Stellungnahme zur Umbenennung der Professur

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Zum Begriff „Christliche Philosophie“. Stellungnahme zur Umbenennung der Professur
Aufmerksamen Zeitgenossen ist es vielleicht bereits aufgefallen: Die Philosophie-Professur
ist umbenannt und heißt nun offiziell nicht mehr „Professur für christliche Philosophie und
theologische Propädeutik“, sondern „Professur für Philosophie und philosophische
Grundfragen der Theologie“.
Manche werden diesen Wechsel bedauern, andere werden ihn begrüßen. Darin zeigt sich
schon: Der Begriff „christliche Philosophie“ ist höchst umstritten. Denn wenn Philosophie
eine Reflexion meint, die allein auf die Vernunft gegründet ist und ihre Argumente gewinnt,
indem sie sie rational ausweist, um auf dieser Basis zu universalisierbaren und
objektivierbaren Aussagen über Gott, Welt und Mensch zu gelangen, stellt sich die Frage, was
das spezifisch Christliche an der Philosophie sein soll bzw. was das Christliche der
Philosophie, insofern sie Philosophie ist, hinzuzufügen habe. Denn entweder handelt es sich
dabei um rational begründete Darlegungen und Diskurse, die aufgrund ihrer
Vernunftausrichtung immer schon genuin Philosophie sind, so dass die Spezifizierung
„christlich“ überflüssig ist; oder aber die Quelle dessen, was eine spezifisch christliche Sicht
der Dinge den Gegenständen und Themen der Philosophie hinzufügt (und im Laufe der
Philosophiegeschichte auch zweifellos hinzugefügt hat!), entstammt anderen, nämlich religiös
fundierten oder dem Glauben entspringenden Begründungen, und geht damit aus dem Bereich
der Philosophie in den der Theologie über, die sich auf andere Prinzipien beruft
(selbstverständlich der Rationalität eingedenk, der die Theologie als Wissenschaft ebenso
verpflichtet ist).
Richtig ist zweifellos, dass keine Philosophie im Sinne reiner, kontextunabhängiger
Rationalität voraussetzungslos ist und dass jede kritische Philosophie diese Abhängigkeiten
zu reflektieren hat. Insofern ist es durchaus zulässig, bestimmte christlich dominierte Epochen
der Philosophiegeschichte wie beispielsweise die Patristik oder das lateinische Mittelalter mit
dem Begriff der christlichen Philosophie zu belegen und darüber hinaus auch qualifizierend
nach den Konsequenzen eines christlichen Kontextes für die Philosophie zu fragen.
Allerdings könnte sich das mit Blick auf eine Lehrstuhlbenennung als eine Verengung
erweisen, da unter diesen Bedingungen die Antike oder die Neuzeit nicht zu den
Themengebieten einer christlichen Philosophie zu zählen sind – es sei denn im Sinne einer
Vorläufer- bzw. Dekadenzgeschichte. Es wäre allerdings abwegig, wenn die Philosophie
innerhalb der Katholisch-Theologischen Fakultät meinte, um einer scheinbaren Konzentration
auf das Christliche willen auf die Behandlung solcher philosophischen Positionen verzichten
zu dürfen oder diese nur im abwertenden Sinn zu berücksichtigen. Ein solcher selektiver
Blick würde die komplexen Zusammenhänge zwischen Christentum und Philosophie eher
verschleiern als erhellen.
Historisch betrachtet stammt der Begriff der christlichen Philosophie (philosophia christiana)
aus der Patristik, als sich die ersten christlichen Denker mit den hellenistisch-neuplatonischen
Strömungen ihrer Zeit auseinanderzusetzen hatten und dem universalen Deutungsanspruch
dieser Entwürfe ihr eigenes Verständnis einer „christlichen“ und das heißt „wahren
Philosophie“ entgegenhielten, in der Christus als der verus philosophus auftritt. Hier geschieht
bereits der Schritt zu einem normativen Verständnis einer christlichen als einer besseren
Philosophie – ein Schritt, den die Philosophie des lateinischen Mittelalters übrigens nicht
mitgegangen ist. Erst in der Neuscholastik des 19./20. Jahrhunderts wird der Begriff der
christlichen Philosophie neu aufgegriffen und als eine Art „Kampfbegriff“ in der
Konfrontation mit einer als relativistisch und antichristlich interpretierten und als Bedrohung
empfundenen Moderne ins Spiel gebracht. Spätestens seit dieser Instrumentalisierung des
Begriffs, der im einfachen historischen Sinne noch hätte fruchtbar gemacht werden können
(und zum Teil heute noch fruchtbar gemacht wird), sind mit der Bezeichnung „christliche
Philosophie“ aufgrund ihrer ständigen Erklärungsbedürftigkeit so fundamentale Probleme
verbunden, dass eine Umbenennung der Professur nicht nur wünschenswert, sondern auch
erforderlich schien.
Die neue Bezeichnung „Professur für Philosophie und philosophische Grundfragen der
Theologie“ dient dazu, diese Probleme zu umgehen. Sie bringt zum einen präziser das
Aufgabengebiet der Professur zum Ausdruck: Die Philosophie in Gänze, selbstverständlich
auch unter besonderer Rücksicht auf die Grundfragen der Theologie zu betreiben. Zum
anderen versucht sie – nicht zuletzt orientiert an der Benennung ähnlicher PhilosophieLehrstühle innerhalb Katholisch-Theologischer Fakultäten im deutschsprachigen Raum –
einen polarisierenden Begriff zu vermeiden, der zwar einerseits – dies sei zugestanden! –
etwas sympathisch Provokatives hat, aber sich aus den dargestellten Gründen philosophisch
als nicht tragfähig erweist.
Isabelle Mandrella
27.07.2013
Literaturhinweise:
Historische Überblicke:
Heinrich M. Schmidinger: Zur Geschichte des Begriffs „christliche Philosophie“, in: Emerich
Coreth u.a. (Hrsg.), Christliche Philosophie im katholischen Denken des 19. und 20.
Jahrhunderts, Band 1: Neue Ansätze im 19. Jahrhundert, Graz u.a. 1987, S. 29-45.
Ludger Honnefelder u.a.: Art. Christliche Philosophie, in: Lexikon für Theologie und Kirche
Band 2, 3. Aufl., Freiburg u.a. 1994, Sp. 1148-1156.
Neuere Begründungen:
Johann Baptist Metz: Art. Christliche Philosophie, in: Lexikon für Theologie und Kirche Band
2, 2. Aufl., Freiburg 1958, Sp. 1141-1147.
Peter Henrici: Philosophieren aus dem Glauben. Hundert Jahre nach „Aeterni Patris“, in:
Zeitschrift für Katholische Theologie 101 (1979), S. 361-373.
Emerich Coreth: Sinn und Aufgabe christlicher Philosophie, in: Ders., Beiträge zur
christlichen Philosophie, hrsg. von Christian Kanzian, Innsbruck/Wien 1999, S. 397-408.
Martin Thurner: Der Dialog von Angesicht zu Angesicht als Denkform. Überlegungen zur
Begründung einer „Christlichen Philosophie“, in: Münchener Theologische Zeitschrift 53
(2002), S. 308-324.
Theo Kobusch, Christliche Philosophie. Die Entdeckung der Subjektivität, Darmstadt 2006.
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