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Verantwortung und Haftung beim Umgang mit Erdaushub, Bauschutt und
anderen mineralischen Abfällen
Hellmuth Mohr, Rechtsanwalt in Stuttgart, altlastenforum Baden-Würtemberg e. V., Stuttgart.
Tel. 0711/220094-0, [email protected], www.ra-hellmuth-mohr.de
1. Einleitung:
Haftung: Einstehen für eine Schuld aus einem Vertrag oder einem Gesetz (zivilrechtlich:
BGB, Kap. 2, öffentlich - rechtlich: BBodSchG, KrW-/AbfG, Kap. 3).
Verantwortung: straf- und ordnungswidrigkeitsrechtliche Verantwortlichkeit für Verstöße
gegen Vorschriften zum Schutz der Umwelt.
2. Zivilrechtliche Haftung
Fall des Reichsgerichts von 1891 (noch vor dem BGB, maßgeblich code civil): Eine
Farbenfabrik kann sich ihrer Sorgfaltspflicht zur gefahrlosen Entsorgung der von ihr erzeugten
schädlichen Fabrikrückstände nicht dadurch vollständig entledigen, dass diese einem
Fuhrunternehmen übergeben wurden. Zusätzlich ist eine Überwachung der Ausführung des
Vertrags erforderlich.
Nicht behandelt werden die Regelungen über die Zulässigkeit der Verwertung1.
Verantwortung und Haftung spielen nur dann eine Rolle, wenn die Verwertungsgrenzen nicht
beachtet werden.
2.1 Zivilrechtliche Haftung nach § 1004 BGB
Ausgangsfall:
Bauherr B beauftragt den Bauunternehmer U mit dem Abbruch eines alten Gebäudes und der
Errichtung eines neuen. Mit dem Abbruch und der Entsorgung beauftragt U das
Abrissunternehmen A.
Varianten:
a) A beauftragt den T1 mit dem Transport und Verwertung bzw. Beseitigung, Dritter nach §
16 I KrW-/AbfG. T1 verwertet das Material nach Sortieren und Vermischen mit Material
anderer Auftraggeber.
1
Altlastenforum Fortbildungsverbund: 20.7.2006: Wohin mit Bodenmaterial und Bauschutt?
www.fortbildungsverbund.de
1
b) A beauftragt den T2, der eine Transportgenehmigung (§ 49 KrW-/AbfG) hat. Dieser fährt
das Material zu einer Abfallbeseitigungsanlage mit einer Genehmigung nach dem BImSchG.
c) A beauftragt den T3, der es nach Absprache zum Landwirt L zum Ebnen einer Ackerfläche
bringt.
Bei Altlastenfällen spielt die verschuldensabhängige Haftung wegen der Probleme des
Nachweises, insbesondere bei lange zurückliegenden Sachverhalten, keine große Rolle. Wenn
in der Variante c) ein Vertrag zwischen T3 und L besteht und das Material nicht den
vertraglichen Voraussetzungen bezüglich der Konzentrationen entspricht, dann hat L einen
vertraglichen Schadensersatzanspruch2, verschuldensabhängig. Besteht zwischen T3 und L
keine Vereinbarung, entspricht das Material aber nicht den fachlichen Regeln, hat L einen
deliktischen Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB wegen der Verletzung seines Eigentums.
Mit einer weiteren Variante der verschuldensabhängigen Haftung beschäftigt sich die
Entscheidung des BGH vom 26.9.20063, nämlich der Verkehrssicherungspflicht für die
Gefahren aus Altreifen gegenüber einem Dritten, der nicht Vertragspartner des
Verkehrssicherungspflichtigen ist. Im konkreten Fall wurde aber eine solche Pflicht abgelehnt,
weil der Beklagte gar nicht erkennen konnte, wo die Altreifen nach mehreren
Vertragsverhältnissen zur weiteren Verbringung landen würden. Das Gericht begrenzt die
Haftung aus der Verkehrssicherungspflicht hier also aus der fehlenden Vorhersehbarkeit
(Beschränkung des persönlichen Schutzbereiches). Auf Folgendes weist das Gericht noch hin:
Wenn der Abfallproduzent aber einen Fachunternehmer beauftragt, dann beschränkt sich seine
Haftung auf die richtige Auswahl und Überwachung. Allerdings stellt das Gericht fest, dass
der Besitz der erforderlichen abfallrechtlichen Genehmigung nicht automatisch den
Auftraggeber entlastet.
In der Praxis wichtiger ist der verschuldensunabhängige Beseitigungsanspruch aus § 1004
BGB: Störung des Eigentums des L durch regelwidrige Lagerung des Materials.
