FAKULTÄT FÜR MATHEMATIK Prof. Dr. Patrizio Neff Christian Thiel 31.03.2014 Lösungsvorschlag zur Nachklausur Aufgabe 1: (9 Punkte) Geben Sie jeweils ein Beispiel an oder belegen Sie die Nichtexistenz für . . . a) . . . eine nicht differenzierbare Funktion. b) . . . eine Cauchyfolge, die konvergiert. c) . . . monotone, nach oben beschränkte Funktion f : R → R, die nicht konstant ist. d) . . . eine nichtleere Menge A ⊆ R mit inf A ≥ sup A. e) . . . eine beschränkte, nicht kompakte Menge. f) . . . eine reelle Zahl ξ, welche die Ungleichung |ξ − 5| < 2 sowie die Ungleichung |10 − ξ| < 4 erfüllt. Lösung: a) f : R → R mit f (x) = |x|. b) (an )n∈N mit an = 0 für alle n ∈ N, denn jede konvergente Folge ist eine Cauchyfolge. c) f : R → R mit f (x) = − ex . d) A = {0}. e) n1 ; n ∈ N . f) ξ = 13 2 . Aufgabe 2: (6+3 Punkte) Die Folge (an )n∈N0 sei rekursiv definiert als a0 := 1 an := an−1 + und 1 n! für n ∈ N . a) Stellen Sie eine explizite Formel für n-te Folgenglied an auf und beweisen Sie diese. b) Konvergiert (an )n∈N ? Falls ja, wie lautet der Grenzwert? Lösung: a) Es ist a1 = a2 = a3 = 1 1! 1 a1 + 2! 1 a2 + 3! 1+ = = 1 1 + 1! 2! 1 1 1 1+ + + . 1! 2! 3! 1+ Wir vermuten an = n X 1 k! k=0 und beweisen dies per vollständiger Induktion über n ∈ N. Es ist a1 = 1 + 1 X 1 1 = 1! k! k=0 1 und unter der Voraussetzung, dass für ein n ∈ N an = n X 1 , k! k=0 so gilt auch an+1 = an + n n+1 X X 1 1 1 1 = + = (n + 1)! k! (n + 1)! k! k=0 k=0 und so gilt die Vermutung nach dem Prinzip der vollständigen Induktion für alle n ∈ N. P∞ 1 b) Die Folge (an )n∈N ist die Partialsummenfolge der Reihe k=0 k! , also der Exponentialreihe ∞ X xn k! für x = 1 , k=0 welche für alle x ∈ R konvergiert mit Grenzwert ex , also gilt lim an = e . n→∞ Aufgabe 3: (6+3 Punkte) a) Bestimmen Sie, falls vorhanden, Supremum und Infimum der nachstehenden Mengen und beweisen Sie Ihre Ergebnisse. 1 i) (−1)n · ; n ∈ N n nn o m ii) − ; n, m ∈ N m n √ b) Bestimmen Sie mit Beweis inf n n ; n ≥ 42 . Lösung: a) i) Für ungerade n, d.h. n ∈ {1, 3, 5, . . .}, gilt 0 > − 1 1 = (−1)n · n n n≥1 ≥ − 1 = −1 . 1 Für gerade n, d.h. n ∈ {2, 4, 6, . . .}, gilt 0 < 1 1 = (−1)n · n n n≥2 ≤ 1 . 