Prof. Dr. Henning Schulze Entwicklungsstufen des Marketing und Besonderheiten des Konsumgüter-, Dienstleistungs-, und Investitionsgütermarketing Der Begriff des „Marketing“ ist heute in aller Munde. Doch was bedeutet der Begriff „Marketing“ eigentlich genau? Was steckt hinter dem so oft verwendeten Terminus? Marketing wie wir es heute verstehen wurde nicht immer in dieser Form definiert. Wollen wir einen kurzen Blick auf die Entwicklung des Marketing werfen: (Folie 1) Entwicklungsstufen Entwicklungsstufen des des Marketing Marketing ProduktionsProduktionsOrientierung Situation: Nachfrage größer als Angebot und hohe Herstellkosten Ziel: Marktausweitung durch kostengünstig produzierte Güter VerkaufsVerkaufsOrientierung Situation: gesättigte Markte Ziel: Mit intensiven Verkaufsanstrengungen Marktanteile behaupten und gewinnen VerbraucherVerbraucherOrientierung Situation: hoch entwickelte Volkswirtschaften mit kaufkräftigen Konsumenten, wachsendem Güterangebot, verkürzten Produktlebenszyken und Informationsüberflutung Ziel: Zufriedene Kunden durch Produkte die besser sind als die der Konkurrenz StrategieStrategieOrientierung Situation: Langfristige Änderung der Produktions- und Konsumbedingungen Ziel: Erschließung und Bearbeitung von Märkten zur langfristigen Existenzsicherung BeziehungsBeziehungsOrientierung Situation: Starke Angleichung der Produkte, extremer Wettbewerb, Auflösung von Sozialstrukturen, schnelle Informationsbeschaffung für jedermann Ziel: Aufbau und langfristiges Halten von Kundenbeziehungen Produktions-Orientierung: nach dem zweiten Weltkrieg, also in den 40er und 50er Jahren, war die Nachfrage deutlich größer als das Angebot. Die hergestellten Produkte wurden in kleinen Mengen produziert. Die Herstellkosten und damit auch die Marktpreise für die Produkte waren hoch. Zielsetzung der Marketingarbeit in dieser Zeit war, durch kostengünstige produzierte Produkte die Märkte auszuweiten und Massenmärkte zu schaffen. Beispiel: Motorräder Verkaufs-Orientierung: in der anschließenden Periode der 60er Jahre führte die erfolgreiche Massenproduktion zunehmend zur Sättigung der Märkte. Viele Haushalte waren mit Ge- und Verbrauchsgütern ausgestattet. Die Zielsetzung der Marketingarbeit lag in dieser Zeit darauf, mit intensiven Verkaufsanstrengungen die bisherigen Marktanteile zu behaupten, vielleicht sogar auszubauen. Beispiel: Kühlschränke Konsumenten-Orientierung: in den 70er Jahren war die Situation in den Industriestaaten immer stärker dadurch geprägt, daß die Konsumenten immer mehr Geld für den Konsum zur Verfügung hatten, das Güterangebot immer stärker wuchs, die Verbraucher einer bis dahin nicht gekannten Informationsflut ausgesetzt wurden und die Produkte immer kürzer auf dem Markt waren, bevor sie durch neue ersetzt wurden. Beispiel: Körperpflegemittel, wie Hautcremes. Strategie-Orientierung: die Konsumenten wurden kritischer, der Wettbewerb unter den Produzenten immer stärker. Kurzfristiges Agieren in den Märkten, ohne mittel- und langfristige Planung brachte in den 80er Jahren viele Unternehmen in Schwierigkeiten. Ziel der Marketingarbeit wurde mehr und mehr, die langfristige Ausrichtung am Markt, also den Konsumenten und den Mitbewerbern. Beispiel: Armbanduhren. Beziehungs-Orientierung: seit Beginn der 90er Jahre haben sich die Produkte immer stärker angeglichen. Unterschiede zwischen den Konkurrenzangeboten wurden für die Verbraucher immer schwieriger zu unterscheiden. Nicht zuletzt durch die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung wurde der Wettbewerb zwischen den Anbietern immer schärfer. Sozialstrukturen lösten sich mehr und mehr auf. Die schnelle und Beschaffung für jedermann wurde durch Telekommunikation, Internet und weitere elektronische Neuerungen möglich. Zielsetzung der Marketingarbeit ist heute das Aufbauen und Halten von Kundenbeziehungen möglichst über die gesamte Lebensdauer des Kunden hinweg. Welche Merkmale prägen die Marketingarbeit heute? Nun, zum einen ist die Absicht menschliches Verhalten zu beeinflussen und oder zu steuern dominant. Die Beeinflussung erstreckt sich dabei zumeist auf erwünschte kommerzielle Austauschprozesse. Im Mittelpunkt steht also der Austausch von Gütern gegen Entgelt im weitesten Sinne, sogenannte VerkäuferKäufer-Systeme. Ökonomische Zielsetzungen sind der