1 Entwicklungsförderung und Ressourcenstärkung bei Kindern in

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Entwicklungsförderung und Ressourcenstärkung
bei Kindern in Fremdunterbringung
Inhaltsverzeichniss
Vorwort
Seite 4 – 5
Einleitung
Seite 6 – 7
1. Bindungen
1.1. Bindungstheorie
Seite 8 – 9
1.2. Entwicklung von Bindungsbeziehungen
1.2.1. Ursprungsfamilie und Bindungsqualität
Seite 9 -10
1.2.2. Bindungsstörungen als Folge
traumatischer Bindungserfahrungen
Seite 11 – 14
1.2.3. Bindung in der Pflegefamilie oder in
institutioneller Fremdunterbringung
Seite 14 – 15
2. Entwicklungsförderung und Ressourcenstärkung
2.1. Die fünf Säulen der Identität
Seite 16
2.1.1. Leib – das leibliches Befinden
Seite 17 – 18
2.1.2. Beziehungen – das soziale Netz
Seite 18 – 21
2.1.3. Arbeit und Leistung
Seite 21 – 23
2.1.4. Materielle Sicherheit
Seite 23 – 25
2.1.5. Werte
Seite 25 – 27
3. Familienpädagogik
3.1. Professionelle Familienerziehung?
Seite 28 – 29
3.2. Professionelle Familienerziehung – öffentliche
Erziehung im privaten Rahmen
Seite 29 – 30
3.3. Erweiterung der Handlungsqualität im Kontext
von privaten Handlungen
3.4. Prozesshaftes Denken
Seite 30
Seite 31
3.5. Schlüsselqualifikationen von FamilienpädagogInnen Seite 31
3.6. Familienpädagogik und Sozialpädagogik
Seite 32
4. Persönliche Stellungnahme
Seite 33 – 34
5. Literaturverzeichnis
Seite 35
4
Vorwort
Ich habe das Thema „Entwicklungsförderung und Ressourcenstärkung bei Kindern in
Fremdunterbringung“ gewählt, einerseits weil ich als Dauer- und Krisenpflegemutter
persönlich betroffen bin und ich durch die Bearbeitung dieses Themenkreises einen
Gewinn für mein weiteres Werken und Streben erhalten werde, andererseits aber
auch, um damit allen Personen, die sich mit Fremdunterbringung auseinandersetzen
müssen – sei es als Sozialpädagogen oder als Pflegeeltern – Einblicke in dieses
komplexe Thema zu gewähren.
Eines meiner Lieblingszitate und ein Leitspruch für meine Arbeit mit Kindern ist
„Wenn Kinder klein sind, gib ihnen Wurzeln, wenn sie groß sind, gib ihnen Flügel“.
Dieser Satz ist meiner Ansicht nach für Personen, die sich mit Erziehung
beschäftigen, sehr aussagekräftig, doch wirft er für mich gleichzeitig eine Reihe von
Fragen auf. Was soll ich tun, wenn diese Wurzeln so wenig Nährstoffe enthalten,
dass an ein Weiterwachsen zurzeit nicht zu denken ist? Wie gehe ich mit diesen
verkümmerten Wurzeln um, die höchstwahrscheinlich brutal und unvorbereitet aus
der gewohnten – wenn auch vielleicht steinigen – Erde gerissen wurden und nun
genauso schnell in einen anderen Untergrund eingesetzt werden? Was mache ich,
wenn die Flügel schon so gestutzt sind, dass kein Versuch auch nur eines einzigen
Flügelschlages sinnvoll erscheint? Welchen Dünger verwende ich, damit die Wurzeln
genauso kräftig und verzweigt werden wie die der Artgenossen? Wie schaffe ich es,
dass die Flügel so ausgeprägt und schwungvoll werden, dass ein späteres
Davonfliegen ohne Absturz möglich ist?
Dies sind natürlich sehr bildliche Fragen, nichts desto trotz brauchen sie Antworten
und ich habe es mir als Ziel gesetzt, diese zu finden.
Ich denke, dass es eine zentrale Aufgabe für Sozialpädagogen oder Pflegeeltern ist,
den Kindern andere Erfahrungen zu ermöglichen, als die, die sie in der
Herkunftsfamilie gemacht haben, ohne die Existenz jener zu leugnen. Wir können die
Ursprungsfamilie nicht ersetzen – müssen wir auch nicht – aber ich bin sicher, dass
wir es schaffen, Kindern trotz früher Traumata durch gezielte Förderung und
5
Stärkung ihrer Widerstandsressourcen eine adäquate Entwicklung zu ermöglichen,
damit sie in weiterer Folge ein selbstständiges und erfülltes Leben führen können.
Was Kinder dazu brauchen ist meiner Ansicht nach neben viel Zuneigung und ein
beständiges Zuhause, vor allem eine neue Bezugsperson, die für sie einsteht und
nicht aufgibt, immer wieder ihr Vertrauen und ihre Unterstützung anzubieten. Alle
Kinder brauchen zuverlässige, liebevolle Bezugspersonen, ganz besonders jedoch
jene, die in ihrer Lebensgeschichte schon Trennungen, Versorgungsmangel oder
andere tief greifende Verletzungen ihrer Persönlichkeit erfahren haben.
Aus diesem Grund werde ich mich auch mit dem Aufbau von neuen Bindungen und
Beziehungen, aber auch mit dem Einfluss der frühen Bindungserfahrungen
beschäftigen, da meiner Ansicht nach Erfolg in der Entwicklungsförderung und der
Ressourcenstärkung nur dann zu erreichen ist, wenn eine gute Beziehung zwischen
Kindern und Erziehern besteht.
Für mich ist es wichtig, klare Ansatzpunkte zu finden, wenngleich mir natürlich
bewusst ist, dass es hier kein Rezept geben kann, wie man mit Kindern in
Fremdunterbringung unter allen Umständen umgeht.
Einen jungen Menschen beim Aufwachsen zu unterstützen, ist manchmal ein
kräfteraubendes und anstrengendes Unterfangen, das viel von einem abverlangt,
aber ich bin mir sicher, dass es keine wertvollere und dankbarere Aufgabe gibt, als
einem Kind Wurzeln und Flügel zu schenken.
6
Einleitung
Kinder, die aufgrund einer Krisensituation in der Herkunftsfamilie vom Jugendamt in
Fremdunterbringungen gebracht wurden, sind in ihrer Identität schwer erschüttert
und ihre Widerstandsressourcen sind stark gesunken. Sie sind daher auf Personen
angewiesen, die mit ihnen zusammen die Entwicklung fördern und die Ressourcen
stärken.
Ich werde mich in dieser Facharbeit mit dem Thema Bindung bzw. Möglichkeiten
zum Aufbau neuer Beziehungen beschäftigen, um herauszufinden, welche
Auswirkungen die frühen Kindheitserfahrungen mit Bezugspersonen auf die
Persönlichkeiten das Menschen haben und was unternommen werden muss, um den
Aufbau neuer Bindungen zu ermöglichen. Gelingt es uns, eine angenehme und
annehmende Umsorgung mit klaren Strukturen und Grenzen zur Verfügung zu
stellen, so stellt dies bereits einen gelungen Anfang dar.
Hauptsächlich geht es mir allerdings darum, Wege aufzuzeigen, die beschritten
werden können, um Entwicklungsförderung und Ressourcenstärkung bei Kindern zu
gewährleisten, dies setzt allerdings eine Beziehung voraus, die von Vertrauen und
Stabilität geprägt ist.
Ich werde hier mein Augenmerk auf die „Fünf Säulen der Identität“ nach Hilarion
Petzold richten, weil bei Kindern in Fremdunterbringung diese Säulen entweder stark
wackeln oder bereits in sich zusammen gebrochen sind und gilt es, diese entweder
mittels
starker
Seile
fest
zu
stützen
oder
gegebenenfalls
ganz
neu
wiederaufzubauen.
Eine Methode, die mir in diesem Zusammenhang sinnvoll erscheint, ist die
Familienpädagogik, denn sie führt ein neues Professionsverständnis in der
Betreuung von fremduntergebrachten Kindern ein, indem sie sich von dem
7
herkömmlichen Rollenverständnis von Erziehern verabschiedet. Es zeigt sich, dass
diese ganzheitliche Betrachtungsweise der pädagogischen Arbeitsfelder einen
wertvollen, anderen Zugang beschreibt, der auch für die Sozialpädagogik von
Bedeutung ist.
Uns wird es einmal besser und einmal schlechter gelingen, mit den auftretenden
Problemen, Bedürfnissen und Wünschen der Kinder konstruktiv umzugehen, wir
werden an Grenzen stoßen und uns Unterstützung von außen holen müssen, aber
genau das ist gerade bei unserer Arbeit normal und erlaubt. Wichtig ist nur, wie wir
damit umgehen, damit die Kinder von uns das bekommen, was sie brauchen – ein
annähernd reibungsloses Aufwachsen und die Möglichkeit zur persönlichen
Entfaltung. Wenn uns das gelingt, dann haben wir einen großen Beitrag zur
Persönlichkeitsbildung des jeweiligen Kindes geleistet.
8
1. Bindungen
Bei der Bindung handelt es sich um eine lang andauernde, gefühlsbetonte
Beziehung zu einem bestimmten Menschen, der so genannten Bindungsperson, von
der wir Schutz und Unterstützung erwarten. 1
1.1. Bindungstheorie
Der britische Psychiater John C. Bowlby begründete in den sechziger Jahren des 20.
Jahrhunderts die Bindungstheorie und eröffnete uns somit den Blick auf
menschliches Verhalten und menschliche Bedürfnisse.
Die
Bindungstheorie
verbindet
ethologisches,
entwicklungspsychologisches,
systemisches und psychoanalytisches Denken. In ihren Annahmen befasst sie sich
mit den grundlegenden frühen Einflüssen auf die emotionale Entwicklung des Kindes
und versucht, die Entstehung und Veränderung von starken gefühlsmäßigen
Bindungen zwischen Individuen im gesamten menschlichen Lebenslauf zu erklären.
