Widerrufs – und Rückgaberechte

Werbung
A. Einleitung
Bereits 1978 wurden Vorarbeiten geleistet, um die Grundzüge des BGBs neu zu überarbeiten
und die Lücken, die seit der Gründung des BGBs ersichtlich wurden, zu bearbeiten und zu
schließen. Dr. Klaus Kinkel legte 1991 als Bundesminister der Justiz den Abschlußbericht
der eingesetzten Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts vor und hoffte, dass diese
bald umgesetzt würden.1
Doch erst durch die Richtlinie 1999/44/EG wurde der deutsche Gesetzgeber gezwungen, die
umfangreichste und größte Gesetzesreform zu entwickeln, die seit Bestehen des BGB
umgesetzt wurde. Die Richtlinie 1999/44/EG ist eine Verbrauchsgüterrichtlinie, deren
Umsetzung bis zum 31.12.2001 erfolgen musste.
Das „Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts“ musste darüber hinaus die Artikel 10,11
und 18 der E – Commerce Richtlinie 2000/31/EG in deutsches Recht umwandeln.
Das deutsche Gesetz wurde verändert, ergänzt oder neu gestaltet zum einen im Kauf- und
Werkvertragsrecht. Dort hat man die Neuregelungen auf alle Kaufverträge ausgedehnt.2
Zum anderen im allgemeinen Leistungsstörungsrecht, welches jetzt im Wesentlichen durch
den Begriff der „Pflichtverletzung“ geprägt wird, wurden Veränderungen vorgenommen.
Die Verjährungsregelungen wurden nicht nur verändert, sondern sie wurden praktisch
komplett umgestaltet.3
Des weiteren wurden die erst seit kurzer Zeit existierenden Neuregelungen der
verbraucherschützenden Widerrufsrechte in den sonderprivatrechtlichen Nebengesetzen im
Wesentlichen geändert.4
Diese
verbraucherschützenden
Widerrufsrechte
waren
bisher
im
Verbraucher
–
Sonderprivatrecht geregelt und nun durch die Schuldrechtsreform in das BGB integriert. 5 Das
Ziel war das Privatrecht zu vereinheitlichen und der zunehmenden Auslagerung wichtiger
Rechtsmaterien aus
dem
BGB und der
damit
entstehenden Rechtszersplitterung
entgegenzuwirken.6
Integriert wurden vor allem die Verbraucherschutzgesetze, die separat geregelt waren, wie das
Haustürwiderrufs-, das Verbraucherkredit-, das AGB Gesetz, sowie die Regelungen über die
Teilzeitwohnrechte und das Fernabsatzgesetz.
BT – Drucksache 14/ 7052, S.1.
Dauner – Lieb in: Das neue Schuldrecht, S. 5.
3
Dauner – Lieb in: Das neue Schuldrecht, S. 8.
4
Fischer in: DB 2002, S. 253, S. 253.
5
Brüggemeier/ Reich in: BB 2001, S. 213, S. 213
6
BT – Drucksache 14/ 7052.
1
2
1
Diese wurden unter „besondere Vertriebsformen“ in den § 312 bis § 312 f BGB geregelt. Die
damit unmittelbar verbunden Vorraussetzungen der Widerrufs- und der Rückgaberechte
wurden in den § 355ff. BGB geregelt.
Gleichzeitig mit ihrer Integration wurden unter anderem die Gesetze über den Widerruf von
Haustürgeschäften in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000, das TeilzeitWohnrechtegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000, das
Fernabsatzgesetz vom 27. Juni 2000, das Verbraucherkreditgesetz in der Fassung der
Bekanntmachung vom 29. Juni 2000 und das AGB – Gesetz in der Fassung der
Bekanntmachung vom 29. Juni 2000 aufgehoben.
B. Widerrufsrechte im BGB
1. Überblick der Widerrufs- und Rückgaberechte
Im BGB sind in vielen Bereichen Widerrufs- bzw. Rückgaberechte geregelt. Die folgende
beispielhafte Aufzählung einiger Widerrufsrechte zeigt, dass diese im gesamten BGB verteilt
sind und der Widerruf daher keine einheitliche Bedeutung hat, sondern dem Widerrufsrecht je
nach Anwendungsgebiet einen unterschiedlichen Sinn erhält.7 Es gibt unter anderem
Widerrufs- bzw. Rückgaberechte in - § 109 Widerrufsrecht bei Rechtsgeschäften mit
Minderjährigen - § 312 Widerrufsrecht bei Haustürgeschäften - § 312 d Widerrufs- und
Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen - § 355
Widerrufs-
und
Rückgaberecht
bei
Verbraucherverträgen - § 485 Widerrufsrecht bei Teilzeit-Wohnrechteverträgen - § 495
Widerrufsrecht bei Darlehensvertrag - § 503 Rückgaberecht bei Finanzierungshilfen - § 530
Widerruf der Schenkung - § 658 Widerruf der Auslobung - § 671 Widerruf des Auftrags § 790 Widerruf der Anweisung - § 2271 Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen.
2. Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen
a. Das Widerrufsrecht nach alter Fassung
Mit Wirkung zum 30.06.2000 wurde das Widerrufsrecht für Verbraucherverträge durch die
Schaffung des § 361 a und § 361 b BGB in das BGB integriert.8 Erst durch die Definition der
Grundbegriffe des „Verbrauchers“ gemäß § 13 BGB und des „Unternehmers“ gemäß § 14
BGB wurden die Grundlagen dafür gelegt.9 Die Widerrufsrechte im Verbraucherkredit-,
Haustürwiderrufs- und Teilzeit-Wohnrechtgesetz verwiesen auf die § 361 a BGB und sollten
so das „schwer durchschaubare, fast schon chaotische Durcheinander“ beseitigen, welches
7
Koppenfels in: WM 2001, S. 1360, S. 1362.
Fischer in: DB 2002, S. 253, S.253.
9
BT – Drucksache 14/ 7052, S. 179.
8
2
durch die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Sondergesetzen geherrscht hat.10
Durch § 361 a BGB hat der Gesetzgeber die Konstruktion der so genannten „schwebenden
Wirksamkeit für alle Verbraucherschutzgesetze“ entwickelt.11 Er hoffte das Modell der
„schwebenden Unwirksamkeit“ abzuschaffen, da dieses vor allem in der Bedeutung ihrer
Rechtsnatur zu Streitigkeiten führte.12 § 361 a BGB hat dem Verbraucher einen
Erfüllungsanspruch nach dem Vertragsschluss zugestanden, bei dem er dennoch die
Möglichkeit hat, sich mit einem Widerruf vom Vertrag zu lösen und wurde damit nach der
Systematik aber eher zu einem gesetzlichen Rücktrittsrecht.13 Die Diskussionen über die zwei
existierenden Modelle, der „schwebenden Unwirksamkeit“ zum einen, und der „schwebenden
Wirksamkeit des Verbrauchervertrags“ zum anderen, ging weiter und der Gesetzgeber
schaffte es nicht dem „Regelungswirrwarr“ entgegenzutreten.14 Nach wie vor mussten sie auf
die Sonderregelungen der einzelnen Widerrufsrechte in dem Haustürwiderrufsgesetz oder
Verbraucherkreditgesetz zurückgreifen, welches zur mangelnden Transparenz für den
Verbraucher führte.
b. Widerrufsrecht nach der neuen Fassung
aa. Überblick
Das allgemeine Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen ist ab dem 01.01.2002 im § 355
BGB und für alle verbraucherschutzrechtlichen Regelungen einheitlich geregelt worden.15
Dabei hat der Gesetzgeber sich dafür entschieden, den § 361 a Abs. 1 BGB a. F. fast wörtlich
zu übernehmen.
Der § 361 a Abs. 1 BGB a. F. ist wie folgt übernommen worden:
§ 361 a Abs. 1 S. 1 – 2
=
§ 355 Abs. 1
§ 361 a Abs. 1 S. 3 – 6
=
§ 355 Abs. 2
Er hat sich damit auch klar für das Modell der „schwebenden Wirksamkeit“ entschieden und
somit das Widerrufsrecht zu einem Gestaltungsrecht gemacht.16 Das Widerrufsrecht als ein
Gestaltungsrecht soll dabei die Rechtsmacht des Verbrauchers darstellen.17
Diese Rechtsmacht wird dadurch deutlich, dass der Verbraucher gemäß § 355 Abs. 1 an seine
auf Abschluss eines Vertrages gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden ist, wenn er
10
Koppenfels in: WM 2001, S. 1360, S. 1360.
Mankowski in: Schulze, Schulte – Nölke, S. 357.
12
Staudinger – Kaiser, § 361 a, Rn. 15.
13
Bülow/ Artz in: NJW 2000, S. 2049, S. 2052.
14
Fischer in: DB 2002, S. 253, S. 254.
15
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 403.
16
Mankowski in: WM 2001, S. 833, S. 833.
17
Palandt – Heinrichs, EB., § 355, Rn. 3.
