1.1.1.4 Bewegungen längs krummliniger Bahnkurven a) der schiefe Wurf Untersucht wird in diesem Abschnitt die Bewegung einer PM mit konstanter Beschleuni-gung a( t) a 0 , das heißt, es wird die Bahn einer PM bestimmt, die sich mit einer, dem Be-trage und der Richtung nach konstanten Beschleunigung bewegt. Sie verläuft, wie gezeigt wird, längs der durch v 0 v( t 0 ), r0 r ( t 0 ) , 1 r ( t) a 0 t 2 v 0 t r0 , 2 (1.1/8) gegebenen Bahnkurve. v 0 und r0 sind die Geschwindigkeit und der Ort der PM zur Anfangszeit t t 0 . Realisierungen solcher Bewegung sind der Wurf eines Steines im homogenen Erdschwerefeld und die Bewegung einer elektrischen Punktladung in einem homogenen elektrischen Feld. Man beachte, daß die gleichförmig geradlinige Bewegung in (1.1/8) für a 0 0 enthalten ist. Die Gleichung (1.1/8) der Bahnkurve ergibt sich nach der in Abschnitt 1.1.1.2 d) angegebenen Methode nach zweimaliger Zeitintegration unter Berücksichtigung der Anfangsbedingungen für Geschwindigkeit und Ort. Man erhält nach der ersten Integration v( t) a( t) dt a0 dt a0 dt a0 t C1 . (1.1/8a) Die zunächst unbestimmte Konstante C1 wird bestimmt, indem man die Anfangsbedingung für die Geschwindigkeit in die erhaltene für die Geschwindigkeit einsetzt, näm-lich Gleichung v(t0 ) v0 a0 t0 C1 . Daraus folgt C1 v 0 a0 t 0 und damit v( t) a 0 ( t t 0 ) v 0 . (1.1/8b) Die Bahnkurve ergibt sich nach nochmaliger Zeitintegration zu a0 (t t 0 )2 r ( t) (a 0 ( t t 0 ) v 0 ) dt a 0 ( t t 0 ) d( t t 0 ) v 0 dt v0 t C2 , 2 (1.1/8c) mit einer noch unbestimmten Integrationskonstante C 2 . Diese wird bestimmt, indem man die Anfangsbedingung für den Ort in die Gleichung für den Ortsvektor einsetzt. Man erhält a0 0 2 r ( t 0 ) r0 v 0 t 0 C 2 C 2 r0 v 0 t 0 2 (1.1/8d) und damit schließlich die gesuchte Bahnkurve a0 r ( t) ( t t 0 ) 2 v 0 ( t t 0 ) r0 . 2 (1.1/8) 9 Wenn eine andere Wahl nicht vorteilhafter ist, wählt man meistens t 0 0. Bewegt sich die PM im homogenen Schwerefeld der Erde, so ist a 0 g , der für alle Körper gleichen Erdbeschleunigung (unabhängig von deren Masse). Die Bewegung wird als schie fer Wurf bezeichnet, wenn v 0 und g nicht kollinear sind. Der freie Fall ( v 0 0 ) und der senkrechte Wurf aufwärts ( v 0 g) und abwärts ( v 0 g) sind als Spezialfälle enthalten. Die Bahnkurve liegt in der von v 0 und a 0 (beziehungsweise g ) aufgespannten Ebene durch den Punkt r0 und ist eine Parabel in dieser Ebene. Für die Anwendungen führt man meist ein Koordinatensystem ein. Seine Wahl ist willkür-lich und in keiner Weise durch die Physik vorgegeben. Bei geschickter Wahl kann man aber oft Rechenarbeit sparen. Das folgende Beispiel eines freien Fall auf der schiefen Ebe-ne zeigt, wie man beim Übergang zu Koordinaten vorgehen kann. Auf einer schiefen Ebene (Neigungswinkel ) sei ein KS gewählt, dessen x, y-Ebene mit der schiefen Ebene zusammenfällt. Seine z-Achse steht dann senkrecht auf dieser. Die x-Achse zeige in Richtung des stärksten Gefälles. Die Gleichung des schiefen Wurfes wird der Reihe nach skalar mit den Basisvektoren multipliziert. Das ergibt die drei Gleichungen (bedenke, daß r e x x, r e y y ,... ) x( t) 1 2 (ge x ) t x 0 , 2 y( t) 1 (ge y ) t 2 y 0 , 2 z( t) 1 2 (ge z ) t z 0 , 2 t 0 0. Nun ist ge x g1cos(( / 2) ) g(cos( / 2) cos sin( / 2) sin ) g sin , 0, ge y g1cos( / 2) ge z g1cos( ) g(cos cos sin sin ) g cos , und damit hat man die Bahngleichung in Koordinaten-Schreibweise, eine sogenannte Parameterdarstellung mit der Zeit t als Parameter x( t) g sin 2 t 2 x0 , y( t) y 0 , z( t) g cos 2 t 2 z0 . (1.1/8e) P0 ( x0 , y 0 , z0 ) ist der Raumpunkt, in dem die PM losgelassen wird. Übung: Aufgabe M2.4 des