Jeder Mensch hat das tiefe Bedürfnis, Beziehungen zu anderen Menschen
einzugehen. Die Art und Weise, wie er diese Beziehungen eingeht, wie stabil sie
sind, wie verlässlich und wie intensiv, hat viel mit der ersten Beziehung zu seiner
primären Bezugsperson, in der Regel die Mutter, zu tun. In der frühen Abhängigkeit
des Säuglings zu den Erwachsenen uns seinem Umfeld erfährt der Mensch eine
primäre
Bindung,
die
je
nach
Qualität
der
erfahrenen
Fürsorge,
sein
Beziehungsmuster für das ganze Leben wesentlich prägt. Die Mutter als „sichere
Basis“ erlaubt es dem Kleinkind, die Welt zu erforschen, Neues zu erfahren und mit
Stress umzugehen. 2
Schon Bowlby hatte die lebenslange Bedeutung von Bindungsbeziehungen betont.
Er meinte, dass das Bindungsverhalten während der Kindheit zwar besonders
deutlich sichtbar ist, jedoch angenommen werden kann, dass es für den Menschen
von der Wiege bis zum Grab charakteristisch ist.3
Roland Schleifer „Der heimliche Wunsch nach Nähe – Bindungstheroie und Heimerziehung“, 2001, S 31
vgl. http://www.gestaltzentrum-baden.de/www2/html/content_texte_bind.html, Zugriff 9.6.2006, 9.05 Uhr
3
vgl. Roland Schleifer „Der heimliche Wunsch nach Nähe – Bindungstheroie und Heimerziehung“, 2001, S 56
1
2
9
Allerdings geht Bowlby davon aus, dass für den Aufbau einer Bindung die Beziehung
des Kindes zu einer zentralen Bindungsperson konstitutiv sei, jedoch haben neuere
Forschungen zu der Auffassung geführt, dass Kindern ein solcher Bindungsaufbau
auch dann gelingt, wenn gleichzeitig und aufeinander folgend Beziehungen zu
mehreren Bindungspersonen bestehen.4
Diese
Modifikation
des
Konzeptes
Bowlbys
erscheint
mir
sowohl
für
Sozialpädagogen als auch für Pflegeeltern als wichtig, weil sie für mich beinhaltet,
dass
ein
Kind
sehr
wohl
in
der
Lage
ist,
trotz
traumatischen
frühen
Bindungserfahrungen eine Möglichkeit zu finden, weitere Bindungen zuzulassen. So
sind sie in der Lage, korrigierende – weil transparente und verlässliche –
Bindungsangebote anzunehmen, die dazu beitragen, dass Vertrauensfähigkeit und
ein sicheres Bindungsverhalten entwickelt werden kann.
1.2. Entwicklung von Bindungsbeziehungen
1.2.1. Ursprungsfamilie und Bindungsqualität
Bei Kindern ist die Bereitschaft, sich an die hauptsächlich versorgende Person zu
binden, angeboren. Das Ziel ist die konstante Nähe und Verfügbarkeit der
Bindungsperson. Eltern verfügen im Normalfall über ein intuitives Fürsorgesystem
und ist diese Komponente von bedeutender Wichtigkeit für die Entwicklung des
Kindes, das seine Erfahrungen durch Erkunden der Umwelt sammelt.5
Mary Ainsworth hat drei verschiedene Bindungsmuster festgestellt und benannt. Es
handelte sich um Reaktionen von Kleinkindern, die in einer fremden Umgebung und
einer fremden Person von ihrer Mutter oder ihrem Vater getrennt wurden, um
anschließend sowohl die Situation der Trennung und der Wiedervereinigung zu
beobachten und kam zu folgendem Ergebnis:
Erfährt ein Kind konsistent eine verlässliche und sensitive Unterstützung in
bedrohlich wirkenden Situationen und Kummer, so entwickelt es Vertrauen in seine
soziale Umwelt, sieht sich selbst als liebenswert und entwickelt ein positives
4
5
vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Bindung_%28Psychologie%29, Zugriff 9.6.2006, 9.23 Uhr
vgl. Elternpost der Interessensgemeinschaft NÖ Pflege- und Adoptiveltern, Nr. 80, April 2004, Seite 12
10
Selbstbild. Emotionale Sicherheit ermutigt zu Neugier und Offenheit und wird dies als
sichere und in der Folge als autonome Bindung bezeichnet.6
Bei Kindern in Fremdunterbringung sind die Erlebnisse in den ersten Lebensjahren
jedoch in der Regel gekennzeichnet von nicht einfühlsamer Fürsorge und kommt es
zu Zurückweisung, Tadel, Fehlen des Körperkontaktes bis hin zu hochgradig
inkonsistenten Beziehungserfahrungen wie Misshandlung und Missbrauch.
Fehlender Unterstützung, mangelnden Rückhalt und Zurückweisung kann dazu
führen, dass ein Kind sich dauerhaft von der Umwelt zurückzieht und in Erwartung
einer kommenden Enttäuschung vermeidet, seinen Bindungswünschen Ausdruck zu
verleihen. Diese Bindungsqualität wird unsicher-vermeidende Bindung genannt.
Eine weitere Variante unsicherer Bindung, und zwar die unsicher-ambivalente
Bindung,
entsteht
Verhaltensweisen.
aus
Wenn
der
die
Erfahrung
von
unvorhersagbaren
Bindungspersonen
gelegentlich
elterlichen
zugewandt,
gelegentlich, aber nicht kalkulierbar ablehnend, inkompetent in ihrer Elternrolle
reagieren oder mit sich selbst zu befasst sind, entsteht aus dieser Unsicherheit eine
übermäßige Anhänglichkeit, die Suche nach Aufmerksamkeit und Nähe wird
besonders stark und mischt sich gelegentlich mit Ärger auf die Bindungspersonen.
Die Entstehung der unterschiedlichen Bindungstypen geht auf Unterschiede in der
Qualität der elterlichen Interaktion bereits im ersten Lebensjahr zurück. Bei
besonders risikoreichen Eltern-Kind-Beziehungen wie Misshandlungen, Missbrauch
und traumatische, unverarbeitete Verluste in der Familiengeschichte kommt es zu
einem zeitweisen Zusammenbruch von Bindungsstrategien. So wurden die von
Ainsworth aufgestellten Bindungsmuster noch klassifiziert und als unsicherdesorientiert Bindung benannt.7
Durch das Jugendamt kommt es in diesen Fälle zu einem Abbruch von
Bindungsbeziehungen, die aber wiederum massive Störungen dieser Beziehungen
sowie negativen Einfluss auf die Beziehungsfähigkeit der Kinder haben.
6
7
vgl. Roland Schleifer „Der heimliche Wunsch nach Nähe – Bindungstheroie und Heimerziehung“, 2001, S 43
vgl. Roland Schleifer „Der heimliche Wunsch nach Nähe – Bindungstheroie und Heimerziehung“, 2001, S 45ff
11
1.2.2. Bindungsstörungen als Folge traumatischer Bindungserfahrungen
Eine frühe sichere Bindung kann ein Schutzfaktor in der Persönlichkeitsentwicklung
sein und psychopathologischen Symptomen vorbeugen, selbst wenn ein Kind
belastende Erfahrungen im späteren Leben macht. Dagegen entwickeln Kinder, die
in der Beziehung mit ihren Hauptbindungspersonen Deprivation, Misshandlung und
Gewalt sowie traumatische Trennungserfahrungen erlebt haben, häufiger
Bindungsstörungen.
Die
Bindungsentwicklung
eines
Kindes
ist
zunächst
abhängig
von
dem
Pflegeverhalten der Mutter. Ainsworth hat in diesem Zusammenhang das Konzept
der Feinfühligkeit betont, welches die Grundlage jedes Bindungsmusters darstellt.
Feinfühligkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Bindungsperson die
Signale des Kindes bzw. Säuglings wahrnimmt, diese dann richtig interpretiert und
angemessen und prompt darauf reagiert. Zunächst wurde diesem Konzept bezüglich
des späteren Bindungsverhaltens enorm viel Bedeutung beigemessen. Allerdings
haben
sich im Laufe der Zeit auch andere entscheidende Aspekte für die
Bindungsentwicklung durchgesetzt. Heute steht fest, dass verschiedene Faktoren für
die Bindung verantwortlich sind. So hat zum Beispiel die Bedeutung von Sprache
mehr Aufmerksamkeit diesbezüglich gefunden: auch wenn das Kind noch über
keinerlei Sprachvermögen verfügt, scheint es von enormer Wichtigkeit für eine
sichere Bindung zu sein, dass die Mutter-Kind-Interaktion um sprachliche Interaktion
erweitert wird. 8
Klinische Stichproben haben gezeigt, dass verschiedene Bindungsstörungen auf
tiefgreifende Veränderungen und Deformierungen in der Bindungsentwicklung
zurückzuführen sind, die einzelnen Risikogruppen von Kindern zuzuordnen sind:
Kinder,
die
abrupte
Trennungserfahrungen
durch
häufigen
Wechsel
der
Betreuungssysteme gemacht haben.
Nicht gebundene Bindungsstörung
Die
erste
Störung
innerhalb
der
Klassifikation
ist
durch
ein
fehlendes
Bindungsverhalten gekennzeichnet. Das bedeutet, diese Kinder zeigen keinerlei
Bindungsverhalten gegenüber einer Bezugsperson. Wichtige Anhaltspunkte für diese
vgl. Nadine Romanowsky, Seminarunterlagen zum Thema „Bindung, zur Relevanz der Bindungstheorie und
Diagnostik von Bindungsstörungen in der Jugendhilfe und der Familiengerichtsbarkeit“, 23. Jänner 2003, S 4
8
12
Kategorie sind darin zu suchen, dass diese Kinder in Bedrohungssituationen keine
Nähe oder Kontakt zu ihrer Bindungsperson suchen. Normalerweise würden Kinder
in solch einer Situation auf irgendeine Art und Weise Kontakt zu der Bindungsperson
aufnehmen. Des Weiteren protestieren sie nicht bei Trennungssituationen oder sie
protestieren völlig undifferenziert von jeder beliebigen Beziehungsperson. Diese
Störung ist vor allem bei Heimkindern zu beobachten oder bei Kindern, die sehr früh
in ihrer Entwicklung mit häufigem Betreuungswechsel konfrontiert waren.
