Zusammenfassung: Differentielle Psychologie II 1. Persönlichkeitstheorien 1.1. Begriff Theorie - systematisch geordnete Ideen weisen Bekanntem einen ordentlichen Rahmen zu System von Aussagen (Hypothesen) - geplante Forschungsansätze - 8 Kriterien: - Explizitheit (Klarheit) und empirische Verankerung - Sparsamkeit - Bandbreite (Vollständigkeit) - Widerspruchsfreiheit - prognostischer Wert - Prüfbarkeit - Anwendbarkeit - forschungsanleitende Produktivität - Theorie ist nicht wahr oder falsch, sondern mehr oder weniger nützlich 1.2. Begriff Persönlichkeit - Eysenck: mehr oder weniger feste und überdauernde Organisation von Charakter, Temperament, Intellekt, Physis des Menschen - Allport: dynamische Ordnung derjenigen psychophysischen Systeme im Individuum, die seine einzigartige Anpassung an Umwelt bestimmen - Pawlik: Gesamtheit messbarer inter- und intraindividueller Unterschiede im Verhalten, sowie deren Ursachen und Wirkungen - Hermann: bei jedem Menschen einzigartiges, relativ überdauerndes, stabiles Verhaltenskorrelat - Pervis: repräsentiert solche Eigenschaften einer Person, die beständiges Verhaltensmuster ausmachen 1.3. Begriff Persönlichkeitstheorie - Systeme zur Beschreibung, Erklärung und Vorhersage individueller psychologischer Besonderheiten von Menschen - behandeln 3 Fragen a) Struktur: Was ist er/sie für ein Mensch? statische, stabile Aspekte Eigenschaften und deren Beziehungen zueinander verschiedene Bausteine (zur Beschreibung, z.B. „Wesenszüge“, „Typen“) Komplexität (einfach vs. komplex) Aufbau (nicht-hierarchisch vs. hierarchisch) b) Prozess: Warum verhält er/sie sich so? dynamische Aspekte der Persönlichkeit Motivation von Verhalten und Erleben c) Entwicklung: Wie wurde er/sie so? umwelt- und anlagebedingte Faktoren der Entwicklung - keine Unvoreingenommenheit, da Einflussfaktoren: - Menschenbild - nationale Herkunft - persönliche Meinungen, Zeitgeist 2. Exkurs: Testgütekriterien - Objektivität: Grad der Unabhängigkeit der Testergebnisse vom Untersucher Durchführungsobjektivität: Testleiterunabhängigkeit Auswertungsobjektivität: Verrechnungssicherheit Interpretationsobjektivität: Interpretationseindeutigkeit - Reliabilität: Grad der Genauigkeit, mit dem ein Test das Merkmal misst Paralleltest-Reliabilität: Korrelation zwischen Testwerten des Originaltests und der gleichwertigen Paralleltestversion (r soll hoch sein) Retest-Reliabilität: Korrelation der Testwerte von verschiedenen Zeitpunkten (Problem: Übungs- und Erinnerungseffekte) innere Konsistenz: einzelne Testteile sollen dasselbe messen (Prüfung durch „split half“ Methode) - Validität: Grad der Genauigkeit, genau das Merkmal zu messen, was gemessen werden soll inhaltliche Validität, Konstruktvalidität (Wie gut erfasst Test das Konstrukt) Kriteriumsvalidität: Außenkriterium wird mit Testwerten korreliert Übereinstimmungsvalidität: Korrelation mit anderen übereinstimmenden Tests prognostische Validität: Korrelation zwischen Testwerten und späteren Werten - Normierung: Relativierung individueller Testergebnisse nur notwendig, wenn normierende Aussagen gemacht werden sollen - Skalierung: Testwerte sollen Merkmalsunterschiede adäquat abbilden 3. Typologien 3.1. Grundlegendes - Typen fassen große Anzahl von Einzelbefunden in Einheiten (Typen) zusammen - ursprüngliche Methode: physiognomischer Schluss (von bekannten auf unbekannte Eigenschaften) - heute: Latent Class Analysis, Konfigurations-Frequenz-Analyse etc. - „diagnostischer Mehrwert“ wenn Typologie empirisch begründet ist - Rohracher - Phänomen des Ausdrucks: Typus ist die durch einen Merkmalskomplex charakterisierte Gruppe, Einzelmerkmale sind verschiedengradig vorhanden - Ausdruck: Wahrnehmung bestimmter Gegenstände/Lebewesen löst unmittelbar (ohne Denken) Stellungnahme/Urteil aus (z.B. traurige Melodie) körperliche Mitwirkung psychischer Vorgänge (nur, wenn Betrachter-Übereinstimmung gegeben ist) - Berechtigung von Typologien: einheitliche Deutung von Ausdrucksqualitäten - hat „Entlastungsfunktion“ im Sozialverhalten Orientierungshilfe, Bezugsrahmen für Verhalten „Halo-Effekt“: Erster Eindruck löst soziale Spannung durch Deutung von äußerlichen Merkmalen - selektive Wahrnehmung: nach Kategorisierung wird entsprechende Eigenschaft verstärkt Wahrgenommen (Bestätigung des ersten Eindrucks) erklärt Meinung, dass erster Eindruck meist stimmt 3.2. Typologie von Kretschmer - Theorie: Unterschiede zwischen Geisteskranken und „Normalen“ nur quantitativ - 3 „Konstitutionstypen“ a) Leptosomer Typ (leptos = fein) - Schizophrenie - schizothymes Temperament - ungesellig, still, „autistische Tendenzen“, feinfühlig, empfindsam, ernsthaft, humorlos, nervös - bei Hochbegabung: Hang zum Abstrakten, formale Wissenschaften (Mathematik etc.) b) Athletischer Typ (athletikos = zum Wettkampf geeignet) - Epilepsie - visköses Temperament - schwer bewegliche Affektivität, Beharrungstendenzen, Neigung zu perseverativen und stereotypen Handlungsabläufen c) Pyknischer Typ (pyknos = dicht, fest) - Depression – Manie - zyklothymes Temperament - gesellig, gutherzig, freundlich, gemütlich, heiter, humorvoll, lebhaft, witzig, mitunter auch still, weich, ruhig, schwermütig - bei Hochbegabung: künstlerische Berufe, praktische Tätigkeiten 3.3. Typologie nach Sheldon - Kritik an Kretschmer: Erkenntnisse nicht an objektiven Körperdaten gewonnen, sondern nur unsystematische Beobachtungen - Versuch der Widerlegung mittels Körperbauindex (beruht auf 18 Körpermaßen) misslungen - neue Typologie 3.4. Ergebnisse der experimentellen Typenpsychologie - Vergleich von Pykniker und Leptosomer, s. S. 