Prinzip der Schülerorientierung 1. Einleitung Häufig wird gemeldet, dass es Lehrer sehr schwer haben, einen Zugang zu den Schüler zu bekommen. Meist sehen die Lehrer einen Zusammenhang mit der veränderten Kindheit und somit mit der neuen Schulsituation. 2. Definition SCHRÖDER: „Schülerorientierung heißt Berücksichtigung der Individualität (d.h. Differenzierung) und Anerkennung der Personalität des Schülers in allen Bereichen der Planung und Gestaltung des Unterrichts.“ Schülerorientierung ist im eigentlichen nicht nur Unterrichtsprinzip –also auf die Gestaltung des Unterrichts ausgelegt-, sondern ebenso auf die Zielbestimmung und Inhaltsauswahl. Berücksichtigung von: - anthropologischer Gemäßheit, d.h. Schüler mit menschlichen Bedürfnissen (Genuß, Schönheit), Fähigkeiten (Verstand, Wille, Moral) und Möglichkeiten (Entwicklung, Bildung). Kindgemäßheit, d.h. Berücksichtigung der Eigenart des Kindes als Kind (Bedürfnis nach Bewegung, Spiel) Entwicklungsgemäßheit, d.h. jedes Kind hat einen unterschiedlichen Entwicklungsstand (MONTESSORI: „Sensible Phasen, STEINER: „Wachstumsperioden“) 3. Begründung 3.1. Geschichtliche Begründung Prinzip der Schülerorientierung hat sich in der Zeit der Reformpädagogik entwickelt „Pädagogik vom Kinde aus“ Von 1970 bis in die späten 80er Jahre herrschte überwiegend die Wissenschaftsorientierung in der Schule. Später bemühte man sich um einen mehr Schülerorientierten Unterricht. GAUDIG: „freie geistige Schularbeit“ PESTALOZZI: „Kopf, Herz, Hand“ (d.h. Gemüt und Gefühl des Schülers berücksichtigen) MONTESSORI: „Hilf mir, es selbst zu tun“ BIERMANN: „Der Ansatz der schülerorientierten Planung soll in der kommunikativen Didaktik liegen..., weil diese die Erziehung allgemein auf Humanität und Emanzipation der Menschen in der demokratischen Gesellschaft gründet.“ 3.2. Anthropologische Begründung Schüler sind offene Wesen, sei bedürfen Hilfe; sie sollen aber über den Grad der Hilfe entscheiden (Freiheit). Guter Unterricht ignoriert nicht die Bedürfnislage der Schüler, sondern geht darauf ein Angebot machen! 3.3. Rechtlich/Erziehungsauftrag Gesetz: Schüler werden als Subjekte, nicht als Objekte gesehen. Art. 1 GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Art. 2 GG: „Jeder hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.“ 3.4. Psychologie Motivationspsychologie: Schüler sind viel mehr motiviert, wenn man von ihnen ausgeht, also von den Interessen und die unterrichtliche Methodik darauf abstimmt. 4. Bedeutung - - der Schüler wird Ausrichtungspunkt des Unterrichts unter Einbeziehung seiner Individualität (Einmaligkeit) und seiner Personalität (Eigenwert). Schüler wird in allen Bereichen seiner Persönlichkeitsentfaltung gefördert: Ganzheit Ganzheit bedeutet eine strukturierte Geschlossenheit, welche sich durch einen unauflöslichen Wirkzusammenhang auszeichnet. PESTALOZZI: Kopf, Herz, Hand, d.h. nicht nur „kopflastigen“ Unterricht gestalten KLAFKI: „Human und demokratisch ist eine Schule, die den jungen Menschen als ganzheitliches Wesen ernst nimmt...“ Lebensnähe für den Schüler: Inhalte und Ziele werden am Schüler orientiert Höhere Motivation Quantitativ und qualitativ höhere Leistung 5. Umsetzung im Unterricht 5.1. Lehrer-Schüler- Verhältnis - Voraussetzungen nach BECKER: die Schüler kennenlernen den Schülern vorurteilsfrei begegnen den Schülern offen begegnen mit den Schüler natürlich umgehen Sprachebene des Schülers berücksichtigen dem Schüler die Möglichkeit geben, bei der Planung, Gestaltung und Kritik von Unterricht mitzuwirken, um den Unterricht zu einer partnerschaftlichen Interaktion zu gestalten symmetrische Ebene, d.h. Gleichheit und gegenseitige Anerkennung der Partner (kritisch – kommunikative Didaktik) Lehrerpersönlichkeit (und Unterrichtsstile) 5.2. Methodengestaltung Thematisierung der Ziele und Inhalte, - d.h. Haupkriterium ist die Interessenslage und Bedürfnisse der Schüler. - Bei KLAFKIs Unterrichtsplanung der „Zukunfts,- Gegenwarts,- und exemplarischer Bedeutung“ kommt dem Schüler die Gegenwart am meisten entgegen. - Entscheidend ist jedoch das Freiwilligkeitsprinzip. - Zielauswahl und Inhaltsbestimmung orientieren sich an dem Konzept des offenen Unterrichts Offener Unterricht Ermunterung der Schüler Prinzip der Motivierung, Aktivierung Anpassung des methodischen Vorgehens an die Einsichtsfähigkeit der Schüler Prinzip der Kindgemäßheit Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten im Schwierigkeitsgrad und Lerntempo Prinzip der Differenzierung Vermeidung normierter Leistungskontrollen Leistungsbewertung als prozessorientiert Berücksichtigung der Neigungen der Schüler in Bezug auf die gewünschte Sozialform Unterrichtsform Gestaltung des Schullebens als Lebens- und Handlungsfeld Schulleben 5.3. Mögliche Umsetzungen in Unterrichtskonzepten - Handlungsorientierter Unterricht Projektorientierter Unterricht 6. Grenzen - - zu große Klassenverbände Leistungsdruck des Lehrplans Leistungserwartungen der Eltern an die Schule Kritische Einstellung der Lehrerkollegen Mangelnde Fähigkeit des Lehrers Lehrerpersönlichkeit Zu starre Unterrichtsplanung flexible Unterrichtsgestaltung nach den Lernvoraussetzungen der SS SEIBERT: „Es gibt keine Artikulationsmodelle und Unterrichtsmedien, die auf Dauer gesehen den Sachen und dem Schüler zugleich gerecht werden.“ Lehrer muss auch der Sachgemäßheit nachkommen 7. SCHILB - Lernverhalten nach BACH Lernniveaustufen nach LEONTJEW Didaktische Niveaustufen nach SPECK Ungünstige Lebensbedingungen: - somatisch – organischen Bereich (veränderte Chromosomenstruktur, cerebrale Schädigung) psychischen Bereich (Verzögerung in der Entwicklung und in einzelnen Funktionsbereichen) erzieherischer Bereich (meist extreme Überbehütung oder Vernachlässigung) familiären Bereich (gespannte Familiensituation, Eltern wollen Behinderung nicht wahrhaben) Erschwernissen: körperlicher Art emotional- sozialer Art kommunikativer Art motorischer Art Erschwernissen im schulischen Bereich Erschwernissen im alltäglichen Bereich 8. Fazit Die Schule hat gegenüber den Schülern Vermittlungsfunktion und Bildungsfunktion. Jeder Lehrer wird sich an den Kanten der schulischen Wirklichkeit stoßen, es sollte jedoch der Anlaß sein, den Schüler in seiner personalen Würde als Richtschnur für alle Tätigkeiten im Unterricht zu sehen.