11
3
diese fristgerecht widerruft. Bei dieser Formulierung wird erkennbar, dass die
Willenserklärung vor einem möglichen Widerruf nicht schwebend unwirksam, sondern
wirksam ist.18 Durch die „schwebende Wirksamkeit“ wird deutlich, dass mit Vollendung des
Vertragsabschlußtatbestandes Erfüllungsansprüche für den Verbraucher entstehen. Auch der
Unternehmer bekommt einen Erfüllungsanspruch, dessen Erfüllung der Verbraucher aber mit
der gesetzlich eingeräumten Überlegungsfrist bis zum Ablauf der Widerrufsfrist verweigern
kann.19
Sollte der Verbraucher seine Willenserklärung in der ihm zustehenden Frist ordnungsgemäß
widerrufen, so wird der bis dahin gültige Vertrag beseitigt. Daher handelt es sich bei dem
Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB um eine rechtsvernichtende Einwendung.20
bb. Widerrufsfrist und Widerrufsbelehrung
Bei der Widerrufsfrist gibt es zwei Fälle, die zu beachten sind.
Im ersten Fall ist der Verbraucher ordnungsgemäß belehrt worden.
Im zweiten Fall ist der Verbraucher nicht ordnungsgemäß belehrt worden.
Das Gesetzt regelt die Widerrufsfrist in diesen Fällen unterschiedlich:
aaa. Ordnungsgemäße Belehrung nach der alten Fassung
Die Widerrufsfrist wurde im § 361 a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 auf 2 Wochen vereinheitlicht.
Voraussetzung dafür, dass die Frist zu laufen beginnt, bleibt allerdings die ordnungsgemäße
Widerrufsbelehrung.
Auf
die
Widerrufsbelehrung
Rechtsanspruch.21 Der § 361 a Abs. 1
hat
der
Verbraucher
einen
S. 3 regelte den Mindestinhalt der
Widerrufsbelehrung.22 Demnach musste der Unternehmer inhaltlich den Verbraucher darüber
aufklären, dass er ein Recht zum Widerruf hat, wie die Form des Widerrufs aussehen sollte,
dass er dafür zwei Wochen Zeit hat und dass er den betreffenden Vertrag mit Namen und
Anschrift des Widerrufsempfängers nennen muss. Des Weiteren ist das Deutlichkeitsgebot
gegeben. Demnach muss die Widerrufsbelehrung drucktechnisch deutlich gestaltet sein, 23 die
Form eingehalten sein und der Verbraucher muss die Belehrung gesondert unterschreiben und
18
Koppenfels in: WM 2001, S. 1360, S. 1362.
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 404.
20
Koppenfels in: WM 2001, S. 1360, S. 1362.
21
Palandt – Heinrichs, § 361 a, Rn. 10.
22
Staudinger – Kaiser, § 361 a, Rn. 29.
23
Palandt – Heinrichs, § 361 a, Rn. 12.
19
4
ein Exemplar der Belehrung erhalten.24 Bei notariellen Verträgen ist eine zweite Unterschrift
nicht notwendig.25 Bei der Form ist eine Begründung nicht notwendig.
Bei manchen Verbraucherverträgen gelten noch weitere Vorschriften wie zum Beispiel nach
§ 7 Abs. 2 VerbrKrG.
bbb. Ordnungsgemäße Belehrung nach der neuen Fassung
Die Widerrufsfrist wurde im § 355 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB vom § 361 a BGB a. F.
übernommen und einheitlich für alle verbraucherschutzrechtlichen Regelungen, die auf § 355
BGB verweisen, geregelt. Die Widerrufsfrist bei einer ordnungsgemäßen Belehrung beträgt 2
Wochen. Der Gesetzgeber ist damit über die geforderten sieben Werktage des Art. 6 Abs. 1 S.
1 Fernabsatzrichtlinie (FARL) hinausgegangen.26 Damit wird der Verbraucherschutz weiter
ausgedehnt.27 Diese Frist kann zu Gunsten des Verbrauchers ausgedehnt, jedoch nicht
verkürzt werden.28 Die Belehrungsvoraussetzungen sind fast mit denen des § 361 a BGB a. F.
identisch. Es gibt jedoch den Unterschied der „Textform“ gemäß § 126 b BGB. Der Widerruf
muss somit schriftlich oder durch Rücksendung der Sache erfolgen. Im Falle
einer
elektronisch übermittelte Widerrufsbelehrung per e – Mail muss diese eine Aufforderung des
Unternehmers beinhalten, der den Verbraucher darüber belehrt, dass er die Belehrung
speichern und ausdrucken muss.
ccc. Fristbeginn bei ordnungsgemäßer Belehrung
Der Fristbeginn bei einer ordnungsgemäßen Belehrung ist vom § 361 a Abs. 1 S. 3 BGB a. F.
fast wörtlich übernommen worden und ist jetzt im § 355 Abs. 2 S. 1 geregelt.
Demnach
beginnt
die
Frist,
wenn
der
Verbraucher
ordnungsgemäß,
nach
den
Voraussetzungen des § 355 Abs. 2, belehrt worden ist und gemäß § 355 Abs. 2 S. 3 dem
Verbraucher „…eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers…“ oder eine
Abschrift dieser zur Verfügung gestellt wurde.
ddd. Keine ordnungsgemäße Belehrung: alte Fassung
Ist der Verbraucher nicht ordnungsgemäß belehrt worden, so existierte gemäß
§ 361 a BGB a. F. auch keine Widerrufsfrist.
Palandt – Heinrichs, § 361 a, Rn. 13, 14,15.
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 407.
26
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 405.
27
Bülow/ Artz in: NJW 2000, S. 2049, S. 2050.
28
Palandt – Heinrichs, § 361 a, Rn. 4.
24
25
5
eee. Keine ordnungsgemäße Belehrung: neue Fassung
Bei einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung endet die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 3
BGB jetzt nach 6 Monaten.29
Damit hat der Gesetzgeber etwas ganz neues entwickelt. Diese Frist soll für die Unternehmer
gelten, die ihre gesetzliche Pflicht zur Belehrung und Information des Verbrauchers nicht
eingehalten
haben.30
Er
hat
damit
die
unterschiedlichen
Höchstwiderrufsfristen
vereinheitlicht. So lag z.B. die Ablauffrist gemäß § 3 FernAG bei 4 Monaten und gemäß § 7
Abs. 2 VerbrKrG bei einem Jahr ab Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers.
Er hat mit der Einführung des § 355 Abs. 3 BGB die Widerrufsfrist auf maximal 6 Monate
festgesetzt, um einen angemessenen Ausgleich der Interessen des Verbrauchers und des
Unternehmers zu schaffen.31 Damit wollte er dem Zustand entgegenwirken, dass der
Verbraucher bei einer fehlerhaften Belehrung noch Jahre nach Vertragsschluss widerrufen
kann.32
Fraglich bleibt jedoch, ob der durch § 355 Abs. 3 BGB geschaffene Erlöschenstatbestand
gegen europäisches recht verstößt, da keine EG – Richtlinie solche Erlöschenstatbestände
vorsieht.33
fff. Fristbeginn bei nicht ordnungsgemäßen Belehrung a. F.
Gemäß § 361 a BGB a. F. muss der Verbraucher ordnungsgemäß über seine Rechte belehrt
werden. Liegt keine ordnungsgemäße Belehrung vor, so beginnt die Frist nicht zu laufen.
ggg. Fristbeginn bei nicht ordnungsgemäßer Belehrung n. F.
Die Frist beginnt zwar erst bei einer ordnungsgemäßen Belehrung zu laufen, doch durch die
Schaffung des § 355 Abs. 3 BGB wurde ein Erlöschenstatbestand geschaffen, der das Recht
auf einen Widerruf bei einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung nach 6 Monaten ausschließt.
Fristbeginn ist hier der Vertragsschluss. Die Ausnahme bilden Verträge über Warenlieferung,
da beginnt die Frist erst bei Warenlieferung gemäß § 355 Abs. 3 S. 2 BGB.
hhh. Fristwahrung: alte Fassung = neue Fassung
Die Fristwahrung ist ebenfalls von der alten Fassung übernommen worden. Sie wird in der
alten Fassung gemäß § 361 a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 und in der neuen Fassung durch
29
Fischer in: DB 2002, S. 253, S. 255.
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 409.
31
Fischer in: DB 2002, S. 253, S. 255.
32
BT – Drucksache 14/ 6040, S. 198.
33
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 409.
30
6
§ 355 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 geregelt und setzt nur die rechtzeitige Absendung voraus. Das
Zugangsrisiko trägt der Verbraucher, das Verzögerungsrisiko der Unternehmer.34
cc. Blankettnorm § 355 BGB
§ 355 BGB ist eine so genannte Blankettnorm, was bedeutet, dass diese Vorschrift nur das
Wesen und die Voraussetzungen des Widerrufsrechts bestimmt und einheitlich alle
verbraucherschutzrechtlichen Regelungen regelt.35
In welchen Fällen dem Verbraucher das Widerrufsrecht zusteht, bestimmt aber weiterhin eine
Reihe von verbraucherschutzrechtlichen Sondervorschriften wie zum Beispiel § 312 Abs. 1 S.
1 oder § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB.