Undifferenzierte Bindungsstörung
Die zweite Bindungsstörung lässt sich als undifferenziertes Bindungsverhalten
klassifizieren. Entgegen den Kindern mit gar keinem Bindungsverhalten, verhalten
sich diese Kinder besonders bindungsfreundlich, allerdings allen beliebigen
Personen gegenüber: dies wird auch als soziale Promiskuität bezeichnet. In
Stresssituationen
wollen,
im
Unterschied
zu
den
Kindern
mit
fehlendem
Bindungsverhalten, diese Kinder viel Trost, doch machen sie wieder keinen
Unterschied von wem, auch ganz gleich, ob sie die Person schön länger kennen
oder nicht.
Gehemmte Bindungsstörung mit Anklammern
Die
Bindungsstörung,
die
durch
ein
übersteigertes
Bindungsverhalten
gekennzeichnet ist, zeigt sich in dem Verhalten eines exzessiven Klammerns. Kinder
mit dieser Bindungsstörung sind überängstlich und explorieren eigentlich gar nicht.
Sie sind stets in der Nähe ihrer Bezugsperson, und auch wenn sie dort auf dem Arm
sind, können sie neuen Situationen nicht entspannt oder neugierig gegenübertreten.
Manche dieser Kinder wollen in bestimmten Situationen auch noch im Schulalter auf
den Arm der Mutter. Bei Trennungssituationen reagieren sie so heftig, dass eine
Trennung eigentlich unmöglich ist.
Gehemmte Bindungsstörung mit erzwungener Folgsamkeit
Kinder mit einem gehemmten Bindungsverhalten stellen in Trennungssituationen das
Gegenteil der vorigen Kinder dar. Sie protestieren wenig oder nur gering bei
Trennung. Sie fallen insbesondere durch eine übersteigerte Anpassungsfähigkeit auf:
das bedeutet, sie gehorchen aufs Wort der Bindungsperson. Die emotionalen
Austauschmomente zu der Bindungsperson fallen eher rar aus. Allerdings zeigen
diese Kinder in Abwesenheit der Bindungsperson erstaunlicherweise emotionale
13
Austauschbeziehungen zu den fremden Personen auf. Die Kinder dieser
Bindungsstörung sind oft Opfer körperlicher Misshandlungen oder als Ursache für die
starke Anpassung wird Gewaltandrohung im Erziehungsstil genannt.
Aggressive Bindungsstörung
Eine weitere Bindungsstörung ist durch ein aggressives Bindungsverhalten
gekennzeichnet. Solche Kinder fallen durch eine aggressive, sowohl verbal als auch
körperlich, Annäherung an die Bindungspersonen auf. Gedeutet wird das mit dem
starken Wunsch nach Nähe gegenüber ihren Bezugspersonen. Innerhalb der
Familien ist zu beobachten, dass die Interaktion fast ausschließlich auf aggressivem,
auch hier verbaler oder körperlicher Art, Verhalten aufbaut. Oft sind diese Kinder
auch die „Störenfriede“ einer Schulklasse.
Bindungsstörung mit Rollenumkehr
Die sechste Klassifikation der Bindungsstörungen ist durch ein Bindungsverhalten mit
einer Rollenumkehrung gekennzeichnet: hier findet eine Rollenumkehrung zwischen
der Bezugsperson und dem Kind statt („Parentifizierung“). Es wurde beobachtet,
dass das Kind der Bezugsperson extrem fürsorglich handelt und für diese auch
Verantwortung übernimmt. Solche Kinder sind in ihrem Explorationsverhalten sehr
eingeschränkt, gerade weil sie mehr auf ihre Bezugsperson mit Fürsorge Acht geben.
Dieses Verhalten wird noch verstärkt, wenn die Bindungsperson signalisiert, dass sie
Hilfe und Unterstützung benötigt. Meistens ist diese Bindungsstörung bei Familien zu
sehen, die durch Suizid oder Scheidung bedroht sind.9
Kinder mit schweren Schicksalen brauchen gute Beziehungen, sie brauche
Erwachsene, die sie wahrnehmen, beachten und annehmen. Die Erwartungen
traumatisierter Kinder sind auf Beziehungsangebote ausgerichtet, in denen ein
geschützter Raum geschaffen wird und durch die die Kinder eine vertrauensvolle
Atmosphäre finden, in der sie über ihre Sorgen sprechen können. Die Sicherung von
kontinuierlichen Bezügen entscheidet darüber, ob Kinder ihre Bindungsmodelle
korrigieren können, ob sie bestehende Bindungsstörungen ausmerzen können und
vgl. Nadine Romanowsky, Seminarunterlagen zum Thema „Bindung, zur Relevanz der Bindungstheorie und
Diagnostik von Bindungsstörungen in der Jugendhilfe und der Familiengerichtsbarkeit“, 23. Jänner 2003, S 5ff
9
14
ob sie sich dem Wagnis von Vertrauen und Beziehung erneut aussetzen und
kohärente Bindungsrepräsentationen entwickeln können.10
Um dies realisieren zu können, sind nun die Pflegefamilien oder die Institutionen
gefordert, denn uns sollte bewusst sein, dass das Bedürfnis nach Bindung und nach
einer sicheren emotionalen Basis eine lebenslange Motivation darstellt.
1.2.3. Bindung in der Pflegefamilie oder in institutioneller Fremdunterbringung
Ausgehend von der Bindungsforschung weiß man, dass das Hineinwachsen eines
Kind in der Fremdunterbringung im Wesentlichen in drei Phasen verläuft:
Zu Beginn steht die Anpassungsphase, die unterschiedlich lange dauert. Hier verhält
sich das Kind sehr angepasst und unauffällig, es ist bemüht nicht „anzuecken“ und
genießt die Zuwendung und den Schutz der neuen Umgebung. Körperliche
Mängelzustände werden rasch aufgeholt und Konflikte vermieden. Zu den neuen
Betreuungspersonen besteht keine Bindungsbeziehung. Während dieser Zeit
sammelt das Kind jedoch neue Erfahrungen, in Konfliktsituationen seht es sich
allerdings nach dem frühen Umfeld, wo es die bereits bekannten Strategien
anwenden kann. Entsteht das Bild, dass sich das Kind auf die neue Umgebung
verlassen kann, so beginnt es zu zeigen, wie es wirklich ist.
Hiermit ist die Phase der Wiederholung früherer Beziehungsformen eröffnet, die eine
Herausforderung für alle Pflegeeltern oder Sozialpädagogen darstellt. Hier zeigt das
Kind mit seinen früheren Erfahrungs- und Bindungsmustern oft Gefühle, die es den
leiblichen Eltern gegenüber hat und überträgt sie auf die neue Bezugsperson. Das
Kind erlebt jede neue Situation durch die Brille seiner früheren Erfahrungen. Das
Kind entwickelt nur allmählich Vertrauen und testet seine Grenzen aus. Nur Geduld
und Ausdauer können dem Kind hier vermitteln, dass es liebenswert ist.
Diese Phase kann therapeutischen Charakter haben, da das Kind nun neue
Erfahrungen machen kann und an den Reaktionen auf sein Verhalten neue
Verhaltensweisen erlernen kann. Wenn das Kind schrittweise zur Erkenntnis gelangt,
dass die Pflegeeltern sich verlässlich und ganz anders verhalten, als es seinen
Vorstellungen und Befürchtungen entspricht, dann wird der Weg für realistische
10
Wilma Weiß „Philipp sucht sein Ich“, S 89
15
Erinnerungen und für den Gewinn einer kritischen Distanz zur eigenen Geschichte
gebahnt.
Wenn das Kind seiner Ansicht nach genügend Beziehungserfahrungen gesammelt
hat, dann beginnt es mit dem Aufbau von neuen Bindungsbeziehungen, es beginnt
nun die Regressionsphase. Das Kind begibt sich in eine neue Rolle und es entsteht
mitunter ein Verhaltenswechsel – das Kind kehrt innerhalb des neuen Lebensraumes
auf eine frühere Stufe der Entwicklung, die schon abgeschlossen schien – zurück,
wogegen es im übrigen Umfeld weiterhin ganz altersentsprechend agiert. Das Kind
holt so Erfahrungen nach und erlebt sie nun im Zusammenhang mit befriedigenden
Beziehungen. 11
Dem Kind ist es nun gelungen, in einem sozialen Umfeld zu leben, es hat
unterschiedliche
Bindungsangebote
kennen
gelernt
und
kann
auf
Bindungserfahrungen zurückgreifen.
Abschließend möchte ich sagen, dass der Aufbau einer neuen Bindung vor allem,
wenn man die bestehende – und immer bestehen bleibende – Bindung an die
leiblichen Eltern akzeptiert, den meisten Kindern sehr gut gelingt.
11
vgl. Monika Nienstedt / Armin Westermann „Pflegekinder – Psychologische Beiträge zur Sozialisation von
Kindern in Ersatzfamilien“ 1998, Seite 51ff
16
2. Entwicklungsförderung und Recourcenstärkung
betrachtet am Konzept „Fünf Säulen der Identität“ nach Hilarion Petzold
Anerkennung und Akzeptanz sind ein wichtiger Teilaspekt der Identitätsentwicklung.
Das Selbstbild als der greifbarste Aspekt der Identität hat besonders im Erleben des
jungen Menschen viele Facetten. Es enthält zunächst das, was das Kind von sich
selbst weiß, wie es sich darstellt, wie es sein möchte, wie es glaubt, dass die
anderen es sehen, was die anderen an ihm mögen oder nicht. Dieser Prozess der
Identitätsentwicklung manifestiert sich in dem Konzept der „Fünf Säulen der
Identität“, das zur Klärung und Entwicklung dieses Prozesses beiträgt.
