pro Bild nur eine
Deutung geben)  psychometrisch sauberer
Lit.: J. WITTKOWSKI (1996): «Zum aktuellen Status von Formdeuteverfahren»,
Diagnostica 3, 191-219
 ca. 80% der Klinischen Psychologen in den USA verwenden regelmäßig
RORSCHACH
 angeblich ist dieser nützlich bei Schizophrenie, Posttraumatischen
Belastungsstörungen, Ängstlichkeit; nicht hingegen bei Depression und
Suizidalität
H. A. HARTMANN & L. V. ROSENSTIEL: «Lehrbuch der Holtzmann-Inkplot-Technik»
 Spielerische Gestaltungsverfahren (Welttest, Sceno)
 Ch. BÜHLER (1941): Welt-Test
 Spielzeugteile, aus denen eine Welt gebaut werden soll
 heute kaum noch angewandt
 V. STAABS: Sceno-Test
 psychoanalytisch orientiert, muss aber nicht so ausgewertet werden
 verbiegbare Puppen sowie Bäume, Tiere, Autos, Fernseher u. v. a. m., sogar eine
kleine Toilette
 Aufgaben: «Bau was draus.» - aber auch mgl.: Szene vorgeben, z. B. «Sonntags
bei uns zu Hause»
 Lit.: Claudia ERMERT: «Szeno-Test-Handbuch», Huber 1997
 HÖHN: untersuchte diesen Test entwicklungspsychologisch  es liegen auch
nicht-psychoanalytische Deutungsmöglichkeiten vor
 z. B.: wenn Kind keine Figuren, sondern nur Objekte nutzt  Kontaktstörung
 Zeichnerische Gestaltungsverfahren (z. B. Familie in Tieren)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
93
 Proband muss zu bestimmter Thematik etwas zeichnen
 z. B. WARTEGG-Test: Punkte und Striche vorgegeben, Aufgabe: Zeichnungen
vervollständigen
 Auswertung:
(a) graphologisch
 z. B. Strichstärke, Ausnutzung des Papiers, Farbwahl, Strichführung
(b) inhaltlich
 z. B. Sach- vs. Menschenlösungen, oder direkt auf die Objekte bezogen etc.
 Farbwahl- und Formdeuteverfahren
 beruhen auf Farbpsychologie (Farbwahrnehmung, Erlebnisqualität (Anmutung) der
Farben, Symbolwert der Farben (durch Konvention und Kultur festgelegte Funktionen))
 Rot = Macht (schon im Alten Rom)
 Rot = Revolution (KP)
 Rot = Liebe (Rotlichtviertel)
 GOETHE: sinnlich-sittliche Wirkung der Farben, z. B.: wer Rot-Gelb bevorzugt ist sinnlich
etc.
 später: psychiatrische Gruppen auf Farbpräferenzen untersucht
 Farbpräferenzen interindividuell unterschiedlich, aber relativ stabil
 auch: Psychophysiologische Reaktionen in unterschiedlich gefärbten Räumen verschieden
(rot  aktivierend, grün/blau  beruhigend)
 Verbindung von Farberleben mit Begriffen untersucht, v. a. durch semantisches
Differential
 z. B. Semantisches Differential von Rot und Liebe sehr ähnlich
 frustrierende Sättigungsexperimente in grün/blauen vs. roten und gelben Räumen
 bei Rot/Gelb deutlich mehr affektive Äußerungen
  bei affektiver Verarbeitung spielt Farbe vielleicht eine Rolle
 LÜSCHER: LÜSCHER-Farbtest
 8 Karten unterschiedlicher Farbe, müssen nach Präferenz geordnet werden 
angeblich daraus Charakter ablesbar
 unseriös (Annahmen ohne theoretischen Hintergrund)
 seriöser: Farb-Pyramidentest nach R. HEIß & P. HALDER
 mit Farbplättchen müssen hässliche vs. schöne Pyramiden gelegt werden
 Psychoanalyse-Hintergrund: Mensch hat gute und schlechte Seite (Jekyll und Hyde),
und Test kann beide Seiten enthüllen
 heute kaum noch angewandt (spekulativ)
Ergänzung: SZONDI-Test
 SZONDI: ganzes Verhalten ist genetisch bestimmt
 Menschen werden Bilder gezeigt (Porträts von Psychopathen und Perversen)
 Vpn. müssen Sympathie oder Antipathie bekunden
 wenn Sympathie: Vp. ist wie Verbrecher
 wenn keine Sympathie: Vp. verdrängt diese Seiten an sich
 unseriös!
Resümee:
 projektive Verfahren nicht psychometrisch abgesichert
 anwendbar zur Hypothesenbildung, da Fragebogenexploration an ihre Grenzen stößt
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
94
26. Juni 2000
6.
«Objektive Tests»
 Lit.: HÄCKER, H. (1982): Enzyklopädie der Psychologie, Band Pädagogische Diagnostik,
Objektive Tests, S. 132-185
Ansatz:
 ähnlich wie projektive Verfahren: Prinzip der Undurchschaubarkeit für den Probanden 
keine Augenscheinvalidität; Proband kann Test nicht verfälschen
 Unterschied zu projektiven Verfahren: hohe Auswertungsobjektivität, also hochgradig
strukturiert in der Auswertung (wie bei Leistungstests)
 oft beim Probanden Eindruck erweckt, es handle sich um einen Leistungstest, obwohl die
Persönlichkeit erfasst werden soll
Def. nach SCHMIDT & SCHWENKMEZGER (1994, S. 28):
Als objektive Tests zur Messung der Persönlichkeit werden Verfahren verstanden, die
unmittelbar das Verhalten eines Individuums in einer Standardsituation erfassen, ohne dass
dieses sich in der Regel selbst beurteilen muss. Wenn das trotzdem der Fall ist, sollen die
Verfahren möglichst keine mit der Messintention übereinstimmende Augenscheinvalidität
haben.
Geschichte:
 KRAEPELIN und KRETSCHMER: versuchten, ihre Ptn. mit objektiven Tests zu untersuchen
 z. B. Schreibwaage, um Schriftdruck zu messen als Indikator für Affektivität,
Durchsetzungsfähigkeit und Energie
 Rechenversuch von KRAEPELIN  später PAULI-Test, sollte Willensqualität messen
 20er Jahre: HARTSHORNE & MAY: Ehrlichkeitstest für Kinder (z. B. Matheaufgaben lösen
 Lehrbuch auf Tisch  Lehrer verlässt Raum  überprüfen, ob Kind nachschaut)
 Resultat: Ehrlichkeit ist keine homogene Eigenschaft, sondern höchst situativ
abhängig
 «Konstitutionstypen»:
 Schizotyme Typen: Farbe
 Zyklotyme Typen: Form (weiterer Aufmerksamkeitsumfang)
 Klopftempo als psychisches Tempo gemessen (Charaktereigenschaften danach bestimmt)
Gegenwärtiger Stand – heutige Zeit:
 in amerikanischen und englischen Schulen: Versuch, diese Ansätze weiterzuführen 
objektive faktoranalytische, psychometrische Testbatterien
 z. B. CATTELL und EYSENCK (aber eher in der Forschung als in der Praxis eingeführt)
 Wahrnehmung
 ursprünglich in Arbeitspsychologie
a) Flimmerverschmelzungsfrequenz
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
95
 intermittierende Lichtquelle (schnell aufeinanderfolgende Lichtreize)  ab
bestimmter Frequenz kein Flackern mehr wahrgenommen
 bei Neurotikern eher kein Flimmern mehr wahrgenommen  vermutlich, da eher
Ermüdung eintritt
b) Nachbildeffekte
 z. B. auf rotes Quadrat schauen  Quadrat verschwindet  grünes Nachbild
c) Farb-Form-Bevorzugung
d) Stroop-Test
 Interferenzphänomen (bekannt aus anderen Veranstaltungen)
 neurotische und hirngeschädigte Personen haben dabei mehr Probleme
[bei b und c kann ich leider keinen Bezug zum Thema herstellen, T. E.]
 Psychomotorikprüfung