Kern der Transaktionen oder stellen Nebenbedingungen dar. Dabei bestehen die Produkte und Leistungen aus privaten und/oder öffentlichen Gütern und Dienstleistungen. Welches Handwerkszeug haben wir für die Marketingarbeit zur Verfügung? Die klassischen vier Instrumente sind (Folie 2) Überblick Marketing Überblick über über die die MarketingMarketing-Instrumentarbereiche Instrumentarbereiche Produktpolitik Kommunikationspolitik Preispolitik Distributionspolitik Servicepolitik Internes Marketing Durch die zunehmende Relevanz der vorhin angesprochenen Beziehungsprozesse zwischen Anbieter und Nachfrager werden heute in vielen Unternehmen zwei weitere Instrumente genutzt: die Servicepolitik und das Interne Marketing (als die personalbezogene Komponente der Marketingarbeit). Die verschiedenen Instrumente werden zusammen eingesetzt. In diesem Zusammenhang wird vom Einsatz des Marketing-Mix gesprochen. Wir können uns das Marketing als einen „Werkzeugkoffer“ vorstellen. (Folie 3) Analogie Analogie des des Marketing-Mix-Begriffes Marketing-Mix-Begriffes Werkzeugkasten = Marketing Werkzeugfächer = Marketing - Instrumentarbereiche Werkzeuge = Marketinginstrumente Inhalt des „ Werkzeugkastens Marketing“ Marketing Produktpolitik Kommunikationspolitik Preispolitik Distributionspolitik Servicepolitik Internes Marketing In diesem Werkzeugkoffer finden wir verschiedene „Werkzeugfächer“ (die Marketing-Instrumentarbereiche), in denen wiederum „Werkzeuge“ liegen, die eigentlichen Marketing-Instrumente, wie etwa die Werbung im Fach der Kommunikationspolitik und das Bonussystem im Fach der Preispolitik. Der Begriff „Marketing-Mix“ beschreibt den gemeinsamen Einsatz der „Marketinginstrumente“. Wie bei den Instrumenten, mit denen ein Konzert gespielt wird, ist dabei nicht nur wichtig DAS, sondern vor allem auch WIE und WANN sie gespielt werden. Nachdem wir uns die Entwicklung des Marketing und seine Merkmale angeschaut haben und uns einen Überblick über den „Werkzeugkoffer“ verschafft haben, möchte ich näher auf die Besonderheiten unterschiedlicher Wirtschaftsgüter eingehen. Wegen ihrer Unterschiedlichkeit sieht die Marketingarbeit für diese Güterkategorien auch unterschiedlich aus. Hierzu lassen wir Fachleute aus entsprechenden Unternehmungen zu Wort kommen. Für eine sinnvolle Marketingarbeit muß Im Rahmen des kommerziellen Marketing muss eine Differenzierung nach der Art des zu vermarktenden Angebotes vorgenommen werden. In diesem Zusammenhang lassen Sie uns das Konsumgüter-, das Dienstleistungs- und das Investitionsgütermarketing unterscheiden. Was macht nun die Unterschiedlichen Angebote aus und wo werden die Schwerpunkte der Marketingarbeit gesetzt? Beginnen wir mit den Konsumgütern. Hier werden ganz grob Verbrauchs- und Gebrauchsgüter unterschieden. Eine Unterscheidung, die nicht sehr trennscharf ist. Werfen wir hierdurch doch so unterschiedliche Güter wie Kaviar und Brot (Verbrauchsgüter) sowie Badehosen und Fernsehgeräte (Gebrauchsgüter) in einen Topf. Trennschärfer ist die Unterteilung in Güter des täglichen, des gehobenen und des speziellen Bedarfs vorgenommen werden. Güter des täglichen Bedarfs, sogenannte „convenience goods“, sind beispielsweise Lebensmittel, wie Milch, Salz, Zucker und Brot oder Produkte wie billige Socken usw. „Shopping goods“, Güter des gehobenen Bedarfs, dagegen sind z. B. höherwertige Kleidung bzw. Lebensmittel, beispielsweise Cognac oder Trüffel, und Produkte wie Fernsehgeräte, PCs für den privaten Gebrauch etc. Güter des Spezialbedarfs, „specialty goods“, sind sehr hochwertige Güter, die meist nur einmal oder aber sehr selten im Leben gekauft werden. Hierzu zählen z. B. Immobilien, teuere Autos, das Diamant-Collier der Herzdame usw. Für den Kauf dieser Konsumgüter bedarf es eines langen und intensiven Entscheidungsvorbereitungsprozesses. (Folie 4) Unterscheidung Unterscheidung von von Konsumgütern Konsumgütern convenience goods shopping goods specialty goods Einspieler 1 aus dem Bereich Konsumgüter (idealerweise Convenience Bereich) Kommen wir nun zu den Dienstleistungen: Dienstleistungen kommen in einer äußersten Vielfalt vor. So etwa in Banken, Transportunternehmen und Unternehmensberatungsgesellschaften. Aber auch Zahnärzte und Frisöre, Professoren und Kfz-Mechaniker sind Dienstleister. Am sinnvollsten sind Dienstleistungen