2 Somit gilt −1 ≤ (−1)n · 1 1 ≤ n 2 für alle n ∈ N. ii) Für jedes c ∈ R gibt es natürliche Zahlen n, m mit n > c + 1 (archimedische Anordnung der natürlichen Zahlen) und m = 1, sodass n m 1 − = n− ≥ n−1 > c m n n gilt. Also ist die Menge nicht nach oben beschränkt und es existiert kein Supremum. Ebenso gibt es für jedes c ∈ R natürliche Zahlen n, m mit m > −c + 1 und n = 1, sodass n m 1 − = − m ≤ 1 − m < 1 − (−c + 1) = c m n m gilt. Also ist die Menge nicht nach unten beschränkt und ein Infimum existiert auch nicht. √ √ b) Es ist n ≥ 1 und mit der Monotonie der n-ten Wurzel erhalten wir durch die Abschätzung n n ≥ n 1 = 1 die √ Zahl 1 als untere Schranke√der Menge. Zudem gilt limn→∞ n n = 1, d.h. √ √ für jedes ε > 0 existiert ein N ∈ N, n sodass | n − 1| < ε, also n n ∈ (1 − ε,√1 + ε) und damit insbesondere n n < 1 + ε für alle n > N gilt. Somit gibt es ein n ≥ max{42, N } ≥ 42 mit n n < 1 + ε und 1 + ε ist keine untere Schranke der Menge; so ist 1 die größte untere Schranke. 2 Aufgabe 4: (4+4+4 Punkte) Überprüfen Sie die nachstehenden Folgen auf Konvergenz und bestimmen Sie, falls möglich, ihren Grenzwert. r 1 n + (−1)n −n 1 a) an := √ , b) b := · e , n c) cn := n + · log n . (−1)n · n n2 + 4n − n n Lösung: a) Es ist an √ √ 1 1 n2 + 4n + n n2 + 4n + n 1 1p 2 ·√ = √ n + 4n + 1 = = √ = 2 2 2 4 n 4 2 2 n + 4n − n n + 4n + n n + 4n − n r 1 1+4· +1 n ! , 1 √ 1 1+4·0+1 = . 4 2 also lim an = n→∞ b) Es ist 1 n 1 (−1)n −n n −n ·e ≤ |(−1) | + · e = 1+ 0 ≤ |bn | = + · e−n , (−1)n · n (−1)n · n n n und 0 ≤ lim |bn | ≤ lim n→∞ n→∞ 1 1+ n · e−n = (1 + 0) · 0 = 0 , also lim bn = 0. n→∞ c) Sei c ∈√R gegeben. Sei N := max{3, c2 + 1}, dann gilt für alle n ≥ N auch log n ≥ log 3 > log e = 1 und √ n > c2 = c, also gilt r √ 1 cn > n+ ·1 > n > c für n ≥ N , n somit gilt lim cn = ∞, insbesondere ist die Folge unbeschränkt und divergiert. n→∞ Aufgabe 5: (4+4+4 Punkte) Überprüfen Sie die nachstehenden Reihen auf Konvergenz und absolute Konvergenz. 2 n ∞ X n a) , n+1 n=1 Tipp: n n+1 = b) ∞ X (−1)n · n=1 n−1 , n! c) n=1 1 n+1 n Lösung: n2 n , dann ist a) Sei xn := n+1 s n·n n p n n n |xn | = n = = n+1 n+1 Das Wurzelkriterium liefert nun mit lim sup n→∞ p n |xn | = 1 1 1 n = e < 1 limn→∞ (1 + n ) 2 n ∞ X n die absolute Konvergenz der Reihe . n+1 n=1 3 1 n+1 n ∞ X √ n n = 1 n . 1 + n1 42 . b) Es ist 1 (−1)n · n − 1 = n − 1 ≤ n = , n! n! n! (n − 1)! ∞ ∞ X X 1 xn 1 = = mit x = 1 konvergiert als Exponentialreihe (gegen ex = e) und so (n − 1)! n! n! n=0 n=0 n=1 ∞ X n−1 liefert das Majorantenkriterium die absolute Konvergenz der Reihe (−1)n · . n! n=1 die Reihe ∞ X c) Wegen lim n→∞ √ n 42 = 1 6= 0 ist das Trivialkriterium für Reihen nicht erfüllt