Spiegelzeichnung
Koordinationsprüfung
Hand- und Fingergeschicklichkeit
Neurotiker: dabei mehr Probleme
 Lernexperimente
 Lidschlagreflexe etc: ängstliche Personen lernen schneller bedingte Reflexe  Lidschlag
schneller bei Windhauch
 Lernkurven von Extra- und Introvertierten:
Ex
In
Extravertierte: lernen am Anfang schneller, vergessen aber auch schneller
Introvertierte: lernen am Anfang langsam, behalten es länger
 tachistoskopisch dargebotene Wörter
 leistungsrelevante Wörter (z. B. Prüfung, Schule, Zensur) von
leistungsmotivierten Personen schneller erkannt
 tabubesetzte Wörter von Sensibilisierern schneller erkannt als von Repressern
Britisch-Angloamerikanische Arbeiten zu Testbatterien:
 CATTELL: Universalindizes U1 bis U36
hoch
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
96
  16PF-Test
 versuchte,
neben
Fragebogenmethodik
auch
mit
objektiven
Tests
Charaktereigenschaften zu messen  Einführung von Kunstworten, um sie von
Alltagsbegriffen abzugrenzen (hat sich aber nicht durchgesetzt)
 entwickelte Objective Analytic Test Battery (OATB) (in D erstmals 1975 erschienen,
Übersetzung HACKER et al.)
 EYSENCK: Testbatterie (T-Daten für CATTELLs Faktoren)
 «nervliche Belastbarkeit vs. neurotische Tendenz»
 Beispiele:
 hohe Rigidität bei motorischen Aufgaben
 schlechte Leistung bei der Koordination am Zweihandprüfer
 Anfälligkeit für Suggestion des Rückwärtsfallens beim Aufrechtstehen mit
verbundenen Augen
 Ungenauigkeit beim Addieren unter Zeitdruck
 schnellere Entscheidungen zu Grundsätzlichem als zu Details
 ungenaues Bild aus Strukturen präsentiert, Erkennen der Objekte gezählt und
erhoben, wieviele bedrohliche Objekte erkannt
Lit.: Schmidt, L. R. (1987): revidierte Fassung der «Objektiven Testbatterie»
 EYSENCK-Batterie: Neurosendiagnostik
 Dunkeladaptation: Neurotiker können sich schlechter in Dunkelheit adaptieren
Neue computergestützte Verfahren:
a) KUHL & KRASKA (1995): Selbstregulations- und Konzentrationstest für Kinder (SRKT-R),
Hogrefe
 geht von Motivations- und Selbstregulationstheorie von KUHL aus, richtet sich gegen
Fragebogendiagnostik (Kinder begreifen oft nicht, was sie ankreuzen)
 misst Ablenkungs- und Versuchungsresistenz
 bestimmte Tätigkeiten sollen ausgeführt werden, bei denen Ablenkungsreize
präsentiert werden (Idee: Ablenkungen bei Schularbeiten zu Hause, z. B. durch
Freunde draußen)
b) KUBINGER & EBENHÖHE (1995): Arbeitshaltungen (für Erwachsene, Personalauswahl)
 für Bewerbungen:
 Anspruchsniveau
 Frustrationstoleranz
 Leistungsmotivation
 Impulsivität
 Reflexivität
 Anwendung: Berufs- und Bildungsberatung, Personalauslese
 speed test
 Untertests:
 Kodiertest [?] mit fingierten Leistungsrückmeldungen (Frustration bzw. Lob)
 Durchstreichtest  Pbn. können solange weitermachen, wie sie wollen
 Flächenvergleich (zwei Flächen gezeigt – welche ist größer?)  in Wirklichkeit
Zeit gemessen (viel Zeit gebraucht = hohe Reflexivität)
 Nullkorrelationen zwischen Persönlichkeitsfragebögen und diesem Test (!)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
97
Andere Ansätze, die mit objektiven Tests verwandt sind:
a) Georgische Schule der Psychologie
 USNADDZE [?] (Schüler von WUNDT): gründete Schule in Georgien; Buch:
«Einstellungspsychologie»
 Sozialpsychologische Verhaltenstrainings
 Ziel: Diagnostik von formalen (nicht politischen) Einstellungen
 dynamisch oder rigide im Wechsel von Einstellungen?
 z. B. Täuschungsversuch:
 2 Kugeln in die Hände gegeben, eine große und eine kleine
 Hände sind hinter dem Rücken
 10 mal hintereinander: in rechte Hand große, in linke Hand kleine Kugel
 dann: in beide Hände gleichgroße Kugeln
 mögliche Antworten der Vpn:
 «gleich groß» (richtig)
 «rechts kleine Kugel, links große Kugel» (Kontrasttäuschung)
 «rechts große Kugel, links kleine Kugel» (Assimilationstäuschung)
 erhoben: wie lange braucht Vp, bis sie die richtige Antwort gibt?
 vgl: GEIßLER, Ulrike: Persönlichkeitspsychologische Grundlagen der
Leistungsdiagnostik
 Ergebnis: Hysteriker brauchen lange, bis sie gleiche Größe feststellen ( gestörte
Einstellungsbildung)
 aber: Gültigkeitsnachweis nicht erbracht
b) Psychophysiologische Testmethodik
 Messung am Gehirn (MEG, EEG, PET etc.)
 am Auge (EOG, PG [Pupillogramm; wenn Pb. erregt: Pupillen weit])
 an Skelettmuskulatur (EMG [Elektromyogramm; beim Biofeedback nach AT], TG
[Tremorgramm])
 am Herz-Kreislauf-System (EKG, PKG, IKG, PG)
 an der Haut (ED [Elektrodermogramm], Transpirogramm, Thermogramm)
 am Urogenitalen System (Phallogramm, Vagina)
 am Endokrinen System (Speichel, Urin, Blut)
 u. v. a. m.
 in Praxis objektive Tests kaum verbreitet
Kritik:
a) umständlicher und zeitaufwändiger als andere Erhebungen
 objektive Tests oft 3 bis 4 Stunden, Fragebögen im Schnitt weniger als 1 Stunde
b) einzelne Aufgaben sind wenig theoretisch begründet; beruhen auf Vermutungen
c) Reliabilität meist äußerst schlecht
 psychophysiologische Messungen abhängig von augenblicklicher Situation der Pbn.
 eher state- als trait-Messung
 FAHRENBERG: warnt davor, psychophysiologische Verfahren in Routine einzusetzen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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2 Verfahren, die Wert der objektiven Tests im Rahmen der multimodalen Forschung zeigen:
a) SCHMIDT & SCHWENKMEZGER (1994)
 Vergleich von Fragebogentests (FPI) und objektiven Persönlichkeitstests hinsichtlich
der Differenz zwischen folgenden Gruppen: Psychosomatiker, Neurotiker,
Psychotiker, Alkoholiker, Kontrollgruppe
 Alkoholiker besser durch objektive Tests erkannt
 Neurotiker besser durch Fragebögen
 Fazit: Fragebogentests und objektive Tests haben ungefähr die gleiche Trennschärfe
b) KASIELKE (1985)
 objektive Tests gut für Untersuchung von Psychosomatikern
 Magen-Darm-Kranke: in Fragebögen nicht auffällig, aber durch objektive Tests zu
90% erkannt
 genauso: 86% der Neurotiker, 71% der Kontrollgruppe
 Alexithymie bei Psychosomatikern (Unfähigkeit, über Probleme zu sprechen)  tritt
auch in Fragebögen auf, wird also durch diese nicht erkannt
 Entwicklung von Magen-Darm-Erkrankungen durch diese Personengruppe 
kann nur durch objektive Tests festgestellt werden
Objektive Tests sind dort hilfreich, wo die Verfälschungstendenzen des Probanden so stark
sind, daß andere Verfahren versagen, z. B. bei Alkoholikern und bei Alexithymie.
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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Teil IV
IV.
Der diagnostische Prozess, Spezialprobleme und Tendenzen
29. Juni 2000
1.
Diagnostik und Intervention
 treatment = Oberbegriff für alles, was nach Diagnostik passiert (Schulwechsel, Therapie
etc.)
 traditionelles Denken: Diagnose  Behandlung (wenn Diagnose abgeschlossen)
 aber: während der Behandlung ergeben sich neue Ideen und Ansätze  Rückkopplung,
diagnostische Rückfragen
Diagnose
treatment
Diagnose II
 Diagnose II zur Evaluation des treatments – Vergleich von Diagnose I und Diagnose II
(Therapieerfolg oder nicht?)
Funktionen einer interventionsorientierten Diagnostik
Definition: Untersuchungsmethoden und Entscheidungen, die vor und im Verlauf der
Intervention (Psychotherapie, Förderung, Training) zur selektiven bzw. adaptiven Indikation
sowie zur Messung von interventionsbedingten Veränderungen zum Tragen kommen.
a) Selektive prognostische, interventionsbezogene Diagnostik: Indikationdiagnostik
 Ist der Patient überhaupt geeignet für Psychotherapie? Welche Therapieart verspricht
die größten Erfolgschancen? Gibt es Kontraindikationen?
 Mögliches Verfahren: Diagnostic Interview Schedule (DIS, WITTCHEN, vgl. auch
CIDI) / Feststellung der therapiebezogenen Lernfähigkeit (vgl. GÖTH & GUTHKE,
1985)
b) Erfassung des Interventionsablaufes und adaptive Steuerung des Interventionsprozesses:
interventionsbegleitende Diagnostik
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
100
 Mögliche Verfahren: Persönliche Fragebögen, Grid-Technik, Zielerreichungsskalen,
sozialpsychologische Interviews (soziale Stützsysteme) und Messungen (z. B. sich
verändernde Beziehungen in der Therapiegruppe), prozessorientierte Förderdiagnostik
(kriteriumsorientierte Diagnostik), Anpassung der Therapieplanung durch
«funktionale Verhaltensanalysen» (SCHULTE), Patiententagebücher und Protokolle
(Kopfschmerzprotokolle, Enuresis-Kalender)
 Persönliche Fragebögen: SHAPIRO: mit Pt. zusammen wird persönlicher, auf den
spezifischen Fall bezogener Fragebogen erstellt, dem sich der Pt. während der
Intervention immer wieder unterzieht
 Zielerreichungsskalen: zu erreichende Ziele mit Pt. gemeinsam festlegen und
skalieren
 sozialpsychologische Interviews: z. B.: Wie ist familiäre Unterstützung?
c) Erfassung von Veränderungen im Prä-Posttest-Vergleich zur Evaluierung des
Interventionseffekts: Effekt- oder Effizienzdiagnostik
 Mögliche Verfahren: prinzipiell alle psychometrischen Verfahren, hinzu kommen
noch Symptomlisten, persönliche Fragebögen, Zielerreichungsskalen und spezielle
Veränderungsfragebögen (z. B. Kieler Änderungssensitive Symptomliste, KASSL,
ZIELKE, 1979)
 Wiederholung der Untersuchungen der Indikationsdiagnostik (mögliche
Wiederholungseffekte beachten)
 Effizienzienzdiagnostik zu verschiedenen Zeitpunkten nach der Intervention, um zu
sehen, ob der Effekt kurz- und/oder langfristig wirkt
Der Diagnoseprozess
Deskriptive Prozessmodelle
Präskriptive Prozessmodelle
 Beschreibung des momentanen Vorgehens  Versuche, die Praxis zu optimieren, indem
in der Praxis
«Rezepte» vorgegeben werden
a) Zum Zusammenhang zwischen Diagnostik und Intervention
 JÄGER, R. S.: Der diagnostische Prozeß. Göttingen. Hogrefe. 1986
 SCHULTE, D.: Diagnostik in der Verhaltenstherapie. München. Urban &
Schwarzenberg. 1974
 ZIELKE, M.: Diagnostik in der Psychotherapie. Stuttgart. Kohlhammer. 1982
 BOMMERT, H. & HOCKEL, M.: Therapieorientierte Diagnostik. Stuttgart. Kohlhammer.
1981
 SCHRÖDER, H. & GUTHKE, J. (Hrsg.): Fortschritte der klinischen
Persönlichkeitspsychologie und klinischen Psychodiagnostik. Leipzig. Barth. 1988
 WITTCHEN, H. U.: Therapiebezogene Diagnostik. In: JÄGER, R. S. & PETERMANN, F.
(Hrsg.): Psychologische Diagnostik. Weinheim. Beltz. 1992. 232 – 245.
 GBS1
 KORNMANN, R. et al. (Hrsg.): Förderdiagnostik. Heidelberg. Schwindele. 1983
b) Präskriptive Prozessmodelle, incl. Computerdiagnostik
 WESTMEYER, H.: Logik der Diagnostik. Stuttgart. Kohlhammer. 1972
 GÖSSLBAUER, J. P.: Grundprinzipien der Entscheidungstheorie in der psychologischen
Diagnostik. In: WEHNER, E. G. (Hrsg.): Psychodiagnostik in Theorie und Praxis.
Bern. Huber. 1992
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
101
 GUTHKE, J. & CARUSO, M.: Computer in der Psychodiagnostik. Psychologie für
Praxis. 7. 1989. 203 – 222
 BOOTH, J.: Computerdiagnostik. In: JÄGER, R. S. & PETERMANN, F. (Hrsg.):
Psychologische Diagnostik. Weinheim. Beltz. 1992. 186 – 199.
c) Deskriptive Prozessmodelle
 GBS2
 DURCHHOLZ, E.: Der psychodiagnostische Prozeß. In: WEHNER, E. G. (Hrsg.):
Psychodiagnostik in Theorie und Praxis. Bern. Huber. 1992
Diagnostischer Prozess – Schritte nach DURCHHOLZ
1. Auftrag an den Diagnostiker