14 3.5. Kritik an klassischen Typologien - zu grobe Beschreibungskategorien Zahl der Typen zu gering - empirisch: nur 10% „reine Typen“, Rest „Mischtypen“ - typologischer Schluss (von physiologischen auf psychologische Merkmale) konnte nicht nachgewiesen werden - Körperform ändert sich mit dem Alter von eher leptosom zu eher pyknisch 4. Faktorenanalytisch begründete Persönlichkeitstheorien 4.1. Vorüberlegungen - Wie viele Dimensionen zur Unterscheidungen von Persönlichkeiten? kann berechnet werden: d= log P / log k z. B bei 6 Mrd. Menschen und k=5 Abstufungen: s=14 Dimensionen - Wie viele Abstufungen je Dimension? „magical Numer 7“: 7 +/- 2 Abstufungen diskriminieren sicher - d muss an Population angepasst werden, da Personen nicht gleich- sondern normalverteilt 4.2. Persönlichkeitstheorie von Cattell - 3 Datenarten zur Erfassung - Q-Daten (questionnaire data): Selbstbeschreibungen wenig objektiv - L-Daten (life data): biographische Merkmale durch Beteiligung eines Dritten objektiver - T-Daten (test data): objektive Persönlichkeitstests höchster Objektivitätsgrad - Bereiche der Persönlichkeit - Ability Traits: Fähigkeits- Fertigkeits- Intelligenzbereich (Wie gut kann Leistung vollbracht werden?) - Temperament Traits: das „Wie“ des Verhaltens, Stil (bspw. persönliches Tempo) - Dynamic Traits: Ergic Drives (biologisch verankerte motivationale Komponente, bspw. Sexualität, Angst) Sentiments, Attidues (motivationale Einstellungen, Haltungen; aber eher gelernt, bspw. politische Einstellungen) Roles (dynamische Merkmale, durch Gruppenzugehörigkeiten bedingt) - States: momentane Gefühle, Stimmungen, Zustände - Ebenen der Verhaltensbeobachtung - surface traits (beobachtbar) - source traits (Grundwesenszüge, mit FA erschließbar) - Entstehungsgeschichte des 16PF - Annahme: für beobachtbare Verhaltensweisen (Surface Traits) gibt es sprachliche Entsprechung - „Psycholoexikalische Studie“: Wörter zusammensuchen, die menschliche Eigenschaften beschreiben Reduktionsschritte (Kategorisierung, Synonyma herausfiltern) 171 bipolare Gegensatzpaare (wach vs. geistesabwesend) - Datenerhebung: L-Daten (Beurteilung von Menschen nach 171 Variablen - Faktorenanalyse:12 Persönlichkeitsfaktoren (Source Traits) - Überprüfung mit Q-Daten: weitere 4 Faktoren - 16 Primärfaktoren und 5 Sekundärfaktoren: s. S. 20 und 21 - 3 Indizes zu Antwortstilen im 16 PF-R (revidierte Fassung seit 1998) a) Impression Management: sozial erwünschte Antworten bzw. negative Übertreibung b) Akquieszenz: Tendenz, allen Items zuzustimmen c) Infrequenz: viele ungewöhnliche Antworten, scheinbar eher zufällig (Entscheidungsunfähigkeit, Antworten immer in Mittelkategorien geben, Lese- bzw. Verständnisschwierigkeiten, Versuch einen falschen Eindruck zu erwecken) 4.3. Kritik am 16PF - zu den 12 Faktoren aus L-Daten - für Wortauswahl in psycholexikalischer Studie nur wenige Personen zuständig willkürlich - Rotationstechnik der FA (schiefwinklig) subjektiv - Replikationsversuche bestätigen weniger Faktoren (Cattell hat „überextrahiert) - zum 16PF (Q-Daten) und allgemein Persönlichkeitsmodell - Konstruktion des Fragebogens nicht sachgemäß dokumentiert - inhaltliche Bedeutung der Skalen unklar - wenige Items pro Skala geringe Reliabilitäten - veraltete Itemformulierung - deutsche Version schlecht übersetzt - geringe Übereinstimmung mit Kontrolluntersuchungen - hohe Interkorrelationen führen zum hierarchischen Modell dieses ist also durch subjektive Rotationstechnik begründet - Übereinstimmung zwischen L- und Q-Daten enttäuschend, mit T-Daten schlecht - Cattel meint, man müsse die Beschreibungsdimensionen aller 6 Persönlichkeitsbereiche kennen, um individuelles Verhalten vorherzusagen, aber mangelnde Messinstrumente 4.4. „BIG FIVE“: 5 grundlegende Dimensionen der Persönlichkeit a) Extraversion - Wunsch, nicht allein zu sein, Vorliebe zu gesellschaftlichen Versammlungen, heiteres Naturell, optimistisch - Introvertierte sind kein Gegensatz zu Extravertierten, sondern durch Fehlen extravertierter Verhaltenstendenzen gekennzeichnet b) Verträglichkeit - Altruismus, Wohlwollen, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Kooperativität, Harmoniebedürfnis c) Gewissenhaftigkeit - Selbstkontrolle hinsichtlich Planung, Durchführung von Aufgaben - Zielstrebigkeit, Genauigkeit, Ehrgeiz, Disziplin d) Neurotizismus - emotionale Stabilität vs. Labilität - Umgang mit negativen Emotionen e) Offenheit für Erfahrungen - Interesse an neuen Erfahrungen, Erlebnissen, Eindrücken in Bezug auf viele Bereiche (Phantasie, intellektuelle/künstlerische Interessen, Sozialbezüge) - Wunsch nach Abwechslung, Unkonventionalität, neuen Handlungsanweisungen - Marker-Items (Items mit höchster Ladung): s. S. 26 4.5. Beschreibung der Big Five - Facetten nach Fehr a) Dimension „negative Emotionalität“ - Stärke und Häufigkeit der nötigen Reize, um von eigenen Gefühlen beeindruckt zu werden - belastbare Menschen benötigen stärkere bzw. mehr Reize eher rational, wirken unbeeindruckt, eingesetzt als Fluglotsen, Managern, Ingenieuren unbesorgt, entspannt, ruhig, gelassen, optimistisch, ungezwungen, unbefangen, beherrscht, kontrolliert, stressresistent - sensible Menschen: erfährt Gefühle stärker, eingesetzt in sozialen Berufen ängstlich, besorgt, erregbar, reizbar, frustriert, pessimistisch, befangen, gehemmt, ungezügelt, exzessiv, vulnerabel, verletzlich b) Dimension „Extraversion“ - Stärke der Tendenz der Zuwendung nach außen - Extrovertierte: soziale Kontakte knüpfen, in Gesellschaft stärker exponieren, mehr reden, wichtig in Verkauf, Politik, Künsten, Sozialwissenschaften