3. Rückgaberechte bei Verbraucherverträgen
a. Rückgaberecht nach § 361 b BGB a. F.
aa. Voraussetzungen
Das allgemeine Rückgaberecht wurde im § 361 b BGB a. F. normiert. Es durfte erst das
Widerrufsrecht ersetzen, wenn es ausdrücklich durch das Gesetz zugelassen ist. Als Ersatz für
das Widerrufsrecht ist das Rückgaberecht im § 3 Abs. 3 FernAbsG, § 7 Abs. 1 S. 2 VerbrKrG
und im § 1 Abs. 1 S. 2 HausTWG zugelassen. Weitere Voraussetzungen der Ersetzbarkeit des
Widerrufsrechts sind die Schließung des Vertrages durch ein Verkaufsprospekt und der
Einbeziehung in den Vertrag. Der Vertrag muss auf der Grundlage eines Verkaufsprospektes
zustande gekommen sein, worunter Kataloge, Disketten oder Internetkataloge fallen.36 Es
muss eine deutliche Belehrung über das Rückgaberecht enthalten und dem Verbraucher die
Möglichkeit zur Kenntnisnahme verschaffen.37 Soll das Rückgaberecht anstatt des
Widerrufsrechts gelten, muss es in einem Vertrag vereinbart werden.
bb. Ausübung des Rückgaberechts nach alter Fassung
Der Verbraucher kann nach § 361 b Abs. 2 BGB a. F. nur durch Rücksendung der Sache sein
Rückgaberecht ausüben.38 Wenn der Verbraucher nur ein Rücknahmeverlangen äußert, bleibt
34
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 405.
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 404.
36
Palandt – Heinrichs, § 361 b, Rn. 3.
37
Palandt – Heinrichs, § 361 b, Rn. 5,6.
38
Palandt – Heinrichs, § 361 b, Rn. 8.
35
7
er weiterhin an den Vertrag gebunden.39 Das Rücknahmeverlangen muss schriftlich erklärt
werden, bedarf aber keiner Begründung.40
cc. Frist des Rückgaberechts
Die Frist des Rückgaberechts bestimmt sich nach der Frist des § 361 a BGB a. F..
b. Rückgaberecht nach § 356 BGB n. F.
Der § 356 BGB n. F. hat inhaltlich § 361 b Abs. 1 und Abs. 2 S. 1, 3 und 4 BGB a. F.
übernommen. Sie haben ihn jedoch zusammengefasst und gestrafft.41
aa. Voraussetzungen
Die Voraussetzungen für die Ersetzbarkeit sind fast gleich geblieben, nur das Sie nun in
anderen Normen zu finden sind. So kann das Widerrufsrecht gemäß § 355 durch ein
uneingeschränktes Rückgaberecht gemäß § 356 Abs. 1 S. 1 ersetzt werden, soweit dieses
ausdrücklich durch Gesetz zugelassen ist. Es setzt das Erfordernis einer sondergesetzlichen
Erlaubnis voraus. Die sondergesetzliche Erlaubnis erfasst hierbei Haustürgeschäfte gemäß §
312 Abs. 1 S. 2, Teilzahlungsgeschäfte und Fernabsatzverträge gemäß § 312 d Abs. 1 S. 2,
soweit es um die Lieferung von Waren geht.42 Weitere Voraussetzungen der Ersetzbarkeit des
Widerrufsrechts sind die Schließung des Vertrages durch ein Verkaufsprospekt und der
Einbeziehung in den Vertrag. Der Vertrag muss auf der Grundlage eines Verkaufsprospektes
zustande gekommen sein, die die Erfordernisse des § 356 Abs. 1 S.2 BGB erfüllen.43 Es muss
nach § 356 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB eine deutliche Belehrung über das Rückgaberecht
enthalten, nach Nr. 2 dem Verbraucher die Möglichkeit zur Kenntnisnahme verschaffen. 44
Dem Verbraucher soll ein Rückgaberecht in Textform gemäß § 126 BGB eingeräumt werden.
Unter einem Verkaufsprospekt versteht man Kataloge, Disketten oder Internetkataloge. Soll
das Rückgaberecht anstatt des Widerrufsrechts gemäß § 355 BGB gelten, muss es in einem
Vertrag vereinbart werden.
Palandt – Heinrichs, § 361 b, Rn. 8.
Palandt – Heinrichs, § 361 b, Rn. 8.
41
BT – Drucksache 14/ 6040, S. 198.
42
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 410.
43
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 411.
44
Palandt – Heinrichs, § 361 b, Rn. 5,6.
39
40
8
bb. Ausübung des Rückgaberechts nach neuer Fassung
Gemäß § 356 Abs. 2 S. 1 kann das Rückgaberecht nur durch Rücksendung der Sache
ausgeübt werden. Ausnahmsweise reicht ein Rücknahmeverlangen, wenn die Sache nicht als
Paket versendet werden kann.45 Dann muss der Verbraucher sein Rücknahmeverlangen in
Textform gemäß § 126 b BGB äußern, muss aber nicht begründet werden.
Doch besteht die Möglichkeit der Rücksendung und äußert der Verbraucher nur ein
Rücknahmeverlangen, so bleibt er an den Vertrag gebunden.
Die Kostenregelungen sind nicht im § 356 normiert worden, sondern in die Rechtsfolgen
gemäß § 357 verschoben worden.
cc. Frist des Rückgaberechts
Das Rückgaberecht muss der Verbraucher gemäß § 356 Abs. 2 S. 2 BGB nach der Maßgabe
der Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 1 S.2 Hs. 1 BGB ausüben.
Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Rücknahmeverlangens gemäß § 356
Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 355 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB.
c. Zwischenergebnis
Das Rückgaberecht gemäß § 356 BGB kann unter bestimmten Voraussetzungen das
Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB ersetzen. Das Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB steht dem
Verbraucher zu, der sich auf eine Reihe verbraucherschutzrechtlicher Sondervorschriften, wie
zum Beispiel die der § 312 ff. BGB berufen kann.
4. „Besondere Vertriebsformen“ § 312 ff. BGB
a. Überblick
Dem Verbraucher kann ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zustehen, wenn er sich auf
verbraucherschutzrechtliche Sondervorschriften berufen kann. Diese hat der Gesetzgeber
unter anderem in den § 312 ff. BGB geregelt.
Durch die § 312 bis § 312 f BGB hat der Gesetzgeber das Haustürwiderrufsgesetz, das
Fernabsatzgesetz und die Besonderheiten des elektronischen Geschäftsverkehr in das BGB
integriert.46 Die Rechtsgrundlage für Haustürgeschäfte bilden nun die
§ 312 und § 312 a,
für die Fernabsatzverträge die § 312 b bis § 312 d und für Verträge im elektronischen
Geschäftsverkehr der § 312 e BGB.47
45
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 411.
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 353, Rn. 13.
47
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 353, Rn. 13.
46
9
b. § 312 BGB:
Widerrufs- und Rückgaberecht bei
Haustürgeschäften
Das Haustürwiderrufsgesetz ist durch die § 312 und § 312 a BGB in das BGB integriert und
unwesentlich verändert worden.48 § 312 Abs. 1 und Abs. 2 BGB entsprechen dem § 1
HausTWG a. F.. Der Unterschied liegt darin, dass der Eingangssatz um die Legaldefinition
des Haustürgeschäfts erweitert wird und der Begriff des „Unternehmers“ den der „anderen
Vertragspartei“ ersetzt.49 Das Ziel des § 312 BGB ist mit dem des Haustürwiderrufsgesetz
gleich geblieben. Sie bezwecken den Schutz des Verbrauchers gegen Gefahren, die aus dem
Direktvertrieb resultieren.50
Nach § 312 Abs. 1 S.1 hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht gemäß den Maßgaben des
§ 355 BGB.
Nach § 312 Abs. 1 S. 2 hat der Verbraucher ein Rückgaberecht gemäß § 356 BGB, wenn
zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer im Zusammenhang mit dem
Haustürgeschäft eine ständige Verbindung aufrecht gehalten werden soll.51
Voraussetzung dafür ist, dass es sich um ein Haustürgeschäft handelt. Dieses ist der Fall,
wenn ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher eine entgeltliche
Leistung zum Gegenstand hat und der Verbraucher zu dessen Abschluss nach den äußeren
Umständen des § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 bestimmt worden ist. § 312 Abs. 1 S. 1 Nr.1 bis
3 ist enumerativ zu sehen, dass bedeutet, dass eine entsprechende Anwendung ausgeschlossen
ist.52
aa. § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB
Gemäß § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 muss der Verbraucher an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich
der Privatwohnung zum Vertragsschluss durch eine mündliche Verhandlung bestimmt
worden sein. Das entscheidende Kriterium ist der Ort.53
Der Arbeitsplatz des Verbrauchers kann demnach jeder Ort im Betriebsgebäude bzw.
Betriebsgelände sein.54
Die Privatwohnung kann der Hausflur, der Garten und die Haustür des Verbrauchers, aber
auch die des Unternehmers sein, sofern es nicht seine Geschäftsräume sind.55
Palandt – Heinrichs, EB., Vorbem. § 312, Rn. 2.
BT – Drucksache 14/ 6040, S. 167
50
Palandt – Putzo, Einf. HTWG, Rn. 2.