Übersetzung der umgangssprachlichen Fragestellung
Anforderung von Verhaltensberichten
Kompetenzproblematik
Fehlerwartungen an den Psychologen (Rezepte, Ratschläge)
oft werden nur «Präsentiersymptome» vorgestellt
2. Untersuchungsplanung




entscheidungsbezogene Diagnostik
Vermutungsdiagnose am Anfang der Untersuchungsplanung
optimale Reihenfolge der Verfahren nicht für jeden «Fall» angebbar
warming up
3. Durchführung der Untersuchung
 Untersuchungseinflüsse sehr groß  Geschlecht, Auftreten, Dialekt, Differenzen im
Bildungsniveau, Rolle von Testangst und Opposition (fehlende Mitarbeit, Lügen,
Übertreibung, Dissimulation)
 Beachtung von Reaktionsstilen
 keine «keimfreie» Laborsituation, sondern ökologische Validität anstreben (z. B.
Zeitdruckproblem)
4. Diagnostische Urteilsbildung
 oft nicht formal logisch, sondern induktiv, informal, erfahrungsgeleitet und «intuitiv»
 Problem der Konvergenz und Divergenz von Befunden
 Probleme der Sprache (wir können nur das diagnostizieren, wofür wir eine sprachliche
Beziehung haben  je differenzierter die Sprache, umso mehr Diagnosemöglichkeiten)
 Tendenzen zur Vereinfachung bei mangelnder kognitiver Komplexität (des Psychologen)
5. Beantwortung der Fragestellung
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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 Übersetzungsprobleme (z. B. Gericht, Schule)
 Selektionsprobleme (was wählt man aus, um es mitzuteilen?)
 Datenschutz
6. Juli 2000
Klinische vs. statistische Vorhersage in der Diagnostik
 Diskussion geht zurück auf P. MEEHL (1954)  forderte im American Psychologist «a
good cookbook» für den diagnostischen Praktiker
 Diagnostik sollte von einer Kunst zu einer Technologie werden  Standardisierung,
Statistik einsetzen
 gestützt auf Befunde aus medizinischer und psychologischer Diagnostik
 Bsp.: BARENDREGT [?]:
 am Anfang Diagnostik um so sicherer, je mehr Befunde man über einen Pt. erhält,
dann: Umkehrung des Effekts (zu viele Infos = Verunsicherung)
Entscheidungssicherheit
Info
 bei CT wertet jedoch zur Überwindung menschlicher Verarbeitungskapazität der
Computer aus
 Bsp: MMPI: angelernte Hilfskräfte, denen genaue Vorschriften gegeben werden, sind bei
Testauswertung genauso gut wie Psychologen
Deskriptive Modelle: Voraussetzung für die meist klinische Urteilsbildung
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
103
BRUNSWIKsches Linsenmodell als deskriptives Diagnosemodell
(in Prüfung beliebt!) (stammt aus Allgemeiner Psychologie, Wahrnehmungspsychologie)
Außenwelt
Innenwelt
funktionale Validität
M1
M2
Distales
Merkmal
Manifestes
Urteil
M3
M4
Ökologische Validität
Merkmalsverarbeitung
 Distale Merkmale: z. B. Schallwellen
 Mi: Proximale Merkmale; aus deren Kombination wird das Urteil gebildet
 Anwendung des Modelles auf die Diagnostik:
Validität
objektiver Zustand
r(T)1
Der «wahre»
Gesundheitszustand des
Patienten
subjektive Wertung
psycholog. / medinzin.
Untersuchung
r(F)1
r(T)2
psycholog. / med.
Krankengeschichte
r(F)2
r(T)3
Laborergebnisse
r(F)3
r(T)4
Testergebnisse
r(F)4
Der
«beurteilte»
Gesundheitszustand
(Kliniker)
r(...)i: Korrelationen
 multiple Regressionsanalysen zur Lösung des Problems möglich
 Expertenbefragung: welche Daten besonders wichtig in Anamnese? (Gewichtungen
erstellt)  diese Ergebnisse jungen, unerfahrenen Praktikern vorgelegt  auch gute
Ergebnisse erzielt (da nach diesen Richtlinien gearbeitet)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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Probleme der Deskriptiven Diagnostik und Gründe für eine normative
Herangehensweise (nach WESTMEYER, 1993)
a) Mangelnde Kenntnis der Befundlage
 unzureichende Berücksichtigung einschlägiger, empirisch überprüfbarer und
bestätigter Wissensgrundlagen
 Bezugnahme auf «subjektives Wissen», das entweder für den jeweiligen Einzelfall
nicht relevant oder nicht zutreffend ist
b) Unvollständige Analyse und Beschreibung der Probleme
c) Unzureichende Entfaltung des Hypothesenraumes
 zu frühe Beschränkung auf einige wenige diagnostische Hypothesen
 Untersuchung von für die Ausgangslage irrelevanten Hypothesen
d) Mangelnde Kenntnis der in Frage kommenden informationserhebenden Verfahren
 ungünstige Auswahl diagnostischer Verfahren
 problemunspezifische Anwendung von «Standardbatterien»
 Vernachlässigung (für die zu prüfenden Hypothesen) einschlägiger Verfahren
 Erhebung für die Ausgangsfrage irrelevanter diagnostischer Informationen
e) Unzureichende Beachtung der Durchführungsbedingungen standardisierter diagnostischer
Verfahren
f) Mangelnde Weiterverarbeitung erhobener diagnostischer Informationen durch
Verwendung veralteter Normwerte
 Verzicht auf eine zufallskritische Absicherung der Befunde und / oder auf Grund der
Wissenssituation nicht gerechtfertigte Beschränkung auf rein klinische Formen der
Informationsverarbeitung
g) Inbeziehungsetzen von diagnostischen Hypothesen und für diese Hypothesen nicht
einschlägigen Befunden
 unzutreffende oder relativ zur Wissenssituation unvollständige Diagnosen
--- bis hierher: deskriptive Modelle ----- jetzt: ---
2.
Präskriptive Modelle
 sollen Diagnoseprozess transparenter machen und «Kochbuch» bieten (s. o.)
 Vor. für die meist statistische Urteilsbildung
 Logisch-wissenschaftlicher Ansatz (WESTMEYER)
 in den 70-er Jahren viel diskutiert
 nie in Praxis umgesetzt auf Grund der strengen Formulierung
 in abgeschwächter Form jetzt angewendet (vgl. «Logik der Diagnostik», WESTMEYER,
1972)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
105
 Ziel: computerisiertes Diagnostiksystem, das alle Schritte der Diagnose standardisiert 
Expertsysteme; 4 Bestandteile:
a) Wissensbasis
 alle Informationen, die wissenschaftlich über ein bestimmtes Krankheitsbild
vorliegen
 «rationaler Corpus» der Wissenschaft, der zur Erklärung bestimmter psychischer
Störungen zur Verfügung steht
b) Datenbasis
 vom Benutzer eingegebene Fragen und zugehörige Antworten
c) Inferenz- oder Problemlösungskomponente
 Verknüpfungsregeln zwischen Fragestellung, Wissensbasis und Datenbasis
d) Lernfähigkeitskomponente
 System entwickelt selbstständig
Computersysteme)
sein
Wissensspektrum
weiter
(lernende
 innerhalb der Inferenz- oder Problemlösungskomponente (c): bestimmte abzuarbeitende
Algorithmen (gemeint: Schrittfolgen, die zur Diagnose führen)
 Beispiel: streng normatives Modell des diagnostischen Prozesses nach WESTMEYER:
Input: Fragestellung

Diagn. Algorithmen

Output: Diagnose

Prognost. Algorithmen

Output: Prognose

Entscheidungsalgorithmen

Output: Entscheidung
Wissensgrundlagen:
 Kompetenzwissen
 Bedingungswissen (Welche Bedingungen für die Krankheit ursächlich?)
 Veränderungswissen (Welche Therapie bei welcher Erkrankung?)
 Vergleichswissen (Wie ist Verhalten des Pt. im Vergleich zu anderen? – Normwissen,
Operationalisierung)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
106
z. B.
Ausgangsfrage A

Auswahlalgorithmus

Prozessalgorithmus

Prüfalgorithmus

Auswahlalgorithmus

Prüfalgorithmus

Prozessalgorithmus

Diagnose D
Warum ist der Jugendliche so aggressiv?