Er hilft deshalb sehr effektiv, weil bei Bodenveränderungen nicht nur der Schadstoff selbst,
sondern auch das belastete Erdreich entfernt werden muss4.
Bsp.: Die in das Erdreich eingedrungene schadstoffhaltige Flüssigkeit konnte nicht durch
Reinigung des Erdreichs selbst entfernt werden, sondern nur durch die Entsorgung. Außerdem
2
In Betracht kommt ein Mietvertrag, wenn die Lagerung im Interesse des T erfolgt, mit Ansprüchen des L aus
den §§ 538, 280I, 241 II BGB oder ein Werkvertrag mit Ansprüchen des L aus § 634 BGB.
3 VI ZR 166/05, nachzulesen unter www.bundesgerichtshof.de.
4
BGH 1.12.1995, V ZR 9/94, NJW 96, 845 (der Nachbar kann die Kosten für die Beseitigung und Entsorgung
des belasteten Erdreichs verlangen, das durch einen Industriebetrieb verursacht wurde) und erneut 4.2.2005, V
ZR 142/04, NJW 05, 1366. Die Bedenken in der Literatur, dass damit die Grenzen zum verschuldensabhängigen
Schadensersatzanspruch überschritten werden, sind damit endgültig erledigt.
2
wurden bei der Ausbaggerung des Erdreichs Gartenplatten und Sträucher beschädigt. All diese
Kosten mussten ersetzt werden (Sachverhalt nach BGH Urteil vom 4.2.20055).
Von wem kann die Beseitigung verlangt werden? Nach dem Gesetz vom Handlungs- oder
Zustandsstörer (Begriffe wie in § 4 III BBodSchG, s. dazu u. 3.1). Diese Haftung geht sehr
weit und ist rechtlich auch nicht genau festgelegt, deshalb besteht hier ein Risiko (Welcher
Verursachungsbeitrag reicht aus?).
Im Ausgangsfall c) ist Voraussetzung der Haftung, dass L nicht sein Einverständnis erklärt
hat, was aber der Störer beweisen muss (Dokumentationspflicht des T!).
Der Fahrer des T haftet nicht, wenn er sich an die gegebenen Anweisungen des T hält.
T haftet auf jeden Fall, da er selbst den Transport durchgeführt hat. Ein Subunternehmer des T
haftet ebenfalls, egal, ob dessen Beauftragung vereinbart war oder nicht.
Weitergehend ist zu fragen, ob entsprechend der obigen Entscheidung des RG nicht auch A, U
und B haften. Der letzte soll hier im Hinblick auf das gewählte Thema des Vortrags nicht
weiter geprüft werden.
Da auch eine mittelbare Störung ausreicht, können auch A und U haften. Begründung des
BGH: adäquate Kausalität („So was kommt von so was“) und die tatsächliche Möglichkeit der
Verhinderung. Wie weit diese Verpflichtung zur Verhinderung gehen kann, ist ungeklärt. Im
Ausgangsfall entlasten die Varianten a) und b) U und A (sorgfältige Auswahl). Dazu kommen
muss eine ausreichende Überwachung. Verunsicherung haben aber folgende Urteile
hervorgerufen:
OLG Dresden 24.5.19956: Ein Unternehmen hatte einem anderen Altfarben zur Entsorgung
gegeben. Auf nicht mehr aufklärbare Weise gelangten die Farben auf das Grundstück eines
dritten Unternehmens. Dessen Klage aus § 1004 BGB gegen das erste Unternehmen war
erfolgreich, im Ergebnis eine verschuldensunabhängige Ewigkeitshaftung.
OLG Dresden 17.1.20017: Eine Baugesellschaft machte eine Industriebrache wieder nutzbar.
Sie ließ die Gebäude abbrechen, durch einen Gutachter untersuchen und die Materialen nach
Gefährdungsgrad trennen. Sie beauftragte einen Abfallentsorger mit der Entsorgung des Bauund Abbruchmaterials, das keine gefährlichen Stoffe enthielt. Die Beauftragung eines
Subunternehmers sollte erst mit Zustimmung des Auftraggebers zulässig sein. Ein dennoch
beauftragter Subunternehmer verbrachte – was strittig blieb – Abbruchmassen auf ein
Grundstück und vermischte es dort vielleicht mit anderen Stoffen. Der
Grundstückseigentümer hatte einen Mietvertrag mit dem Subunternehmer geschlossen und
5
V ZR 142/04, www.bundesgerichtshof.de
1 U 169/95 NVwZ 1995, 935
7
18 U 2007/00, nicht veröffentlicht, rechtskräftig durch Beschluss des BGH v. 21.3.2002, I ZR 155/01
6
3
verlangte Beseitigung des Materials von der Baugesellschaft. Die Klage hatte keinen Erfolg.