herzlich, freundlich, gesellig, bestimmt, durchsetzend, aktiv, liebt Erregung/Aufregung, heiter, fröhlich - Introvertierte: zurückhaltender, reservierter, unabhängiger, zurückgezogen, schweigsam, teilweise scheu, kontaktvermeidend, oftmals Basis für Naturwissenschaftler reserviert, formell, weniger aktiv, ruhig, geringer Bedarf an Aufregung, nüchtern, trocken c) Dimension „Offenheit für Erfahrung“ - Kreativität, geistige Beweglichkeit, Neugier, intellektueller Ehrgeiz - kreativer Erneuerer: breit gestreute Interessen, liebt Innovationen, Abwechslung zur geistigen Bewegung, liberale Einstellung, oftmals Unternehmer, Architekten, Berater, theoretische Wissenschaftler imaginativ, kreativ, visionär, schätzt Kunst, erlebt Gefühle intensiv, zieht Neues vor, Vielfalt und Veränderung, intellektuell, abstrakt, spekulativ, mag Infragestellungen von Werten - Konservativer: engerer Interessensspielraum, konventionell, beharrlich, traditionsbewusst, bewahrt Werte, oftmals bei Managern, anwendungsorientierte Wissenschaftler pragmatisch, im Hier und Jetzt, wenig künstlerisches Interesse, einfach, ignoriert Gefühle, sachlich, verharrt im Vertrauen, konkret d) Dimension „Verträglichkeit“: Kooperation vs. Konkurrenz - Verträglichkeit: anderen entgegenkommen, Konfrontationen vermeiden, anpassen - nachgiebig-anpassend: ordnet eigene Bedürfnisse unter, übernimmt Normen, harmoniebedürftig, oftmals Kundendienst, Dienstleistungspersonal vertrauensvoll, aufrichtig, altruistisch, entgegenkommend, bescheiden, mitfühlend - kompetitiver Antagonist: auf persönliche Normen und Anliegen fixiert, Macht und Einfluss erlangen, konkurriert gern, will „dagegen halten“, hartnäckig, wettbewerbsorientiert, Verfolgung eigener Ziele misstrauisch, zeigt Karten nicht offen, egozentrisch, aggressiv, kompetitiv, überlegen, distanziert, zurückhaltend - mittlerer Bereich: Verhandler e) Dimension „Gewissenhaftigkeit“ - wie eng mit Aufgaben und Zielen verpflichtet? - hohes Maß: zeigt Selbstdisziplin (Fokussierung auf Aufgabe), kontrolliert zertreuende Reize, konstante Ausrichtung auf persönliche/berufliche Ziele, Karriere (leitende Personen, wenn zu extrem: Workaholic) selbstüberzeugt, sicher, fähig und effektiv, systematisch, ordentlich, zuverlässig, konzentriert, sorgfältig, unbeirrt, nachhaltig - geringes Maß: reizoffene, ablenkbarem spontane Aufmerksamkeit, locker, arbeiten nicht weniger, sondern weniger zielbestimmt (fördert Kreativität) nachlässig, irritierbar, verunsicherbar, unorganisiert, unmethodisch, chaotisch, flüchtig, unzuverlässig, gegenüber Erfolg gleichgültig, zerstreut, hastig - mittlerer Bereich: pendeln zwischen Fokus und Lockerheit (Produktion und Forschung) 4.6. Einsatzbereiche der Big Five nach Fehr - Profiler (Charakterisierung von Arbeitsplätzen, „Persönlichkeiten“ von Farben, Marken etc.) - Personalauswahl, Personalentwicklung nach Bewerber (Selbstbeschreibung mit Hilfe der Big Five) nach Arbeitsumfeld (Normwerte von langjährigen Mitarbeitern, Fremdbeschreibungen von Experten) - Beispiel 1: das Big Five Führungsprofil - typisch: hohe emotionale Belastbarkeit, starke Außenweltzuwendung, große geistige Offenheit, geringes Entgegenkommen, große Gewissenhaftigkeit - muss nicht immer so sein hängt von jeweiliger Position ab - Beispiel 2: das Big Five Verkäuferprofil - typisch: extravertiert, freundlich, aktiv, abenteuerlustig, heiter, seelische Belastbarkeit, Bestimmtheit weniger wichtig - muss je nach Job ebenso variieren 4.7. Big Five: Würdigung und Kritik - weitgehend unabhängig von Fragebogeninstrumenten, statistischen Methoden, Stichprobe, Kultur - Forschungsboom im Zsh. mit Big Five - eventuell zu wenige Faktoren Vorschlag, 5 Faktoren zu erweitern - interkulturelle Gültigkeit noch nicht ausreichend bestätigt (asiatischer Raum fehlt) 4.8. Kritische Würdigung der traitorientierten, faktorenanalytisch begründeten Ansätzen a) Stärken - Explizitheit der Begriffe, Prüfbarkeit - Sparsamkeit - Vollständigkeit angestrebt - innerhalb widerspruchsfrei (nur bedingt theorieübergreifend) - Anwendbarkeit, prognostischer Wert - forschungsanleitende Produktivität - Berücksichtigung verschiedener Datenquellen - Unterschiedlichkeit (3 Faktoren bei Eysenck, 16 bei Cattell, 5 bei BF) und Widersprüchlichkeit liegt größtenteils an unterschiedlichem Abstraktionsniveau b) Schwächen - Trait-Konzept geht von transsituativer Konsistenz der Verhaltensweisen aus Vernachlässigung von spezifischen Situationen - FA kann allgemeingültiges Beschreibungssystem nur bedingt begründen grundsätzliche Probleme der FA (stichprobenabhängig, verschiedene Rotationstechniken, Faktorenextraktion, Interpretation, Variableneinbezug) - viele inhaltliche nebeneinander stehende Studien, selten Überlappung gemeinsamer Variablen 5. Biologisch fundierte Persönlichkeitstheorien 5.1. Persönlichkeitstheorie von Eysenck - 3 Kennzeichen seiner Theorie - 3 orthogonale (unabhängige) Superfaktoren (Sekundärfaktoren: Extraversion/Introversion, Neurotizismus, Psychotizismus) - Bemühen um biologische Fundierung - hypothetico-deductive method (FA wird hypothesengenerierend eingesetzt) - Ausgangspunkt: Daten aus Verhaltensratings, Fragebögen, objektiven Tests Resultat: hierarchisches Modell mit 4 Ebenen: 1. unterste Ebene: spezifische Reaktionen (beobachtbar) 2. Ebene: habituelle, gewohnheitsmäßige Reaktionen (individuell spezifisch) 3. Ebene: Trait-Niveau (Eigenschafts-Niveau: Primärfaktoren), Korrelate 4. höchste Ebene: Typus-Niveau (Sekundär- und Superfaktoren) 3 Superfaktoren: a) Psychotizismus - am schlechtesten abgesichert - Annahme eines Kontinuums zwischen