51
Ring in: Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 358.
52
Palandt – Heinrichs, EB., § 312, Rn. 9.
53
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 356.
54
Erman – Saenger, BGB, § 1 HTWG, Rn. 30.
55
Palandt – Putzo, § 1 HTWG, Rn. 12.
48
49
10
Spricht der Unternehmer den Verbraucher mit dem Ziel eines Vertragsschlusses an, so
beginnt bereits damit die mündliche Verhandlung zu einem Haustürgeschäft. Besteht bereits
eine Geschäftsverbindung zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher, so kommt ein
Haustürgeschäft nicht in Betracht.56
bb. § 312 Abs. 1 Nr. 2 BGB
Gemäß § 312 Abs. 1 Nr. 2 BGB muss der Verbraucher bei einer Freizeitveranstaltung des
Unternehmers, bzw. die im Interesse des Unternehmers durchgeführt wurde, zum
Vertragsschluss bestimmt worden sein. Eine Freizeitveranstaltung ist eine gewerbliche
Veranstaltung, die den Charakter eines Freizeiterlebnisses hat und das Freizeitangebot mit der
Verkaufsveranstaltung so miteinander verbindet, dass der Verbraucher den Verkaufszweck
nicht
sofort
erkennt.57
Die
Bestimmung
zum
Vertragsschluss
anlässlich
einer
Freizeitveranstaltung erfolgt dann, wenn ein räumlicher, zeitlicher oder sachlicher Bezug zur
Willenserklärung besteht.58
cc. § 312 Abs. 1 Nr. 3 BGB
Gemäß § 312 Abs. 1 Nr. 3 BGB muss der Verbraucher in öffentlichen Verkehrsmitteln oder
Verkehrswegen auf überraschend angesprochen werden. Öffentliche Verkehrsmittel sind
allgemein zugängliche Verkehrsmittel wie Busse, Bahnen, Flugzeuge oder Schiffe.59
Ausgeschlossen sind dabei Verkehrsmittel, aus denen typischerweise Dienstleistungs- bzw.
Warenangebote erfolgen.60
c. Ausschluss des Widerrufs- bzw. Rückgaberechts
Das Widerrufs-, bzw. das Rückgaberecht besteht gemäß § 312 Abs. 3 BGB nicht, wenn es
sich um Versicherungsverträge i. S. des VVG handelt.
Des weiterem ist es nach § 312 Abs. 3 Hs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, wenn der
Vertragsschluss i. S. d. § 312 Abs. 1 Nr. 1 BGB auf vorherige Bestellung des Verbrauchers
erfolgt ist.
56
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 357.
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 357.
58
Wassermann in: JuS 1990, S. 548, S. 551.
59
Palandt – Putzo, § 1 HTWG, Rn. 17.
60
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 358.
57
11
Der Ausschluss des Widerrufs- und Rückgaberechts ist nach § 312 Abs. 3 Hs. 2 Nr. 3 BGB
außerdem gegeben, wenn die Leistung und das Entgelt bei Vertragsschluss sofort erbracht
werden, und das Entgelt dabei 40 Euro nicht überschreitet.61
Auch bei notariell beurkundeten Verträgen ist das Recht zum Widerruf aufgrund der
Beachtung des § 17 BeurkG ausgeschlossen.
d. Belehrungspflicht des Unternehmers
Gemäß § 312 Abs. 2 BGB hat der Unternehmer bei einem Haustürgeschäft eine
Belehrungspflicht. Er muss ihn auf die Rechtsfolgen gemäß § 357 Abs. 1 und 3 hinweisen.
e. § 312 a BGB:
Verhältnis zu anderen Vorschriften
Inhaltlich entspricht der § 312 a BGB dem § 5 Abs. 2 und 3 HausTWG, wobei dieser nicht
wörtlich übernommen wurde.62
Der § 312 a BGB besagt inhaltlich, dass wenn bei Haustürgeschäften auch die Regelungen
über Verbraucherdarlehensverträge, Finanzierungshilfen, Teilzeit- Wohnrechteverträge oder
die Voraussetzungen eines Geschäfts gemäß § 4 FernUSG vorliegen, nur diese Regelungen
Anwendung finden.
f. § 312 d BGB:
Widerrufs- und Rückgaberechte bei
Fernabsatzverträgen
aa. Überblick
Das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen ist in § 312 d BGB i. V. m § 355
BGB geregelt. § 312 d BGB entspricht im Wesentlichen dem bisherigen § 3 FernAbsG. 63
bb. Fernabsatzverträge gemäß § 312 b BGB
Die Voraussetzung für die Ausübung eines Widerrufs- bzw. Rückgaberechts gemäß § 312 d
Abs. 1 S. 1 BGB ist das Vorliegen eines wirksamen Fernabsatzvertrages. Der sachliche
Anwendungsbereich des Fernabsatzvertrages wird in § 312 b Abs., 1 BGB definiert.
Demnach sind alle Verträge Fernabsatzverträge, die zwischen einem Unternehmer und einem
Verbraucher ausschließlich unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen
wurden und die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Inhalt
61
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 360.
BT – Drucksache 14/ 6040, S. 168.
63
BT – Drucksache 14/ 6040, S. 169.
62
12
haben, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz
organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystem erfolgt.
Damit ist vor allem die Art und Weise des Abschlusses entscheidend und nicht der Inhalt.64
Somit hat der Fernabsatzvertrag zwei Voraussetzungen.
Zum einen muss der Vertrag durch Verwendung eines Fernkommunikationsmittels zustande
gekommen sein.
Zu anderen muss dieses Fernkommunikationsmittel durch ein bestimmtes Vertriebssystem auf
den Fernabsatz ausgelegt sein.
aaa. Fernkommunikationsmittel
Das Fernkommunikationsmittel wird im § 312 b Abs. 2 definiert. Neben der Aufzählung von
verschiedenen Vertriebsformen wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E- Mails
sowie
Rundfunk,
Tele-
und
Mediendienste,
ist
entscheidend,
dass
das
Fernkommunikationsmittel die gleichzeitige körperliche Anwesenheit von Unternehmer und
Verbraucher ausschließt. Also zählen dazu alle Kommunikationsmittel, die einen
Vertragsschluss unter physisch Abwesenden ermöglichen.65
Problematisch könnte hierbei sein, dass bei einem telefonisch abgeschlossenen Vertrag der §
147 BGB zur Geltung kommen kann, da dieser von den Regelungen der § 312 b ff. unberührt
bleibt. Gemäß § 147 Abs. 1 S. 2 BGB findet auch der Fernabsatz auf solche Vertragsschlüsse
Anwendung, wenn der Unternehmer das telefonische Angebot des Verbrauchers durch die
Zusendung der bestellten Ware annimmt. Dann müssen Sie aber ausschließlich
Fernkommunikationsmittel zum Vertragsschluss verwendet haben.66
bbb. Vertriebssystem
§ 312 b BGB kann nur auf Verträge angewendet werden, die im Rahmen eines
Vertriebssystems geschlossen wurden, die für den Fernabsatz organisiert wurden. Dabei
kommt es nur auf die Struktur des anbietenden Unternehmens an.67 Das Vertriebssystem setzt
also voraus, dass ein Unternehmer in seinem Betrieb die Voraussetzungen getroffen hat, seine
Geschäfte regelmäßig über Fernabsatz zu tätigen.68
Werden nur gelegentlich im Betrieb Verträge über Fernkommunikationsmittel geschlossen, so
fallen diese nicht unter § 312 b BGB.
64
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 364.
BT – Drucksache 14/ 2658, S. 31.
66
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 365.
67
Bülow – Artz in: NJW 2000, S. 2049, S. 2053.
68
BT – Drucksache 14/ 2658, S. 30.
65
13
ccc. Ausnahmen § 312 b BGB
Die FARL gibt bereits in Art. 3 Ausnahmen aus dem sachlichen Anwendungsbereich vor.
Diese sind in Art. 3 Abs. 1 “normierte Verträge“ und in Art. 3 Abs. 2 bei denen Verträge
gemäß Art. 4 „Vorherige Unterrichtung“, Art. 5 „Schriftliche Bestätigung von Informationen“
Art. 6 „Widerrufsrecht“ und Art. 7 „Erfüllung des Vertrages“ keine Anwendung finden.
Der § 312 b Abs. 3 BGB hat nur die Art. 4,5 und 6 umgesetzt.
Gemäß
§
312
b
Abs.
3
finden
demnach
Fernunterrichtsverträge,
Teilzeit-
Wohnrechteverträge, Finanzgeschäfte, Bau- Kauf und andre Immobilienverträge, Verträge
über Lieferung von Getränken, Lebensmittel etc., Dienstleistungsverträge über Unterbringung
etc, Automatenverträge und Benutzungsverträge an öffentlichen Fernsprechern keine
Anwendung.
cc. Unterrichtung des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen gemäß § 312 c BGB
Handelt es sich um einen Fernabsatzvertrag gemäß § 312 b BGB, dann hat der Unternehmer
noch gemäß § 312 c BGB die Pflicht zur Unterrichtung des Verbrauchers. Die Unterrichtung
bzw. fehlende Unterrichtung wirkt sich aber vor allem auf die Widerrufsfrist des § 355 BGB
aus.