12
2.1. Die fünf Säulen der Identität
Die fünf Säulen der Identität sind eine Hilfe, um sowohl protektive Faktoren und
Prozesse,
als
auch
Risiko-
und
Widerstandsfaktoren
in
den
Focus
des
pädagogischen Handelns zu nehmen. Bei Kindern in Fremdunterbringung sind eine
oder meist mehrere dieser Säulen zusammengebrochen und müssen von den neuen
Bezugspersonen wieder aufgebaut werden. Es gilt die Bewältigungsstrategien, die
sich ein Kind bisher angeeignet haben, bewusst zu machen, zu würdigen und
gegebenenfalls zu ändern. Dieses Modell schafft Übersicht über die Stärken und
Schwächen
der
verschiedenen
Lebensbereiche
und
gibt
Orientierung
im
Hilfeprozess. Wir können uns damit einerseits ein Bild über das Kind machen und
würdigen, was es bisher schon geschafft hat und andererseits stellt es einen großen
Teil der pädagogischen Diagnose dar. 13
Ich habe mir hierzu bezüglich der Aufarbeitung des Themas viele Gedanken gemacht
und mich schlussendlich dazu entschlossen, so gut wie möglich auf das Zitieren der
Meinung dritter zu den fünf Säulen der Identität zu verzichten, sondern mir ganz
persönlich Gedanken zu machen, wie ich diese fünf Säulen verstehe und wie ich
denke, dass Sozialpädagogen oder Pflegeeltern diese fünf Säulen stärken und
manifestieren können. Der Blick auf die Säulen lässt uns die richtigen Fragen stellen
bei der Suche nach den Ressourcen eines Menschen und führt uns somit auch weg
von den hinlänglich bekannten Defizitmodellen.
vgl. Konzept Kaleidoskop – flexible Betreuung junger Menschen, S 7, aus www.inselhaus.org,
Zugriff 12.6.2006, 9.06 Uhr
13
vgl. Konzept Kaleidoskop – flexible Betreuung junger Menschen, S 7, aus www.inselhaus.org,
Zugriff 12.6.2006, 9.13 Uhr
12
17
Identitätserziehung bedeutet nach Petzolds Modell, den Kindern bei der Entwicklung
folgender Bereiche Unterstützung zu geben:
2.1.1. Leib – das leibliches Befinden
Bei Leiblichkeit geht es für mich in erster Linie darum sich „in seiner Haut wohl zu
fühlen“ und das unterstreicht auch, dass man die Seele und den Körper als Ganzes
betrachten muss, als eine Einheit. Um sich so annehmen zu können, wie man ist,
gehören allerdings wichtige Bedürfnisse befriedigt, wie Gesundheit, Wohlbefinden
und Ernährung, Zufriedenheit mit dem Aussehen aber auch Leistungsfähigkeit, und
ein subtiler Umgang mit Fragen der Sexualität. Der Körper ist im Grunde derjenige,
der uns sagt, wie wir uns fühlen, wie es uns geht, hier spüren wir unser Innerstes. Mir
ist schon aufgefallen, dass dieser Bereich oft „nebenbei“ läuft, als eine logische
Handlung für Sozialpädagogen bzw. Pflegeeltern, doch dürfen wir die Wichtigkeit
dieser Säule nicht übersehen.
Was können wir tun?
Kinder brauchen Körperkontakt, sie möchten liebevoll im Arm gewiegt werden, sich
geborgen fühlen und gepflegt werden. Ich denke, dass sie so Respekt für den
eigenen Körper entwickeln und sich und auch andere dadurch besser annehmen
können.14 Wir müssen bedenken, dass Kinder in Fremdunterbringung oft
Berührungsängste haben und auch ein großes Schamgefühl aufweisen, deshalb
müssen wir in diesem Bereich sehr sensibel reagieren um die Integrität der Kinder
nicht zu verletzen.
Kinder fühlen sich oft durch die Nichtbeachtung ihrer Person als nicht liebenswert
und nicht schön. Es gilt, Kinder darin zu unterstützen, dass sie ihr Aussehen
akzeptieren und annehmen, vielleicht durch Frisuren, die das Gesicht zur Geltung
bringen oder Worte wie „Du sieht so hübsch aus.“ oder „Deine Augen strahlen.“.
Diese kurzen Sätze sind Balsam für die vernachlässigte Kinderseele.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Ernährung für ein Kind ein wichtiges
Thema ist, die Diskussionen der Ansichten, was nun gesund und schmackhaft ist,
scheinen oft kein Ende nehmen zu wollen, ebenso gilt es die Frage zu klären wie
14
„Das Pflegekind – Leben zwischen zwei Familien“, S 6 aus www.pazh.ch, Zugriff 12.6.2006, 10.22 Uhr
18
viel, zu welcher Zeit und wo man die Nahrung aufnimmt. Wir müssen uns bewusst
machen, dass es für ein fremduntergebrachtes Kind wahrscheinlich keine
Selbstverständlichkeit war, ausgewogene Nahrung im Ausmaß des Hungergefühls zu
bekommen. Es gilt, die Vorlieben und Abneigungen des Kindes zu akzeptieren und
sie in einem vernünftigen Ausmaß in die Gruppen einzubeziehen. Meiner Ansicht
nach gehören zu diesem Thema dann auch die Einhaltung von fixen Essenszeiten,
damit sich das Kind sicher sein kann, Nahrung zu einem bekannten Zeitpunkt auch
wirklich zu bekommen.
Für die Gesundheit braucht es neben guter Ernährung auch genügend Bewegung,
die Kinder gerne im Sport oder im Herumtollen ausüben und so ihre
Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen, genauso wie ein verantwortungsvoller
Umgang mit Gefahren ohne überängstlich zu reagieren. Wenn Krankheit eintritt,
dann soll auch eine Pflegeperson bereit stehen, die das Kind liebevoll pflegt und so
die nötige Zuwendung gibt.
Der wohl heikelste Bereich hier ist meiner Ansicht nach die Sexualität. Oft ist es noch
ein Tabuthema und vielen fällt es nicht einfach darüber zu sprechen. Kinder
brauchen dennoch einen respektvollen Umgang und eindeutige, auf das Alter
abgestimmte, Antworten auf ihre Fragen. Es geht auch darum, die Kinder in der
Entwicklung der selbstbestimmten Sexualität zu unterstützen sowie die sexuellen
Bedürfnisse anzuerkennen.
Ziele der Auseinandersetzung mit Sexualität sind die Vermittlung von Wissen, das
Thematisieren von Gefühlen, die Enttabuisierung der unterschiedlichen Formen von
Sexualität, Wissen über die Entwicklungsaufgaben in der Pubertät sowie eine
individuelle Unterstützung für Mädchen und Jungen, die Sexualität bevorzugt in der
Opferrolle leben. Kinder müssen diese Unterstützung zur Erarbeitung eines
selbstbestimmten Lebensentwurfes bekommen.15
Hierzu kommt noch die Tatsache, dass Kinder in Fremdunterbringung manchmal
sexuell ausgebeutet wurden und so auf eine besondere Art verletzt wurden, die
allerdings eine therapeutische Aufarbeitung benötigt. Wir können sie dennoch
begleiten und vor erneuter Ausbeutung schützen.
15
Wilma Weiß, „Philipp sucht sein Ich“, S 110
19
2.1.2 Beziehungen – das soziale Netz
Jeder Mensch ist eingebunden in ein soziales Netz von Familie, Freunden,
Schulkollegen und anderen Menschen. Wichtige Bezugspersonen bleiben in der
Regel über einen längeren Zeitraum in der Lebenswelt eines Menschen und geben
so der Identität Sicherheit. Dauerhafte, verlässliche Beziehungen sowie eine
vertraute Umgebung und gleiche Abläufe im Alltag bieten dem Kind einen festen
Platz in einer Lebensgemeinschaft. Dies bedeutet aber für mich auch, dass das
Zusammengehören nicht von zahlreichen Bedingungen abhängig gemacht ist.
Streiten, diskutieren und Widerstand leisten muss beansprucht werden dürfen, ohne
Gefahr zu laufen, das neue Heim wieder verlassen zu müssen, denn durch den
häufigen Wechsel brauchen Kinder immer wieder neue Beweise, dazu zu gehören.
Jeder braucht für seine seelische Gesundheit die Gewissheit, ein wichtiges und
anerkanntes Mitglied einer Gemeinschaft zu sein. Für andere wertvoll zu sein,
anderen helfen zu können, schafft gute Gefühle, die sogar das körperliche
Immunsystem stärken. Fest in ein Netz sozialer Beziehungen eingebunden zu sein,
schützt vor überhand nehmenden Gefühlen von Isolation und Sinnlosigkeit. 16
Was können wir tun?
Hier ist es unsere Aufgabe, dem Kind neue Beziehungsangebote zu geben und die
Möglichkeit zu lassen, Beziehung zu liebevollen und einfühlsamen Erwachsenen
aufzubauen. Wir müssen das Kind so annehmen wie es ist, ohne auf sein Aussehen,
seine Begabungen oder seinen Charakter zu nehmen. Bei allen Schwierigkeiten, die
in Beziehungen auftauchen, erfährt das Kind so Geborgenheit und das Gefühl,
wertvoll und in Ordnung zu sein. Ohne Urvertrauen kann sich ein Kind nicht gut
entwickeln.17
In diesem Bereich fällt aber auch, dass die Herkunftsfamilie des Kindes nicht
verleugnet werden darf, denn zu dieser besteht ein immerwährendes Band, das in
die Persönlichkeitsstruktur des Kindes integriert ist. Deshalb ist es meiner Ansicht
nach sehr wichtig, hier Elternarbeit zu leisten, damit die Entwicklung des Kindes bei
dieser Säule auch gewährleistet werden kann. Oft besteht die Angst, dass es die
16
17
vgl. Helga Gürtler, „Kinder brauchen Kinder“, aus www.familienhandbuch.de, Zugriff 13.6.2006, 10.05 Uhr
„Das Pflegekind – Leben zwischen zwei Familien“, S 4, aus www.pazh.ch, Zugriff 12.6.2006, 10.50 Uhr
20
Kinder zu sehr belastet, sich mit seiner Lebensgeschichte auseinander zu setzen,
doch ist meist das Gegenteil der Fall. Ich denke, es kann die Beziehung zwischen
Kind und neuer Bezugsperson sogar verstärken.
