Skript zur Vorlesung Spezielle BWL II Teil: Materialwirtschaft IT Kompaktkurs Wintersemester 2000/2001 Prof. Dr. Herbert Fischer Fachhochschule Deggendorf Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs Skript Folge12 WS 2000/2001 Empfohlene Literatur: Horst Hartmann: Materialwirtschaft Oeldorf/Olfert: Materialwirtschaft Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 2 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs Skript Folge12 WS 2000/2001 Inhaltsverzeichnis 1 Überblick: Materialwirtschaft ..................................................................................................... 4 1.1 Definition der Materialwirtschaft ...................................................................................................... 4 1.2 Hauptaufgaben der Materialwirtschaft............................................................................................. 4 1.3 Objekte der Materialwirtschaft ......................................................................................................... 5 1.4 Zielsetzungen der Materialwirtschaft ................................................................................................ 6 2 Beschaffung ................................................................................................................................. 7 2.1 Bedarfsermittlung................................................................................................................................ 7 2.2 Programmorientierte Bedarfsermittlung .......................................................................................... 9 2.2.1 2.2.2 Nettobedarfsermittlung ............................................................................................................................... 10 Dispositionsstufenverfahren zur Bedarfsermittlung.................................................................................... 11 2.3 Verbrauchsorientierte Bedarfsermittlung....................................................................................... 13 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 Verfahren zur verbrauchsorientierten Bedarfsermittlung............................................................................ 15 Mittelwertmethoden .................................................................................................................................... 15 Regressionsanalyse ..................................................................................................................................... 16 Exponentielle Glättung ............................................................................................................................... 16 2.4 Aufgaben ............................................................................................................................................ 17 Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 3 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs Skript Folge12 WS 2000/2001 1 Überblick: Materialwirtschaft Die dreiteilige Folge zur Materialwirtschaft werden die Themen Beschaffung Disposition Lagerwesen behandelt. Wir werden dabei Prozesse und Aufgaben der materialwirtschaftlichen Abwicklung, von der Beschaffung über die Disposition bis zum Lagerwesen kennenlernen und dabei zahlreiche Berechnungsverfahren ansprechen. Wir werden zunächst mit einigen grundlegenden Definitionen zur Materialwirtschaft beginnen. Anschließend werden wir uns verschiedenen Verfahren der Bedarfsermittlung widmen. Diese bilden den Startpunkt der materialwirtschaftlichen Abwicklung. 1.1 Definition der Materialwirtschaft Zunächst also eine Definition für die Materialwirtschaft: Die Materialwirtschaft umfasst alle unternehmenspolitischen Maßnahmen zur Planung, Durchführung und Kontrolle der Materialbeschaffung, Materiallagerung, Materialverteilung und Materialentsorgung. 