Art. 4 FARL wurde vom deutschen Gesetzgeber im § 312 c BGB umgesetzt. Er beinhaltet
den Offenlegungsvorbehalt und das Transparenzgebot. Diese waren im § 2 Abs. 1 und Abs. 2
FernAbsG a. F. geregelt.
So hat der Unternehmer die Pflicht rechtzeitig vor Vertragsabschluss klar und verständlich
den Verbraucher zu informieren über die Einzelheiten des Vertrags gemäß § 312 c Abs. 1 S. 1
Nr. 1 BGB und den geschäftlichen Zweck gemäß § 312 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB.
Diese vorvertragliche Informationspflicht wird bereits durch die Kontaktaufnahme per
Fernkommunikationsmittel ausgelöst.69 § 312 c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB normiert die so
genannten vorvertraglichen Informationspflichten des Unternehmers. Dabei muss er dem
Verbraucher die Informationen nach der InformationspflichtenVO nur zur Verfügung zu
stellen, also in Schriftform gemäß § 126 b BGB. Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt
es nicht an.70 Im Informationsdokument selbst muss erkennbar sein, von wem die
Informationen stammen und wo das Dokument endet.71
69
Fuchs in: ZIP 2000, S. 1273, S. 1276.
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 371.
71
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 379.
70
14
aaa. Inhalt der Informationspflichten gemäß § 312 c Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Bei Fernabsatzverträgen hat der Unternehmer die Pflicht den Verbraucher über den Inhalt des
§ 1 Abs. 1 InformationspflichtenVO zu informieren.
bbb. Zeitpunkt der Informationspflicht
Der Unternehmer hat die Pflicht den Verbraucher rechtzeitig vor dem Vertragsschluss zu
informieren, ihm also die Information gemäß § 312 c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB zur Verfügung
zu stellen.
ccc. Transparenzgebot
Der Unternehmer hat gemäß § 312 c Abs. 1 S. 1 die Pflicht der Informationspflicht mit
Klarheit und Verständlichkeit dem Verbraucher rüberzubringen. Das gilt ebenfalls für
ausländische Verträge. Jedoch muss man davon ausgehen, dass ein Verbraucher, der ein
englischsprachiges Angebot annimmt der englischen Sprache mächtig ist und daher die
Informationspflicht auch in englischer Sprache klar und verständlich sein kann.
Was jedoch im einzelnen unter „klar und verständlich“ verstanden wird, überlässt der
Gesetzgeber bewusst der Rechtspraxis.72
ddd. Der „geschäftliche Zweck“ § 312 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB
Der geschäftliche Zweck der Fernkommunikation muss für den Verbraucher eindeutig
erkennbar sein. Dieses wird bereits durch die Bekanntgabe der Identität des Unternehmers
deutlich, die er gemäß § 1 InformationsVO dem Verbraucher mitteilen muss. So ist es
möglich,
dass
der
Unternehmer
nicht
durch
einen
Vorwand
wie
z.B.
einer
„Meinungsumfrage“ den Verbraucher in Vertragsanbahnungen lenkt.
eee. Nachvertragliche Informationspflichten gemäß § 312 c Abs. 2 BGB
Der Gesetzgeber hat den § 2 Abs. 3 FernabsG a. F. im § 312 c Abs. 2 neu normiert. Er hat
jedoch den Katalog der Informationspflichten des § 2 Abs. 3 S. 2 FernabsG a. F. in die
InformationsVO eingegliedert.
So ist der Unternehmer verpflichtet die Informationen, die er dem Verbraucher vor
Vertragsschluss nicht zukommen lassen konnte nach dem Vertragsschluss zukommen zu
lassen. Und das in Textform gemäß § 126 b BGB.
72
BT – Drucksache 14/ 2658, S. 38.
15
fff. Ausnahmen der Textform
Bei Dienstleistungen die unmittelbar unter Einsatz von Fernkommunikationsmitteln erbracht
werden, muss der Unternehmer die Informationen nicht schriftlich gemäß
§ 126 b BGB
mitteilen. Doch auch hier ist er gemäß § 312 c Abs. 3 S. 2 BGB verpflichtet, dem
Verbraucher mindestens die Anschrift der Niederlassung des Unternehmers zukommen zu
lassen.
dd. § 312 d Abs. 1: Widerrufsrecht
Liegt also ein Fernabsatzvertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher vor, so
hat der Verbraucher gemäß § 312 d Abs. 1 S. 1 ein Widerrufsrecht nach Maßgabe des § 355
BGB. Bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Waren steht ihm anstelle des
Widerrufs ein Recht auf Rückgabe nach § 356 BGB zu.73
Nach Art. 6 der Fernabsatzrichtlinie (FARL) hat der Verbraucher das Recht sich binnen
sieben Tagen vom Fernabsatzvertrag zu lösen. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Frist mit
der Schaffung des § 355 BGB, auf die der § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB verweist, auf 2 Wochen
erhöht. Das Ziel ist es, dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben sich das Erzeugnis zuerst
anzusehen um danach innerhalb kurzer Zeit zu entscheiden, ob er es behalten oder
zurückgeben will. Denn für gewöhnlich hat der Verbraucher beim Vertragsschluss durch
einen Fernabsatzvertrag nicht die Möglichkeit sich das Erzeugnis anzuschauen.
aaa. Fristwahrung und Form
Die Fristwahrung und die Form sind nach § 355 Abs. 1 zu beachten. Demnach genügt zur
Fristwahrung die rechtzeitige Absendung des Widerrufs und dieser muss entweder in
Textform gemäß § 126 b BGB oder durch Rücksendung der Sache erfolgen.
bbb. Fristbeginn
Bei Fernabsatzverträgen beginnt die Widerrufsfrist § 312 d Abs. 2 Hs. 1 BGB nicht vor
Erfüllung der Informationspflichten nach § 312 c Abs. 2, bei Lieferung von Waren nicht vor
dem Tag des Einganges beim Empfänger und bei der wiederkehrenden Lieferung
gleichartiger Waren nicht vor dem Tag des Eingangs der ersten Teillieferung. Darüber hinaus
beginnt die Frist nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses, wenn es sich hierbei um
Dienstleistungen handelt. Anders als beim § 312 b findet gemäß § 312 d Abs. 2 Hs. 2 BGB
der § 355 Abs. 2 S. 2 BGB keine Anwendung. Das bedeutet, dass die Belehrung vom
73
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 381.
16
Verbraucher nicht unterschrieben werden oder mit einer elektronischen Signatur versehen
werden muss. Kommt der Unternehmer erst nach Vertragsschluss seiner Informationspflicht
nach, beginnt die Frist ab dem Zeitpunkt, an dem der Verbraucher diese Informationen gemäß
§ 312 c BGB zur Verfügung gestellt bekommen hat.
ccc. Erlöschen des Widerrufsrechts: § 312 d Abs. 2 BGB
Kommt der Unternehmer der Informationspflicht nicht nach, so beginnt gemäß § 312 d Abs. 2
die Frist nicht zu laufen und die Widerrufsfrist erlischt dann gemäß § 355 Abs. 3 S. 1 BGB
nach 6 Monaten. Bei Fernabsatzverträgen kann das Widerrufsrecht auch erlöschen, wenn
gemäß § 312 d Abs. 3 der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung, nach
ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers, beginnt. Dann kann das Widerrufsrecht sogar
vor der 2 Wochen- bzw. 6 Monatsfrist erlöschen.74
ddd. Ausnahmen vom Widerrufsrecht: § 312 d Abs. 4 BGB
Der neue § 312 d Abs. 4 entspricht dem § 3 Abs. 2 FernabsG a. F. und hat damit Art. 6 Abs. 3
der FARL umgesetzt. Demnach besteht das Widerrufsrecht nicht bei Waren, die auf
persönliche Bedürfnisse zugeschnitten oder nach speziellen Kundenspezifikationen hergestellt
wurden, oder aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zurückgeschickt werden, bzw. verderben
können, bei Lieferung von Video und Audioaufzeichnungen oder von Software, sofern sie
vom Verbraucher entsiegelt wurden, bei Lieferung von Zeitschriften und Illustrierten, bei
Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen oder die in Form von Versteigerungen
erworben wurden.
ee. § 312 d Abs. 1 S. 2 BGB: Rückgaberecht
Statt dem Widerrufsrecht gemäß § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB kann der Verbraucher bei der
Lieferung von Waren auch ein Rückgaberecht gemäß § 356 BGB besitzen. Dieses regelt der §
312 d Abs. 1 S. 2 BGB. Die Voraussetzungen dafür sind die des § 356 BGB.
74
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 385.