Wenn es hier gelingt, frühe Bindungserfahrungen bewusst kommunizierbar zu
machen und emotionale Erfahrungen und negative Gefühle auf die Ebene
sprachlicher Darstellung zu bringen, sind die Mädchen und Jungen diesen negativen
Gefühlen nicht mehr hilflos ausgeliefert und bauen so Vertrauen in die
Zuverlässigkeit der Betreuer auf.18
Meiner Meinung nach ist zur Stärkung dieser Säule allerdings auch der Umgang mit
gleichaltrigen Freunden ein absolutes Muss. Selbst wenn es uns als Pflegeeltern
oder Sozialpädagogen manches Mal schwer fällt, diese Freunde zu akzeptieren,
gehören sie in den Lebensbereich des zu betreuenden Kindes. Oft denken wir
ziemlich überheblich, wir könnten am besten beurteilen, welcher Kontakt für unser
Kind gut sei und welcher nicht. Kinder müssen selbst, nach eigenen Sympathien
entscheiden, wen sie mögen, mit wem sie spielen wollen und mit wem nicht. Nur so
können
sie
ihre
sozialen
Fähigkeiten
entwickeln
und
lernen,
verlässliche
Freundschaften aufzubauen. 19
Freunde können einander sehr viel geben und mit Menschen, die mit einem
augenscheinlich
auf
gleicher
Stufe
stehen,
lassen
sich
Probleme
und
Schwierigkeiten viel leichter meistern.
Doch nicht nur das Zusammentreffen mit gleichaltrigen Freunden scheint mir hier
wichtig sondern auch das mit Kindern, die denselben Status haben. Ich als
Pflegemutter
gebe
meinen
Kindern
immer
wieder
die
Möglichkeit
des
Zusammenseins mit anderen Pflegekindern, denn so wird ihnen vor Augen geführt,
dass sie nicht als einzige Pflegekinder sind, sondern ihr Schicksal mit vielen anderen
teilen. Ich weiß, dass die Kinder untereinander die verschiedene Herkunft diskutieren
und auch von den Erfahrungen der anderen profitieren können. Eine Akzeptanz ihres
besonderen Status „Pflegekind“ oder „fremduntergebrachtes Kind“ ist auf diese
Weise leichter zu erreichen.
18
19
Wilma Weiß, „Philipp sucht sein Ich“, S 90
vgl. Helga Gürtler, „Kinder brauchen Kinder“, aus www.familienhandbuch.de, Zugriff 13.6.2006, 10.07 Uhr
21
Beziehungen beruhen auf Gegenseitigkeit, das heißt auch wir müssen uns öffnen um
mit dem Kind eine vertrauensvolle Basis aufbauen zu können. Wir dürfen uns nicht
davor scheuen, das Kind an uns heran zu lassen. Ich bin mir sicher, dass dann nicht
nur die Kinder etwas von uns bekommen, sondern wir auch etwas von den Kindern.
Beziehungen geben dem Kind Halt und Sicherheit und so muss auch auf diese
zweite Säule – wie schon unter Punkt 1. Bindungen ausgeführt – sehr geachtet
werden.
2.1.3. Arbeit und Leistung
In der Arbeit, im kreativen Werken und Schaffen, im konkreten Tun verwirklicht sich
der Mensch. Er identifiziert sich mit seinen Leistung und wird auch von anderen
damit
identifiziert.
Er
lernt
hier
seine
Leistungsfähigkeit
und
seine
Gestaltungsmöglichkeiten kennen, stößt aber auch an seine Grenzen, die es zu
erkennen und zu akzeptieren gilt. Hierunter fallen meiner Ansicht nach auch
Erfolgserlebnisse, Anerkennung und Zufriedenheit mit dem Arbeitsbereich hinein,
ebenso aber Arbeitsüberlastung.
Was können wir tun?
Ich denke, dass wir hier nicht direkt bei der Leistungserbringung ansetzen dürfen,
sondern
schon
vorher
bei
der
Erlangung
der
Konzentrations-
und
Durchhaltungsfähigkeit. Dies kann aber nur in kleinen Schritten passieren, da wir
ansonsten die Kinder einem zu hohen Erwartungsdruck aussetzen. Wichtig ist, dass
wir die Kinder weder unter- noch überfordern, sondern herausfordern. Sie mögen
Neues und Interessantes, also eine Aufgabe, die sie vorher noch nicht kannten. Wir
sollten hier auf das Interesse der Kinder achten, mit welchen Dingen sie sich gerne
beschäftigen, so erlangt man leichter ihre Aufmerksamkeit. Günstig ist ein Angebot,
das neben Konzentration und Ausdauer noch verschiedene andere Bereiche, z.B.
Motorik oder Sinne, anspricht.
Gerade bei Kindern ist natürlich Arbeit und Leistung eng mit der Schule verbunden.
Bei fremduntergebrachten Kindern ist es oft so, dass sie deutliche Rückstände in der
kognitiven Entwicklung zeigen. Da gerade bei jungen Menschen die soziale Position
in der Klasse meist eng verbunden ist mit ihren Schulleistungen, gehören sie in
22
diesem Bereich gefördert. Meiner Ansicht nach sollten wir hier weggehen von den
vorgefertigten, schematisieren Lernbögen und uns kreativeren Methoden hinwenden.
Dies kann zum Beispiel das Spiel sein, wobei ich denke, dass es für die Kinder
wichtig ist, dass die Betreuungsperson sich aktiv an den Übungsspielen beteiligt und
vor allem das Spielangebot auf die Individualität des Kindes abstimmt.
Als weiteres sollten wir generell die Kreativität fördern bzw. zulassen. Viele
Pflegeeltern bzw. Sozialpädagogen sind in diesem Bereich sehr motiviert und basteln
viel – nach ihren Vorgaben. Dabei ist es viel interessanter zuzusehen, was Kinder
zuwege bringen, wenn man ihnen einen Karton mit verschiedenen Utensilien bereit
stellt und sie alles verwenden lässt, was sie zur Realisierung ihres Werkes benötigen
– aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass sie auf Ideen kommen, die mir im
Traum nicht eingefallen wären.
Um Kindern die Freude an dem schöpferischen Tun nicht zu nehmen, gehören
natürlich Lob und Anerkennung dazu und die Wertschätzung dem geschaffenen
Produkt gegenüber. Oft habe ich schon erlebt, dass Erwachsene dem Kind sagen,
ob zum Beispiel ein Bild fertig gemalt ist oder nicht und übersehen dabei, dass
dieses Bild für das Kind sehr wohl vollendet ist, es nur einfach nicht nach ihren
Vorstellungen ist – was es allerdings auch nicht sein soll. Kinder brauchen aber auch
Ehrlichkeit, so verunsichern und demotivieren wir sie nur, wenn wir für
selbstverständliche Dinge übermäßiges Lob geben. Ein Kind gewinnt wohl am
ehesten Zutrauen und Selbstbewusstsein in diesem Bereich, wenn wir ihnen
signalisieren, dass wir fest an ihre Kreativität glauben.
Außerdem sollten wir für die Kinder Erfolgserlebnisse schaffen, denn frühe
Erfolgserlebnisse begünstigen das Lernen und helfen, die Wahrscheinlichkeit von
Misserfolgen gering zu halten. Sie fördern das Selbstvertrauen der Kinder, immer
wieder etwas Neues ausprobieren zu wollen.
Die meisten Kinder haben ein großes Interesse an Arbeit und auch Leistung, daran,
selbst etwas zu schaffen und vollbringen zu können. Sie stürzen sich mit großer
Begeisterung auf Herausforderungen und neuen Aufgaben. Wichtig ist nur, dass man
sie auch „machen lässt“, denn die Tatsache, dass sie es selbst getan und begriffen
haben, ist eine wichtige Erfahrung.
23
2.1.4. Materielle Sicherheit
In diesen Bereich fallen die Identifizierung mit dem eigenen Besitz, z.B. mein
Zimmer, meine Kleidung, als auch die finanzielle Absicherung, z.B. mein
Sparschwein, mein Taschengeld. Der Lebensstandard und der Lebensstil sind für
unser Identitätserleben ausschlaggebender als wir uns oft eingestehen. Die
Sicherung dieser Säule beeinflusst unsere Gesundheit und unsere Beziehungen.
Geld, Wohnung, Kleidung sind wesentlich zu nehmen, denn wenn materielle
Sicherheiten wegfällt, geht es massiv an die Identität. Materielles aus eigener Arbeit
zu gewinnen, ist ein wesentlicher Bestandteil um Unabhängigkeit zu erreichen. Sein
eigenes Geld zu verdienen oder verdient zu haben und somit über Freiheiten zu
verfügen ist wichtig.20
Was können wir tun?
Kinder in Fremdunterbringung haben selten die Erfahrung materieller Sicherheit
gemacht. Oft besitzen sie nur wenige Sachen, wie etwas Kleidung oder ein
Kuscheltier, wenn sie in die neue Unterkunft kommen und haben diese
mitgebrachten Dinge einen hohen Stellenwert. Ich halte es für sehr wichtig, dass
Kinder ihren Besitz auch mitbringen dürfen, denn er stellt eine Brücke zwischen dem
„alten und neuen“ Leben dar und gibt gerade in der Anfangszeit ein gewisses Maß
an Sicherheit.