Im Gegensatz zum ersten Fall war das Material hier gefahrlos, die Farben im ersten Fall waren
dagegen besonders überwachungsbedürftiger Abfall. Auf der gleichen Linie liegt eine
Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 13.7.19958: Die Haftung endet im Regelfall mit der
Weitergaben an einen Dritten.
Regel für die Praxis hieraus:
Höchste Sorgfalt beachten bei der Vergabe von Aufträgen, am besten an einen
Entsorgungsfachbetrieb (Ausgangsfall a). Informationspflicht gegenüber dem Auftragnehmer
beachten. Sicherheiten geben lassen, insbesondere bei neuem Geschäftspartner.
2.2 Zivilrechtliche (!) Haftung des Verursachers gegenüber dem Zustandsstörer nach §
24 II BBodSchG
Auch ohne eine behördliche Verfügung haftet der Verursacher einer schädlichen
Bodenveränderung (Material darf wegen Überschreitung von Grenzwerten nicht aufgebracht
werden) nach § 4 III BBodSchG dem Zustandsstörer (im Ausgangsfall c) dem L) auf den
Betrag, den er zur Sanierung aufgewendet hat. Damit wird zivilrechtlich die Möglichkeit
ausgeglichen, dass die Behörde in gleicher Weise den Zustands- wie den Handlungsstörer
heranziehen kann. Wer hierbei haftet, wird nachfolgend bei 3.1. zu § 4 III BBodSchG
behandelt.
2.3 Zivilrechtliche Haftung nach dem Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG)
U .a. die Beschädigung der Gesundheit oder einer Sache durch eine Umwelteinwirkung
können einen Schadensersatzanspruch auslösen. Verschulden ist nicht erforderlich. Eine
Umwelteinwirkung kann u. a. durch Bauschutt in den Boden erfolgen. Es gibt
Beweiserleichterungen und einen Auskunftsanspruch für den Geschädigten. Voraussetzung ist
allerdings, dass die Umwelteinwirkung von einer Anlage aus dem Anhang zum Gesetz
ausgeht. In Betracht kommen die Ziff. 68 ff. (Abfälle und Reststoffe), Ziff. 71: Aufbereitung
von festen Abfällen ab einer Leistung von 1 to/h, Ziff. 75: ortsfeste Anlagen zum Lagern,
Behandeln und Ablagern von Abfällen.
2.4 Zivilrechtliche Gefährdungshaftung bei der Änderung der Beschaffenheit des
Wassers nach § 22 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
Dabei müssen Schadstoffe ins Wasser, regelmäßig ins Grundwasser, gelangen.
8
10 U 5/95, NJW-RR 1996, 1426
4
2.5 Haftung nach dem neuen Umweltschadengesetz (USchadG)
Auf Grund des Regierungswechsels ist die Vorgabe einer RL der EG aus dem Jahr 2004 noch
nicht umgesetzt worden. Diese wird aber ab dem 30.4.2007 unmittelbar gelten. Es gibt einen
Gesetzentwurf vom Frühjahr 2005. Neu ist an dem Gesetz, dass der Schaden an der Natur
selbst schon auszugleichen ist. Es genügt der Umweltschaden als solcher, während bei den
Ansprüchen nach den Ziff. 2.3 und 2.4 individuelle Rechtsgüter, z. B. die Gesundheit,
beeinträchtigt sein müssen. Es muss hier also der Schaden an der Natur wieder ausgeglichen
werden. Bodenschädigungen können nur durch eine Anlage nach dem Anhang zum Gesetz
verursacht werden, allerdings als Gefährdungshaftung ohne Verschulden. Schäden u. a. an
einem Gewässer können durch jede berufliche Tätigkeit verursacht werden, jedoch hier nur
bei schuldhaftem Handeln. Es besteht also Handlungsbedarf beim Versicherungsschutz.
3. Öffentlich-rechtliche Haftung
3.1 Öffentlich-rechtliche Haftung des Verursachers einer schädlichen
Bodenveränderung oder Altlast nach § 4 III BBodSchG
Inhalt dieser Haftung ist die Verpflichtung gegenüber der Behörde, die Sanierung
vorzunehmen. Verursacher bzw. Handlungsstörer ist jeder, der die Gefahr für den Boden
„unmittelbar verursacht“ (Formel zur Prüfung der Verursachung im Polizeirecht) hat.
