MODUL 2: Organe der EU

Werbung
MODUL 2: Organe der EU
Inhalt:
Vorbemerkung
Die sieben Organe der EU
Die Aufgaben der Organe
Die politischen Ziele der Union
Die Gesetzgebung (Legislative)
Das Initiativrecht
Die Ausführung von Gesetzen (Exekutive)
Die Haushaltsrechte
Die Kontrollrechte
Die Kontrollrechte in der Wirtschafts- und Währungsunion
Die Außenbeziehungen der EU
Die weiteren Einrichtungen und Institutionen der EU
Vorbemerkung
In jeder Demokratie schreibt die Verfassung vor, welche Organe der Staat hat, welche
Befugnisse ihnen zustehen, wie sie mit Personen besetzt werden, wer sie kontrolliert, wie
lange die Amtszeit währt, wer die Mitglieder ihres Amtes entheben kann und vieles mehr. Für
die EU bestimmt der „Vertrag über die Europäische Union“ und der dazugehörige „Vertrag
über die Arbeitsweise der Europäischen Union“, welche Organe sie hat, welche Befugnisse
diese haben und wie und von wem die Personen, die diese Befugnisse ausüben, ausgewählt
und kontrolliert werden.
Die sieben Organe der EU
Der politische Wille der Europäischen Union wird von sieben Organen gebildet, geäußert und
rechtlich vollzogen. Diese Organe sind in Artikel 13 des EU-Vertrags genannt:
– das Europäische Parlament (repräsentativ für die Völker der Mitgliedstaaten),
– der Europäische Rat (die Staats- oder Regierungschefs der Mitgliedstaaten, der Präsident
des Europäischen Rats und der Kommissionspräsident),
– der Rat (Ministerinnen oder Minister der Mitgliedstaaten),
– die Europäische Kommission (das supranationale Organ),
– der Gerichtshof der Europäischen Union,
– die Europäische Zentralbank,
– der Rechnungshof.
2
In schematischer Darstellung ergibt sich folgendes Bild:
Die Aufgaben der Organe
Im Folgenden werden die Aufgabenbereiche der Organe beschrieben. Ausführliches zu den
einzelnen Organen wie Zusammensetzung, Mitglieder, Wahlen, Stimmrechte,
Rechtsgrundlage und so weiter steht in den Zusatzthemen zu diesem Modul.
Die politischen Ziele der Union
Richtungweisendes Organ der EU ist der Europäische Rat (ER). Er besteht aus den Staatsoder Regierungschefs aller 27 Mitgliedstaaten, dem Präsidenten der Kommission und dem
Präsidenten des Europäischen Rates (erster Präsident des Europäischen Rates ist seit
Dezember 2009 Herman Van Rompuy). Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und
Sicherheitspolitik nimmt an der Arbeit des Europäischen Rats teil (Art. 15 Abs. 2 EUV); seit
Dezember 2009 ist Catherine Ashton Hohe Vertreterin. Der Europäische Rat tagt zweimal
pro Halbjahr in Brüssel (Art. 15 Abs. 3 EUV), er kann auch zu außerordentlichen Tagungen
einberufen werden. Er legt die politischen Ziele der Union fest und bestimmt, welche davon
Priorität haben (Art. 15 Abs. 1 EUV). Er entscheidet über Vertragsänderungen, die den
Mitgliedstaaten dann zur Ratifizierung vorgelegt werden. Er gibt der Union entscheidende
Anstöße für ihre Entwicklung, bisher beispielsweise für die Direktwahl des Europäischen
Parlaments, für den Beitritt von Staaten, für die Einführung des Euro, für die Reform der
Agrarpolitik. Er entscheidet im Konsens (im Prinzip also einstimmig), wenn im Vertrag nicht
eine andere Abstimmungsform vorgeschrieben ist. Er nimmt nicht an der Gesetzgebung teil
und erlässt selbst keine Gesetze. Die Ergebnisse seiner Tagungen hält der Europäische Rat
in Schlussfolgerungen fest. An deren Vorgaben hat sich der Ministerrat zu halten, wenn er
für bestimmte Politikbereiche (wie Wirtschaft) Grundzüge oder Leitlinien aufstellt. Die Politik
der Mitgliedstaaten muss mit diesen Grundzügen oder Leitlinien übereinstimmen.