17
g. § 312 e BGB:
Widerrufsrechte bei Verträgen im
elektronischen Geschäftsverkehr
aa. Überblick
Mit der Schaffung des § 312 e BGB hat der Gesetzgeber Art. 10 und 11der Richtlinie
2000/31/ EG in deutsches Recht umgesetzt.75 Das Ziel des § 312 e BGB ist es, dem
Unternehmer Pflichten aufzuerlegen, die er beim Ziel eines Vertragsabschlusses im Wege des
elektronischen Geschäftsverkehrs beachten muss um den Kunden zu schützen.76 In der
e
–
Commerce
Richtlinie
(ECRL)
steht
der
Begriff
von
„Diensten
der
Informationsgesellschaft“. Dieser Begriff wurde im deutschen Recht durch den Ausdruck
„Dienstleistungen eines Tele- oder Mediendienstes ersetzt und damit eine gewerbsmäßige
Ausrichtung vorausgesetzt.77 § 312 e BGB hat kein selbständiges Widerrufsrecht für den
Verbraucher, sondern ihm steht das Widerrufsrecht gemäß §§ 312 d, 355 BGB zu, wenn es
sich bei dem im elektronischen Geschäftsverkehr geschlossenen Vertrag um einen
Verbrauchervertrag
handelt
und
dadurch
der
Unternehmer
weitergehende
Informationspflichten gemäß § 312 c BGB hat.
bb. Anwendungsbereich des § 312 e BGB
Der Anwendungsbereich ist gegeben, wenn der Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr
zustande gekommen ist und der Unternehmer zum Zwecke des Abschluss eines Vertrages
sich eines Tele- oder Mediendienstes bedient.78 Was ein Teledienst ist wird im § 2 TDG
definiert.
Demnach
ist
ein
Teledienst
ein
elektronischer
Informations-
und
Kommunikationsdienst, der für eine individuelle Nutzung von kombinierbaren Daten
bestimmt ist und der eine Übermittlung mittels Telekommunikation zugrunde liegt.
Mediendienste werden im § 2 MDStV definiert. Demnach sind Mediendienste Informationsund Kommunikationsdienste in Text, Ton oder Bild, die sich an die Allgemeinheit richten und
unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs
oder mittels eines Leiters verbreitet werden.
Die Begrifflichkeiten der Tele- und Mediendienste werden aber inhaltlich noch reduziert. So
sind bloße Verteilerdienste die im Rahmen einer Datenübertragung ohne individuelle
Aufforderung gleichzeitig für eine unbegrenzte Zahl von Nutzern erbracht werden vom § 312
e ausgeschlossen.
75
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 390.
BT – Drucksache 14/ 6040, S. 173.
77
BT – Drucksache 14/ 6040, S. 170.
78
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 393.
76
18
cc. Pflichten des Unternehmers: § 312 e Abs. 1 Nr. 1 – 4 BGB
Die Pflichten des Unternehmers sind in § 312 e Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 4 BGB geregelt.
§ 312 e Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB setzt den Art. 11 Abs. 2 ECRL um.
Dem Verbraucher muss die Möglichkeit gegeben werden Eingabefehler vor Abgabe der
Erklärung zu erkennen und zu berichtigen. Diese Pflicht trifft den Unternehmer bereits bei der
bloßen Eröffnung einer Bestellmöglichkeit.
§ 312 e Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB verpflichtet den Unternehmer dem Kunden rechtzeitig vor
Abgabe von dessen Bestellung klar und verständlich die im § 3 InformationsVO geregelten
Informationen zukommen zu lassen.
§ 312 e Abs. 1 S. 1 NR. 3 BGB verpflichtet den Unternehmer dem Kunden den Zugang seiner
Bestellung unverzüglich zu bestätigen. Damit setzt der Gesetzgeber den Art. 11 Abs. 1 in
deutsches Recht um.
§ 312 Abs. 1 S. 1 NR. 4 BGB verpflichtet den Unternehmer dem Kunden die Möglichkeit zu
verschaffen sich die Vertragsbestimmungen einschließlich der AGB bei Vertragsschluss
abzurufen und in wiedergabefähiger Form zu speichern.
dd. Zugangsfiktion: § 312 d Abs. 1 S. 2 BGB
Gemäß § 312 e Abs. 1 S. 2 BGB gilt eine Bestellung und Empfangsbestätigung als
zugegangen, wenn die Parteien, für die sie bestimmt ist, unter gewöhnlichen Bedingungen
abrufen können. Fraglich ist, ob der Zugang bereits mit der Möglichkeit des Abrufs
angenommen werden kann. Gemäß § 130 BGB ist eine Willenserklärung zugegangen, wenn
sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist. Da es sich im § 312 e Abs. 1 S. 1 Nr. 3
aber um Informationen handelt könnte eine Regelung gemäß § 130 BGB entfallen. Für den
Rechtsanwender ist es leichter sich bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr im §
312 e zu informieren. Des Weiteren handelt es sich bei §130 BGB um ein dispositives Recht.
Das ist bei der Richtlinienvorgabe gemäß Art. 11 Abs. 1 nicht so. Da ist die Zugangsfiktion
unabdingbar.79
Da es sich um eine Willenserklärung im elektronischen Geschäftsverkehr handelt ist es
gesetztechnisch und systematisch richtig, wenn die Zugangsfiktion eigenständig im § 312 e
Abs. 1 S. 2 BGB geregelt wird.
79
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 398.
19
ee. Anwendungsausschluss: § 312 e Abs. 2 BGB
Gemäß § 312 e Abs. 2 S. 1 BGB ist die Anwendung des § 312 e Abs. 1 BGB ausgeschlossen,
wenn der Vertrag zwar im Wege des elektronischen Geschäftsverkehrs zustande gekommen
ist, der Vertrag aber durch eine individuelle Kommunikation auszeichnet. Das ist dann der
Fall, wenn der Unternehmer direkt Kontakt mit dem Kunden aufnimmt.
Er ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn zwischen den Vertragsparteien, die nicht Verbraucher
sind, etwas anderes vereinbart ist.
ff. Vertragliche Abdingbarkeit
Die Verpflichtungen des Unternehmers hinsichtlich des § 312 e Abs. 1 S. 1 Nr. 4 ist
unabdingbar. Auch die gesetzliche Zugangsfiktion gemäß § 312 e Abs. 1 S. 2 BGB ist bei
Verbrauchern unabdingbar.
gg. Weitergehende Informationspflichten: § 312 e Abs. 3 BGB
Gemäß § 312 e Abs. 3 BGB bleiben weitere Informationspflichten gemäß § 312 c BGB
unberührt. Da der elektronische Geschäftsverkehr eine Kommunikation im Wege des
Fernabsatzes ist, muss der Unternehmer, wenn der Kunde ein Verbraucher ist, die
weitergehenden Informationspflichten des § 312 c BGB berücksichtigen. Wenn es sich also
bei dem Vertrag um einen Verbrauchervertrag handelt, so hat der Verbraucher gemäß § 312 e
Abs. 3 S. 2 BGB ein Widerrufsrecht gemäß §§ 312 d, 355 BGB. Dem entsprechend beginnt
die Widerrufsfrist gemäß § 312 e Abs. 3 S. 2 auch erst bei Erfüllung der Informationspflicht.
h. Abweichende Vereinbarungen: § 312 f BGB
Demnach findet der § 312 f BGB auf alle Sondervorschriften der § 312 ff BGB Anwendung.
Er fasst die bisherigen § 5 FernabsG a. F. und den § 5 HausTWG a. F. zusammen und
verbietet Abweichungs- und Umgehungsverbote für Unternehmer und Verbraucher, sofern
diese zu deren Lasten gehen.
5. Rechtsfolgen
a. Rechtsfolgen bei Verletzung der Informationspflichten gemäß § 312 ff. BGB
Unterlässt der Unternehmer es den Verbraucher gemäß § 312 BGB über sein
Widerspruchsrecht zu belehren oder verletzt er seine Informationspflichten gemäß
§ 312 c
und § 312 e BGB, so wird der Vertrag nicht nichtig.
Lediglich die Widerrufsfrist verlängert sich gemäß § 355 Abs. auf 6 Monate.
20
b. Rechtsfolgen bei Widerruf gemäß §§ 355, 357 BGB
aa. Überblick
Bei einem ausgeübten Widerruf-, bzw. Rückgaberecht nach den §§ 355, 356 BGB sind die
Rechtsfolgen einheitlich in § 357 BGB geregelt und anwendbar. Die Abwicklung des
Widerrufs- und Rückgaberechts erfolgt nach den Vorgaben des § 357 Abs. 1 und nicht nach
dem Bereicherungsrecht.80
bb. Rückgewährschuldverhältnis
Hat der Verbraucher seine Willenserklärung widerrufen, so wird diese nichtig. Dann finden
die gesetzlichen Rücktrittsrechte gemäß § 346 BGB Anwendung, was bedeutet, dass das
Schuldverhältnis des Verbrauchervertrages sich in ein Rückgewährschuldverhältnis
umwandelt.
cc. Wirkung: ex tunc oder ex nunc
Durch die Umwandlung des Schuldverhältnisses in ein Rückgewährschuldverhältnis auf das
die gesetzlichen Rücktrittsrechte Anwendung finden entsteht das Problem der Wirkung. Der
Gesetzgeber hat mit der Schaffung des verbraucherschützenden Widerrufs gemäß § 355 BGB
eine neue, eigenständige dogmatische Kategorie im deutschen Zivilrecht geschaffen. 81 Denn
die Wirkung des Widerrufs wird ex nunc gesehen.