Die Beurteilung der Eigenschaft als Verursacher nach dem BBodSchG wird von der
abfallrechtlichen Haftung des Erzeugers oder Besitzers (§§ 5 I, 11 I KrW-/AbG) beeinflusst.
Nicht sicher geklärt ist, in welchem Umfang die weitgehende abfallrechtliche Haftung (s.u.
3.2) bodenschutzrechtlich eingeschränkt werden kann. Für die Praxis ist folgendes für den
Ausgangsfall vertretbar: U und A sind als Abfallerzeuger im Ausgangsfall Variante a) auch
bei der Einschaltung Dritter (T1) zwar abfallrechtlich so lange verantwortlich, bis die
Verwertung oder Beseitigung ordnungsgemäß abgeschlossen ist (§ 16 I 2 KrW-/AbfG).
Bodenschutzrechtlich entfällt die Haftung aber, wenn die weitergegebenen Abfälle nicht
ausnahmsweise eine nur ihnen (A und U) erkennbare Gefährlichkeit besitzen, die auch nicht
dem T1 mitgeteilt wurde. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entlastung ist der Beginn der
Tätigkeit des T1. Die weiteren Maßnahmen des T1 berühren U und A nicht mehr. Dagegen
werden im Ausgangsfall Varianten b) und c) U und A nur eingeschränkt entlastet: bei b)
5
bezüglich der Gefahren während des Transports9 und ab Ablieferung bei der
Abfallbeseitigungsanlage. Bei Variante c) findet keine Entlastung statt.
T1-3 sind Abfallbesitzer und haften deshalb in ihrem Verantwortungsbereich. T1 ist
zusätzlich auch Erzeuger wegen der Mischung. Deshalb sind sie auch Handlungsstörer nach §
4 III BBodSchG.
Neuer Fall aus der Rechtsprechung, vergleichbar dem Ausgangsfall c) VG Ansbach10:
Eine Baufirma baut Bauschutt aus einem Gebäudeabriss (Bauschutt, Kabel, Eisenteile, kleine
Holzstücke, Styropor) als Wegebefestigung in ein Grundstück der Deutschen Bahn ein,
angeblich nach Absprache mit einem Landwirt/Pächter. Die Baufirma wird als
Abfallbesitzerin und Verhaltensverantwortliche auch nach Auffassung des Gerichts zu Recht
zur ordnungsgemäßen Entsorgung verurteilt.
Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die gleiche Haftung auch für den Zustandsstörer
gilt. Wenn also ein Verwerter Materialien eines anderen nur in seinem Betrieb lagert und
später von diesem auch wieder abholen lässt, dann haftet er für die Zeit der Lagerung nach
dem BBodSchG ebenfalls.
3.2 Abfallrechtliche Haftung
Abfall ist eine bewegliche Sache, die nicht mit dem Boden fest verbunden ist, etwa durch
Versickern oder Vermengen. Altabfälle, die durch Vermoderung oder Verwachsung, nicht
aber allein durch Ablagerung oder Überdeckung, nicht mehr vom Boden abgrenzbar sind, sind
keine Abfälle mehr. Abgelagerter Sand ist wegen der möglichen Trennbarkeit noch Abfall,
wenn er noch nicht so mit Pflanzen überzogen ist, dass die Wurzeln bereits ins Erdreich
gelangt sind. Diese Abgrenzung ist allerdings durch eine Entscheidung des EuGH vom
7.9.2004 fraglich geworden11, weil der EuGH auch Stoffe im Boden als Abfall betrachtet.
Unabhängig davon wird auch belastetes Bodenmaterial, das im Rahmen einer Sanierung
ausgekoffert wird, zum Abfall (vgl. § 13 V BBodSchG).
Das Abfallrecht verpflichtet Erzeuger und Besitzer zur gesetzeskonformen Verwertung (§ 5)
oder Beseitigung (§ 11). Bei Nichtbeachtung dieser Pflicht können Verfügungen getroffen
werden (§ 21: ordnungsgemäße Entsorgung oder Ersatzvornahme durch die Behörde). Die
9
Mögliche Variante bei der Bewertung: Bei einem unverschuldeten Unfall fällt das Material in den
Straßengraben: Haftung des U und A besteht, denn dieses Risiko des Straßenverkehrs deckt § 49 KrW-/AbfG
nicht. Schaden in Folge einer Geschwindigkeitsüberschreitung des Fahrers des T: Haftung des U und A entfällt,
da U und A dies wegen der Genehmigung nicht erwarten mussten.