Sicherheit nicht nur in materieller Hinsicht bietet auch ein eigener Raum. Nicht immer
ist es möglich, dem Kind ein eigenes Zimmer zu bieten und ist das auch nicht
unbedingt nötig, doch muss Raum für Bewegung und Spiel vorhanden sein, ebenso
wie in Platz, an den sich das Kind zurückziehen kann und in dem seine Intimsphäre
gewahrt bleibt. Das Kind braucht seinem Alter entsprechend einen Platz zum
Arbeiten und Alleinsein und auch die Möglichkeit, seine Kleider, Spielsachen und
Habseligkeiten unterzubringen.
Für die meisten Kinder spielt Geld eine große Rolle, vor allem, weil sie selten vor der
Fremdunterbringung welches zur Verfügung hatten. Aus diesem Grund bin ich der
Meinung, dass Kinder, gestaffelt nach ihrem Alter, Taschengeld bekommen sollten.
20
„Die fünf Säulen der Identität“ aus www.kap-regensburg.de, Zugriff 13.6.2006, 10.44 Uhr
24
Durch den Besitz von Taschengeld, über das sie selbst frei verfügen können, haben
Kinder die Möglichkeit, den Umgang mit Geld zu üben. Sie können dabei lernen, wie
wichtig es ist, sich das verfügbare Geld einzuteilen und finanzielle Schwerpunkte zu
setzen aber auch wie unangenehm es ist, wenn man sein Geld zu schnell und
unüberlegt ausgibt und dass es immer wieder notwendig ist, auf bestimme Dinge zu
verzichten, damit man sich andere leisten kann. Es zeigt aber auch unser Zutrauen,
dass sie mit Geld umgehen können. Noch dazu denke, dass sie durch
„Gehaltsverhandlungen“, die es mit Sicherheit geben wird, lernen, ihre Wünsche zu
artikulieren und gibt uns das die Möglichkeit, die Bedürfnisse der Kinder zu erfahren.
Um den Kindern auch hier die nötige Sicherheit geben zu können, halte ich es für
gut,
das
Taschengeld
pünktlich
an
einem
fixen
Tag
auszubezahlen.
Taschengeldvorschuss oder Wiederersetzen von zu schnell ausgegebenem Geld
halte ich nicht für sinnvoll und zweckmäßig, ebenso wenig wie die Androhung, das
Taschengeld als Strafe zu kürzen oder zu entziehen.
In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, dass Kinder sparen lernen um
vorausschauend zu planen um spätere Probleme beim Umgang mit Geld zu
vermeiden.
Ich erachte es für notwendig, dass der Besitz der Kinder auch anerkannt und für
wichtig erachtet wird. Oft erleben wir in der Fremdunterbringung, dass Kinder sich
von anderen Kindern Dinge nehmen, die ihnen nicht gehören und bin ich der Ansicht,
dass Kinder lernen sollten, mit dem eigenen Besitz, aber auch mit dem der anderen,
sorgsam umzugehen.
Die Säule „materielle Sicherheit“ scheint mir eine sehr wesentliche, weil sie
maßgeblich an unserer Identitätsentwicklung beteiligt ist. Auch wenn sie in einer
Pflegefamilie oder einer Wohngemeinschaft normalerweise nicht mit materieller Not
konfrontiert sind, ist es dennoch wichtig, dass Kinder eigenes Hab und Gut haben,
etwas, das nur ihnen persönlich gehört und worüber sie alleine bestimmen können,
um so auch die Verantwortung für ihren Besitz zu übernehmen.
2.1.5. Werte
In jeder Gesellschaft existieren bestimmte Wertehaltungen, die vor allem den
sozialen Umgang der Menschen miteinander regeln. Für mich sind Werte
25
Vorstellungen über Eigenschaften, Beziehungen, Ideen eines Einzelnen, die er für
wichtig und erstrebenswert erachtet. Werte sind allgemein gültig und reichen weit
über unsere Alltagsstruktur hinaus. Sie vermitteln Kindern – wie auch natürlich
Jugendlichen und Erwachsenen – eine eigene Überzeugung darüber, was aus ihrer
Sicht wünschenswert, gut, lohneswert oder eben nicht ist.
Die Werte eines Menschen entstehen aus seiner Bezogenheit zu anderen
Menschen. Die Wurzeln der Werte eines Menschen sind demnach im frühesten Alter
geweckte Gefühle. Aus unseren biographischen Erfahrungen entstehen Haltungen,
die uns prägen. Die Einstellungen und das Verhalten zu Leben, Liebe, Wahrheit,
Religion, Tod, zu den Mitmenschen und zu den Dingen sind Inhalt unserer
Wertewelt.21
Hieraus ergibt sich für mich, dass Kinder, die in eine Fremdunterbringung kommen,
natürlich die Wertvorstellungen vom Elternhaus mitbringen. Oft stimmen wir mit
diesen Vorstellungen nicht überein und werden versuchen, den Kindern entweder
bewusst oder unbewusst die Werteerziehung angedeihen zu lassen, die wir für
wichtig erachten. Wir werden die Werte vermitteln, die uns durch das Lebensumfeld,
in dem wir aufgewachsen sind, geprägt haben.
Was können wir tun?
Werteerziehung halte ich für ein sehr sensibles Thema, wobei man sich mit vielen
Fragen beschäftigen muss, wie z.B. Was müssen Kinder lernen, um in allen
Situationen angemessen handeln zu können? Welche Werte gibt es, die nicht nur für
den Augenblick gelten? Können wir Grundlagen schaffen, dass Kinder die Werte in
der sie umgebenden Gesellschaft schätzen lernen und sie anzuwenden vermögen?
Kinder lernen durch Nachahmen und Wiederholen. Also müssen wir mit gutem
Beispiel voran gehen, „predigen“ allein nützt nichts. Werteerziehung fängt immer bei
uns selber an, wir können von den Kindern nur verlangen, was wir selber einhalten.
Ich bin der Meinung, dass der erste und andauernde Schritt für Werteerziehung ist,
dass wir das Gespräch mit den Kindern nicht abreißen lassen. Wir müssen mit ihnen
21
vgl. Konzept Kaleidoskop – flexible Betreuung junger Menschen, S 7, aus www.inselhaus.org,
Zugriff 12.6.2006, 9.13 Uhr
26
reden und noch wichtiger ist es, dass wir ihnen zuhören, so erfahren wir ihre
Bedürfnisse und Wünsche.
Dort, wo Kinder merken, dass sie aktiv Veränderungen anregen und bewirken
können, sei es im Schulalltag oder zu Hause, eröffnen sie sich neue Zuständigkeiten,
die dazu beitragen, dass sie sich in ihrer Einmaligkeit und Selbstständigkeit erfahren
können und dadurch Haltungen zur eigenen Person, zu Situationen und
Geschehnissen sowie anderen Kindern und Erwachsenen aufbauen und erweitern.
22
Kinder, die Verantwortung für sich selbst, Freunde, Tiere und Pflanzen übertragen
bekommen, erleben sich als ernst genommen, da sie für etwas Sorge tragen dürfen.
Gerade dieser Aspekt trägt zur Entwicklung von Wertehaltungen bei, indem er
ermöglicht, die Erfahrung der Verantwortlichkeit in der Praxis hautnah zu erleben.
Da Kinder durch ihre vielfältigen Lernerfahrungen ihre eigenen Maßstäbe zur
Beurteilung
eigenen
„richtigen“
Verhaltens
aufbauen
und
durch
eigene
Willensantriebe handeln, bleibt es nicht aus, dass sie häufig mit bestehenden
Wertmaßstäben
ihrer
Umwelt
konfrontiert
sind.
Die
dadurch
ausgelösten
Spannungen sind notwendig und wichtig, um Werte besser und tiefer kennen zu
lernen. Erzieher sollten daher auftretende Spannungen nicht sofort aus ihrer
Erwachsenensicht bewerten und kindliche Wertehaltungen korrigieren, sondern
versuchen, Wertkollisionen auszuhalten und eine Atmosphäre der Offenheit zu
schaffen. 23
Ausschlaggebend für mich ist aber vor allem die emotionale Seite, die liebevolle
Zuwendung einer Bezugsperson, das Kuscheln, das Wertschätzen, das Füreinander
da sein, das um sich sorgen und kümmern, gemeinsame Zeit verbringen, das alles
ist der Nährboden den ein Kind braucht, um Wertehaltungen anzunehmen und in
sich integrieren zu können.
22
23
vgl. Armin Krenz / Heidi Rönnau „Entwicklung und Lernen im Kindergarten“, S 127
vgl. Armin Krenz / Heidi Rönnau „Entwicklung und Lernen im Kindergarten“, S 127f
27
Mir ist bewusst, dass dies nur ein kurzer Querschnitt über die fünf Säulen ist und soll
er nur einen Denkanstoß geben für alle, die sich dafür näher interessieren. Vor allem
die fünfte Säule, Werte, ist eine sehr komplexe und konnte hier nur kurz vorgestellt
werden. Dennoch denke ich, dass es ein guter Einstieg in das Thema ist und dieses
Modell für Erziehungsarbeit sehr wichtig und hilfreich ist, denn damit zeigt Hilarion
Petzold eine Möglichkeit auf, wie wir die Entwicklung von Kinder fördern und
gleichzeitig ihre Ressourcen stärken können, es zeigt uns, worauf wir achten sollen
und wo wir ansetzen sollen, damit Kinder, und zwar nicht nur solche in
Fremdunterbringung, ihre eigene Identität finden können. Mir macht es aber auch
bewusst, dass wir uns ständig mit uns selbst auseinandersetzen müssen und unsere
Einstellungen und Haltungen hinterfragen müssen, um die Kinder in der
Identitätsbildung gezielt unterstützen zu können.
28
5. Familienpädagogik
Die Möglichkeiten, Kinder in ihrer Entwicklung zu unterstützen, stehen uns in
verschiedensten Arten, wie jegliche Form von Pädagogik, Biografiearbeit sowie
zahlreichen weiteren Konzepten, zur Verfügung.