Dieses ist umstritten82, da der Widerruf an sich eine ex tunc–83, der Rücktritt aber eine ex
nunc – Wirkung hat.84 Die Grenze zwischen Rücktritt und Widerruf ist bei § 355 BGB aber
nicht klar erkennbar. Das Widerrufsrecht ist von der Rechtsfolge auf das gleiche Ziel
gerichtet, wie die Anfechtung. Die erfolgreiche Anfechtung ist auf die einseitige Auflösung
eines Vertrages gerichtet, dessen Willenserklärung fehlerhaft ist. Sie wirkt ex tunc.
Der Widerruf gemäß § 355 BGB ist auch auf die einseitige Auflösung eines Vertrages
gerichtet, jedoch sind dessen Willenserklärungen nicht fehlerhaft. Es weist von der
dogmatischen Struktur und in der Wirkungsweise eher Ähnlichkeiten mit dem Rücktrittsrecht
auf. Durch den § 357 Abs. 1 BGB, der auf die Vorschriften des Rücktrittsrechts verweist,
wird eine Art Rückabwicklungsverhältnis begründet. § 355 BGB räumt durch die
Formulierung „…der Verbraucher ist an seine….Willenserklärung nicht mehr gebunden“ dem
Verbraucher die Befugnis ein, sich einseitig von einem bis zur „Perfektion“ gediehenen
80
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 413.
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 403.
82
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 403.
83
Palandt – Heinrichs, § 346, Einführung Rn. 9.
84
Koppenfels in: WM 2001, S. 1360, S. 1364.
81
21
Rechtsgeschäft loszusagen.85 Das würde bedeuten, dass sich ein Vertragspartner von seinen
Pflichten lösen kann, während der andere an sein Wort gebunden ist. Bisher waren solche
Ausnahmen nur als Ausfluss des Grundsatzes „pacta sunt servanda“ möglich.86
Die Formulierung „…nicht mehr gebunden“, als auch die Anbindung an die Widerrufsfolgen
in § 357 Abs. 1 S. 1 BGB und das der Widerruf gemäß § 355 BGB in einen Abschnitt mit
dem Rücktritt gefasst wurde, sprechen für eine ex nunc – Wirkung,87
Bereits der § 361 a BGB a. F., der fast wörtlich in den § 355 BGB übernommen wurde, wurde
schon als ausgestaltetes Rücktrittsrecht angesehen.88
dd. Rücktrittsregeln
Wird das Widerrufsrecht ausgeübt, so sind gemäß § 357 Abs. 1 S. 1 i. V. m. §§ 346, 348 BGB
die bereits ausgetauschten Leistungen Zug – um – Zug zurückzugewähren.
Im Falle einer Verschlechterung oder Untergangs des gelieferten Gegenstandes, sofern eine
Gegenleistung vertraglich bestimmt ist, ist diese bei der Berechnung des Wertersatzes gemäß
§ 357 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 346 Abs. 2 S. 2 BGB zu Grunde zu legen.
ee. Verzug
Der Unternehmer kommt bei einer Erstattungspflicht in Verzug, wenn er gemäß § 286 Abs. 3
BGB nach 30 Tagen nicht leistet. Jedoch beginnt die Frist nicht mit Zugang einer Rechnung,
sondern ab Abgabe der Widerrufs- bzw. Rückgabeerklärung.
ff. Rücksendepflicht – Kostentragung: § 357 Abs. 2 BGB
Nach § 357 Abs. 2 S. 2 BGB muss der Verbraucher bei Ausübung des Widerrufs- bzw.
Rückgaberechts die Rücksendung auf Kosten und Gefahr des Unternehmers vornehmen. Im
Gegensatz zum umstrittenen Erfüllungsort beim Rücktrittsrecht, wird der Verbraucher von
einer Rückgewährpflicht frei, wenn sich die Sache dabei verschlechtert oder untergeht.89
Nach § 357 Abs. 2 S. 3 BGB können aber die Kosten der Rücksendung dem Verbraucher
vertraglich zugemutet werden, wenn diese 40 Euro nicht überschreiten.
Eine Sache, die in mehrere aufgeteilt wird darf nicht so gespalten werden, das die Einzelteile
unter 40 Euro, der Gesamtpreis aber über 40 Euro liegt.
85
Koppenfels in: WM 2001, S. 1360, S. 1364.
Koppenfels in: WM 2001, S. 1360, S. 1364.
87
Lorenz in: JuS 2000, S. 833, S. 835.
88
Palandt – Heinrichs, § 346, Einführung Rn. 9.
89
Lorenz in: JuS 2000, S. 833, S. 837.
86
22
gg. Wertminderung bei bestimmungsgemäßer Ingebrauchnahme: § 357 Abs. 3 BGB
§ 357 Abs. 3 BGB weicht von der Rücktrittsvorschrift gemäß § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB ab
und ist damit neu geschaffen worden.
aaa. Anspruch auf Wertminderung: § 357 Abs. 3 S. 1 BGB
Demnach hat der Unternehmer einen Anspruch auf Wertersatz wegen bestimmungsgemäßem
Gebrauch, wenn er den Verbraucher bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge
hingewiesen und eine Möglichkeit diese zu vermeiden gegeben hat.
Damit soll das Risiko für den Verbraucher gesenkt werden und klar gestellt werden, dass er
keinen Wertersatz leisten muss, wenn es sich an die Hinweise vom Unternehmer hält. Die
Ingebrauchnahme bedeutet hierbei die wirkliche Nutzung der Sache, jedoch noch nicht das
Auspacken oder Entsiegeln des Gegenstandes.
bbb. Ausschluss des Wertminderungsanspruchs: § 357 Abs. 3 S. 2 BGB
Wenn der Verbraucher die Sache ausschließlich nur zur Prüfung der Sache öffnet, dann liegt
kein Anspruch auf Wertminderung vor. Damit bewahrt der Gesetzgeber dem Verbraucher
sein Prüfungsrecht und bestärkt die Auffassung, dass eine Wertminderung nicht durch die
Prüfung einer Sache, sondern erst durch den darüber hinausgehenden Gebrauch entsteht.90
ccc. Einschränkung der Haftungserleichterung: § 357 Abs. 3 S. 3 BGB
Die Haftungserleichterung gemäß § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB wird durch § 357 Abs. 3 S. 3
BGB eingeschränkt. Dem § 346 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB zufolge entfällt ein Wertersatz, wenn
im Fall eines gesetzlichen Rücktritts- bzw. Rückgaberechts die Verschlechterung oder der
Untergang beim Verbraucher eingetreten ist, obwohl der die Sorgfalt beachtete, die er sonst
auch beachtet.
Jedoch entfällt die Haftungserleichterung, wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht
belehrt wurde oder anderweitig davon Kenntnis erlangt hat. Dann fällt der Haftungsmaßstab
wieder auf die eigenübliche Sorgfalt zurück.
ddd. Ausschluss weitergehender Ansprüche: § 357 Abs. 4 BGB
§ 357 Abs. 4 schließt weitergehende Ansprüche, wie z. B. aus § 823 BGB, gegen den
Verbraucher aus.
90
BT – Drucksache 14/ 6040, S. 200.
23
6. Widerruf bei verbundenen Verträgen: § 358 BGB
a. Überblick
§ 358 BGB ist ein Zusammenschluss der § 9 Abs. 1 Abs. 2 VerbrKrG a. F., § 4 FernabsG a.
F. und § 6 TzWrG a. F.. Mit dem § 358 BGB sollen die Rechtsfolgen von Verträgen geregelt
werden, die über die Lieferung von Waren, bzw. Erbringung einer anderen Leistung mit
einem Darlehensvertrag so verbunden sind, dass sie eine wirtschaftliche Einheit bilden. Die
Verträge bilden eine wirtschaftliche Einheit i. S. d. § 358 Abs. 3 S. 2 BGB, wenn der
Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert oder sich der
Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrages der
Mitwirkung des Unternehmers bedient.
b. Rückabwicklungsgleichlauf: § 358 Abs. 1 BGB
Gemäß § 358 Abs. 1 BGB ist der Verbraucher bei einem rechtmäßigem Widerruf eines
Vertrages über die Lieferung von Waren oder die Erbringung einer anderen Leistung auch
nicht mehr an den damit verbundenen Verbraucherdarlehensvertrag gebunden.
c. Folgen des Widerrufs des Darlehensvertrages: § 358 Abs. 2 BGB
Der Verbraucher kann gemäß § 358 Abs. 2 S. 1 den Darlehensvertrag widerrufen und
widerruft damit automatisch den Vertrag über die Lieferung von Ware oder anderen
Leistungen.
Gemäß § 358 Abs. 2 S. 2 BGB geht dieses nicht automatisch, wenn der Verbraucher ein
Widerrufsrecht gegen den Vertrag auf Lieferung der Ware oder einer anderen Leistung hat.
Dann kommt nur § 358 Abs. 1 in Betracht.