10 AN 11 K 05.01428, Urteil vom 2.6.2006, altlasten spektrum 2007, 92
11
C-1/03, NJW 2004, 1341: Kraftstoff aus einem Tank einer Tankstelle im Erdreich war als Abfall behandelt
worden nach der RL 75/442/EWG des Rates vom 15.7.1975, geändert durch RL 91/156/EWG des Rates vom
6
Verfügung kann sich an einen oder an mehrere Verpflichtete richten. Diese Haftung besteht
ohne den oben erläuterten bodenschutzrechtlichen „Filter“.
Erzeuger und Besitzer haften bis zur ordnungsgemäßen Entsorgung des Abfalls. Der Besitz
nach dem BGB kann zwar durch Weitergabe oder einseitige Besitzaufgabe enden, damit aber
nicht die die abfallrechtliche Pflicht des Besitzers. Zur Entlastung dient demgegenüber eine
neuere Entscheidung des VG Potsdam12 mit folgender Aussage:
Ist der Abfallbesitzer nicht auch zugleich Abfallerzeuger, endet mit dem Wechsel des
Abfallbesitzes seine abfallrechtliche Verantwortlichkeit jedenfalls nach Maßgabe des KrW/AbfG insgesamt, so das frühere Abfallbesitzer nicht mehr nach § 21 KrW-/AbfG in Anspruch
genommen werden können. Allerdings weist das Gericht daraufhin, dass bei einer
unzureichenden Pflichterfüllung (z. B. Beauftragung eines offensichtlich unzuverlässigen
Unternehmers) eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat vorliegen kann, ebenso auch eine
polizeirechtliche Verantwortung als Handlungsstörer.
Die Verantwortlichkeit eines Zweiterzeugers, z. B. bei der Verwertung durch Vermischen von
Abfällen, ist auf die Folgen dieser Veränderung des Abfalls beschränkt. Erzeuger und Besitzer
haften nebeneinander. Die Beauftragung eines Dritten betrifft nur die Erfüllung der Pflicht,
nicht die Pflicht selbst, die beim Erzeuger oder Besitzer verbleibt (§ 16 I 2). Bei einer
Andienungspflicht endet die Haftung bei zutreffender Deklaration.
Der Bauherr einer Abruchmaßnahme ist Abfallerzeuger und zunächst auch Besitzer13.
Auf das besondere Risiko der persönlichen Haftung des Geschäftsführers einer GmbH ist
hinzuweisen. Teilweise wird die Haftung nur auf eigenhändige Verursachungen bezogen,
teilweise weiter auch auf Folgen, die nicht auf einer konkreten Entscheidung des
Geschäftsführers beruhen.
Zum Ausgangsfall:
Variante a): U und A sind wie bei 3.1. dargelegt Erzeuger, die Beauftragung des T1 nach § 16
beendet ihre Haftung nicht. T1 ist zunächst Besitzer, dann Zweiterzeuger.
Variante b) und c): T2 und T3 sowie L sind Besitzer. T2 wird trotz der Transportgenehmigung
nicht zum Erzeuger. VG Potsdam: bei T2 und T3 endet Haftung, bei T3 Risiko Strafrecht,
Haftung § 4 III BBodSchG.
Lehren hieraus für die Praxis:
18.3.1991: Prüfung belgischer Vorschriften zum Umweltstrafrecht, Verfahren gegen die Texaco und deren
Angestellte.
12 U. v. 4.3.2004, 1 K 2135/03, NuR 04, 617: Der Kl. ist Entsorgungsunternehmer und verbringt Abfälle zum
zertifizierten Abfallverwerter, der insolvent wird. Danach fordert die Behörde den Kl. auf, die beim Verwerter
noch lagernden und von ihm stammenden Abfälle zu beseitigen. Das Gericht gibt dem Kl. Recht. Der Kl. war
aber nicht Abfallerzeuger!
13 VG Ansbach 22.6.2006, Nr. 24
7
Privatrechtliche Vereinbarungen („Abbruchgut geht in das Eigentum des Auftragnehmers über
und ist von ihm auf seine Kosten zu entsorgen“) sind unbeachtlich, da sie öffentlich-rechtliche
Pflichten nicht abändern können. Entsorgungsvorgang bis zur Entsorgungsanlage sollte im
Vertrag genau beschrieben werden. Berichtspflichten vorsehen bei Problemen oder
behördlichen Maßnahmen. Subunternehmer ausschließen. Mit diesen Regelungen wird die
abfallrechtliche Haftung nicht ausgeschaltet, aber Möglichkeiten zur rechtzeitigen Gegenwehr
geschaffen.