normal und psychotisch - Abfolge der Gruppen: Normale – Schizophrene – manisch Depressive - später Skalenkonstruktion (20 Items) mit 2 Prämissen - Unabhängigkeit der Dimension von anderen beiden Superfaktoren - Diskriminationsmöglichkeit der Psychotiker von Normalen und Neurotikern - Items beinhalten keine psychotischen Symptome, da es ja nur um psychotische Tendenz geht (auch Normalbereich) - Kritik an Skala: - Mängel in Validität und Reliabilität der P-Skala - P-Dimension nicht absolut eigenständig - Begriff Psychopathie geeigneter als Psychotizismus - Anwendung der P-Skala: Forensische Psychologie - eigentlich keine biologische Fundierung Eysenck schließt aufgrund der Zusammenhänge von P-Werten des männlichen Geschlechts mit sozial abweichendem Verhalten und Auftreten einer ChromosomenAberration (Hochwuchs und gestörtes Sozialverhalten) auf primär genetische Determination b) Neurotizismus - Grundlage: Untersuchung an 700 „neurotischen“ Soldaten - hohe N-Werte stehen für emotional labil, überempfindlich, Schwierigkeiten im Umgang mit emotional negativen Erfahrungen, negative Affektlage, somatische Beschwerden - biologische Grundlage bei emotional Labilen - niedrige Erregungsschwelle des limbischen Systems - traumatisches Erlebnis führt zu starken vegetativen Reaktionen (Zittern etc.) - neutraler Stimulus, der 1x mit traumatischem Erlebnis verbunden war, löst auch allein vegetative Reaktion aus (Konditionierung) - Vermeidung des konditionierten Stimulus bewirkt, dass es nicht zur Löschung kommt c) Extra-/Intraversion - Extraversion: gesellig, viele Freunde, impulsiv, optimistisch, Gefühle nicht immer unter Kontrolle, teilweise unzuverlässig - Introversion: zurückhaltend-introspektiv, reserviert, distanziert, nicht impulsiv, ernste Lebenseinstellung, Gefühle unter Kontrolle, ethnische Normen - biologische Grundlage - aufsteigendes retikuläres aktivierendes System steuert Aktivierung - exzitatorische Prozesse maßgeblich für Konditionierung, inhibitorische für Löschung (Verlernen, Vergessen) - Extrovertierte schwache exzitatorische Potentiale, intensivere inhibitorische Prozesse niedrigeres habituelles Erregungsniveau („starke Nerven“), suchen besonders durch soziale Reize zusätzliche Aktivierung - Introvertierte starke exzitatorische Potentiale, schwache inhibitorische Prozesse Abschirmung, da „schwache Nerven“ (benötigen keine Außenreize zum Wohlfühlen) - transmarginale Hemmung: Arousal-Niveau bei den VPN höher, die weniger erregt sind s. S. 44 5.2. Modifikation der Theorie Eysencks durch Gray Extravertierte sind nicht grundsätzlich schwerer zu konditionieren, sondern unempfindlicher gegenüber Strafe und sensitiver gegenüber Belohnung 5.3. Weitere biologisch fundierte Persönlichkeitskonstrukte a) Sensation Seeking (Zuckermann) - Sensation Seeking: Tendenz, relativ neue stimuliernde Situationen aufzusuchen - Ausgangspunkt: Bedürfnis nach Stimulation, um sich wohlzufühlen (hedonischer Tonus) - biologische Fundierung: noradrenerges System - Messung mit 4 Faktoren-Skala b) Temperamentsmerkmale Aktivität/Reaktivität (Strelau) - zwei grundlegende Temperamentsmerkmale mit verhaltensregulierendem Einfluss - Reaktivität: determiniert Intensität und Ausmaß der individuellen Reaktionen bei hochreaktiven Personen: wenige intensive Reize genügen um Reaktion zu unterbrechen bei niedrig reaktiven: geringe Sensibilität (schwache Reaktionen bei starken Reizen) und hohe Beständigkeit (Hemmung erst bei starken Reizen) - Aktivität: Häufigkeit und Intensität mit der Personen Handlungen ausführen und Aufgaben in Angriff nehmen Aktivität bei Niedrigreaktiven höher, da Suche nach Stimulation für angenehmes Aktivierungsniveau - physiologisches Substrat: Unterschiede in Arbeitsweise der Nervenzellen - Messung mittels 3 Eigenschaften des Nervensystems auf Verhaltensebene Stärke der Exzitation (je größer, desto unsensibler) Stärke der Inhibition (Leichtigkeit der Ausbildung konditionierter Hemmung) Mobilität nervlicher Prozesse (Fähigkeit, schnell und adäquat auf Umgebungsänderungen zu reagieren) 5.4. Gemeinsamkeiten der Theorien von Eysenck, Zuckermann und Strelau - Individuen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Reagibilität auf externe oder interne Reize mittleres Erregungs-Niveau wird als angenehm empfunden - Extravertierte, Sensation Seeker, Niedrigaktivierte neigen zu schwachen Reaktionen suchen intensivere Reize auf - Introvertierte, Nicht-Sensation-Seeker, Hochreaktive tendieren zu starken Reaktionen vermeiden intensivere Reize 6. Kognitive Persönlichkeitskonstrukte 6.1. Allgemeines - Kennzeichen: Persönlichkeit als informationsverarbeitendes System - Anlass: Unzulänglichkeiten der mechanistischen Reiz-Reaktions-Theorien und komplexe Wechselbeziehung Person-Umwelt kognitive Wende - statt inhaltlichen Aspekten (Allgemeine Psychologie: Was, wie viel wird verarbeitet?) stehen formale Besonderheiten und interindividuelle Varianten der Informationsverarbeitung im Vordergrund (Auf welche Weise, in welchem Stil geschieht Verarbeitung? - Schlagworte: Denktypen, Denkstile, kognitive Strategie - Forschungscharakteristikum: Unterschiede in Wahrnehmungs- und Denkleistungen Generalität soll über verschiedene kognitive Bereiche hinweg gezeigt werden 6.2. Feldabhängigkeit/Feldunabhängigkeit (Witkin) - ursprüngliches Verständnis von Feldunabhängigkeit - relative Bedeutung einander widersprechender vestibulärer und visueller Sinneseindrücke - relative Dominanz visueller Sinneseindrücke gegenüber vestibulären - Erweiterung auf höhere kognitive Leistungen - Feldunabhängigkeit als Fähigkeit, einfache