Der Verbraucher hat jedoch aufgrund der Fiktion gemäß § 358 Abs. 2 S. 3 BGB die
Möglichkeit durch einen doppelten Widerruf zu widerrufen.91
d. Rückabwicklung eines verbundenen Vertrages
§ 358 Abs. 4 BGB regelt die Rückabwicklung des verbundenen Vertrages, wobei der § 357
entsprechend angewendet wird. Zu beachten ist, dass § 358 Abs. 4 S. 2 BGB die zwingende
Vorgabe des Art. 6 Abs. 4 FARL umsetzt und Ansprüche gegen den Verbraucher auf Zahlung
von Zinsen und Kosten bei einer Rückabwicklung des Darlehensvertrages ausschließt.
91
Ring in: Das neue Schuldrecht, S. 420.
24
Gemäß § 358 Abs. 4 S. 3 BGB tritt der Darlehensgeber in die Rechte und Pflichten des
Darlehensgebers ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des
Widerrufs bereits zugeflossen ist.
§ 358 Abs. 4 S. 3 BGB gilt hierbei auch für die Fälle des § 358 Abs. 1 BGB.
e. Belehrungspflicht des Unternehmers
Der Unternehmer muss gemäß § 358 Abs. 5 auch auf die Rechtsfolgen nach § 358 Abs. 1 und
§ 358 Abs. 2 S. 1 und S. 2 hinweisen.
7. Fazit
Bei den Widerrufs- und Rückgaberechten hat der Gesetzgeber nur vereinzelt Neuerungen
entwickelt. Ihm ging es in erster Linie um das Ziel die Rechtszersplitterung zu verhindern,
dem Verbraucher eine leichtere Übersicht über seine Widerrufs- und Rückgaberechte zu
verschaffen und Fristen zu vereinheitlichen. Durch die Integration des Haustürwiderrufs-, des
Fernabsatzgesetzes und der zusätzlich geschaffenen Regelung für den Handel im
elektronischen Geschäftsverkehr in die § 312 ff. BGB ist dem Gesetzgeber dieses Ziel auch
gelungen. Er verpflichtet den Unternehmer vor allem bei Geschäften im Fernabsatz und e –
Commerce dem Verbraucher weitreichende Informationen zukommen zu lassen. Im
Gegensatz zu Bereichen des Fernabsatzes unterscheidet sich die Regelung über Verträge im
elektronischen Geschäftsverkehr aber dadurch, dass es dem Unternehmer immer zumutbar
und möglich sein muss, der Informationspflicht rechtzeitig zu genügen. Die Haftung für den
Verbraucher beschränkt sich darauf, dass er seiner Rückgabepflicht nachkommen muss. Die
Risiken bleiben gering, denn der Verbraucher darf eine Ware auch auspacken und
begutachten ohne der Sache einen Wertverlust zukommen zu lassen. Die Widerrufsfrist endet
einheitlich nach 2 Wochen oder erlischt spätestens nach 6 Monaten. Dabei ist das Erlöschen
der Widerrufsfrist noch umstritten, da es solch eine Regelung im europäischen Recht nicht
gibt. Bleibt festzuhalten, dass der Gesetzgeber mit der Integration der Widerrufs- und
Rückgaberechte bei Verbraucherverträgen im Großen und Ganzen den europarechtlichen
Vorgaben entsprochen hat und den Schutz des Verbrauchers zum Teil sogar noch ausgebaut
hat. Durch den umstrittenen Erlöschenstatbestand des Widerrufsrechts ist er mehr dem
Unternehmer entgegengekommen und es bleibt abzuwarten, ob das so bleibt.
25
C. Fall
Nach bestandenen Assessorexamen will R eine Anwaltskanzlei gründen und nimmt deshalb
bei der B – Bank ein auf zwei Jahre befristetes Darlehen in Höhe von 25.000 Euro auf. Nach
neun Monaten erfährt er von einem Kollegen, dass die ihm gewährten Konditionen äußerst
ungünstig sind. Als R weiterhin feststellt, dass er über sein Widerrufrecht hätte belehrt
werden müssen, erklärt er umgehend den Widerruf. Die B hält ihn für unwirksam und
verlangt die Zahlung der vereinbarten Zinsen.
Wer hat Recht?
1. Lösung:
altes Recht
Nach altem Recht hatte B keinen Anspruch auf die Zahlung der vereinbarten Zinsen gemäß
§ 608 a. F. BGB. Voraussetzung für den Anspruch ist ein wirksam zustande gekommener
Darlehensvertrag zwischen R und B. R widerrief diesen Vertrag gemäß § 361 a. F. BGB.
Voraussetzung zum Widerruf war, dass er ein Widerrufsrecht hatte. Dieses Recht hat sich aus
§ 7 VerbrKrG ergeben. Voraussetzung dafür war, dass das VerbrKrG anwendbar war. Der
persönliche Anwendungsbereich ergibt sich aus § 1 VerbrKrG. Dann muss der Vertrag
zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossen worden sein. Gemäß § 1
Abs. 1 Nr. 2 ist jede natürliche Person Verbraucher, wenn er das Darlehen nicht für eine
bereits ausgeübte oder selbstständige berufliche Tätigkeit verwenden will. Da R das Geld für
einen Aufbau einer Kanzlei verwendet hat, brauchte er es nicht für eine bereits ausgeübte
Tätigkeit, sondern lediglich um sich eine Existenz aufzubauen. Da B Unternehmerin i. S. des
§ 14 BGB ist, liegen die Voraussetzungen vor. Da die 25.000 Euro die Ausnahme des
Existenzgründerdarlehens von 50.000 Euro nicht übersteigt, ist das VerbrKrG anwendbar.
Nun hatte R gemäß § 7 VerbrKrG ein Widerrufsrecht und muss den Widerruf rechtzeitig
gemäß § 361 a. F. BGB erklärt haben. Die Widerrufsfrist beträgt nach § 361 a BGB a. F. nur
zwei Wochen. Damit die Frist zu laufen beginnt muss R aber über sein Widerrufsrecht belehrt
worden sein. Dieses ist nicht der Fall.
Die Rechtsfolge wegen mangelnder Belehrung ist, dass die Frist nicht zu laufen beginnt.
Somit sind die zwei Wochen nicht abgelaufen und R steht bis zum Tage der
ordnungsgemäßen Belehrung ein Widerspruchsrecht zu. Daher hatte er auch nach 7 Monaten
noch das Recht zu widerrufen. Da er dieses tat, ist seine Willenserklärung bezüglich des
26
Kreditvertrages nichtig geworden. Es lag kein wirksamer Darlehensvertrag vor. Somit hat B
keinen Anspruch auf weitere Zinszahlung gegen R.
2. Lösung:
nach neuem Recht
Nach neuem Recht hat B einen Anspruch auf Zahlung der Zinsen gemäß § 488 Abs. 1 Nr. 2
BGB. Voraussetzung für den Anspruch ist ein wirksam zustande gekommener
Darlehensvertrag zwischen R und B. R widerrief diesen Vertrag gemäß § 355 Abs. 1 BGB.
Voraussetzung zum Widerruf war, dass er ein Widerrufsrecht hatte. Dieses Recht hat sich aus
§ 459 Abs. 1 BGB ergeben.
Hier liegt der erste Unterschied zum alten Recht und ansatzweise die „Rechtszersplitterung“
deutlich. Nach neuem Recht muss man nicht mehr in Sonderprivatrecht suchen, sondern
findet die Regelung im BGB selbst.
Voraussetzung dafür ist ein Darlehensvertrag zwischen einem Verbraucher und einem
Unternehmer. B ist wie im alten Recht auch Unternehmer gemäß § 14 BGB.
Da
das
Verbraucherkreditgesetz
integriert
worden
ist,
muss
kein
persönlicher
Anwendungsbereich geprüft werden, sondern R muss Verbraucher i. S. des § 13 BGB sein. In
diesem
Fall
ist
R
nicht
direkt
Verbraucher,
sondern
Existenzgründer.
Für
Existenzgründungsdarlehen ist die Regelung im § 507 niedergelegt worden, nach dem die
§§ 491 ff. BGB für diese Fälle mit einem Darlehen bis 50.000 Euro anwendbar sind.
Dementsprechend hatte R ein Widerrufsrecht gemäß § 355 Abs. 1 BGB.
Das Entscheidende gemäß § 355 Abs. 1 BGB somit ein Widerrufsrecht und muss den
Widerruf rechtzeitig erklärt haben. Die Widerrufsfrist beträgt nach § 355 Abs. 1 S. 2 BGB
nur zwei Wochen. Damit die Frist zu laufen beginnt muss R aber über sein Widerrufsrecht
belehrt worden sein. Dieses ist nicht der Fall.
Die Rechtsfolge wegen mangelnder Belehrung ist, dass die Frist nicht zu laufen beginnt.
Somit sind die zwei Wochen nicht abgelaufen.
Jetzt kommt jedoch nach neuem Recht der sog. „Erlöschenstatbestand“ gemäß § 355 Abs. 3
BGB hinzu. Auch wenn die Frist nicht zu laufen beginnt, erlischt das Widerrufsrecht nach
sechs Monaten automatisch.
R hat aber erst nach sieben Monaten widerrufen.
Somit hat R nicht wirksam widerrufen. Ein wirksamer Darlehensvertrag liegt vor.
B hat gegen R einen Anspruch auf Zahlung der Zinsen gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB.
27
Herunterladen