4. Strafrechtliche Verantwortung
Typisch für das Umweltstrafrecht ist die Abhängigkeit des Tatbestands von
verwaltungsrechtlichen Pflichten, deren Unkenntnis nicht entlastet. Eine Tat kann auch durch
Unterlassen begangen werden, wenn eine Pflicht zum Handeln besteht, u. a. nach einem
pflichtwidrigen Tun. In einem Unternehmen befreit Delegation nicht von der Verantwortung
(Betriebsleiter). Wenn keine Zuständigkeitsabgrenzung getroffen wird, gilt die strafrechtliche
Gesamtverantwortung der Unternehmensleitung. Ebenso sind Beauftragte verantwortlich,
wenn sie Arbeitnehmer im Betrieb sind.
Die Behörden sind teilweise auch zur Überzeugungsarbeit bereit, je nach Ausgangsfall und
eigener Kompetenz. Soweit bei der zuständigen Staatsanwaltschaft aber Fachdezernate für
Umweltrecht bestehen, sollte die Geduld der Behörden nicht zu sehr bemüht werden. Denn
die Strafverfolgung arbeitet meist schnell, zumindest mit der Eröffnung eines Verfahrens.
Verwaltungsbehörden geben Hinweise an die Staatsanwaltschaft.
4.1 Bodenverunreinigung, § 324 a StGB
§ 324 StGB lautet:
(1) Wer unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten Stoffe in den Boden einbringt,
eindringen lässt oder freisetzt und diesen dadurch
1. in einer Weise, die geeignet ist, die Gesundheit eines anderen, Tiere, Pflanzen oder andere
Sachen von bedeutendem Wert oder ein Gewässer zu schädigen, oder
2. in bedeutendem Umfang verunreinigt oder sonst nachteilig verändert,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe14.
Eine stoffliche Bodenveränderung muss vorliegen, also nicht nur eine Bodenverdichtung. Die
bloße Ablagerung oder das Aufschütten reichen nicht aus, aber das Ausspülen durch
14
Fahrlässigkeit liegt auch vor, wenn man sich vom nicht einschlägig kompetenten Rechtsanwalt beraten lässt.
8
Regenwasser in den Untergrund. Stoffe: ohne jede Einschränkung (z. B. Schwermetalle,
CKW). Auch das Unterlassen des Einwirkens wird erfasst, weil § 4 I und II BBodSchG
weitgehende Pflichten enthalten für den auf den Boden Einwirkenden, Inhaber der
tatsächlichen Gewalt und den Eigentümer. Die Ausbreitung der Stoffe im Boden wird auch
erfasst, deshalb auch die Unterlassung der Sanierung. Schutz der ökologischen
Bodenfunktion, deshalb reicht auch die Verstärkung einer bereits vorhandenen Belastung aus,
auch wenn die Nutzungsfunktion des Bodens nicht zusätzlich eingeschränkt wird. Sachen von
bedeutendem Wert, in bedeutendem Umfang: nicht rein ökonomisch, sondern nach
Auswirkung auf den Naturhaushalt. Nicht geklärt ist die Frage, ob die Untätigkeit einer
Behörde die Rechtswidrigkeit der Tat entfallen lässt.
§ 330 StGB Besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat nach den §§ 324 – 329: Ziff. 1 u. a.
Schutz des Bodens, Ziff. 4 Gewinnsucht.
Bsp.: 1. Für den Unterbau eines Silos lässt sich ein Landwirt Z 2 – Material einbauen, ohne
dass die nach LAGA Nr. 20 Ziff. II 1.2.3.3 notwendige Sicherung in den Untergrund oder das
Grundwasser erfolgte. PAK – Wert 18 mg/kg, Z 2 – Wert 20.
2. Im Rahmen einer Straßenbaumaßnahme wird ein Sichtschutzwall mit Erdmaterial und
Bauschutt errichtet. Ca. 2/3 der verwendeten Menge enthält zu hohe PAK – Werte, die vom
Eisenbahnbetrieb stammen. Erlass Baustoffrecyclingmaterial vom 13.4.2004: höchstens Z 1.2
mit 15 mg/kg.
4.2 Ordnungswidrigkeit nach dem LBodSchAG
§ 3 (1): Der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast, dessen
Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen
Gewalt über ein Grundstück sind verpflichtet, Anhaltspunkte dafür, dass eine schädliche
Bodenveränderung oder eine Altlast vorliegt, unverzüglich der zuständigen Bodenschutz- und
Altlastenbehörde mitzuteilen.