3
Die Staats-und Regierungschefs der 17 Euro-Staaten treten als „Euro-Gipfel“ oder
„Gipfeltreffen der Eurozone“ regelmäßig zusammen unter Leitung des Präsidenten des
Europäischen Rates, um die Finanz- und Wirtschaftspolitik im Euroraum zu koordinieren
(siehe hierzu auch Modul 6 Währungsunion).
Die Gesetzgebung (Legislative)
Die Befugnis, Rechtsakte (Richtlinien, Verordnungen) zu erlassen, haben zwei Organe
gemeinsam: das Europäische Parlament und der Rat. Im „ordentlichen
Gesetzgebungsverfahren“ sind sie gleichberechtigt (Art. 294 AEUV). Ausführlich beschrieben
ist dieses Verfahren an einem Beispiel in Modul 3.
4
Die wichtigsten Formen von Gesetzen in der EU sind Richtlinien und Verordnungen.
Richtlinien müssen von den nationalen Parlamenten aller Mitgliedstaaten in Gesetzesform
gebracht werden, werden also erst dann geltendes Recht. Verordnungen erlangen
unmittelbar Rechtskraft.
Der Vertrag schreibt vor, dass vor dem Erlass bestimmter Gesetze der Europäische
Wirtschafts- und Sozialausschuss oder der Ausschuss der Regionen oder beide gehört
werden müssen.
Das Initiativrecht
Alle Gesetzentwürfe, über die Parlament und Rat entscheiden, müssen von der Kommission
vorgeschlagen werden. Sie ist als supranationales Organ unabhängig, darf keine nationalen
Interessen von Mitgliedstaaten vertreten und weder von Mitgliedstaaten noch von EUOrganen Weisungen erhalten oder anfordern (Art. 17 Abs.3 EUV). Sie hat das alleinige
Initiativrecht unter den Organen. Parlament, Rat und Mitgliedstaaten haben ein indirektes
Initiativrecht: Sie können die Kommission auffordern, Gesetzentwürfe vorzulegen. Über eine
Bürgerinitiative können auch Bürgerinnen und Bürger der EU (mindestens eine Million aus
mindestens einem Viertel aller Mitgliedstaaten) die Kommission veranlassen, ein Gesetz
vorzuschlagen.
Die Ausführung von Gesetzen (Exekutive)
Generell sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle zur Durchführung der verbindlichen
Rechtsakte erforderlichen Maßnahmen nach ihrem Recht zu ergreifen (Art. 291 Abs. 1
AEUV). Bedarf es einheitlicher Bedingungen für die Durchführung, werden die
Durchführungsbefugnisse bereits im Rechtsakt der Kommission übertragen, in begründeten
Sonderfällen dem Rat (Art. 291 Abs. 2 AEUV). Die zur Durchführung erforderlichen
Verordnungen müssen aber den Zusatz „Durchführungs-“ im Titel tragen (Art. 291 Abs. 4
AEUV). (Näheres hierzu in Modul 3, Zusatzthema „Wie entstehen
Durchführungsverordnungen?“)
Die Haushaltsrechte
Das Budgetrecht, also die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben des Staates, ist
eines der wichtigsten legislativen Rechte in jeder Demokratie. Im jährlichen Haushaltsplan
der EU sind deren Ausgaben festgelegt. Darüber entscheiden das Europäische Parlament
und der Rat gemeinsam in einem besonderen Gesetzgebungsverfahren (Art. 314 AEUV).
Sie können den Vorentwurf der Kommission annehmen, ändern oder ablehnen. Seit
Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist das Parlament an der Entscheidung über den
5
gesamten Haushaltsplan gleichberechtigt mit dem Rat beteiligt. Das Parlament hat im
Haushaltsrecht „das letzte Wort“, das heißt, es kann im letzten Schritt einen vom Rat
abgelehnten Entwurf mit absoluter Mehrheit und drei Fünfteln der abgegebenen Stimmen als
Gesetz erlassen (Art. 314 Abs. 7 d AEUV).