und die Reihe ∞ X √ n 42 divergiert. n=1 Aufgabe 6: (6 Punkte) Entscheiden Sie mit Begründung, ob f : R → R mit ex + e−x 1 f (x) = + sgn(x) 2 + 2 2 eine Nullstelle besitzt. Hinweis: Die Funktion sgn : R → R ist gegeben durch sgn(x) = −1 für x < 0, sgn(0) = 0, sgn(x) = 1 für x > 0. Lösung: Angenommen, f hat eine Nullstelle. Dann gibt es ein x ∈ R, sodass 1 + sgn(x) = 0 2 2+ oder ex + e−x = 0. 2 Nun ist 1 1 1 + sgn(x) = − 1 = − 6= 0 2 2 2 1 1 1 + sgn(x) = +0 = 6 0 = 2 2 2 1 1 3 + sgn(x) = +1 = 6 0 = 2 2 2 für x < 0 für x = 0 für x > 0 und es gilt ex > 0 und e−x > 0 für alle x ∈ R, also 2+ ex + e−x 0+0 > 2+ = 2 2 2 für x ∈ R . Ein Widerspruch. Ergo besitzt f keine Nullstelle. Aufgabe 7: (4+6 Punkte) Sei f : R \ {3} → (0, ∞) mit f (x) = 1 (x−3)2 . a) Zeigen Sie: f ist surjektiv. b) Finden Sie D ⊆ R \ {3}, sodass die Einschränkung f |D : D → (0, ∞) bijektiv ist und weisen Sie dies nach. Lösung: a) Sei y ∈ R>0 gegeben. Setze x := f (x) = 1 √1 y √1 y + 3, dann ist y>0 +3 −3 2 = |y| = y . 4 b) Wegen 1 √ + 3 ; y ∈ R>0 y = R>3 ist f |R>3 bereits surjektiv. Für x1 , x2 ∈ R>3 mit x1 6= x2 , o.B.d.A. x1 > x2 , ist x1 > x2 ⇔ x − 3 > x2 − 3 | {z } | 1{z } ⇔ (x1 − 3)2 > (x2 − 3)2 1 1 < (x1 − 3)2 (x2 − 3)2 f (x1 ) < f (x2 ) . >0 ⇔ ⇔ >0 Aus x1 6= x2 folgt somit f (x1 ) 6= f (x2 ), also ist f |>3 surjektiv, insgesamt bijektiv. Aufgabe 8: (6+4 Punkte) Sei f : R → R mit ( x4 log(x2 ) für x 6= 0 f (x) := α für x = 0 derart gegeben, dass f stetig ist. a) Bestimmen Sie α. b) Ist f differenzierbar? Tipp: Es ist aus den Übungen bekannt: lim x log x = 0. x&0 Lösung: a) Setzen wir z := x2 , dann ist x → 0 gleichbedeutend mit z & 0, also ist lim x4 log(x2 ) = lim z 2 log(z) = lim z · z log(z) = 0 · 0 = 0 . x→0 z&0 z&0 Mit α := 0 ist dann lim f (x) = f (0). x→0 b) Sei die Funktion g die Einschränkung von f auf R \ {0}, also g := f |R6=0 , dann ist g als Zusammensetzung differenzierbarer Funktionen für jedes x0 ∈ R mit x 6= 0 selbst differenzierbar mit der Ableitung g 0 (x) = 4x3 log(x2 ) + x4 1 2x = 2x3 (2 log(x2 ) + 1) = 2x3 (log(x4 ) + 1) . x2 Betrachten wir nun den Differenzenquotienten von f an der Stelle x0 ∈ R: Sei x0 6= 0, dann gilt für h < |x0 | auch x0 + h 6= 0, also f (x0 + h) = g(x0 + h) und damit lim h→0 g(x0 + h) − g(x0 ) f (x0 + h) − f (x0 ) = lim = g 0 (x0 ) . h→0 h h Sei x0 = 0, dann ist f (x0 ) = 0 und wir erhalten lim h→0 f (x0 + h) − f (x0 ) f (h) = lim h→0 h h = lim h3 log(h2 ) = lim h · lim h2 log(h2 ) = lim h · lim k log(k) = 0 · 0 = 0 . h→0 h→0 h→0 h→0 Somit ist f differenzierbar mit Ableitung ( 2x3 (log(x4 ) + 1) für x 6= 0 0 f (x) := 0 für x = 0 Aufgabe 9: (3+3+3+3 Punkte) Die Folge (an )n∈N sei rekursiv definiert als a1 := 2 und an+1 := an 1 + . 