Computer stellt mgl. Hypothesen auf

1 Hypothese und deren Überpr. ausgewählt

Tests, Fragen, die gestellt werden
 stimmt nicht?
neue Hypothese und deren Überprüfung
...
 aber: in Praxis nicht eingesetzt, denn eine rationale Wissensbasis ist in der Psychologie
nicht definiert
 Bsp.: Zwangsstörungen ätiologisch völlig anders aufgefasst von Verhaltenstherapie und
Psychoanalyse
  WESTMEYER: Schema auf VT angewandt
 gemäßigtes Modell : Diagnostiker kann nicht komplett ersetzt werden duch Computer
Eigenschaften des gemäßigt normativen Modells des diagnostischen Prozesses
(aus einem Beitrag von HAGEBÖCK & WESTMEYER zum 25. Internationalen Kongress der
Psychologie in Brüssel 1992)
a) Bei der Explikation der Diagnose, Prognose und Entscheidung wird auf pragmatische
Varianten des Erklärungs- und Prognosebegriffs Bezug genommen, die nicht zu
intersubjektiv einheitlichen Begriffsbestimmungen führen.
b) Der diagnostische Prozess ist nicht in allen Einzelheiten geregelt; sein Verlauf hängt
wesentlich von den Entscheidungen ab, die der Diagnostiker auf der Grundlage der ihm
angebotenen Optionen trifft.
c) Der Diagnostiker bleibt eine zentrale Instanz im Rahmen des diagnostischen Prozesses; er
hat das letzte Wort und ist auf Grund der von ihm jeweils getroffenen Entscheidungen
auch mitverantwortlich für die Resultate des Prozesses.
d) Seine Entscheidungsfreiheit bewegt sich aber in Grenzen der auf Grund der
Wissenssituation zulässigen Optionen und wird insoweit durch die verfügbaren
Wissensgrundlagen eingeschränkt.
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
107
e) Auf die jeweilige diagnostische Fragestellung bezogen werden dem Diagnostiker in den
einzelnen Phasen des diagnostischen Prozesses die jeweils relevanten Wissensgrundlagen
theoretischer, empirischer und / oder methodischer Natur zugänglich gemacht.
 erstmals im Rahmen der Schulpsychologie Modell angewandt: Computersystem DIASYS
erstellt (s. u.)
 statistisches Auswertsystem für Einzelfallanalyse: PSYMEDIA (HUBER)
 Testsysteme (also Programmpakete, in die Tests integriert werden können, z.B. HogrefeTestsystem) sind noch lange keine Expertensysteme!
 aber z. B. DSM IV oder DIASYS 1 sind echte Expertensysteme
 DIASYS:
Diagnostische Fragestellung (Ps)

Korrespondierende Hypothesen (Comp)

Einzelfallspezifische Problemanalyse (Ps)

Einzelfallspezif. Untersuchungshypothesen

Planung der Informationserhebung (Comp)

Ausgewählte Erhebungsverfahren

Einzelfallspezifische Infoerhebung

Diagnostische Information

Infoverarbeitung und Hypothesenprüfung

akzeptierte Hypothesen

Diagnostische Entscheidung
 Standardisierung psychiatrischer klinisch-psychologischer Diagnostik (z. B. durch
Standardinterviews)
 sog. HINCKLEY-Fall (Attentäter auf REAGAN): Klärung der Schizophrenie  Ergebnis je
nach Schule anders
  Kritik an psychiatrischer Diagnostik als unwissenschaftlich
 in USA doppelt soviele Schizophrene wie in Europa diagnostiziert – Ursachen:
unterschiedliche Richtwerte, Trennschärfen, ...
 Forderung: auf Basis der Symptombeschreibungen der Ptn. eine standardisierte Diagnose
durchführen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
108
 APA: schaute sich beim Positivisumus der Wiener Schule um (CARNAP)  Konzentration
auf beschreibbares Verhalten und Protokollsätze
 im Vordergrund der Patientenbefragung stehen die Verhaltenssymptome
 DSM entwickelt
 auf Basis des ICD heute standardisierte Interviews
 Ziele: Reliabilität und Urteilsübereinstimmung
 Diagnosesysteme als Grundlage, weitere Spezifizierung durch Entscheidungsbäume
 viele Systeme laufen computergestützt (Pt. wird nach bestimmtem Symptom befragt,
danach in Computer eingegeben)
CIDI (Composite international diagnostic interview):
 international gültiges diagnostisches Interview
 in USA entwickelt, in München unter WITTCHEN und Mitarbeitern für deutsche
Verhältnisse normiert
 gibt es auch als Computerprogramm
 Schulungskurs zum Erlernen nötig
Kritik der präskriptiven Modelle (positiv und negativ):
positiv
negativ
 Vereinheitlichung
der
Diagnosepro-  Zurück im Sinne des klassischen
zeduren (Erhöhung der Objektivität und
medizinischen
Krankheitsmodells
Reliabilität)
(biologisch orientierte Psychologie, die
 höhere Ökonomie
Umweltbedingungen zu wenig beachtet)
 Computerisierbarkeit
 komplizierte dynamische Zusammen Verringerung der Gefahr, dass man
hänge (Wechselspiel zwischen Person und
Wesentliches bei der Befunderhebung
Umwelt) kaum erfasst (biologischer
vergisst
Reduktionismus,
diagnostische
Eti größere internationale Verständigungskettierung; Gefahr einer Schematisierung
und
fehlernder
Individualisierung);
fähigkeit  Austausch von ForschungsGefahr: Expertenwissen bestimmt, was
ergebnissen
welche Krankheit ist (aber Experten
können ihre Meinung ändern)
 sehr
atheoretisch
und
deskriptiv
(ätiologische,
ätiopathologische
Zusammenhänge nicht bedacht, z. B.
expressive Emotionen, Vulnerabilitätskonzept)
Fazit der Kritik: Einmaligkeit der Persönlichkeit besser beachten!
 Entscheidungstheoretischer statistischer Ansatz
(aus Wirtschaftsmathematik entwickelt)




kommt aus Wirtschaft / Personalauswahl
Lit.: GÖSSLBAUER (1992)
geht zurück auf Entscheidungstheorie nach CRONBACH & GLESER
Grundfragen:
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
109
 Bringt es in vorliegenden Fall überhaupt etwas, Diagnostik zu betreiben?
 Lohnt sich der Aufwand der Durchführung von Tests? Was hat der Auftraggeber
finanziell veranschlagt?
 Wie komme ich zu einer optimalen Entscheidung?
 statistisch realisiert: BAYES-Statistik; Grundbegriffe:
 Apriori-Wahrscheinlichkeit von Störungen (Häufigkeit des Vorkommens von
Störungen)
 Nutzen und Konsequenzen einer bestimmten Entscheidung für den Auftraggeber
 Wahrscheinlichkeit von Behandlungserfolgen bei bestimmten Therapien (in
Abhängigkeit von Symptom und Persönlichkeitseigenschaften)
 bestimmte Formeln dazu  Nutzen berechenbar
 mit welcher Wahrscheinlichkeit ist Pt. krank? / ist Klient als Pilot geeignet? etc.
Kritik:
 ziemlich kompliziert (mathematisch statistisch)
 Grundwahrscheinlichkeiten schwer exakt einzuschätzen
 selten auftretende Ereignisse (z. B. seltene Krankheiten) lassen sich durch
Formelanwendungen schlecht erkennen
 Kosten-Nutzen-Berechnungen kaum realisierbar (z. B. Förderschuleinschätzung 
Kosten unendlich im Falle einer Fehlentscheidung) (oder: wie operationalisiert man den
Nutzen von Psychotherapie?)
3.
Deskriptive Modelle
 unter IV.1. bereits behandelt...
26. und 29. Juni 2000 (vorgezogen)
4.
Tendenzen der Psychodiagnostik (Grobüberblick)
 Prüfung: nicht nur Charakter- und Persönlichkeitsdiagnostik, sondern auch
Intelligenzdiagnostik nennen (vgl. VL Differentielle Psychologie, «Tendenzen der
Intellektuellen- und Leistungsdiagnostik» [?])
Anmerkung: Der Stoff der Vorlesung stützt sich auf die Folien 70 bis 72. Von diesen Folien gibt es eine alte Version mit dem
Titel «Trends der Persönlichkeits- und Charakterdiagnostik», die in der Vorlesung aufgelegt wurde, und inzwischen eine
erweiterte neue Version unter dem Titel «Trends der Psychodiagnostik», die über die alte Fassung hinausgeht, aber nicht alle
Details dieser übernimmt. Ich habe mich entschlossen, hier die neue Fassung wiederzugeben – wem dies zu unsicher ist, der
sollte sich zusätzlich die alte Fassung zulegen. T. E.
Trends der Psychodiagnostik
1.) Suche nach globalen Persönlichkeitsfaktoren als
faktoranalytischen Untersuchung und Persönlichkeitstests
 Bsp.: «Big Five» nach COSTA und MCCRAE
 Bsp.: Berliner Intelligenz-Strukturtest (BIS)
Quintessenz
aus
vielen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
110
 Bsp.: NEO-FFI, NEO-PI-R
2.) Suche nach alltagsnäheren und bereichsspezifischeren Verfahren, z. B. in der
Aggressivitäts- und Angstdiagnostik. Forderung nach «ökologisch valideren» Verfahren.
Entscheidung für einzusetzenden Verfahrenstyp (allgemein oder mehr bereichsspezifisch)
erfolgt entsprechend Alltagsbezug bzw. Lebenskenntnis bei den Probanden (vgl. auch
KRAMPEN-Modell).
 Bsp.: EAS nach PETERMANN, IAF nach BECKER
3.) Stärkere Betonung der «biographischen Diagnostik».
 Bsp.: Biographische Fragebögen in der Eignungsdiagnostik
 Bsp.: BIV von JÄGER in der klinisch orientierten Diagnostik
4.) Zunehmende Bedeutung der Exploration und Entwicklung in Richtung standardisierter
bzw. halbstandardisierter Interviews.
 Bsp.: Multimodales Interview in der Berufseignungsdiagnostik nach SCHULER
 Bsp.: Erfassung kritischer Lebensereignisse durch den LEBI nach RICHTER & GUTHKE
 Bsp.: Angst-Prozessdiagnostik nach ROST
 Bsp.: Standardisierte klinische Interviews nach ICD und DSM
5.) Zunehmende Bedeutung der «Umweltdiagnostik» (des Familiensystems, der sozialen
Stützsysteme, der Arbeitsbedingungen, der Risiko- und protektiven Faktoren in der
Umwelt etc.).
 Bsp.: LRF nach GUTHKE & HEINRICH
 Bsp.: Home-Scales
6.) Forderung nach einer stärkeren Therapie- und Förderbezogenheit der Diagnostik.
 Bsp.: therapieorientierte Diagnostik bzw. «Förderdiagnostik»
7.) Ergänzung der Labordiagnostik durch ambulantes Assessment unter «Feldbedingungen»
mit computerisierten Verhaltensrecordern.
 Bsp.: Arbeiten von PAWLIK & BUSE, PERREZ
8.) Zunehmende Bedeutung der computergestützten Diagnostik.
 Bsp.: Wiener Testsystem des Schuhfried-Verlages
 Bsp.: Hogrefe Testsystem
 Bsp.: Delta-System der Bundesanstalt für Arbeit
Berufsberatung
 Bsp.: DIASYS nach HAGEBÖCK
für
die
psychologische
9.) Wieder mehr Interesse an «objektiven Persönlichkeitstests» sensu CATTELL und EYSENCK.
 Bsp.: Computergestützte objektive Tests (KUBINGER, 1996)
 Bsp.: Arbeiten von KASIELKE, HAENSGEN und SCHMIDT
10.)