Hier möchte ich das relativ neue Professionsverständnis der Familienpädagogik
erläutern, weil ich hoffe, dass dieses Konzept in Zukunft in der Arbeit mit Kindern in
Fremdunterbringung mehr zum Tragen kommt, da meiner Meinung nach eine
Unterbringung
von
Kindern
in
familienähnlichen
Strukturen
die
beste
Entwicklungschancen für Kinder bietet.
Familienpädagogik kennzeichnet den Abschied von herkömmlichen Erzieherrollenvorstellungen. Die Abgrenzung zwischen Beruf und Privat wird aufgelöst und in
diesem Professionsverständnis integriert, da es um die (Aus)Wirkung des Privaten
auf das Berufliche geht und auch umgekehrt. Die veränderten Rahmenbedingungen
von Betreuungspersonen, die mit den Kindern zusammenleben, stellen veränderte
Ansprüche an die Gestaltung der Beziehungen im Betreuungsfeld, um diese
bedürfnis-,
entwicklungs-,
und
qualitätsorientiert
zu
gestalten.
Der
Begriff
„Familienpädagogik“ eignet sich dazu, das bewusste Handeln der pädagogischen
Tätigkeiten, welche familiäre Beziehungen mit Kindern professionell gestalten, zu
umreißen. Es hat sich gezeigt, dass diese ganzheitliche Betrachtungsweise der
pädagogischen Arbeit nicht nur in der Familienerziehung, sondern auch in anderen
pädagogischen
Betreuungsfeldern
einen
wertvollen
pädagogischen
Zugang
beschreibt. 24
3.1. Professionelle Familienerziehung?
Wenn Kinder nicht bei ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen können und sollen, was
kann man dann tun? Man sucht für sei eine gute Pflegefamilie oder eine Institution,
von der man denkt, dass sie für die Entwicklung des Kindes günstig ist. Hier können
sie ihre bisherigen Belastungen vergessen und ein neues gutes Leben beginnen,
denn hier finden sie alles, was sie zum Leben brauchen.
24
vgl. Elternpost der Interessensgemeinschaft NÖ Pflege- und Adoptiveltern, Ausgabe Nr. 85, Seite 6
29
Leider ist es nicht so einfach, in mancher Hinsicht ist es sogar ziemlich kompliziert:
Die beteiligten Menschen haben Schwierigkeiten und der ganze gut gemeinte
Versuch kann sogar scheitern, was wiederum für alle Beteiligten sehr belastend ist.
Man
kann
die
Ursachen
bei
den
Verhaltensstörungen
der
Kinder,
der
Uneinsichtigkeit der leiblichen Eltern und der Unzulänglichkeit der Pflegeeltern
suchen. So hat man die Schuld verteilt, ob man eine Handlungsmöglichkeit
gewonnen hat, ist zweifelhaft.25
3.2. Professionelle Familienerziehung – öffentliche Erziehung im privaten Rahmen
In Österreich leben meinem Wissen nach ungefähr 10.000 Minderjährige in
Fremdunterbringung. 50 % davon leben in Pflegefamilien oder in SOS KinderdorfFamilien, also in familiären Gemeinschaften, die anderen 50 % wachsen in Heimen
oder sonstigen Einrichtungen auf.
Für Pflegepersonen bedeutet Familienpädagogik, dass sie eine Lebensform wählen,
in der die soziale Arbeit und das private Leben in der Familie zusammenfallen. Arbeit
und Familie sind für diese Personen keine getrennten Lebenswelten. Da die Kinder
und ihre Pflegemütter/-väter sich wechselseitig persönlich bedeutungsvoll werden,
entstehen im familiären Interaktions- und Beziehungsrahmen die vielfältigsten
pädagogischen Situationen, die wirkungsvoll für zielgerichtetes pädagogisches
Handeln genützt werden können. Neben entsprechenden fachlicher Qualifikationen
erfordert ein solches Modell ein hohes Maß an persönlicher Motivation und
persönlichem Engagement sowie ein ebenso hohes Maß an Sich-Einlassen und
Sich-Involvieren.26
Als wesentliche Aspekte der Arbeit im sozialen Bereich kristallisierte sich in den
letzten Jahrzehnten die Erkenntnis heraus, dass Soziale Arbeit erstens immer
verwoben ist in konkrete Alltags- und Lebenswelten und dass sie sich zweitens
immer in Interaktion vollzieht, kein einseitiges „Bearbeiten“ durch SpezialistInnen sein
kann, sondern ein kommunikatives Handeln, an dem immer zwei Seiten beteiligt
sind.
25
26
vgl. Rosa Heim / Christian Posch „Familienpädagogik“ Seite 53
vgl. Rosa Heim / Christian Posch „Familienpädagogik“ Seite 154f
30
Durch die Alltagsnähe einer Lebensgemeinschaft, die sich nur geringfügig von der
privaten Lebenswelt anderer Familien unterscheidet, ist es viel schwieriger,
alltägliches Handeln von beruflichem Handeln abzugrenzen und das Spezifische
dieses Berufes wahrnehmbar und nachvollziehbar zu machen. Im Rahmen der
Entwicklung
dieses
alternativen
Ausbildungsmodells
wurde
versucht,
Familienpädagogik als Profession wie folgt zu definieren: „Familienpädagogik
versteht sich hier als das Miteinanderleben und erzieherische Handeln in Familien
mit fremduntergebrachten Kindern und Jugendlichen, in welchen Bezugspersonen
dauerhaft
leben
und
arbeiten.
Diese
gestalten
die
zwischenmenschlichen
Beziehungen durch ihr privates und professionelles Handeln und durch ihre fachliche
Reflexion darüber. Familienpädagogik geschieht im Spannungsfeld zwischen
Herkunftsfamilie, neuer Familienform und Organisationen.“ 27
3.3. Erweiterung der Handlungsqualität im Kontext von privaten Handlungen
Während in rein beruflichen Kontexten private Handlungen mehr oder weniger als
Störungen des beruflichen Ablaufes definiert werden, wird in professionellen
Lebensgemeinschaften die Beziehungs- und Lernmöglichkeiten der Kinder durch die
Integration des Privatlebens der Erwachsenen um eine elementare Dimension
erweitert. Pädagogisches Handeln definiert sich nicht mehr nur als Seinsqualität des
Erwachsenen. Durch den gemeinsamen Lebensort können Kinder miterleben, wie
pädagogisch Handelnde ihr eigenes Leben zu ihrer Zufriedenheit gestalten und wie
sie selbst Lebens- und Alltagsanforderungen meistern. Sie erfahren unmittelbar, wie
die Erwachsenen ihr privates Beziehungsfeld gestalten, ihre eigenen Bedürfnisse
wahrnehmen und realisieren sowie auch private Probleme und Konflikte bewältigen.
Da aus dem Zusammenleben unterschiedlichster Menschen verschiedenen Alters,
vielschichtige Schwierigkeiten und Herausforderungen in der Lebenswelt entstehen,
müssen in der Familienpädagogik soziale Lernsituationen nicht künstlich hergestellt
werden. Diese resultieren aus dem zusammenleben im Alltag und sind von den
Kindern unmittelbar in seinen Auswirkungen erfahrbar. Im familienpädagogischen
Denken und Handeln wird daher ein Bewusstsein für die persönliche Vorbildwirkung
in der Art und Weise des eigenen Menschseins geschaffen.28
27
28
vgl. Rosa Heim / Christian Posch „Familienpädagogik“ Seite 166
vgl. Rosa Heim / Christian Posch „Familienpädagogik“ Seite 167
31
3.4. Prozesshaftes Denken
Im familienpädagogischen Handeln und Denken wird erzieherisches Handeln als ein
Prozess begriffen. Nur durch eine kontinuierliche Bezugnahme des Erwachsenen
zum Kind kann ein Prozess überhaupt erst in Gang gesetzt und auch erfolgreich
erfahren werden. Dies bildet auch eine notwendige Voraussetzung um die
pädagogische Wirksamkeit der Erwachsenen reflektieren zu können. Prozesse
benötigen
als
Handlungsorientierung
eine
klare
Definition
pädagogischer
Zielsetzungen, ohne diese allerdings dem Kinde überzustülpen. Mittels regelmäßiger
Reflexion kann das pädagogische Handeln genauer auf die subjektive Wirklichkeit
und Ausgangslage des Kindes abgestimmt werden. Altersgemäß werden die Kinder
bei der Herausarbeitung ihrer nächsten Entwicklungsschritte miteinbezogen. Dadurch
wird die Wahrnehmungsfähigkeit des pädagogisch Handelnden hinsichtlich der
Beziehungssituation, der Ausgangslage des Kindes sowie der Auswirkungen des
Handelns gesteigert. Zugleich steht der Erwachsene dadurch selber im Umgang mit
dem Kind in einem kontinuierlichen Lern- bzw. Veränderungsprozess. 29
3.5. Schlüsselqualifikationen von FamilienpädagogInnen
Schlüsselqualifikationen beschreiben zentrale Fähigkeiten, welche professionelles
Handeln
in
Lebensgemeinschaften
von
unreflektierten
Alltagshandlungen
unterscheidet. Die zentralen Schlüsselkompetenzen in der Familienpädagogik leiten
sich aus der Gestaltung der Interaktionsbeziehungen innerhalb des Handlungsfeldes,
aus der Gestaltung der Lebenswelt und des Umfeldes des Kindes und auch aus dem
Umgang mit Ressourcen, ab. FamilienpädagogInnen müssen einen hohen Grad an
Selbststeuerungsfähigkeit
sowie
die
Fähigkeit
zur
Beziehungsgestaltung
unterschiedlicher Qualität besitzen. Sie müssen sich den Zugang zur Welt des
Kindes erarbeiten, die emotionalen Abhängigkeiten entflechten und dem Kind bei der
Verarbeitung
belastender
vergangener
Situationen
helfen.