Die Ausführung des Haushaltsplans, also die Verwendung der Finanzmittel, ist Sache der
Kommission.
Die Kontrollrechte
In der EU haben mehrere Organe unterschiedliche Aufgaben der Kontrolle.
Das Europäische Parlament kontrolliert die Arbeit der exekutiven Organe der Union,
insbesondere der Kommission. Es wählt den Präsidenten der Kommission und stimmt der
Ernennung der Kommissionsmitglieder nach eingehender Befragung zu oder lehnt
Kandidaten ab. Das Parlament kann der Kommission als Ganzes das Misstrauen
aussprechen und sie zum Rücktritt zwingen (Art. 234 AEUV). Es prüft zusammen mit dem
Rechnungshof, ob die Kommission den Haushaltsplan ordnungsgemäß ausgeführt hat, das
Geld also korrekt ausgegeben wurde, und erteilt der Kommission Entlastung – oder
verweigert sie (Art. 319 Abs 1 AEUV). Auch der Rat und der Europäische Rat sind dem
Parlament Rechenschaft schuldig. Der Präsident des Europäischen Rates erstattet dem
Parlament nach jedem Gipfeltreffen Bericht. Die Mitglieder des Rates oder der Kommission
sind zur Antwort verpflichtet, wenn Abgeordnete schriftlich oder mündlich Auskunft von ihnen
verlangen. Schärfste Waffe des Parlaments bei der Kontrolle ist das Recht,
Untersuchungsausschüsse einzusetzen.
Die Kommission kontrolliert vor allem, ob die Mitgliedstaaten das Vertragsrecht und die
Gesetze der Union einhalten, sie ist nach dem Sprachgebrauch des Völkerrechts „Hüterin
der Verträge“. Bei vermuteten Verstößen gegen Europarecht muss die Kommission
einschreiten und, wenn Ermahnungen nicht ausreichen, den Staat gemäß Artikel 258 AEUV
vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen (Näheres in Modul 4, Zusatzthema
Vertragsverletzungsverfahren). Die Kommission kontrolliert ebenfalls, ob der Wettbewerb im
Binnenmarkt behindert wird (z. B. durch Kartellbildung) und kann gegebenenfalls Bußgelder
gegen Einzelne (z. B. Unternehmen) verhängen (Art. 105 AEUV).
Das Europäische Parlament und die Kommission kontrollieren gemeinsam, ob in den
Mitgliedstaaten die grundlegenden Werte der Union gewährleistet sind, die in Artikel 2 des
EU-Vertrags festgelegt sind: Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Wahrung der
6
Menschenrechte. Sind sie der Ansicht, dass in einem EU-Staat die Gefahr einer
schwerwiegenden Verletzung dieser Werte vorliegt, können sie den Rat auffordern, der
Sache nachzugehen (Art. 7 EUV). Stellt der Rat fest, dass eine solche Gefahr besteht, und
stimmt das EP dieser Feststellung zu, dann fordert die Kommission den Europäischen Rat
auf, dem Staat bestimmte Rechte zu entziehen. Das Recht, auf die Gefahr der Verletzung
der Grundwerte hinzuweisen, haben auch die Mitgliedstaaten, wenn mindestens ein Drittel
von ihnen diese Ansicht teilt.
Der Rechnungshof prüft, ob alle Einnahmen und Ausgaben der Union und der von ihr
geschaffenen Institutionen rechtmäßig (also auf den Vertrag oder EU-Gesetze
zurückzuführen) sowie ordnungsgemäß sind (ob die Ausgaben mit Zahlungsermächtigungen
übereinstimmen) und ob Verschwendung vermieden wurde. Seine Prüfung fasst der
Rechnungshof in einem Bericht zusammen, der den betroffenen Institutionen zur
Stellungnahme vorgelegt wird und samt deren Stellungnahmen veröffentlicht wird.