Wieder vermehrt Interesse an «projektiven Verfahren».
Bsp.: «Wunschprobe» nach WILDE (siehe Arbeiten von PLAUM, 1997)
Bsp.: RORSCHACH-Varianten in den USA
Bsp.: Comprehensive System (vgl. Übersicht bezüglich Formdeuteverfahren bei
WITTKOWSKI, 1996, in Diagnostica)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
111
11.) Ergänzung der bisher dominierenden reinen Status- bzw. Einpunktmessungen durch
veränderungsbezogene Mehrpunktmessungen.
 Bsp.: «Lerntests», «Learning-Potential-Assessment», «Testing the Limits»,
«Interactive Assessment», «Dynamisches Testen», vgl. auch FEUERSTEIN, HAYWOOD
& TZURIEL, GUTHKE & WIEDL (1996)
12.) Zunehmende Bedeutung der neuropsychologischen Diagnostik im Zusammenhang mit
den enormen Fortschritten bei den bildgebenden Verfahren (fMRI, PET etc.) und den
verstärkten Reha-Bemühungen bei Apopleptikern und «Hirngeschädigten» anderer
Genese.
 Bsp.: Kaufmann-ABC nach MELCHERS-PREUß / LURIA-Verfahren
 Bsp.: HALSTEAD-REITAN-Testbatterie
 Bsp.: «Planungsdiagnostik» für Alltagshandlungen (FINKE & FRITZ)
13.) Überwindung der starren Gegenübersetzung von «Verhaltensdiagnostik» und
Eigenschaftsdiagnostik» (vgl. WESTMEYER, 1994).
(Ergänzungen von Wulf Mirko:)
14.) Verstärkt adaptives Testen
• Bsp.: Adaptive Computergestützte Lerntestbatterie (ACIL) von Guthke et. al.
• Bsp.: FACT (Computerversion des Frankfurter Aufmerksamkeitsinventars FAIR)
• Diagnostisches Interview bei Psychischen Störungen (DIPS)
15.) Komplexe Aufgabenlösung, statt Wissensabfrage
• mehr Aufmerksamkeit auf Problemlösestrategien, Fehleranalyse, etc
16.) verstärkt präskriptive, statt deskriptive Diagnostik
 verstärkt statistische, statt klinischer Urteile
17.) Konstruktion von Leistungstests auf Grundlage der Probabilistischen Testtheorie
18.) Konstruktion von Tests verstärkt unter Einbeziehung der Psychol. Grundlagenwissenschaften, bes. Allg. und Entw.-Psychologie (rational-theoretische Konstruktion)
 nachträgliche Fundierung vorhandener Tests
(Ende der Ergänzungen)
Einige Kritikpunkte an der psychologischen Diagnostik
a) Mithilfe bei der Etikettierung und Ausgrenzung (Selektion) von Menschen (Dominanz
sog. Selektionsstrategien)
 im Rahmen der Anti-Psychiatrie-Bewegung diskutiert (60-er und 70-er Jahre), dann
auch Anti-Diagnostik-Bewegung
 Gegenströmung: Sozialpsychologie
 heute wieder: Einteilung der Menschen nach Kategorien durch ICD und DSM
 in klassischer Eignungsdiagnostik: Mensch = Ausbeutungsobjekt am Arbeitsplatz,
Beeinträchtigungen dadurch interessierten nicht  Psychologie musste herausstellen,
dass man auch Eignungsdiagnostik zu Gunsten des Individuums machen kann
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
112
b) unfaire Intelligenzleistungen bei «Unterpriviligierten» (z. B. Kindern aus wenig
anregungsreichem Milieu) und anderen Kulturen (z. B. Gastarbeiterkinder)
 Versuch zum culture-fair testing, aber: nach neueren Untersuchungen sind auch diese
Tests kulturabhängig
c) Gefährdung der Autonomie und Intimsphäre der Persönlichkeit in der sog.
Persönlichkeitsdiagnostik mit Fragebögen und «projektiven Tests»
 Probanden werden v. a. durch «objektive Tests» getäuscht
 Folge: möglichst in Gerichtsverfahren keine projektiven Tests anwenden
d) Mangelnde Therapie- und Förderrelevanz
 Diagnostik betont, aber Therapie unterbetont; Grund: theoretische Fundierung der
Therapie ist nicht genügend individualisiert
 aber z. B.: Erhebung bei Depressiven  Therapie mit Medikamenten wirkt besser,
wenn vorher Fragebogenuntersuchung
e) zu starke Orientierung auf isolierte Fakten- und Wissensabprüfungen in
Schulleistungstests, v. a. mit multiple choice-Antwortformat, zu Ungunsten anderer
Bildungs- und Erziehungsziele
 Bsp.: in der postgradualen Psychotherapieausbildung multiple choice eingeführt
 siehe aber als Alternative performance based assessment
Einige übergreifende Diskussionspunkte und Themen der Psychodiagnostik
a) Überalterung von Testnormen
 siehe hierzu z. B. die Kritik von FAY (1997) am PSB (HORN 1969) oder von BERG &
IMHOF (1997) am PFK (SEITZ & RAUSCHE 1992)
 Bsp. PFK: Neuauflage, aber Normen aus den 70-er Jahren, wobei Normen aber etwa
aller 10 Jahre überholt sind
 Probleme:
 Normierungen sind sehr teuer (Verlage können sich dies oft nicht allein leisten) 
Kosten für Tests steigen
 Genehmigungschaos
b) Qualitätssicherung von Testverfahren und deren Anwendung
 siehe hierzu Vorschläge des Testkuratoriums
 DIN-Ausschuss der Wirtschaft sollte Qualität prüfen; Problem: teilweise inhaltliche
Prüfung nicht möglich
 eine solche Prüfung heute nur bei berufsbezogenen Tests
 Problem der Anwendung: auch jeder Nichtpsychologe darf Tests verwenden (in USA
anders)
 heute Grundsatz: wer Tests durchführen will, sollte zumindest psychologische
Schulung erhalten haben
c) Optimierung und Standardisierung des diagnostischen Prozesses («Diagnosestrategien»)
 s. hierzu z. B. HAGEBÖCK (1994) und die Arbeiten aus den Arbeitsgruppen von
WESTMEYER und WESTHOFF
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
113
 Bestreben: Expertensysteme am PC
 standardiesierte Interviews
d) Berufsethische Probleme der Diagnostik
 z. B. Aufklärungsrecht, Zumutbarkeit, Gutachtenweitergabe
 siehe dazu Folie «Rechtliche Rahmenbedingungen»
e) «Computerisierung» der Diagnostik
 s. hierzu z. B. die in den Verlagen Dr. Schuhfried Wien, Dr. Hogrefe Göttingen und
Swets Ffm. herausgegebenen Systeme für computergestützte Diagnostik
14. Juli 2000
5.
Computergestützte Diagnostik
Computer  Psychologie:
 z. B. Computermetapher als Modell für Erklärungen des menschlichen Gedächtnisses und
Denkleistungen, Wissensrepräsentation etc.
 aber: Übertreibung: Mensch = Maschine
Psychologie  Computer:
 Herbert A. SIMON: Generelles Problemlösen; Verbindung von psychologischem Denken
mit Computerwissenschaft
 «ergonomische» Gestaltung von Hard- und Software
 graphische «Benutzeroberfläche» (Desktop, Zwischenablage, Papierkorb etc.)
 Apple vs. Microsoft
 Künstliche Intelligenz
«Die eigentliche Gefahr besteht nicht darin, dass Computer wie Menschen zu Denken
beginnen, sondern dass Menschen wie Computer zu denken beginnen.»
Simon J. HARRIS
 Anwendung von Computern in der Psychodiagnostik bereits seit Anfang der 60-er Jahre
 Mayo-Klinik (Rochester, USA): Screening (MMPI) durchgeführt (auf maschinenlesbaren
Karten), computergestützte Testauswertung und -interpretation (CBTI: computer based
test interpretation)
 sog. Mayo-System lieferte:
 14 Skalenwerte
 Kommentare zu den Skalenwerten
 Skalenübergreifende Kommentare (konfigurale Statements)
 erste Trends:
 «nur» Auswertung  Report («Gutachten») (statements zu Testleistung)
 post in (Testprotokolle zur Einrichtung geschickt, die System und Computer hatte) 
online (direkt vor Ort)
 ab Mitte der 80-er Jahre:
 Anamneseerhebung (psychiatrisches Interview, ICD, DSM)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
114
Einsatzgebiete von Computern in der Psychodiagnostik
a) Testentwicklung
 Edition von Testitems
 Itemgenerierung, Zusammenstellung von Tests
 Anlage und Verwaltung von Item-Banken
b) Testevaluation
 Item- und Testanalysen
 faktoranalytische Berechnungen
 Auswertung von Validierungsdaten
c) Testdurchführung
 Auswahl der zu bearbeitenden Tests
 Testvorgabe
 adaptives Testen
 Registrierung der Reaktionen des Testanden
 Registrierung zusätzlicher Daten (Validität muss geklärt sein)
d) Testauswertung
 Scoring
 Analyse
 Vergleich mit Normen
 Interpretation
 Diagnostische Entscheidungsfindung
 Rückmeldung der Ergebnisse an die Testanden
 Fortentwicklung
 nicht jeder Test, der auf Computer läuft = computergestützter Test
Kategorien von Computertests
a) Computerversionen von herkömmlichen Tests
 prinzipiell mit dem paper and pencil-Test identisch
 Äquivalenz angestrebt, aber: man kann nicht «zurückblättern», sondern oft nur eine
Frage zurückgehen, also nicht nachschauen, wie man bei ähnlichen Fragen bereits
geantwortet hat
  neue Normierung nötig, aber kaum umgesetzt
b) überarbeitete Originaltests
 haben paper und pencil-Tests als Ausgangspunkt, aber wesentliche Veränderungen, z.
B.:
 sequentielle Tests adaptiv darbieten
 Darbietungszeit variieren in Abhängigkeit von vorheriger Reaktion etc.
 Bsp. Wechsler-Test: man kann Würfelfiguren in der Computerumsetzung drehen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
115
c) Computeroriginaltests
 Verfahren, die es nie als paper und pencil-Fassung gab
 setzen die Spezifik des Computers voraus (spezielle Items, z. B. bei adaptiven Tests)
 Bsp.: Computer spielt Filmsequenzen vor, in die Fehler eingebaut sind; Pb. stoppt an