2 an 5 k→0 Zeigen Sie: a) Für alle n ∈ N gilt: Aus an > √ 2 folgt an+1 > √ 2. b) (an )n∈N ist nach unten beschränkt. c) (an )n∈N ist monoton fallend. d) (an )n∈N konvergiert. Wie lautet ihr Grenzwert? Lösung: a) Für ein beliebiges n ∈ N sei an > äquivalent um: √ an+1 > 2 √ 2. Dann gilt insbesondere an > 0 und (an − √ 2)2 > 0. Wir formen √ an 1 + > 2 2 an ⇔ an >0 ⇔ ⇔ √ a2n + 1 > 2an 2 √ a2n − 2 2an + 2 > 0 √ (an − 2)2 > 0 , √ also ist an+1 > 2. √ √ √ √ b) Es ist a1 = 2 > 2 und aus an > 2 folgt an+1 > 2. So gilt an > 2 für alle n ∈ N nach dem Prinzip der vollständigen Induktion. ⇔ c) Für n ∈ N gilt √ an 1 1 an > 2 1 1 an+1 1 1 < = · + = + 2 + √ 2 = 1, an an 2 an 2 an 2 2 √ wegen an > 2 > 0 ist dies äquivalent zu an+1 < an . d) (an )n∈N ist nach unten beschränkt und monoton fallend, somit konvergiert die Folge gegen ein a ∈ R. Aus limn→∞ an = a folgt allerdings auch 1 limn→∞ an 1 a 1 an + = + = + . n→∞ 2 an 2 limn→∞ an 2 a a = lim an+1 = lim n→∞ Folglich muss für den Grenzwert a = a 2 + 1 a gelten. Es ist a 1 a 1 + ⇔ = ⇔ a2 = 2 . 2 a 2 a √ √ Wegen an > 2 für alle n ∈ N beibt als Grenzwert nur 2 übrig; es ist √ lim an = 2 . a = n→∞ Aufgabe 10: (4+4+3 Punkte) a) Zeigen Sie: Falls für eine Funktion f : R → R gilt, dass f (x) = 0, x→0 x lim so erfüllt sie auch lim f (x) = 0 . x→0 b) Gegeben sei die Funktion g : R → R mit g(x) = e−2x . Bestimmen Sie diejenigen Zahlen a, b ∈ R, für welche die Funktion h : R → R mit h(x) = ax + b die Eigenschaft lim x→0 g(x) − h(x) = 0 x aufweist. 6 c) Geben Sie ohne Begründung die Funktionsgleichung derjenigen Geraden an, welche die Funktion g an der Stelle x = 0 am besten approximiert. Lösung: a) Die Grenzwertsätze liefern: lim f (x) = lim x · x→0 x→0 f (x) f (x) = lim x · lim = 0 · 0 = 0. x→0 x→0 x x b) Da g als Zusammensetzung differenzierbarer Funktionen differenzierbar ist mit g 0 (x) = −2 e−2x , gilt g(x) = g(0 + x) = g(0) + g 0 (0) · x + R(x) = 1 − 2x + R(x) mit R : R → R und lim x→0 lim x→0 R(x) = 0. Wählen wir a := 1 und b := −2, dann ist g(x) = h(x) + R(x) und x g(x) − h(x) R(x) = lim = 0. x→0 x x c) Die beste Approximation erzielt die Funktion g aus b). 7