Abschnitts M2 aus dem „Übungsbuch Physik“, 8. Auflage, b) die Kreisbewegung 10 Auch die Kreisbewegung, das heißt die Bewegung einer PM auf einer kreisförmigen Bahnkurve soll koordinatenunabhängig behandelt werden. In diesem Fall ist die Form der Bahnkurve bekannt, nur der Ort der PM auf dieser Bahnkurve ist als Funktion der Zeit zu bestimmen. Die Kreisbahn ist im Raum festgelegt, wenn folgende Größen bekannt sind: a) der Ortsvektor rM des Kreismittelpunkts, b) die Kreisbahnebene, mit n als Normalen-Einheitsvektor auf der Bahnebene, c) der Bahnradius R. Die Kreisbahn wird durch die Gleichungen ( r r M ) n 0, ( r r M ) 2 R2 (1.1/9) vollständig bestimmt. Die letzte Gleichung kann auch in der Form r r M R geschrieben werden, r - r M = R. Diefferenziert man beide Gleichungen einmal nach der Zeit , so erhält man r n 0, 2( r r M ) r 0. (1.1/10) Sie drücken aus, daß die Geschwindigkeit v senkrecht auf n (also in der Kreisbahnebene liegt) und senkrecht auf dem Radiusvektor R r rM steht. Daher muß man, mit einem noch unbekanntem Faktor k , den Geschwindigkeitsvektor in der Form v k n ( r rM ) (1.1/11) darstellen können. Dieser Faktor muß von der Zeit abhängen, was man sieht, wenn man den Ansatz für die Geschwindigkeit zunächst vektoriell von links mit R und das Ergebnis skalar mit n multipliziert, v k n R R v k R ( v R ) n R v k [ R2 ( Rn ) 2 ] . (1.1/12) Mit der ersten Gleichung von (1.1/10) folgt daraus k R2 n ( R v ) und mit (1.1/2b) weiter 1 R v v v k n v eT n eR e T n ( n) , R R R R R (1.1/13) da das Kreuzprodukt des in die Richtung des Radiusvektors R zeigenden radialen Einheits vektors eR R / R mit dem in die Richtung des Geschwindigkeitsvektors zeigenden Ein heitsvektors e T gerade den Normaleneinheitsvektor n liefert, wenn der Umlaufsinn der PM auf dem Kreis mit dem festen Einheitsvektor n zusammen eine Rechtsschraube ergibt. Anderenfalls erhält man n . Da im allgemeinen der Betrag v des Geschwindigkeitsvektors zeitabhängig sein wird, ist die Behauptung k f ( t) damit bewiesen. 11 Da der zeitliche Ablauf der Bewegung der PM auf der Kreisbahn durch den Winkelabstand beschrieben werden kann, den der Radiusvektor R von einem in der Bahnebene fixierten Einheitsvektor e 0 (s. Skizze) hat, muß k(t) als einziger für eine Anpassung freier Parameter in irgendeiner Weise mit diesem Winkel zusammenhängen. Differenziert man R 1 cos Re0 nach der Zeit und setzt R v gemäß (1.1/12), dem An satz für v ein, so ergibt sich sin k n Re0 k n R e0 k 1 R e0 cos k R sin . R (1.1/14) Aus R sin ( k ) 0 liest man k ab, da diese Gleichung für beliebige Zeiten t gelten muß. Schließlich kann man für die Geschwindigkeit der PM auf der Kreisbahn schreiben n v( t) ( t) [ r ( t) r M ] . (1.1/15) (1.1/16) wird als Winkelgeschwindigkeit der PM auf ihrer Kreisbahn bezeichnet. Die Beschleunigung der auf der Kreisbahn umlaufenden Punktmasse erhält man wieder durch Bildung der Zeitableitung von v . Man findet a( t) v ( t) R R R ( R) R 2 R . (1.1/17) Mit n erhält man für festes n (das heißt, die Kreisbahnebene führt keine Kipp-Bewe n und damit zwei Beschleunigungs-Kompogung aus) die Winkelbeschleunigung nenten. n ReR R n eR R e T , aT ( r r M) R (1.1/18a) , ihre (mögheißt die Tangential-Beschleunigung. Ihr (stets positiver) Betrag ist a T R . Sie hat die Richtung von v licherweise auch negative) tangentiale Koordinate ist a T R und zeigt der Geschwindigkeit entgegen für positive Winkelbeschleunigungs-Koordinate . für negatives 2 R eR aN 2 ( r r M ) 2 R (1.1/18b) 12 heißt die Normal- oder Radial-Beschleunigung. Ihr (stets positiver) Betrag ist aN R 2 , ihre (stets negative) radiale Koordinate ist aN R 2 . Sie hat stets die zum Radiusvektor R beziehungsweise zum radialen Einheitsvektor eR R / R entgegengesetze Richtung. Für die Bestimmung des zeitlichen Ablaufs der Bewegung längs der Kreisbahn gilt vollkommen analog das im Abschnitt 1.1.1.2 d) Gesagte, nur jetzt für den Winkel ( t ) . ( t) von Winkelge1. Fall: Im einfachsten Fall ist ( t ) bekannt. Die Koordinaten ( t) und schwindigkeit und Winkelbeschleunigung (genauer: deren Koordinaten) ergeben sich daraus durch Zeitableitung. 