Figuren in komplexen Reizvorlagen schnell zu Identifizieren - Perceptual Index (Kombination 2er Tests) als Ausdruck des kognitiven Stils - neuere Ausweitung des Konstrukts - Feldunabhängigkeit als Ausmaß, in dem Individuen unabhängig von umgebender Welt funktionieren - Feldunabhängige besitzen internale Bezugssysteme zur Verarbeitung von Informationen - Feldabhängige verarbeiten diese Informationen weniger aktiv tendieren zu undifferenzierten Abwehrmechanismen, drücken Aggressionen direkt und unkontrolliert aus, intuitive statt hypothesentestende Methoden, rücksichtsloses Fahrverhalten, andere Studien- und Berufswahl - Kritik - unklar: wirklich kognitiver Stil oder eher Eigenschaften bzw. Leistung der Personen? - zweifelhafte Abgrenzung zu bekannten Persönlichkeitskonstrukten (z.B. Intelligenz) - keine experimentelle bzw. statistische Kontrolle von „g“ oder anderen Intelligenzmaßen - Feldunabhängigkeit evtl. keine neue Dimension, sondern nur neue Operationalisierung von Thurstones „Flexibility od Closure“ - keine klaren Grenzen, somit nicht falsifizierbar 6.3. Reflexivität/Impulsivität - kognitiver Stil „Reflexifität/Impulsivität“: Dimension, auf der konsistente Tendenz eines Kindes, in Problemsituationen mit hoher Antwortsicherheit langsam oder schnelle Entscheidungen treffen - Erfassung mit „Matching Familiar Figures Test“: Welche Figur gleicht dem Standartreich komplett? - Testmaße: Lösungszeit und Fehlerzahl - Interpretation von reaktionsschnell und fehlerreich impulsiv langsam und fehlerarm reflexiv - Kritik - Informationsverlust, da nur 1/3 der Testpersonen berücksichtigt - Stichprobenabhängigkeit extrem - Konstrukt primär an Kindern entwickelt - Reflexivität korreliert mit Feldunabhängigkeit und sprachlicher Intelligenz 6.4. Kognitive Persönlichkeitskonstrukte von Kelly - Annahme: keine Objektive Realität bzw. Wahrheit - Theorie handelt von Bildern, die Individuen von der (menschlichen) Welt und sich selbst entwerfen - Bildung von Konstrukten: immer mindestens 2 ähnlich wahrgenommene und 1 verschiedenes Element - Konstrukte - bipolar - ein Ähnlichkeits- und ein Kontrastpol (dichtom) - Kernkonstrukte: grundlegend für Funktionieren des Menschen - periphere Konstrukte: können geändert werden - Konstruktion von „Ideen“ hängt davon ab, was in Umwelt wahrgenommen wird - therapeutischer Ansatz: Konstrukt Faulheit beispielsweise erst interpretierbar, wenn Konstrukt einschließende Gegebenheiten bekannt und welche als gegensätzlich angesehen werden Problem ist oft Betonung des Konstrukts „schuldig/unschludig“ bei Partnern - kognitive Komplexität: Person ist kognitiv komplexer, je mehr persönliche Konstrukte sie zur Beschreibung ihrer sozialen Umwelt benutzt - Messmethode: REP-Test TP soll eine Reihe von Vergleichen zwischen jeweils 3 konkreten Menschen aus Bekanntschaft vornehmen jeweils 2 Menschen sollen in Beschreibungskategorie übereinstimmen (Ähnlichkeit) Dritter soll sich unterscheiden (Kontrast) individuelles Konstrukt (TP bestimmt Beschreibungskategorie) - Analyse der REP-Testdaten - Inhalt und Zahl der produzierten Konstrukte erlauben Rückschlüsse auf kognitive Struktur und wichtigste Kategorien der Wahrnehmungsorganisation; Anzahl der unabhängigen Konstrukte erlauben Rückschlüsse auf kognitive Komplexität - Vergleich von Personen (z.B. Selbstbild mit Wunschbild) aufschlussreich - Interpretation von Inhalten: psychische Störungen als Folge überdauernder Anwendung invalider Konstrukte Bewertung a) Stärken - Betonung des kognitiven Prozesses als zentralen Aspekt der Persönlichkeit - sowohl Ganzheit des Individuums als auch Gesetzmäßigkeiten, nach denen Persönlichkeit im Allgemeinen funktioniert - flexible, theoriebezogene Technik zur Personeneinschätzung und -Forschung b) Schwächen - wichtige Aspekte (Entwicklung, Emotionen, Motivation) der Persönlichkeit unberücksichtigt - Operationalisierung problematisch, da keine standardisierte Messung - kognitive Komplexität bisher nicht mit allgemeinem Forschungs- und Theorieansatz verbunden - führte nicht zu Ergebnissen, die Theorie verbreitern (keine neuen Entwicklungen) 7. Humanistisch und tiefenpsychologisch orientierte Persönlichkeitstheorien 7.1. Persönlichkeitstheorie von Rogers - Menschenbild - Glaube an das Gute im Menschen - jeder Mensch strebt freiwillig in Richtung Selbstaktualisierung, Reife, Sozialisation (solange keine hemmenden Umstände) - Toleranz - Struktur („Was für ein Mensch?“ - Real-Selbst: bewusstes Wahrnehmungsmuster, das „mein“, „ich“, „selbst“ enthalten - Ideal-Selbst: was Individuum am liebsten besitzen/sein würde (meist kulturell) - Prozess („Warum verhält er/sie sich so?“) - Selbstaktualisierung, Selbstverwirklichung Entwicklung der Persönlichkeit zu differenzierteren Struktur Unabhängigkeit erlangen - Konsistenz/Kongruenz Konsistenz: Konfliktfreiheit zwischen einzelnen Selbstwahrnehmungen Kongruenz: Konfliktfreiheit zwischen Selbstwahrnehmung und aktueller Realität Konfliktfall: Angst Abwehrmöglichkeiten: Verleugnung, Wahrnehmungsverzerrung wenn immer mehr Inkongruenz: Neurose Zusammenbruch der Abwehrmechanismen: Psychose - Notwendigkeit bedingungsloser positiver Anerkennung Bedürfnisse nach Wärme, Respekt, Sympathie, Liebe - Messung - Q-Sort: Kärtchen mit Selbstbeschreibungen werden Kategorien zugeordnet - Adjektivlisten: VPN suchen Adjektive aus Liste, die besondern auf sie zutreffen - semantisches Differential: Diskrepanzerfassung zwischen Selbst und Ideal-Selbst - Intervention: non-direktive, klienten-zentrierte Gesprächstherapie - Empathie: Therapeut fühlt sich in Gedanken und Empfinden des