Die Kontrollrechte in der Wirtschafts- und Währungsunion
Staaten, die den Euro als Währung haben, müssen strikte Haushaltsdisziplin wahren. Das
wird von der Kommission überwacht. Bei Verstößen können Bußgelder verhängt werden.
Außerdem wird kontrolliert, ob die verbindlichen Grundzüge der Wirtschaftspolitik
eingehalten werden. Für Staaten ohne Euro sind die Kontrollen etwas weniger streng. Die
Kommission und die Europäische Zentralbank prüfen, ob diese Staaten Fortschritte in der
Konvergenz gemacht haben und den Kriterien der Währungsunion näher gekommen sind.
Ihre Zentralbanken arbeiten im Erweiterten Rat der EZB mit. In der Währungspolitik kann der
Rat Vereinbarungen über ein Wechselkurssystem für den Euro gegenüber anderen
Währungen beschließen und die Leitkurse festlegen. Das Parlament wird gehört. (Näheres
hierzu in Modul 6 Währungsunion).
Die Außenbeziehungen der EU
In diesem Bereich ist zu unterscheiden zwischen der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik (GASP) samt Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) einerseits und
den sonstigen Beziehungen der EU zur Welt andererseits. Hierzu zählen Handel,
Entwicklungszusammenarbeit, Vertragsabschlüsse mit Staaten, Staatengruppen oder
internationalen Organisationen, Humanitäre Hilfe. (Näheres hierzu in Modul 9 Die EU und die
Welt.)
Die GASP schließt alle Bereiche der Außenpolitik ein sowie alles, was die Sicherheit der
Union betrifft. Die GSVP sorgt dafür, dass der Union die nötigen zivilen und militärischen
7
Mittel für ihre Sicherheitspolitik zur Verfügung stehen. Für GASP und GSVP sind allein der
Europäische Rat und der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ zuständig. Der Europäische Rat
legt einstimmig die strategischen Ziele fest, der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ vollzieht
die Außen- und Sicherheitspolitik und beschließt einstimmig Aktionen und Standpunkte. Die
Kommission ist in die Arbeit eingebunden, das Parlament wird unterrichtet. In der GASP
gelten besondere Bestimmungen und Verfahren, es werden keine Gesetze erlassen.
Die diplomatischen Beziehungen der Union zu Drittstaaten und internationalen
Organisationen wie UNO, Europarat, OSZE oder OECD sind Angelegenheit der GASP und
werden von der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik geleitet, die
auch verantwortlich ist für den Europäischen Auswärtigen Dienst.
In der Handelspolitik und der Entwicklungszusammenarbeit beschließen Parlament und Rat
gemeinsam Verordnungen und Maßnahmen. Verhandlungen über Abkommen oder
internationale Übereinkünfte führt die Kommission nach Vorgaben des Rates. In Bereichen,
die nicht zur GASP zählen, muss das EP den Abkommen und Übereinkünften mit
Drittstaatenzustimmen.
Die weiteren Einrichtungen und Institutionen der Union
In der EU gibt es neben den Organen eine Reihe weiterer Institutionen und Einrichtungen,
die keine gesetzgeberischen Befugnisse haben. Einige davon sind im Vertrag vorgesehen.
Dazu zählen die beratenden Ausschüsse WSA und AdR, der Wirtschafts- und
Finanzausschuss, einige Agenturen wie Eurojust, Europol oder die Europäische
Verteidigungsagentur, das Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), die Europäische
Investitionsbank und der Europäische Bürgerbeauftragte. Andere Agenturen wurden per
Verordnung geschaffen, wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit oder die
Europäische Umweltagentur.
In schematischer Darstellung erweitert sich also das Bild der Organe der EU um diese
Einrichtungen und Institutionen, von denen im Schaubild nur die wichtigsten aufgeführt sind.
8
Der Aufbau der EU ist auch in einer animierten Powerpoint-Präsentation dargestellt.
Herunterladen