entsprechender Stelle etc.
 allgemein: auf Äquivalenz achten, wenn paper und pencil-Variante vorhanden; ansonsten:
neue Normen!
Vorurteile
 Einsatz von Computern in Psychodiagnostik führt zu Verlust der intuitiven Kompetenzen
des Diagnostikern
 Inflexibilität
 Determinismus des Computerprinzips
 Individualitätsreduktion (bzgl. Diagnostikand)
 Debatte: Was ist gute Diagnostik – «Bauch» oder Richtlinien?
 MEEHL, P. E. (1956): «Wanted – A good cookbook», American Psychologist, 11, 263
– 272
«Diagnostische Urteilsbildung bezeichnet jene Denktätigkeit eines Experten, die durch die
Frage mit diagnostischer Zielsetzung angeregt wird, die die Suche und die Auswahl von
Informationen steuert, die diese Informationen interpretiert und integriert, so dass am Ende
dieser spezifischen Denktätigkeit eine Antwort auf die Ausgangsfrage möglich ist.»
(JÄGER, MATTENKLOTT & SCHRÖDER 1984, S. 11 f.)
Arten der diagnostischen Urteilsbildung (MEEHL)
 beschreiben, wie diagnostische Informationen in einer Untersuchungssituation verarbeitet
werden können (MEEHL, 1954)
klinische Urteilsbildung:
 Informationen werden intuitiv (auf Grundlage des Fachwissens und der Erfahrung des
Diagnostikers) ausgewertet und beurteilt (role of thumb method)
statistische Urteilsbildung:
 Informationsauswertung und die darauf aufbauenden Vorhersagen erfolgen auf der Basis
expliziter, empirisch gewonnener und überprüfter Regeln und Gesetzmäßigkeiten
 auch bezeichnet als mechanisch, aktuarchisch oder cookbook method
 Bedeutung z. B. in Kriminologie, etwa Rückfallwahrscheinlichkeit von Kriminellen
 WARNER (1923): stellte fest, dass Urteile (der Geschworenen) sehr beliebig waren
  diagnostische Kriterien entwickelt, die Rückfallwahrscheinlichkeitswert ermitteln
sollten
 1942 erstmals auch Psychologie bei Ermittlung von Rückfallwahrscheinlichkeit
beteiligt (zuvor nur Polizei, Juristen, Psychiater)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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 Vergleichsstudien im Rahmen der Debatte: Qualität der diagnostischen Urteile bei
statistischer Urteilsbildung besser
Potenzielle Gründe für eine mangelnde Validität diagnostischer Urteile
 begrenzte Informationsverarbeitungskapazität
 Urteile werden nur auf Grund eines Bruchteils der vorliegenden Informationen gefällt
 Tendenz, zu viele Daten zu sammeln
Sicherheit
 wenn zu große Menge an Daten  Verunsicherung
Datenmenge
(vgl. IV.1)
 eine Zunahme der beachteten Informationsmenge führt nicht zwangsläufig zu einer
Verbesserung der Urteile
 es ist einfacher, bestätigende Rückmeldungen für richtige Entscheidungen zu erhalten als
widerlegende Rückmeldungen nach falschen Entscheidungen
 Aufmerksamkeit wird unter Umständen auf irrelevante Aspekte des Problems gerichtet
 Urteilsprozess wird durch fehlerhafte Erwartungen geleitet
 es wird a priori keine endliche Menge an Alternativerklärungen definiert, gegen diese
dann systematisch geprüft wird
 kein probabilistisches Denken, sondern (u. U. streng mono-)kausales
 wenn probabilistisch, dann ist die Wichtung der Bedeutung der Informationen oft
unangemessen
 aus Fehlern lernen ist in der Psychologie schwierig:
 «Pathologe» der Psychologie fehlt
 z. B. Sonderschuleinweisung falsch  Psychologe sieht Beurteilten nicht wieder 
erfährt nichts von seiner Fehleinschätzung
Zur Psychodiagnostik als Kunst
Psychologische Diagnostik ist eine Disziplin, welche in der Anwendung zu Konsequenzen für
Betroffene führt. Es gelten daher alle Bedingungen, welche mit dem Rechtsbegriff
«Kunstfehler» verbunden sind:
 Schadensersatzpflicht (§ 823 BGB)
 Körperverletzung (§ 223 StGB)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
117
«Diagnostik in Psychologie und Medizin ist für uns alle viel zu wichtig, als dass wir es uns
leisten könnten, dem einzelnen Diagnostiker zu gestatten, seinen eigenen Regeln und
Gesetzen zu folgen und Kunst als Wissenschaft oder Wissenschaft als Kunst zu betrachten.»
(nach WESTMEYER)
Deskriptive Diagnosemodelle
 Man versucht, auf empirischem Wege herauszufinden, wie diagnostische Urteilsprozesse
in der Praxis von Statten gehen (post hoc).
 Probleme der Personenwahrnehmung
 Urteilsfehler
 Diagnostik als Problemlöseprozess
Normative (präskriptive) Diagnosemodelle
Wie soll Urteilsbildung ablaufen, damit
 der Diagnoseprozess «objektiv» (also «unabhängig vom Diagnostiker») ist,
 das Informationspotenzial hinreichend ausgeschöpft wird,
 das Resultat (also die Diagnose) korrekt und wissenschaftlich theoretisch begründet ist?
Linsenmodell von BRUNSWIK als deskriptives Diagnosemodell
(siehe auch IV.1)
Validität
Korrelation r(yc, yj)
x1
Kritischer
Wert
x2
x3
yc
Vorhersage
des Klinkers
yj
x4
diagnostische
Eingangsdaten
xj
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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 objektive Bedeutung der Einzelinformationen: yc = 1cx1 + 2cx2 + 3cx3 + ...
 subjektive Bedeutung der Einzelinformationen: yj = 1jx1 + 2jx2 + 3jx3 + ...
 Korrelation der Komponenten macht Aussage über Validität
Informationshilfen – Expertensysteme
 machen Entscheidungsvorschläge
 dienen der Verdichtung von Daten
(Wiederholung und Vertiefung von gleichem Thema in IV.2 [kam tatsächlich doppelt, mit
leichten Änderungen, T. E.]:)
Bestandteile von Expertensystemen:
 Wissensbasis (beinhaltet Wissen und die Verarbeitungsregeln für ein bestimmtes
Anwendungsgebiet)
 aber: in Psychologie Wissen selten so gesichert, dass Regeln möglich sind  wenige
Expertensysteme
 Datenbasis (vom Benutzer eingegebene Fragen oder Hinweise)
 Inferenz- oder Problemlösungskomponente (kombiniert Inhalte der Datenbasis mit
Wissensbasis so, dass Schlüsse zur Beantwortung der Fragen gezogen werden können)
 Erklärungskomponente (begründet die einzelnen Problemlösungsschritte, Transparenz)
 Lernfähigkeitskomponente (eher selten implementiert; Verwertung der Ergebnisse oder
neu eingegebenen Beispiele zur selbsttätigen Erweiterung der Wissensbasis um neue
Fakten und Regeln)
 Testsystem (Testvorgabe- und Auswertungsprogramme, also Programmpaket, in das Test
integriert werden kann)  Expertensystem!
 aber z. B. DSM IV oder DIASYS 1 = Expertensystem
DIASYS 1 (HAGENBÖCK, 1994):
= Expertensystem für die pädagogisch-psychologische Praxis
 Einsatzgebiet: Einzelfallhilfe in schulpsychologischen Beratungsstellen
 Geltungsbereich: Schüler von 9 bis 15 Jahren
 Ausgangsfragestellung: «allgemeine Schulschwierigkeiten»
 in diesem Zusammenhang geprüfte Merkmalsbereiche:
 schulische Leistungen
 Intelligenz
 Konzentrationsfähigkeit
 Leistungsmotivation
 Einstellung zur Schule und zum Lernen
 Persönlichkeitseigenschaften / Selbstkonzept
 System gibt in Abhängigkeit von Hypothesen Empfehlungen für Tests, die man zur
Klärung der Hypothesen durchführen könnte; Ergebnisse des paper-pencil-Tests können
in Rechner eingegeben werden
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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Computer in der Diagnostik
 Datenfilterung, -auswertung, -darstellung, -speicherung
 Datenverdichtung, -bewertung, -gewichtung
 Wissensdatenbank und Unterstützung der Entscheidungsfindung
Computerbasierte
Tests
Dateneingabe zur
Auswertung
Unterstützung
Diagnoseprozess
Diagnostikand
Konventionelle Tests,
Beobachtung
Diagnostiker
Direkte Interaktion
(widerlegte) Vorwürfe:
 adaptives Testen erst mit Computer möglich  widerlegt Vorwurf der Unflexibilität (an
Probanden angepasstes Reagieren des Computers möglich)
 Determinismus: im Endeffekt auch nicht haltbar
 Individualitätsverlust: man müsste streng genommen für jeden Menschen eigenen
Intelligenztest entwickeln  Inkompatibilität einer hypertrophierten Diagnostik mit
einem eher hypotrophierten Interventionsspielraum
Kritik:
 Entmenschlichung (aber: es gibt ethische Richtlinien [Testkuratorium etc.])
 mangelnder Datenschutz (aber: Akten auch nicht sicherer)
 Aufzwingen der Diagnosemethode (aber: es gibt auch Spielraum)
 Psychologie macht sich selbst überflüssig, denn diese Diagnoseverfahren können auch
von Berufsfremden angewandt werden (aber: Kompetenzen im Auswahl der Verfahren,
Interpretation etc. bleiben beim Psychologen)
 Computergestützte Diagnostik = Erweiterung des diagnostischen Prozesses
 in diesen Prozess eingebettet
 sollte nicht gleich zuerst angewandt werden
6.
Neuropsychologische Diagnostik
Literatur:
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
120
 WITTLING et al.: Neuropsychologische Diagnostik, in: JÄGER & PETERMANN:
Psychologische Diagnostik
Ausarbeitungen von Wulf Mirko Weinreich (wurde aber nicht gelesen!):
Definition:
Neuropsychologische Diagnostik impliziert eine zerebrale Funktionsmessung, deren Ziel es
ist, eine generelle Aussage über die funktionale Effizienz, Integrität und Reaktivität des
zerebralen Systems bzw. einzelner zerebraler Strukturen eines Individuums zu machen und in
einen Bezug zu den entsprechenden Funktionsaspekten anderer Menschen zu setzen. Anhand
der erhaltenen Daten können spezifische Verhaltensaspekte und körperliche Reaktionsweisen
dieser Menschen vorausgesagt und/oder erklärt werden.
Anwendungsgebiet vorrangig im Klinischen Bereich: Messung funktionaler Defizite
zerebraler Strukturen, die als Folgen nachgewiesener oder vermuteter Schädigung der
Hirnsubstanz auftreten.
• Beschreibung der aktuellen funktionalen Situation des Patienten
• Beratung des Patienten und seiner Angehörigen
• Verlaufskontrolle und Prognose hirnschädigungsbedingter Veränderungen
• Planung und Evaluation von Rehabilitiationsmaßnahmen
• Erfassung neuropsychologischer Aus- und Nebenwirkungen neurologischer und
neurochirurgischer Maßnahmen
• Erfassung neuropsych. Auswirkungen allgemeinmedizinischer Erkrankungen (z.B.
Asthma, Stoffwechselstörungen, Herzrhythmusstörungen, Hypertonie,...)
• Erfassen zerebraler Korrelate psychiatrischer Erkrankungen
Klärung folgender Fragen:
 Topografische Funktionsanalyse:
• Gibt es Hinweise auf funktionale Defizite?
• Welche Hirnregionen sind betroffen (Hemisphären, anterior, posterior, etc)
 Inhaltliche Funktionsanalyse
• Welche inhaltlichen Funktionsbereiche sind betroffen? (kognitive, emotionale,
motorische, sensorische, psychophysiologische, Verhaltensregulation)
• Welche sekundären Reaktionen treten beim Patienten auf?
 Praktische Konsequenzen der Funktionsanalyse
 Lebenskonsequenzen (beruflich, familiär, gesundheitsbezogen)
 Konsequenzen bezüglich Verlaufsprognose und Rehabilitation
Strategien der topographischen Funktionsanalyse
 Indirekter Ansatz: mittels Psychologischer Testverfahren Verhaltensreaktionen erfassen
und daraus Rückschlüsse auf den Funktionszustand ziehen
 Das bedarf bestimmter Inferenzprinzipien. Alle bisher bekannten sind jedoch
problematisch  Gefahr der Fehlinterpretation  viele verschiedene Methoden nutzen
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
121
Leistungsniveauvergleich anhand von Populationsnormen
 Vergleich der Leistungen des Probanden mit einer Eichstichprobe hirngesunder und einer
Eichstichprobe von Personen mit nachgewiesenen Hirnschädigungen
 bei Leistungen unterhalb eines Grenzwertes, der beide Populationen optimal trennt, geht
man von Hirnschädigung aus.
 Beispiele:
• Benton-Test
• Göppinger Formreproduktionstest
• Diagnostikum für Cerebralschädigungen
• Halstead-Reitan Neuropsychological Test Battery
 ist sehr angreifbar, Kritik:
• substanzielle Hirnschäden müssen nicht immer mit zerebralen Dysfunktionen
einhergehen
• Validität, Art und Zusammensetzung der Eichstichproben
• Fehlende Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Bildung
• Möglichkeit anderer Ursachen für Ergebnisse (z.B. Motivationsmangel, Müdigkeit,...)
Vorkommen pathognomer Zeichen
 Ausfall von Basisfunktionen, die so grundlegender Natur sind, daß ihre Existenz ab einem
best. Alter als normal angesehen werden kann, z.B.
• Objekte im Gesichtsfeld registrieren
• Berührungsreize lokalisieren
• Bekannte Objekte wiedererkennen
• einfache motorische Handlungen
• einfache Wörter und Sätze nachsprechen und verstehen
 ist relativ sicher, tritt aber nur sehr selten weil bei massiven Funktionsstörungen auf
 kann nur globale Aussagen machen
 ist Bestandteil verschiedener Tests
Vergleich zwischen sensitiven und insensitiven Verhaltensaspekten
 nichtsprachliche Leistungsaspekte und Aspekte der „fluiden“ Intelligenz, „mental speed“,
motorische Geschwindigkeit und Lernen sind offensichtlich stärker betroffen als z.B.
Gedächtnisleistungen und „Kristalline Intelligenz“
 Zahlensymboltest im HAWIE ist diesbezüglich sehr sensitiv, gefolgt von Mosaiktest,
Bilderordnen und Figurenlegen, sowie Zahlen nachsprechen und rechnerisches Denken
 Trail-Making A/B (Reitan)
Interhemisphärischer Leistungsvergleich bei funktionaler Hemisphärenasymmetrie
Höhere kognitive Funktionen sind oft asymmetrisch:
 linke Hemisphäre: Sprachlich, symbolisches und rechnerisches Denken  Aphasie- und
Sprachtests, Denk- und Mathetests
• bei Schädigung eher überschießende emotionale Reaktionen (mangelnde Kontrolle)
• Trail-Making B (Reitan)
• HAWIE: Verbal-IQ
 rechte Hemisphäre: Räumlich-visuelles, musisches und emotionales Denken und
Steuerung motorischer Prozesse  Zeichnen, Orientierungstests, Prüfung des tonalen
Gedächtnisses, Rhythmuserkennung, Erkennen von Formen, komplexen taktilen Reizen,...
• bei Schädigung eher Verflachung der emotionalen Reaktionen
• Trail-Making A (Reitan)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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• HAWIE: Handlungs-IQ
 bei hemishpärengebundenen Leistungen, die in ihrer Differenz deutlich unter der
normalen intraindividuellen Variabilität liegen, ist eine unilaterale Hirnschädigung
wahrscheinlich  macht Aussagen über die Lokalisation der Schädigung
 durch intraindividuellen Vergleich wesentlich geringere Fehlervarianz als bei
interindividuellem
Interhemisphärischer Leistungsvergleich bei contralateraler Funktionsrepräsentation
 prüft einfache, elementare Funktionen, die nicht an Hemisphäre gebunden sind
 jede Hemisphäre steuert jedoch die gegenüberliegende Körperseite (=contralaterale
Repräsentation)
• motorische Funktionen (Bewegungskontrolle der Extremitäten, usw.)
• taktile Funktionen (Registrierung von Berührung)
• akustische Funktion: (Contralateralität trifft nur bedingt zu  vorzugsweise
dichotische Stimulation, weil es dabei zu funktionaler Hemmung kommt)
• visuelle Funktion: (Contralateralität trifft nur für die Aussenränder des Gesichtsfeldes
zu)
• diese Funktionen haben verhältnismäßig exakt begrenzte topographische
Repräsentation im Gehirn:
 Versuchsvorgehen: gleiche motorische und sensorische Aufgaben für linke und rechte
Körperhälfte
• bei deutlichen und konsistenten Seitendifferenzen Hinweis auf Hirnschädigung
• durch Art der Minderleistung ist eine exakte Lokalisation der Funktionsstörung
möglich
 Vorteile:
• Systematische Untersuchung eines Großteils der Cortex-Areale
• Relativ enge topographische Lokalisierbarkeit von Dysfunktionen
• Weitgehend unabhängig von Populationsnormen
• Unabhängigkeit vom absoluten Leistungsniveau des Individuums
• Geringe Wahrscheinlichkeit, daß die so erhaltenen Differenzen durch Störfaktoren und
Artefakte wie Motivationsmangel, Simulationstendenzen, psych. Störungen und die
Begabungs- und Persönlichkeitsstruktur systematisch verfälscht werden.
• Hohe diagnost. Bedeutsamkeit, da es sich um elementare Basisfunktionen handelt
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
123
 Verfahren der lateralisierten Messungen:
• Motorisch:
– Reaktionsgeschwindigkeit (Fingertapping, manuelle Reaktionszeitmessungen)
– Reaktionsgenauigkeit (Grooved Pegboard Test, Tactual Performance Test)
– Kraft (Griffstärke mittels Handdynamometer)
• Akustisch:
– Seitenvergleich bei bilateraler, oft dichotischer Stimulation, Verwendung von
sinnfreiem oder nichtsprachlichem Reizmaterial)
• Taktil:
– Prüfung der Berührungssensitivität,
– Fingerspitzenschreiben
– Taktile Formrekognition
– Diskriminationsfähigkeit (z. B. stumpf – spitz, rauh – weich)
• Visuell:
– Perimetrische Untersuchung unilateraler Gesichtsfeldausfälle (Neglect)
– Tachistoskopische Reizdarbietung  visuelle Wahrnehmungsschwelle
– Zeitliches Auflösungsvermögen (Flimmerverschmelzungsfrequenz)
– Sehschärfe, Helligkeitsdiskrimination
Neuropsychologische Verfahren der inhaltlichen Funktionsanalyse
 Viele Verfahren können topographisch und inhaltlich interpretiert werden
 Inhaltliche Verfahren sind ansonsten auch eine Ergänzung der topographischen
Intelligenz:
 HAWIE
• In klinischer Praxis sehr verbreitet  gute Vergleichbarkeit
• Vielfalt des Testmaterials, dadurch auch für schwer gestörte Patienten zugänglich
• Möglichkeit, Lösungswege und -strategien zu beobachten
• Integraler Bestandteil der Halstead-Reitan Neuropsychological Test Battery
Aufmerksamkeit und Konzentration
 Daueraufmerksamkeit / Vigilanz
• Seashore Rhythm Test (Reitan)
• Sortieraufgaben á la Konzentrations-Verlaufs-Test
• Einfache Rechenaufgaben á la Konzentrations-Leistungs-Test
 Selektive Aufmerksamkeit (Nichtbeachtung ablenkender Reize)
• Stroop-Test (= Farbe-Wort-Interferenztest)
• Dichotische Stimulation