§ 17 (1): Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
1. entgegen § 3 (1) eine Meldung nicht oder nicht unverzüglich erstattet,
(2) Ordnungswidrigkeiten nach Absatz 1 Nummer 1 bis 4 können mit einer Geldbuße bis zu
10 000 € geahndet werden.
Im Gegensatz zu Regelungen in anderen Bundesländern entfällt diese Pflicht nicht bei der
Gefahr einer straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Verfolgung für sich oder
Angehörige15.
4.3 Unerlaubter Umgang mit Abfällen, § 326 StGB
9
(1) Wer unerlaubt Abfälle, die
4. nach Art, Beschaffenheit oder Menge geeignet sind,
a) nachhaltig ein Gewässer, die Luft oder den Boden zu verunreinigen oder sonst nachteilig zu
verändern oder
b) einen Bestand von Tieren oder Pflanzen zu gefährden,
außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage .... behandelt, lagert, ablagert, ablässt oder sonst
beseitigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 ist der Versuch strafbar.
(5) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe
1. in den Fällen der Absätze 1 und 2 Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
(6) Die Tat ist dann nicht strafbar, wenn schädliche Einwirkungen auf die Umwelt,
insbesondere... auf den Boden wegen der geringen Menge der Abfälle ausgeschlossen ist.
Schon mit der sog. Falisan – Entscheidung des BGH16 wurde die strafrechtliche
Verantwortung des Entsorgungspflichtigen bei der Beauftragung eines Dritten mit der
Beseitigung von Abfällen erheblich verschärft: Wer einen anderen mit der Beseitigung
umweltgefährdenden Abfalls beauftragt, muss sich vergewissern, dass dieser zur
ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung tatsächlich imstande und rechtlich befugt ist; andernfalls
verletzt er seine Sorgfaltspflicht und handelt fahrlässig.
Der Angeklagte hatte eine quecksilberhaltige Flüssigkeit, die er nach dem Vertrag mit seinem
Auftraggeber „nach den gesetzlichen Bestimmungen verwerten sollte“, einem Abnehmer zur
Entsorgung übergeben, durch den sie dann in einem Bauernhof gelagert wurde17.
Wegen der in § 326 genannten Gefährlichkeit handelt es sich hier nur um Abfälle zur
Beseitigung. Auch nach Übergabe an einen Dritten kommt noch Täterschaft in Betracht, wenn
es einem Abfallbesitzer gleichgültig ist, wo der Abfall abgelagert wird, nachdem er ihn einem
Dritten ausgehändigt hat.
Lehre für die Praxis:
Zur Vermeidung strafrechtlicher Risiken sind also eindeutige Regeln und deren
Dokumentation zur Verantwortung notwendig.
Neben dem Abfallbesitzer kann auch der Eigentümer eines Grundstücks Täter durch
Unterlassen sein, wenn ein Dritter Abfall ablagert. Das gilt für L in der Variante c) des
Ausgangsfalls, aber auch dann, wenn es ohne sein Zutun geschah. Lediglich die Beseitigung
von wildem Müll auf der freien Flur, wo Zäune nicht zulässig sind, verpflichtet den
Eigentümer nicht.
15
Im Ausgangsfall hat zumindest L eine entsprechende Pflicht, denn er kommt als Täter nicht in Betracht.
Urteil vom 2.3.1994, 2 StR 620/93, NJW 1994, 1745.
17
Es genügen nicht: Zusagen des Entsorgers, Zugehörigkeit zur Entsorgungsbranche, Anbieten einschlägiger
Leistungen, Empfehlung durch einen Sachverständigen.
16
10
Die Eignung zur Bodenverunreinigung ergibt sich auch hier aus den bodenschutzrechtlichen
Regelungen (LAGA – Papier u. a.). Andere Grenzwerte: Deutliche Überschreitung der
Prüfwerte Wirkungspfad Grundwasser nach Anhang 2 zur BBodSchV, Überschreitung der
Grenze von 10% mineralische Fremdbestandteile nach LAGA Nr. 20 II 1.2.1.
Bsp.: 1. Über eine erteilte Auffüllgenehmigung hinaus lässt ein Landwirt zu viel Material
ablagern, das auch zu große und steinige Stücke enthielt. Es wurden zu viele Baustraßen
angelegt und mit zu schweren Fahrzeugen befahren. Die Folge waren nicht genehmigte
Bodenverdichtungen. Strafbarkeit nach § 326 I Nr. 4 a und § 327 StGB.