1.2 Hauptaufgaben der Materialwirtschaft Die Hauptaufgaben der Materialwirtschaft bestehen in der Versorgung der Unternehmen mit Gütern und Dienstleistungen in der wirtschaftlichen Menge bei den geeignetsten Lieferanten zum günstigsten Zeitpunkt am richtigen Lager- und Einsatzort zum günstigsten Preis in zweckentsprechender Art und Qualität Was muss man sich denn genau unter zweckentsprechender Art und Qualität vorstellen? Beispiel: Schrauben in der richtigen Größe und aus dem richtigen Material zum Halten eines Rades am Auto. Die Schrauben müssen ins Gewinde passen und dürfen nicht rosten, d.h. Kunststoffschrauben sind hier nicht zweckentsprechend. Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 4 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs 1.3 Skript Folge12 WS 2000/2001 Objekte der Materialwirtschaft Welche Objekte müssen wir denn in der Materialwirtschaft unterscheiden? Objekte der Materialwirtschaft Rohstoffe Hilfsstoffe Betriebsstoffe Zulieferteile Handelswaren Rohstoffe gehen unmittelbar in das Fertigungserzeugnis ein bestimmen den 'materiellen' Grundcharakter Gehäusefertigung) der Fertigung (z.B. Blech in der Hilfsstoffe gehen als sogenannter 'akzessorischer' Bestandteil in das Fertigungserzeugnis ein (z.B. Schrauben, Verpackungsmaterialien) Betriebsstoffe selbst kein Bestandteil des Fertigerzeugnisses werden bei der Herstellung des Erzeugnisses verbraucht auch Büro- und Betriebsmaterialien, nicht erzeugnisgebundene Werkzeuge ( z.B. Sägeblätter, Fräser) Zulieferteile Normteile oder Spezialteile aus Zulieferbetrieben, die einen hohen Reifegrad aufweisen gehen meist durch Montage in das Erzeugnis ein. Handelswaren dienen der Ergänzung des Angebotes keine Veränderung zum Weiterverkauf Komplementärartikel, Zubehör, sortimentserweiternde oder sortimentsfremde Artikel Beispiel: Artikel, welche eingekauft und unverändert weiterverkauft werden (Zubehör für Computer, z.B.Kabel, CDs, etc.) Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 5 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs 1.4 Skript Folge12 WS 2000/2001 Zielsetzungen der Materialwirtschaft Zielsetzungen der Materialwirtschaft sind: Kostenminimierung Gewinnbeitrag Lagerverfügbarkeit Liquidität Langfristige Sicherung der Rohstoffquellen Verringerung der Fertigungstiefe (“outsourcing)* Qualitätsstandards (Minimal-/Maximalanforderungen) Umweltentlastung und Recycling (Wiederverwendbarkeit) Abstimmung mit Absatz-, Produktions- und Finanzpolitik Wie kann der Gewinnbeitrag in der MaWi ermittelt werden? Natürlich durch Kosteneinsparungen ! Gegen wir mal davon aus, dass der Materialaufwand in einem Unternehmen 50% vom Umsatz beträgt. Gehen wir von einer Umsatzrentabilität von 5% und einer gleichzeitigen Kosteneinsparung von 5% im Bereich der MaWi aus. Resultat: Die MaWi generiert einen Gewinnbeitrag von 50%, das wäre immens ! Was bedeutet: Verringerung der Fertigungstiefe Fertigungstiefe entspricht der Anzahl von Zwischenstufen vom Rohteil bis zum Fertigprodukt. Wenn nur die Endmontage oder nur die Verpackung durchgeführt wird, ist die Fertigungstiefe sehr gering Beispiel: Konfigurieren von PCs ! Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 6 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs Skript Folge12 WS 2000/2001 2 Beschaffung Wir wollen uns in diesem Kapitel intensiv mit der Bedarfsermittlung beschäftigen. Zunächst die Grundlagen der Bedarfsermittlung: Deckung des Materialbedarfes artgerecht mengengerecht zeitgerecht 2.1 Bedarfsermittlung Bedarfsermittlung A-Güter 15% der Güter mit 80% Wertanteil exakte Ermittlung B-Güter 35% der Güter mit 15% Wertanteil „genaue“ Ermittlung C-Güter 50% der Güter mit 5% Wertanteil Prognose, Schätzung Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 