Eine
wichtige
Voraussetzung ist, dass sie den leiblichen Eltern des Kindes einen wertschätzenden
Raum geben und die Lebenswelt als Lernort für altersgemäße Entwicklungsschritte
nutzen. Vernetztes Denken und die Definition von angemessenen Erziehungszielen
gehört ebenso zu den Kompetenzen, die FamilienpädagogInnen mitbringen
müssen.30
29
30
vgl. Rosa Heim / Christian Posch „Familienpädagogik“ Seite 168
vgl. Rosa Heim / Christian Posch „Familienpädagogik“ Seite 171f
32
3.6. Familienpädagogik und Sozialpädagogik
Zunächst können wir sagen: Gemeinsam sind die professionelle Ausbildung sowie
die Tatsache, dass die Klienten im Rahmen der jeweiligen gesellschaftlichen
Situation gesehen werden, wobei Reflexion über den sozialen Zusammenhang und
die Fähigkeit, sich auch immer wieder vom eigenen Berufsalltag zu distanzieren,
geboten sind.
Unterschiede liegen darin, dass die FamilienpädagogInnen keine „normalen“
SozialpädagogInnen
sind,
sondern
das
Niveau
der
durchschnittlichen
Sozialpädagogik auf eine neue Ebene hin transzendiert Es geht ja nicht nur um ein
engeres Verhältnis zu den Klienten, also um subjektive Nähe und persönliches
Engagement von Fall zu Fall, sondern die Familienpädagogik bezieht sich auf eine
Lebensform, in der die PädagogInnen allein verantwortlich sind, ohne sich, wie an
anderen Arbeitsplätzen üblich, hinter Vorschriften und modischen Strömungen
verstecken zu können. 31
Ich denke, dass man die Familienpädagogik nicht strikt von der Sozialpädagogik
trennen kann, weil in der Familienpädagogik die wesentliche sozialpädagogische
Züge zu finden sind und umgekehrt.
Es gibt kein bewährtes Gesamtkonzept für das Aufwachsen von Kindern, vielmehr
steht jede Erziehungsform für sich selbst und jede hat ihre Berechtigung. Ich bin
dennoch davon überzeugt, dass, wenn sich die Familienpädagogik durchsetzt und
nicht nur, wie jetzt auch schon in den SOS-Kinderdörfern praktiziert wird, dies die
bessere Unterbringungsalternative für Kinder ist, denen es aus den verschiedensten
Gründen nicht möglich ist, in ihrer Herkunftsfamilie die Chancen auf Entwicklung und
Förderung zu bekommen, die sie brauchen und verdienen, um ein erfülltes Leben
führen zu können.
31
vgl. Rosa Heim / Christian Posch „Familienpädagogik“ Seite 144ff
33
4. Persönliche Stellungsnahme
Ein passendes Thema für meine Facharbeit zu finden, fiel mir ziemlich schwer, weil
ich unbedingt etwas finden wollte, dessen Ausarbeitung mir sowohl für meinen
zukünftigen Beruf der Sozialpädagogin als auch für meine Tätigkeit als Dauer- und
Krisenpflegemutter von Nutzen sein kann. Ich bin der Ansicht, dass dies mit dem
Themenkreis der Entwicklungsförderung und Ressourcenstärkung bei Kindern in
Fremdunterbringung sehr gut gelungen ist, weil es Kinder in Pflegefamilien oder
familienähnlichen Strukturen als auch Kinder in Wohngemeinschaften oder Heimen
gleichermaßen mit einbezieht.
Ganz bewusst habe ich also Sozialpädagogen und Pflegeeltern angesprochen, weil
ich einerseits meiner Ausbildung gerecht werden wollte, andererseits ist es mir aber
auch ein Bedürfnis diese Arbeit Pflegeeltern zur Verfügung zu stellen und ihnen
damit ein Stück weit zu helfen oder einen Anstoß zu geben, ihre wertvolle Arbeit
vielleicht aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Es war dann doch eine nicht
zu unterschätzende Herausforderung für mich beiden Seiten gerecht zu werden und
mir von der einen Seite nicht die Sicht aus der anderen versperren zu lassen. Ich
habe das Glück, eine Sichtweise von beiden Standpunkten aus zu haben, die
zugegebenermaßen des Öfteren nicht identisch sind, denn als Pflegemutter sieht
man doch viele Dinge anders als als Sozialpädagogin, vor allem weil sie in einem
anderen Kontext ablaufen.
Bei der Ausarbeitung des Kapitels Bindungen habe ich versucht, mein Wissen
darüber auszubauen, was geschieht, bevor ein Kind in Fremdunterbringung kommt.
Zu einem früheren Zeitpunkt habe ich mich schon intensiv mit den Phasen der
Integration beschäftigt, doch war es auch wichtig zu lernen, inwieweit die
Vorerfahrungen die Bindungen zu den neuen Bezugspersonen beeinflussen.
Außerdem waren die Bindungsstörungen sowie die Bindungsqualitäten ganz neues
Terrain für mich. Ich habe durch diese Auseinandersetzung begriffen, dass es nicht
ein Bindungsband gibt, dass durch die Fremdunterbringung abgerissen ist und meine
Aufgabe darin besteht, an dieses Band anzuknüpfen, sondern dass ich ein ganz
neues Band zu meinen Kindern oder zu den Kindern, die ich betreue, aufbauen
muss, immer im Bewusstsein darüber, dass das erste Band zu der Herkunftsfamilie
fortwährend bestehend ist.
34
Im Wissen der Wichtigkeit von Beziehungen und Sicherheit habe ich mich dann an
das Kapitel Entwicklungsförderung und Ressourcenstärkung gemacht, denn ich war
mir – und bin es immer noch – sicher, dass dies ein wertvolles Modell für die Arbeit
mit
Kindern
in
Fremdunterbringung
darstellt.
Um
mich
nicht
durch
den
Internetdschungel schlängeln zu müssen, habe ich versucht, meine Sicht der Dinge
in Verbindung mit den fünf Säulen der Identität zu bringen und ist mir dieser Teil
zugegebenermaßen am schwersten gefallen, weil ich viel in
mich selbst
hineinhorchen und meine Gedanken und Gefühle an die Oberfläche befördern
musste. Von diesen Säulen habe ich vor der Facharbeit noch nicht gehört und war es
interessant zu erkennen, dass diese Stützen in vielerlei Bereichen, die mit Arbeit mit
Menschen zu tun haben, Anwendung finden. Sie können auf alle Lebenslagen
umgelegt werden.
Eine ganz neue Form der Pädagogik war für mich die Familienpädagogik und war sie
im Grunde nicht die erste Wahl für mein Konzept. Als ich dann zufällig einen Artikel
darüber gelesen habe, war ich sofort begeistert und bin ich der Ansicht, dass diese
Art die für Kinder in Fremdunterbringung die günstigste darstellt und bedauere ich es,
dass sie nicht weiter verbreitet ist. Ich denke, dass eine Ausbildung in
Familienpädagogik für Pflegeeltern von Vorteil wäre, vor allem jedoch auch für
Krisenpflegeeltern, die ohne eine Ausbildung der Situation sehr leicht ausgeliefert
sein können, bin aber gleichzeitig skeptisch, ob dieses Angebot dann auch wirklich
angenommen werden würde. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass jede Form
der Hilfe angenommen werden sollte, weil es hilft, neue Handlungsansätze und
Betrachtungsweisen zu erlangen.
Im Großen und Ganzen kann ich sagen, dass mir die Erarbeitung dieses Themas
sehr viel gebracht hat, es hat mir Türen zu neuen Bereichen geöffnet und mir die
Situation der Kinder aus einem anderen Blickwinkel betrachten lassen. Vor allem
unser Krisenpflegekind hat von meinem Wissen profitiert und ich von seinem
„Besuch“ in unserer Familie, weil ich meine neuen Kenntnisse gezielt überprüfen
konnte.
Kinder in ihrer Entwicklung zu stützen ist eine schwierige, manchmal belastende,
aber wunderschöne und sinnvolle Aufgabe – packen wir es an!
35
5. Literaturangaben
Buchquellen:
ROSA HEIM / CHRISTIAN POSCH
„Familienpädagogik – Familiäre Beziehungen mit Kinder professionell
gestalten“, Studien Verlag, 2003
ARMIN KRENZ / HEIDI RÖNNAU
„Entwicklung und Lernen im Kindergarten – Psychologische Aspekte und
pädagogische Hinweise für die Praxis“ Verlag Herder, 1985
MONIKA NIENSTEDT / ARMIN WESTERMANN
„Pflegekinder – Psychologische Beiträge zur Sozialisation von Kindern in
Ersatzfamilien“, Voltum Verlag, 5. Auflage 1998
ROLAND SCHLEIFER
„Der heimliche Wunsch nach Nähe – Bindungstheorie und Heimerziehung“
Beltz Verlag, 1. Auflage 2001
WILMA WEISS
„Philipp sucht sein Ich – Zum pädagogischen Umgang mit Traumata in den
Erziehungshilfen“
Juventa Verlag, 3. aktualisierte Auflage 2006
Internetquellen:
www.inselhaus.org, Artikel „Konzept Kaleidoskop – flexible Betreuung junger
Menschen“
www.pazh.ch, Artikel „Das Pflegekind – Leben zwischen zwei Familien“
www.familienhandbuch.de, Artikel „Kinder brauchen Kinder“
www.gestaltzentrum-baden.de
www.wikipedia.org
www.kap-regensburg.de, Beschreibung „Die fünf Säulen der Identität“
Zeitschriften und Broschüren:
- Elternpost der Interessensgemeinschaft NÖ Pflege- und Adoptiveltern,
Ausgaben Nr. 80 und 85
- Seminarunterlage von Nadine Romanowsky „Bindung, zur Relevanz der
Bindungstheorie und Diagnostik von Bindungsstörungen in der Jugendhilfe und
der Familiengerichtsbarkeit, Jänner 2003
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