2. Bei der Verwertung nur von Wohnhäusern müssen von den Recyclingunternehmen
dennoch regelmäßige Analysen gemacht werden, weil auch dort Schadstoffe z. B. Asbest
auftauchen können. Der Recycler ist zwar auch Abfallbesitzer mit der entsprechenden
Haftung. Wenn das Material aber beim Bauherrn wieder eingebaut wird, hat dieser ein
Problem, wenn der Fall erst nach 5 Jahren aufgegriffen wird und die werkvertragliche
Gewährleistung nach § 634 a BGB abgelaufen ist. Auch der Bauherr ist Abfallbesitzer, auf
den die Behörde eher zugreift, weil er über das Grundstück verfügt.
Zivilrechtliche Ansprüche: Der Bauherr hat gegen den Bauunternehmer einen
werkvertraglichen Anspruch wegen eines Sachmangels zuerst auf Nacherfüllung (§ 634
BGB), dann auf Selbstvornahme mit Kostenvorschuss, Rücktritt oder Schadensersatz. Bei
einem Bauwerk beträgt die Verjährung 5 Jahre ab Abnahme. Kenntnis des Schadens beim
Bauherrn ist unbeachtlich. Bei Arglist des Unternehmers (Beweislast beim Bauherrn, aber bei
belastetem Erdreich zumindest nicht von der Hand zu weisen) Verjährung ebenfalls in 5
Jahren, Beginn aber erst mit Kenntnis des Schadens und des Schädigers, längstens aber 10
Jahre. Der Bauherr hat außerdem einen Anspruch aus § 1004 BGB gegen den
Recyclingunternehmer, mit dem er keinen Vertrag hat, ebenso ein eventuell auch geschädigter
Nachbar. Verjährung wie oben bei Arglist: 3 Jahre ab Kenntnis, längstens 10 Jahre.
3. Die Häufigkeit von Analysen entspricht teilweise nicht der Notwendigkeit bei
inhomogenem Material. Viele Schadstoffe sind mit dem Auge oder der Nase nicht feststellbar.
Der Vorwurf der Fahrlässigkeit besteht.
4. Bei Recycling im Straßenbau soll teerhaltiges Material nur im Straßenunterbau verwendet
werden. Das wird in der Praxis nicht immer beachtet. Auch hier besteht das
Verjährungsproblem des Bauherrn.
4.4 Unerlaubtes Betreiben von Anlagen, § 327 StGB
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
11
3. eine Abfallentsorgungsanlage im Sinne des KrW-/AbfG
ohne die .... erforderliche Genehmigung ..... betreibt.
(3) Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe
2. in den Fällen des Absatzes 2 Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
Bsp.: 1. Bauschutt, Altreifen und Schrittfahrzeuge, soweit sie nicht nur vorübergehend
abgestellt werden, sind eine entsprechende Anlage nach Abs. 2.
2. Baugenehmigung zur Auffüllung einer Geländemulde mit ca. 9 900 qm, Vertrag des L mit
E, Übertragung des Vertrags auf K. Einbau von unzulässigem Material. Strafrechtliche
Verantwortung der Geschäftsführer der E und K.
3. Stuttgarter Zeitung vom 8.8.2006 S. 22: Schutt und Schlachtabfälle auf das freie Feld
gekippt. Fall aus der Gegend Weil der Stadt/Möttlingen. Abgelagert wurden Abfälle aus dem
Hausumbau und Schlachtabfälle von der Jagd.
Andere beliebte Einbaumöglichkeiten: Auffüllung von Gewerbegebieten und im
Forstwegebau.
5. Übersicht der Ansprüche im Ausgangsfall
Vertrag § 823 BGB
gegen B
§ 1004 BGB § 24 II BBodSchG
?
gegen U
L: Var. a):-/+
gegen A
Var. b):-/+
§ 4III KrW-/AbfG
wie
+
bei
Var. a)-
+
§ 4 III
Var. b)-/+
+
Var. c)+
+
Var. c)+
gegen T1 (Var. a)
L:+
+
+
gegen T2 (Var. b)
L:+
+
+/-
L:+
+
+/-
L:+
+
+
+
+
gegen T3 (Var. c): +
gegen SU
gegen L
+
-(!)
Bsp.: Aus § 1004 BGB hat L einen Anspruch gegen T1. Aus § 4III BBodSchG hat die
Behörde einen Anspruch gegen U und A in der Var. c) des Ausgangsfalles auf Sanierung.
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