Wenn der Chip lebendig wird Fachhochschul-Student Andreas Daus züchtet für seinen Master-Abschluss Bio-Sensoren Aschaffenburg. In väterlichem Tonfall beschreibt Andreas Daus die Bedingungen im Brutschrank des Aschaffenburger Fachhochschullabors: »Da drinnen fühlen sie sich pudelwohl«, sagt der 24-jährige Student über die Nervenzellen (Neuronen), die sich auf Chips mit Mikroelektroden tummeln. Im Brut-Behälter finden die Zellverbände ideale Lebensbedingungen vor. Seit Juli 2006 arbeitet Daus für seinen Master-Abschluss an der Schnittstelle von organischem Leben und Technik. Die Bio-Sensorik - die Verbindung von Biologie und Elektrotechnik - ist ein Thema, das ihm seine Professorin Christiane Thielemann vermittelt hat, erzählt Daus. Die an der FH für Mikrosystemtechnik zuständige Wissenschaftlerin hatte im Mainzer MaxPlanck-Institut für Polymerforschung gemeinsam mit Neuro-Biologen und Elektrotechnikern Analysechips auf der Basis von Nerven- und Herzmuskelzellen entwickelt. Brücke von der Biologie zur Technik Interdisziplinäres Arbeiten scheint dem aus Kleinwallstadt stammenden Daus zu liegen: Bereits das Studium des Wirtschaftsingenieurwesens, das er 2006 mit Diplom abschloss, schlug die Brücke zwischen zwei unterschiedlichen Feldern: War es damals die Wirtschaft, ist es jetzt die Biologie, die er für seinen Masterabschluss mit der Technik verknüpft. »Biologie ist eine völlig neue Materie für mich«, räumt Daus ein. Für das Aufbaustudium besucht er Neurobiologie-Vorlesungen an einer Universität. Anfangs habe er mit Krebszellen gearbeitet. »Die sind resistenter als Herzmuskel- oder Nervenzellen.« Mittlerweile ist er für die Untersuchung seiner Biosensoren auf Neuronen umgestiegen. Von minus 196 auf plus 37 Grad Die Ratten-Nervenzellen, die bei minus 196 Grad in Flüssigstickstoff angeliefert werden, müssen zunächst in einem Wärmebad aufgetaut werden. Später pflanzt Daus sie auf einen vorbehandelten Chip aus Mikroelektroden. Im nachttischgroßen, mit 37 Grad bullig-warmen Brutkasten pflanzen sich die Zellkulturen schnell fort. Nach etwa drei Wochen haben sich auf den meisten der winzigen Träger funktionsfähige Netzwerke von Zellen ausgebildet, die miteinander kommunizieren und Signale weiterleiten. Gute Pflege vorausgesetzt. Etwa alle drei Tage müssen die Zellkulturen mit einem besonderen Nährstoff »gefüttert« werden. Für Daus derzeit kein Problem. Der dichte, arbeitsintensive Master-Studiengang lasse ohnehin keine wochenlangen Ferien zu. Und auch sein Hobby - in seiner Freizeit spielt der Student Keyboard bei der Band »X-Fade« - erlaubt es ihm, sich regelmäßig um seine sensiblen Plättchen zu kümmern. Die auf dem Chip befindlichen Mikroelektroden registrieren die Reaktionen der Neuronen auf bestimmte Stoffe oder Strahlungen und leiten sie weiter. Der Computer setzt die Signale um: Auf dem Monitor werden die Reaktionen der Zellverbände als flimmernde Diagramme sichtbar. Empfindliches Netzwerk »Das Netzwerk reagiert sehr sensibel auf äußere Einflüsse«, hat Daus festgestellt. Allerdings steckt die Interpretation der auf dem Monitor sichtbaren Ausschläge noch in den Kinderschuhen. Der Student vergleicht dies mit dem Erlernen einer neuen Sprache. »Wir sehen, dass die Zellen reagieren«, sagt er. Die eindeutige Bewertung dieser Reaktionen stehe aber noch aus. Ansätze und realistische Vorstellungen für die praktische Anwendung gibt es: Denkbar und nahe liegend ist ein Einsatz in der Pharmaforschung: Die belebten Chips könnten einige Tierversuche ersetzen. Auch schwer feststellbare Stoffe wie Nervengas lasse sich mit Hilfe von Neurosensoren aufzuspüren. Früher habe man Kanarienvögel mit in die Bergwerke genommen, erzählt Daus. »Wenn der Vogel von der Stange fiel, hieß das für die Bergleute: Nichts wie raus hier.« In diesem Bereich könnten sensible Biosensoren gute Dienst leisten. Reaktion auf Handy-Strahlen Auch Reaktionen der Nervenzellen auf Handy-Strahlen ließen sich mit biologischen Sensoren nachweisen - mit einem ein rein technischen Messgerät wäre dies nicht möglich. Nun ist die Aschaffenburger FH kein ausgewiesenes neurobiologisches Forschungszentrum. Daus ist dankbar, dass die Hochschule ihn unterstützt: »Die Grundausstattung war da, doch einiges musste angeschafft werden«, so der Student über sein Forschungsfeld. Daus ist einer von derzeit fünf Master-Studenten an der FH. Der projektbezogene Aufbau-Studiengang dauert drei Semester. Zum Jahresende will er fertig sein. Danach steht es ihm offen, zu promovieren. »Der MasterAbschluss ermöglicht mir Chancen, die ich sonst nicht hätte.« Alexander Bruchlos »Campus« erscheint jeden ersten Mittwoch im Monat. Kontakt: [email protected] Foto: Harald Schreiber