Klienten ein - Echtheit: Therapeut versteckt sich nicht hinter Fassade, sondern ist ehrlich - Akzeptanz: Therapeut bringt dem Klienten Respekt und Wertschätzung entgegen Klient soll Maske fallen lassen können Bewertung a) Stärken - holistische, integrierende Betrachtungsweise der Persönlichkeit - Bemühung der Zusammenfassung von naturwissenschaftlich-empirischen und tiefenpsychologischen Ansätzen - große Bedeutung in klinischer Psychologie b) Schwächen - Mangel an objektiven, psychometrisch abgesicherten Verfahren zur Erfassung der postulierten Konzepte, die über Selbstbeschreibung hinausgehen - Fokussierung nur auf „Bewusstes“ - Begriffe unpräzise, kasuistische Orientierung, fehlender Bezug zu exakten Einzelbeobachtungen 7.2. Analytische Psychologie von Jung a) Typenlehre: Unterscheidung von Einstellungstyp und Funktionstyp - Einstellungstyp: beschreibt Reaktionshabitus (Extraversion/Introversion) von Personen anhand Richtung ihrer psychischen Energie („Libido“) besonders ausgeprägt in erster Lebenshälfte - Extravertierte: positives Verhältnis zum Objekt („Du“) Orientierung an äußeren Normen, Zeitgeist Libido richtet sich an Außenwelt - Introvertierte: negatives Verhältnis zum Objekt Orientierung an inneren subjektiven Faktoren Libido richtet sich in Innenwelt - Funktionstyp: Erfassungs- Anpassungs- und Verarbeitungsmodus psychischer Gegebenheiten - rationale Funktionen: arbeiten mit Werten (Stile: Denken, Fühlen) - irrationale Funktionen: bloße Wahrnehmung ohne Wertung (Stile: Empfinden, Intuieren) innerhalb der Funktionen stehen sich 2 Typen gegenüber: differenziert (superior) und unbewusst (inferior) s. S. 62 - Verarbeitungsmodi - Denken: beim Denken nach Logisch/unlogisch beim Empfinden nach angenehm/unangenehm - Empfinden: sehr bewusstes, detailgetreues Wahrnehmen beim Intuieren: ganzheitliche unbewusste, „innere“ Wahrnehmung b) Struktur - Komplexe: assoziativ miteinander verbundene Vorstellungen, Erlebnisse, Bilder, Wörter mit gemeinsamer Gefühlstönung, ordnen sich um archetypischen Bedeutungskern - Ich-Komplex: stellt das Bewusste dar - alle anderen Komplexe: unbewusst, autonom, verarbeiten Signale, entscheiden über Art, wie Umwelt wahrgenommen wird - mehrere Komplexe formen psychische Struktur - Unbewusstes - persönlich Unbewusstes: Vergessenes bzw. Verdrängtes aus eigenem Leben - kollektiv Unbewusstes: statische und dynamische Inhalte (mythologische Motive etc.) - Erfassung von Komplexen mit Wortassoziationstest: Messung der Reaktionszeiten aus Reizwörter (Verzögerung bedeutet gefühlsmäßige Beteiligung) c) Prozess - Individuation (Selbstverwirklichung): psychische Entfaltung, je nach Lebensphase - in erster Lebenshälfte: soziale Anpassung an äußere Realität was nicht akzeptiert wird, wird in persönliches Unbewusste verdrängt und in Außenwelt als Träume oder Projektionen aus Objekte „erlebt“ Anima (im Mann) und Animus (in Frau) sind Seelenbilder des anderen Geschlechts werden in Träumen und Phantasien erlebt - in zweiter Lebenshälfte: Anima und Animus werden an sich selbst gefunden und erlebt Würdigung und Kritik - umfangreiches, kreatives, intellektuell stimulierendes Gedankengebäude - mögliche Erklärungsansätze für transkulturelle persönlichkeitspsychologische Gemeinsamkeiten verschiedener Völker - Typenlehre ist forschungsanregend - Grundstein für anerkannte psychotherapeutische Richtung - mangelhafte Präzision der Begriffe und Konzepte geringe Operationalisierbarkeit - kaum empirisch prüfbar 7.3. Persönlichkeitsmerkmal Repression vs. Sensitization - R/S: kontinuierlich variierendes Merkmal, beide Pole sind Arten, mit Angst auslösenden Situationen fertig zu werden - Repression: emotional negativ assoziierte Reize werdne vermieden bzw. nicht zur Kenntnis genommen (Represser oder Abwehrer) - Sensitization: emotional negativ assoziiertem Reiz wird besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet (Sensibilisierer) - geht auf Harvard-Forscher zurück, die Wahrnehmungsabwehr studierten emotional negativ besetzte Wörter besitzen höhere Erkennungsschwellen Repression - auch umgekehrtes Phänomen: negativ assoziierte Wörter werden eher erkannt: Sensitization - Unterschiede zwischen Represser und Sensitizer: s. S. 66 - Kritik - Abgrenzungsproblematik: R/S korreliert mit Neurotizismus, emotionaler Labilität und Ängstlichkeit - Erweiterung des R/S Konstrukts: R und S möglicherweise nur 2 von 4 Angstbewältigungsformen 8. Anlage und Umwelt 8.1. Allgemeines - Stammbaumanalysen: retrospektive etrachtung der Häufung von besonderen Begabungen oder Minderbegabung als Funktion des Verwandtschaftsgrades Ergebnisse: Häufungen gegeben, aber kein Beweis für Vererbbarkeit (auch Umwelt) - Studien an Heimkindern - Erwartung: nichverwandte Pflege- und Heimkinder, die gemeinsam aufwachsen, würden ähnlicher sein, als zufällig heraus gegriffene - Kritik: Pflegekinder sind keine Zufallsstichprobe - Zwillingsstudien - getrennt aufgewachsene eineiige Zwillinge unterscheiden sich nur durch ungleiche ökologische Faktoren - gemeinsam aufgewachsene eineiige Zwillinge unterscheiden sich von gemeinsam aufgewachsenen zweieiigen Zwillingen nur durch genetische Ähnlichkeit (bei gleicher Umwelt) - Probleme bei Zwillingsstudien: Repräsentativität von Zwillingen für Normalbevölkerung - Umweltvarianz bei getrennt voneinander aufgewachsenen Zwillingen wahrscheinlich geringer als in Normalbevölkerung - Adoptionsstudien: Ähnlichkeit von Adoptivkindern zu Adoptiveltern werden untersucht Probleme: oft unvollständige Daten (leiblicher Vater oft ungewiss, eingeschränkte Umweltvarianz in Adoptivfamilien, Eltern