7 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs Skript Folge12 WS 2000/2001 Wir werden zwei Verfahren zur Materialbedarfsermittlung vorstellen: Bedarfsermittlung Verfahren programmorientiert (A- & B-Güter) verbrauchsorientiert (C-Güter) Wodurch unterscheiden sich denn diese Verfahren ? Während wir bei der Verbrauchsorientierung die Erfahrungen der Vergangenheit nutzen um künftige Bedarfe abzuleiten, beziehen wir uns bei der Programmorientierung auf aktuelle Kundenanforderungen (Kundenaufträge) und/oder Bedarfsprognosen auf Basis von Planzahlen (Lageraufträge). Praxisbeispiele: Verbrauchsorientierung: Treibstoffe, Öle, Schrauben Programmorientierung: Einzelanfertigung von Möbeln Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 8 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs 2.2 Skript Folge12 WS 2000/2001 Programmorientierte Bedarfsermittlung Bedarfsermittlung programmorientiert Nach Erzeugnisebene und Ursprung: Primärbedarf Bedarf an verkaufsfähigen Erzeugnissen Sekundärbedarf Bedarf an Rohstoffen, Teilen und Gruppen zur Fertigung des Primärbedarfes Tertiärbedarf Hilfs- und Betriebsstoffe Wie können wir denn jetzt den genauen Bedarf ermitteln? Bedarfe können mit bzw. ohne Berücksichtigung der Materialbestände ermittelt werden: Es handelt sich dabei um verschiedene Stufen Bruttobedarfsermittlung bis zur Nettobedarfsermittlung. Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf der Bedarfsermittlung, Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: von der 9 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs 2.2.1 Skript Folge12 WS 2000/2001 Nettobedarfsermittlung Bedarfsermittlung Ermittlung des Nettobedarfs Sekundärbedarf = Primärbedarf * Menge Stücklistenbestandteile Bruttobedarf = Sekundärbedarf + Zusatzbedarf Nettobedarf = Bruttobedarf - Lagerbestände - Bestellbestände + Vormerkbestände Unter Zusatzbedarf versteht man Mehrbedarf für Wartung und Reparatur Nebenbedarf für Sonderzwecke, Versuche o.ä. Bedarf an selten nachgefragten Produkten oder Teilen Minderlieferungen wegen Ausschuss o.ä. Die Nettobedarfe werden periodisch ermittelt. Bestellbestände führen nach Lieferung zur Erhöhung des Lagerbestandes, während Vormerkbestände (z.B. der Fertigung) nicht mehr zur Nettobedarfsdeckung herangezogen werden können. Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 10 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs 2.2.2 Skript Folge12 WS 2000/2001 Dispositionsstufenverfahren zur Bedarfsermittlung Beispiel (aus: Oeldorf, Olfert) Bedarfsermittlung der Teile eines Produktes in der Reihenfolge von Dispositionsstufen unter Berücksichtigung von Mehrfachteilen, welche auf die unterste Verwendungsstufe (Dispositionsstufe) herunter gezogen wurden. Dieses Verfahren wird in der betrieblichen Praxis häufig eingesetzt. Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 11 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs Skript Folge12 WS 2000/2001 Bedarfsermittlung Im Beispiel: Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 12 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs 2.3 Skript Folge12 WS 2000/2001 Verbrauchsorientierte Bedarfsermittlung In vielen Praxisfällen ist es sinnvoller, den zukünftigen Bedarf aus den Verbräuchen der Vergangenheit zu ermitteln. Bedarfsermittlung verbrauchsorientiert Verbrauchsorientierte Bedarfsermittlung = zukünftiger Bedarf aufgrund von Vergangenheitswerten Einsatzbereiche Tertiärbedarf (Verschleißwerkzeuge,Hilfs- und Betriebsstoffe) Ersatzteilbedarf, ungeplante Entnahmen C-Güter Einzelfertigungsbedarf Beispiel: Nehmen wir die Verschleißwerkzeuge. Gerade in der Werkstückbearbeitung, z.B. beim Bohren, Fräsen etc. kommt es immer wieder zum Werkzeugbruch. Der Schaden der dadurch entsteht (Zeit, Kosten, Folgeschäden) ist immens. Man wird deshalb Vergangenheitsdaten analysieren, wobei man nicht nur die Betriebsdauer bin zu einem erfolgten Werkzeugbruch sondern auch technologische Untersuchungen durchführen wird. Dabei werden Haltbarkeitsdaten ermittelt, welche in die verbrauchsorientierte Bedarfsermittlung einfliessen. Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 13 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs Skript Folge12 WS 2000/2001 Typische Vergangenheitsverläufe in der Praxis: konstant trendförmig saisonal unregelmäßig unstetig Stochastische Verfahren 1200 1000 800 600 400 200 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Unregelmäßige und unstetige Verläufe lassen sich in der verbrauchsorientierten Bedarfsermittlung schwer nutzen. Konstante, trendförmige und saisonale Vergangenheitsverläufe sind dagegen sehr gut geeignet. Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 14 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs Skript Folge12 WS 2000/2001 2.3.1 Verfahren zur verbrauchsorientierten Bedarfsermittlung Es kommen stochastische Verfahren zum Einsatz: Mittelwertmethoden Regressionsanalyse Exponentielle Glättung 2.3.2 Mittelwertmethoden Mittelwertmethoden Voraussetzung langfristig konstanter Bedarfsverlauf Methoden gleitender Mittelwert V T1 T1 ..... Tn n V Ti n = = = Vorhersagewert für die nächsten Perioden Materialbedarf der Periode i Anzahl der zugrundeliegenden Perioden gewogener gleitender Mittelwert G G T G2T2 G3T3 ..... GnTn V 1 1 G1 G2 G3 ..... Gn Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf = Gewicht der Periode i Beispiel: i=4: 10%,20%,30%,40% Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 15 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs 2.3.3 Skript Folge12 WS 2000/2001 Regressionsanalyse Regressionsanalyse Voraussetzung trendförmiger Bedarfsverlauf Methode lineare Regressionsanalyse y (t ) a b * t a n1 ( y1 y2 y3 ..... y n ) b 12 n ( n 2 1) y a b t i = = = = = Regressionswert y-Achsenabschnitt der Regressionskurve Steigung der Regressionskurve Zeit Anzahl der Betrachtungsperioden plus 1 y1 (1 n21 ) y2 ( 2 n21) y3 (3 n21 ) ..... yn ( n n21 ) t i n21 2.3.4 Exponentielle Glättung Exponentielle Glättung Voraussetzung konstanter (1. Ordnung) oder trendförmiger (2. Ordnung) Bedarf mit Gewichtung Methode exponentielle Glättung 1. Ordnung Vn = neue Vorhersage Va = alte Vorhersage Ti = Tatsächlicher Bedarf der abgelaufenen Periode Vn Va (Ti Va ) = Glättungsfaktor (0< <1) „klein“ = Übergewichtung der „älteren“ Vergangenheit „groß“ = Übergewichtung der „jüngeren“ Vergangenheit Praxis: 0,1 < < 0,3 Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 16 Spezielle BWL II: Materialwirtschaft: IT-Kompaktkurs 2.4 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 Skript Folge12 WS 2000/2001 Aufgaben Welchen Zwecken dienen Verwendungsnachweise ? In welchen Stufen kann die programmorientierte Ermittlung des Materialbedarfes erfolgen ? Aus welchen Komponenten besteht der Bruttobedarf ? Welche Größen werden im Nettobedarf berücksichtigt und weshalb ? Welche Bedeutung hat die Vorlaufverschiebung bei der Ermittlung des Materialbedarfes ? Üben Sie das Dispositionsstufen-Verfahren an einem selbstgewählten Beispiel mit zwei Erzeugnissen E1 und E2. Dabei soll das Teil C soll in beiden Erzeugnissen Verwendung finden. Welche Gesichtspunkte sind bei der Festlegung der Größe des Vorhersagezeitraumes von Bedeutung ? Nennen Sie zwei Bedarfsverläufe, die sich für Prognosen nicht eignen und erläutern Sie weshalb ! Grenzen Sie den konstanten Bedarfsverlauf mit größeren Schwankungen vom saisonabhängigen Bedarfsverlauf ab ! Erläutern Sie, wie der gleitende Mittelwert festgestellt wird und wofür er geeignet ist ! Bei welchem Bedarfsverlauf bedient man sich der Regressionsanalyse ? Prof. Dr. H. Fischer, FH Deggendorf Stand: 14.05.16, Datei: 68620983, Seite: 17