2. Fall: Die Koordinate ( t ) der Winkelgeschwindigkeit ist explizit als Funktion der Zeit be( t) der Winkel-Beschleunigung ergibt sich dann durch Abkannt. Die Koordinate t leitung, der Winkel ( t ) durch Integration gemäß ( t) ( t 0 ) ( t) dt . Natürlich t0 muß dann auch der Winkel 0 ( t 0 ) zur Anfangszeit t 0 gegeben sein. Auch kompliziertere Fälle, in denen ( t) f [ ( t), t ] ist, sind natürlich möglich. 3.Fall: ( t ) der Winkel-Beschleunigung ist explizit als Funktion der Zeit Die Koordinate bekannt. ( t ) und (t ) ergeben sich daraus durch Integration. Zusätzlich müssen die Anfangswerte von und zur Anfangszeit t t 0 bekannt sein. ( t) f [ ( t), ( t), t ] , die Koordinate der WinkelbeIn komplizierteren Fällen ist schleunigung also neben der Zeit zum Beispiel noch vom Winkel selbst abhängig. Dann sind wiederum andere mathematische Methoden erforderlich, um die zu ermittelnde Funktion ( t ) zu berechnen. Anmerkung: Mit Hilfe der im Abschnitt b) eingeführten Darstellung eines Kreises im Raum kann man mühelos weitere Bahnkurven erzeugen, wenn man Bewegungen der Kreisbahn im Raum zuläßt, also rM und möglicherweise auch n zeitabhängig wählt. y r rM R vM x , 13 So erhält man mit n e z , r ( t) rM ( t) R(e x cos e y sin ) eine Zykloide, die für q 1 eine stumpfe, für q 1 eine spitze und für q 1 eine verschlungene Zykloide ist. Für konstantes v M ist wegen vM R auch konstant und daher ( t ) t . Aus r ( t) e x R( ( t) q sin ( t)) e y R(1 q cos ( t)) , mit ( t) t , folgt die Parameterdarstellung der Bahnkurve eines Punktes auf dem Umfang (das heißt bei einem RadiusR beziehungsweise q R) eines in der x, y-Ebene mit konstanter Geschwindigkeit vM vM e x rollenden Rades, x( t) R ( ( t) q sin ( t) ), y( t) R (1 q cos ( t) ) . Mit der Wahl rM vM t (h / T) e z t , n const. e z und R R (e x cos (t) e y sin(t)) , t , erhält man eine Schraubenlinie mit T als Dauer für einen Umlauf und h als Steigung. Mit T 2 / kann man noch (h / T) t (h / T )(t) (h / 2)(t) h ( / 2) schreiben. 1. Beispiel: Um wieviele Minuten nach dem Start um 15.00Uhr überdeckt der große den kleinen Zeiger einer Uhr zum erstenmal, zweitenmal, ....? 2 2 , k sind die Beträge der Winkelgeschwindigkeiten von großem 60 min 720 min und kleinem Zeiger. Daraus folgen die Winkel-Zeit-Funktionen gemäß dem angegebenen Schema, da hier der oben aufgeführte zweite Fall vorliegt zu g t g (t) g (t) dt g t , t k (t) ( / 2) k (t) dt k t / 2 . 0 0 Sind T1 , T2 ,....die Zeitpunkte, zu denen der große den kleinen Zeiger zum erstenmal, zweitenmal, .... überdeckt, so gilt T1 : g ( T1 ) k ( T1 ) g T1 k T1 / 2 T1 T2 : g ( T2 ) k ( T2 ) 2 g T2 k T2 5 / 2 T2 2(g k ) 16,36 min 5 2(g k ) 5 T1, . . . 2. Beispiel: Ein Rad wird innerhalb einer Zeit T gleichmäßig von einer anfänglichen Drehfrequenz f 1 auf eine Drehfrequenz f 2 abgebremst. a) Gib die beiden Winkelgeschwindigkeiten zu Beginn und am Ende der Beschleunigungsphase an, wenn der Drehsinn mit der Richtung von eine Rechtsschraube bildet. Was erhält man für den entgegengesetzten Drehsinn? b) Welche Winkelbeschleunigung erhält man in den beiden Fällen? c) Wieviele Umdrehungen führt das Rad innerhalb der Bremsphase aus? 14 15