über ihre Merkmale zu definieren. Eines dieser Merkmale von Dienstleistungen ist die Intangibilität (Chart 5), die Nicht-Greifbarkeit. Zentrale Zentrale Merkmale Merkmale von von Dienstleistungen Dienstleistungen NichtNicht-Greifbarkeit NichtNicht-BeBe-Greifbarkeit Gleichzeitigkeit von Herstellung und Verbrauch Kunde bringt sich oder etwas von sich ein Dienstleistung Das bedeutet, dass die Dienstleistung weder transport- und ausstellfähig, noch lager-, greif- und sichtbar ist Auch sind Dienstleistungen nur sehr schwer begreif- und deshalb auch bewertbar. Das zweite Merkmal ist die Simultaneität, die Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum. Die Dienstleistung wird also in dem Moment konsumiert, in dem sie erstellt wird. Sie verfällt also im Moment ihrer Produktion. Das, was wir vom Dienstleister oft mit nach Hause nehmen ist nicht die eigentliche Leistung. Vielmehr handelt es sich in den meisten Fällen um das Ergebnis der Dienstleistung. Denken Sie etwa an die kurz geschnittenen Haare (Dienstleistung = Vorgang des Haarschneidens) oder das Wissen nach einer Seminarveranstaltung in der Hochschule (Dienstleistung = Lehrveranstaltung). Als drittes und letztes Merkmal ist die Integration des externen Faktors zu nennen. Der Kunde bringt sich selbst, oder ein ihm gehörendes Objekt in den Dienstleistungserstellungsprozeß ein. So z.B. bringt er sein Auto zur Reparatur in die Werkstatt, oder sich selbst mit seinem Haarschopf zum Frisör. Aufgrund dieser Besonderheiten ist bei den Dienstleistungen die Marketingarbeit ungleich schwieriger. Gilt es doch ein Wirtschaftsgut zu planen, zu kommunizieren, zu vermarkten und zu kommunizieren, das nicht greif- und sichtbar ist, das in engem Kontakt zum und unter Mitwirkung des Konsumenten entsteht und das deshalb sehr stark von der persönlichen Interaktion zwischen Kontaktpersonal des Dienstleisters und dem Konsumenten entsteht. Neben den vorhin genannten klassischen Marketinginstrumenten kommt als weiterer wichtiger Bereich das Interne Marketing hinzu. Es plant und steuert die Personalressourcen im Marketing-Sinne. Einspieler 2 aus dem Bereich Dienstleistungen Das Investitionsgütermarketing als dritte Art von Wirtschaftsgütern richtet sich auf die Vermarktung von Wiedereinsatzfaktoren, wie Rohstoffen, Anlagen, Fabriken usw. (Folie 6) Zentrale Zentrale Merkmale Merkmale von von Investitionsgütern Investitionsgütern Formalisierter KaufentscheidungsKaufentscheidungsprozess geringe Zahl der Bedarfsträger direkte, Persönliche Interaktion Investitionsgüter Die besonderen Merkmale bei den Investitionsgütern sind, daß der Kaufentscheidungsprozess oft stark formalisiert ist und im Gegensatz zu den beiden anderen Güterarten kollektiviert ist. Das bedeutet, die Güter werden nicht von Einzelnen gekauft, sondern es sind meist mehrere Personen daran beteiligt. Deshalb, und aufgrund der Komplexität vieler Investitionsgüter, bedarf es eines formalisierten Prozesses. Dieser Prozeß wird oft über offizielle Anfragen oder Ausschreibungen gesteuert. Hier spielt auch das in der letzten Sendung angesprochene Buying Center im Zusammenhang mit dem Kaufverhalten von Organisationen eine Rolle. Ein weiteres Merkmal ist die geringe Zahl der Bedarfsträger. Dabei wird die gesamte Marketinganstrengung oftmals auf nur sehr wenige Kunden fokussiert. Als letztes Merkmal ist die direkte, personale Interaktion zu nennen, da Investitionsgüter zumeist nicht in anonymen Märkten angeboten werden. Vielmehr sind die Kontakte zwischen Herstellern und Verkäufern oft sehr persönlich. Hersteller und Kunden kennen sich, ihre Produkte und Leistungen oft sehr genau. Es bestehen enge persönliche Kontakte zwischen Anbietern und Nachfragern. Ebenso, wie im Bereich der eben diskutierten Dienstleistungen spielen Beziehungsprozesse für die Marketingarbeit von Investitionsgüterherstellern eine sehr wichtige Rolle. Einspieler 3 aus dem Bereich Investitionsgüter Zusammenfassend über die Entwicklung des MarketingGedankens und über die Betrachtung der unterschiedlichen Güterarten, für die es Marketingarbeit zu leisten gilt, kann gesagt werden, daß die Steuerung von Beziehungsprozessen immer wichtiger wird. Vor allem in diesem zwischenmenschlich so schwierigen Bereich liegen die Hauptherausforderungen für das Marketing in den kommenden zehn Jahren.