von Adoptivkindern sind keine Zufallsstichprobe - Schlussfolgerungen - jeder Ansatz birgt spezifische Probleme Über- oder Unterschätzung der Erblichkeit - Selektionseffekte, da keine Zufallsstichproben - Stichproben meist klein - nur Quasi-Experimente, da keine Randomisierung - weitere Studien - Goodenough: kein Unterschied zwischen Brüdern mit identischen X-Chromosomen gegenüber Brüdern mit unterschiedlichen X-Chromosomen hinsichtlich Raumvorstellung - Boles: Hypothese zur geschlechtschromosomaler rezessiver Vererbung guter Raumvorstellung nicht bestätigt Grundbegriffe der Populationsgenetik: s. S. 71f 8.2. Genetisches Modell für quantitative Merkmale nach Jensen - Zusammensetzung der in Grundgesamtheit bestehenden Varianz von Personeneigenschaften (Traits) wird in Komponenten zerlegt - Erblichkeit ergibt sich aus Summe der Varianzteile, die genetischen Faktoren zugeschrieben wird s²p = Vg + Vam + Vd + Vep + Ve + Vin + 2Cov(g,e) + Vf s²p Vg Vam Vd Vep Ve Vin V(Anlage) V(Umwelt) phänotypische Varianz in Population (Gesamtvarianz eines Merkmals) genetische oder additive Varianz Variabilität aufgrund unterschiedlich geerbter Gene (Unterschiedlichkeit zwischen Geschwister) V aufgrund von „assortative mating“ (gezielte Partnerwahl) Bsp.: Korrelation der Intelligenzen von Ehepartnern = 0,5 Kinder von Ehepartnern sind einander ähnlicher als bei Zufallsauswahl Variabilität innerhalb der Familie kleiner, zwischen Familien größer V aufgrund von Dominanzabweichungen Zusammentreffen vererbter rezessiver Gene mit korrespondierenden dominanten Genen: phänotypische Merkmale der Parentalgeneration in Filialgeneration nicht sichtbar V aufgrund von Epistase (Interaktionen zwischen Genen an 2 oder mehreren Loci) Gen-Wechselwirkungen innerhalb des Genotyps eines Individuums Wirkung von Genen bzgl. der Ausprägung eines Merkmals ist verstärkend bzw. abschwächend V aufgrund von Umweltbedingungen Interaktions-Varianzanteil zwischen genetischen und Umweltfaktoren unterschiedliche Genotypen reagieren in unterschiedlicher Weise auf identische Umweltbedingungen (Interaktion) Bsp.: Eineiige Zwillinge reagieren in gleicher Situation verschieden Cov(g,e) Kovarianz von Anlage und Umwelt Vf verschiedene Genotypen sind verschiedenen Umwelteinflüssen ausgesetzt - aktiver Typ: Individuun suchen sich die für ihre genetische Ausstattung geeignete Umwelt selbst aus, bzw. stellen her - passiver Typ: ohne eigenes Zutun wird durch Verhalten genetisch verwandter Personen Umweltbedingungen geboten (kluge Eltern schaffen intelligenzfördernde Athmosphäre) - reaktiver Typ: Umwelt reagiert unterschiedlich auf unterschiedliche Individuen Passung Fehler-V aufgrund mangelnder Zuverlässigkeit der Erhebung 8.3. Heritabilitätsschätzer (Erblichkeitsschätzer, H²) - Abschätzungen der Varianzanteile durch Merkmalsunterschiede zwischen EZ und ZZ (bei gleicher Umweltvarianz) - Intraklassenkorrelationen erfassen Ähnlichkeit von Verwandten Formel s. S. 79 Kovarianz: gemeinsamer Varianzanteil beider Messwertreihen bezieht sich auf gesamte Messwertvarianz r bei EZ größer als bei ZZ, da größere genetische Ähnlichkeit von EZ - zur Schätzung des genetischen Einflusses bezüglich einer Eigenschaft H²=2(rEZ-rZZ) - Formeln basieren auf durchschnittlicher genetischer Ähnlichkeit zwischen Verwandten gelten nur näherungsweise - wichtige Vorraussetzung: gleiche Umweltvarianzen für alle Verwandtschaftsgrade, die in Formeln vorkommen (sonst Bias) - individualisierte Schlussfolgerungen sind unzulässig „genetische Beeinflussung“ sagt nur etwas darüber aus, welcher Anteil der Variation im Phänotyp einer bestimmten Population durch Variation im Genotyp beschrieben werden kann - Beispiels für H²-Studie: Minnesorta Study of Twins Reard Apart auffällige Übereinstimmungen bei EZ (54%) - Interpretation von H² - hoch Unterschiede innerhalb Genotypen kleiner als außerhalb (identische Erbanlagen) - niedrig heißt nicht, dass Gene keine Rolle spielen würden - keine Naturkonstante hängt von Variabilität der Genome und Umwelten der Population ab - hohes H² heißt nicht, dass Eigenschaft besonders genetisch beeinflusst und unveränderbar durch Umwelt ist - gibt lediglich an, in welchem Ausmaß die vorgefundenen Unterschiede durch Unterschiede in Erb- oder Umweltfaktoren erklärbar sind 9. Spezialgebiete 9.1. Geschlechtsunterschiede allgemein a) Inhalte und Wandel bei Erforschung von Geschlechtsunterschieden - Phase I: empirische Suche nach Geschlechtsdifferenzen - Anliegen: Prüfung psychischer Merkmalsunterschiede - Erwartung: Erkenntnis über tatsächliches Ausmaß der Unterschiede - Vergleich von Mittelwertsdifferenzen in vielen Merkmalsbereichen - Phase II: Geschlechtsrollenorientierung als Persönlichkeitsvariable - nicht mehr Untersuchung der Unterschiede zwischen Geschlechtern, sondern zwischen Personen mit eher weiblichen/männlichen/androgynen Selbstwahrnehmung (Rolle) - Überwindung der Bipolarität: Männlichkeit und Weiblichkeit nun orthogonal zueinander mit feinen Abstufungen - Phase III: Geschlecht als soziale Kategorie - Thema: Erwartungen und Urteile darüber, wie sich Männer und Frauen unterscheiden - Geschlecht als Teil des Systems von „Überzeugungen über Geschlechterrollen“ oder überhaupt als grundlegendes Denkschema, das auf Individuum einwirkt - Geschlecht als Urteilsdimension b) Betrachtungsebenen von Geschlechtsunterschieden - chromosomales (genetisches) Geschlecht - hormonelles Geschlecht (variiert zwischen Zeitpunkten) - neuronales Geschlecht (Unterschiede in Hirnstrukturen) - psychologisches Geschlecht: geschlechtstypische Einstellung/Verhalten c) Entwicklung