 Geteilte Aufmerksamkeit (mehr als eine Klasse von Reizen relevant)
• Trail-Making Test B (Reitan)
• D2
Sprache
• Reitan-Indiana Aphasie Screening Test
• Aachener Aphasie Test
• Speech Sounds Perception Test (Reitan)
• Gezielte Beobachtung des Sprechverhaltens, um grammatikalische und syntaktische
Störungen sowie verwaschene Aussprache (Prosodie) zu diagnostizieren
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124
Lernen und Gedächtnis
 Sprachlich:
• HAWIE Subtest Zahlen nachsprechen
• Intelligenz-Struktur-Test 70: Merkaufgaben
 Nichtsprachlich
• Benton Test
• Test des tonalen Gedächtnis
• Tactual Performance Test (Reitan)
Einfache sensorische Funktionen
 Visuelle Gesichtsfeldausfälle
• Perimeter
• Suppressionstests (gleichzeitige Reize in beiden Gesichtsfeldhälften, die korrekt
wahrgenommen werden müssen)
 Akustische Detektionsleistungen
• Bilaterale Stimulation mittels Tongenerator oder Audiometer
• Sensory Perceptual Examination (Reitan)
 Taktil-kinästhetisch
• Unter Ausschluß des Sehens zunehmende Fingerstimulation
• Gleichzeitig links und rechts: Patient muß erkennen, welche Finger stimuliert wurden
• Sensory-Perceptual Examination (Reitan)
Wahrnehmungsorganisation
 Visumotorische Koordination
• HAWIE: Mosaiktest, Figurenlegen
• Trail Making A (Reitan)
• Bender Gestalt Test / Hintergrund Interferenzverfahren
 Komplexe akustische Funktionen
• Seashore Test für musikal. Begabung
• Speech Sounds Perception Test (Reitan)
 Taktil-kinästhetische Funktion
• Tactual Performance Test (Reitan)
• Fingerspitzenschreiben (Reitan)
• Taktile Formrekognition (Reitan)
Motorik
• Prüfen von Reaktionsgeschwindigkeit (z.B. Fingertapping)
• Prüfen von Reaktionsgenauigkeit, Geschicklichkeit (z.B. Grooved Pegboard Test)
• Kraft (Handdynamometer)
• Prüfen der Händigkeit
Kognitive Verhaltensregulation
 Betrifft vorrausschauendes Planen, Abstraktions- und kognit. Umstellungsfähigkeit
• Category Test (Reitan)
• Turm von Hanoi
• Planungstests unter Verwendung alltagsorientierter Aufgaben
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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Die Neuropsychologische Testbatterie
Bekanntestes Verfahren: Halstead-Reitan Neuropsychological Test Battery
 Basistests, die den Beeinträchtigungsindex ergeben:
• Category Test (erfaßt Schnelligkeit und Flexibilität beim Bilden von Prinzipien und
Begriffen im Rahmen von Lernprozessen, z.B. Figuren zu erkennen, die sich aufgrund
von Größe, Form oder Farbe von den anderen unterscheiden.)
• Tactual Performance (mit verbundenen Augen 10 geometrische Figuren in die
Aussparungen eines Formbrettes setzen, Wiedergabe der Figuren und ihrer
Lokalisation aus dem Gedächtnis)
• Rhythm Test (paarweise dargebotene Rhythmen unterscheiden)
• Speech Sound Perception Test (sprachliche Diskrimination akustisch vorgegebener
sinnfreier Silben)
• Finger Oszillation Test (Registrierung der Anzahl der Klopfbewegungen der
Zeigefingers in je 10 sek)
 Erweiterungen:
• Trail Making Test A (Zahlen von 1 – 25 verbinden)
• Trail Making Test B (Zahlen von 1 – 13 und Buchstaben von A – L abwechselnd
verbinden
• Messen der Kraft mittels Handdynamometer
• Tactile Form Recognition (Patient muß unsichtbare geometrische Figuren in seiner
Hand auf einer Schautafel erkennen)
• Taktile Fingerrekognition (Patient mit geschlossenen Augen muß erkennen, welcher
Finger seiner Hand berührt wird)
• Fingerspitzenschreiben (Identifizierung von Zahlen auf den Fingerkuppen)
• Sensory Perceptual Examination (unilaterale und bilaterale (Suppressionsphänomene)
Stimulierungen, taktil (z.B. Ohr berühren), akustisch (z.B. Fingerschnipsen), visuell
(während der Patient die Nase des Versuchsleiters fixiert, führt dieser Bewegungen am
Rande des Gesichtsfeldes aus)
• Aphasie Screening Test (versucht, die Art der Aphasie festzustellen: Benennen von
Abbildungen, Nachsprechen, Buchstabieren, Lesen, Schreiben, Rechnen, Abzeichnen
geometrischer Figuren, Ausführen einfacher Anweisungen)
• Test der Hand- und Fußpräferenz
• HAWIE
Dieses ist der aufgearbeitete Vorlesungsstoff.
Bitte bedenke, daß die Prüfung zu einem Drittel aus Seminarstoff besteht –
und das ist wirklich so.
Es gibt kein Einsprechthema.
Wenn Du weißt, wer prüft, schau Dir diese Vorlesungen besonders gut an.
Viel Erfolg!
(Ende der Ausarbeitungen von Wulf Mirko)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
126
Prüfungsschwerpunkte für den Diagnostik-Teil der
Prüfung "Diagnostik und Intervention"
Allgemeine Hinweise:
Die Prüfung bezieht sich auf die Vorlesungsreihe "Einführung in die Allgemeine
Psychodiagnostik" und die dazu gehaltenen Seminare. Weiterhin wird das Studium des
Lehrbuches von Guthke/Böttcher/Sprung: "Psychodiagnostik" (Band 1, insbes. Teil 1 und
Band 2) erwartet. Schwerpunkt ist aber der Vorlesungsstoff. Daher orientieren sich die
nachfolgend genannten Themen vor allem auch an der Vorlesung und den Seminaren. Die
fragestellungsspezifische Diagnostik (z.B. in der klin., arbeitspsycholog. und päd.-psycholog.
Anwendung) wird vornehmlich in den Hauptprüfungen zu den genannten Bereichen
abgeprüft.
1. Möglichkeiten und Fehlerquellen der "natürlichen" Menschenkenntnis
(siehe auch Vorlesung "Einführung in die Psychologie" im 1. Studienjahr)
2. Gegenstand, Aufgaben und Geschichte der Psychodiagnostik
3. Definition der Diagnose und Taxonomie von Diagnosen
4. Datentaxonomien
5. Die Verflechtung der Diagnostik mit anderen Disziplinen der Psychologie
(insbesondere mit der Differentiellen Psychologie und Persönlichkeitspsychologie, aber auch
Entwicklungspsychologie, Allgemeine Psychologie und Sozialpsychologie)
6. Diagnoseprozeßmodelle
(deskriptive und präskriptive/normative, z.B. von Westmeyer)
7. Phasen des diagnostischen Prozesses
8. Die Exploration
(Funktionen, Möglichkeiten und Grenzen, Validierungsproblematik, Trends)
9. Verhaltensbeobachtung
(Formen und Rolle in der Diagnostik)
10. Der Test
(Definitionsmerkmale, Diskussion der Pro- und Kontraargumente, Forderung an die
Testentwicklung und Testanwendung)
11. Intelligenztests (theoretische Grundlegung [faktoranalytische Modelle], Typen, einzelne
Verfahren, die im Seminar behandelt worden sind, Problematik des IQ [incl. Arten»
12. Kritik der herkömmlichen Intelligenzstatustests/Trends der Intelligenz diagnostik
13. Das Lerntestkonzept
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
127
(theoretische Basis, Typen von Lerntests, Verfahrensbeispiele, was sind Diagnostische
Programme? Hauptanwendungsgebiete, Kritik, Trends, Erweiterung zum Konzept des
dynamischen Testens)
14. Entwicklungstests (s.o. analog zu Lemtests)
15. Spezifische Fähigkeitstests (s.o.)
16. Berufseignungsdiagnostik (Probleme, Haupterkenntnisse, Verfahren, Trends)
17. Allgemeine Leistungstests (s.o.)
18. Schulleistungstests (lehrzielorientierte Tests, Typen und Trends)
19. Erfassungsebenen der Persönlichkeit
20. Typen persönlichkeitsdiagnostischer Verfahren
21. Persönlichkeitsinventare und klinische Fragebögen
(theoretische Basis, Möglichkeiten, Überblick über Fragebogentests für Kinder und
Erwachsene, höhere Kenntnis der im Seminar behandelten Verfahren)
22. Zum Begriff der Projektion/Projektionsarten
23. Deutungs- und Gestaltungsverfahren für den Kinder- und Erwachsenenbereich
(Gegenüberstellung zu Leistungstests, ansonsten s.o., verbale Ergänzungsverfahren,
spielerische Verfahren, Formdeuteverfahren, Zeichentests, z.B. Thomas. AT, Sceno,
Familienzeichnung, Wahlverfahren)
24. "Objektive Persönlichkeitstests' (s.o.)
25. Trends der Persönlichkeitsdiagnostik
26. Computergestützte Psychodiagnostik (Anwendungsgebiete, Trends, Vor- und Nachteile)
27. Was versteht man unter neuropsychologischer Diagnostik? (Hauptverfahren und
Haupteinsatzfelder (siehe hierzu Jäger/Petermann, S.575-602)
Vorlesung Psychodiagnostik - Mitschrift von Tobias
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Informationen zu diesem Dokument
Dieses Script beruht auf den Mitschriften von Jenny Enke, Horst Vogt und Wulf Mirko
Weinreich – und natürlich meinen eignenen Mitschriften.
Vielen Dank an all jene, die sich mit Kopien ihrer Mitschriften oder durch die Korrektur von
Fehlern daran beteiligt haben. Natürlich werden sich einige hartnäckige Fehler
eingeschlichen haben, die bis jetzt noch nicht korrigiert worden sind. Solltet ihr weitere
Unzulänglichkeiten bemerken, würde ich mich über eine Nachricht von Euch freuen und
werde ggf. die Korrekturen veröffentlichen:
[email protected]
http://www.tobias-elze.de
Ansonsten wünsche ich viel Spaß beim Lernen!
Euer Tobias.
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