des Geschlechtsverständnisses - Kinder müssen 3 Leistungen erbringen, um Geschlechtskonzept der eigenen Kultur zu übernehmen Geschlechtsstereotyp: welche Merkmale sind männlich/weiblich? Geschlechtsrollenerwerb: welche Geschlechterrollen herrschen vor? Geschlechtskonstanz: Geschlecht ist unveränderlich d) Messung der Größe von Geschlechtsunterschieden - mit Effektgröße d - steigt durch Zunahme der Mittelwertsdifferenz und Abnahme der Standartabweichung - 0,20: kleiner Effekt; 0,5: mittlerer Effekt; 0,8: großer Effekt 9.2. Einigermaßen gesicherte Geschlechtsunterschiede a) motorische Aktivität - GU können pränatal vorhanden sein - Frauen bei feinmotorischer Koordination überlegen (Basteln) - Männer bei zielgerichteten motorischen Aktivitäten überlegen (Ballwurf) b) Soziale Geschlechtsunterschiede - Aggressivität - Männer neigen stärker zu physischer und verbaler A. - Frauen mehr Beziehungsaggression (Beziehungen anderer schädigen: Gerüchte etc.) - Sexualität - Frauen: treuer, emotionale Bindung wichtiger - Männer: öfter Geschlechtsverkehr, mehr Geschlechtspartner, öfter Masturbation, akzeptieren eher Sexualität ohne emotionale Bindung - Partnerwahl - Männer: legen mehr Wert auf physische Attraktivität - Frauen: legen mehr Wert auf sozialen Status, Ambitioniertheit c) kognitive Geschlechtsunterschiede - keine GU beim Gesamt-IQ - Frauen im Vorteil bei - Wahrnehmungsgeschwindigkeiten - Merken von Anordnungen - Ideen und Wortflüssigkeit (nicht allgemein verbale Fähigkeiten) - einfachere Rechenaufgaben - Männer im Vorteil bei - räumlichen Fähigkeiten, hängt aber von Aufgabenstellung ab - Feldabhängigkeit - mathematisches Schlussfolgern (eingekleidete Rechenaufgaben) 9.3. Kreativität - nur über kreative Leistung erfassbar was sind kreative Leistungen - Originalitätsgrad: Ausmaß der Seltenheit - Problem-Adäquatheit: Lösung muss dem Problem angepasst sein - Kreativität: Fähigkeit zum ungewöhnlichen aber problemangepassten Handeln K=OxA - kreativer Prozess: Synthese Wahrnehmungselemente mit inneren Bildern/Vorstellungen ergibt neue bedeutsame Verknüpfungen - kreatives Produkt: „Veräußerlichung“ der inneren Synthese als Theorie, Erfindung, Kunst… - psychometrische Aspekte - Einschätzung der kreativen Leistung durch psychologische Tests - Guilford entwickelte Test, in dem zu einem Problem möglichst viele Lösungen produziert werden sollen Lösungen sind nicht richtig oder falsch, sondern nur mehr oder weniger kreativ Merkmale - Quantität: Originalität, Anzahl von Ideen - Qualität: Variabilität der Ideen, Ausarbeitungsgrad - Kritik - Auswertungs- und Interpretationsobjektivität - Anfälligkeit der Ergebnisse für Testdurchführungsbedingungen Speed Instruction: steigende Aktivierung fallende Kreativitätsleistung echte Tests vs. Spielsituation - Reliabilität der Tests 0,3 bis 0,6 - Kreativität und biologischer Bezug - Erhöhung des aktuellen Aktivierungsniveaus führt zu Herabsetzung kreativer Leistungen - aktuelles Aktivierungsniveau beim Erbringen von Leistungen sinkt ab - Personen mit höherem habituellem Aktivierungsniveau schneiden bei Wortassoziationstest besser ab - rechte Hirnhemisphäre beim Erbringen von kreativen Leistungen aktiver - Kreativität ist möglicherweise Disinhibitionssyndrom im Frontalkortex - Kreativität und Persönlichkeit - Kreative haben höheren Grad an Introversion, Neurotizismus, Offenheit, Autonomie, Ehrgeiz, Umgang mit Widersprüchlichkeiten Workaholics-Verhalten Beharrlichkeit in Zielverfolgung suizide Depression Alkoholmissbrauch, Drogen emotionale Instabilität antisoziales Verhalten niedrigen Grad an Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit - Kreativität und Intelligenz - Kreativität kann Bestandteil von Intelligenz sein - Intelligenz kann Bestandteil von Kreativität sein 3 Aspekte der Intelligenz wichtig - Fähigkeit, neue und problemadäquate Ideen zu generieren - Fähigkeit, eigene Ideen auf ihren Wert einzuschätzen - Fähigkeit, neue Idee im Alltagskontext anzuwenden sowohl zu viel, als auch zu wenig Wissen hinderlich - können sich überlappen - Studie an Hochbegabten: beides tritt gepaart auf - Hochkreative sind auch hochintelligent - Hochintelligente sind nicht unbedingt hochkreativ - können als nicht überlappend angenommen werden - Studie zeigte, dass Korrelation nur 0,09 minimal 9.4. Hochbegabung - Lucito unterscheidet mehrere Definitionsklassen - „ex post facto“: hochbegabt nach besonderer Leistung für Menschheit nach Einschätzung der Eminenz (globaler Impact) und Produktivität (Zahl der geschaffenen Werke) - statistisch: oberster, entfernte Bereich der Normalverteilung (ab 140 o. Ä.) - integriert: wenn Potential der Person annehmen lässt, dass es bei entsprechender Förderung große Probleme löst, Innovationen einführt - Terman-Studie - 2 sich widersprechende Hypothesen Hamoniehypothese: positiver Zusammenhang Hochbegabung – psych/phys Merkmalen Divergenzhypothese: negative Korrelation aufgrund von Beeinträchtigungen in anderen Merkmalsbereichen - Terman versuche Harmoniehypothese zu bestätigen - Auswahl von 1.528 Schülern aus 250.000 - ausgewählte Ergebnisse Hochbegabte als Kind: größer, gesünder, bessere Leistungen, ausgeprägtes Negierverhalten Hochbegabte in Jugend: weiterhin schulische Überlegenheit, vorteilhafte Auswirkungen von „Überspringen von Schulklassen“, hohe College-Quote - Kritik - Lehrerurteil als (ein) Selektionsschritt fragwürdig - IQ als alleiniges Maß für Intelligenz unzureichend - Unterschichtenkinder unterrepräsentiert (evtl. wegen Sprachlastigkeit des Tests) - IQ-Test ist kein Abweichungsquotient (ungenau bei älteren Kindern)