Rosa Beilage 3/2005

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deutsche gesellschaft für verhaltenstherapie e.V.
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Supplement zu VPP 3/2005
Die
informiert:
Aktuelles aus der psychosozialen
Fach- und Berufspolitik
Stand 21. August 2005
Inhaltsverzeichnis
DGVT: Fragen an die Gesundheitspolitiker/innen anlässlich der Bundestagswahl .......... 3
Qualitätssicherung in der Diskussion
 QM und QS in der Praxis – Replik zum Beitrag von B. Fliegener in VPP 2/05
Elisabeth Schneider-Reinsch ................................................................................................ 7
Tagungsbericht
 Bericht der ersten Tagung des GK II zur Weiterentwicklung der
Psychotherapierichtlinien am 11. Juni 2005 in Berlin Eva Heimpel .......................... 11
Berichte aus den Landesgruppen
Baden-Württemberg ............................................................................. 17
Bayern .................................................................................................. 18
Hamburg ............................................................................................... 19
Hessen .................................................................................................. 21
Niedersachsen....................................................................................... 22
Nordrhein-Westfalen ............................................................................ 24
Sachsen-Anhalt .................................................................................... 25
Schleswig-Holstein............................................................................... 26
Aus den Psychotherapeutenkammern
 Wahlen zur Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer frühestens
im April 2006 Kerstin Burgdorf ...................................................................................... 29
S-2
Alles was Recht ist . . .
 Zur Mitgliedschaft und Beitragspflicht in den Psychotherapeutenkammern
Jan Eichelberger .................................................................................................................30
 Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zum Kammerbeitrag Kerstin Burgdorf ....41
 EU-Berufsqualifikationsrichtlinie verabschiedet ...........................................................42
 Bundessozialgericht entscheidet zur Nachzahlungspflicht der KV'en (§ 44 SGB X) .43
 Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zur Kostenübernahme für Fortbildung
durch Arbeitgeber Dietrich Stobik .................................................................................44
Weitere Infos
 Neue Bücher / Broschüren / Infos...................................................... 16, 20, 23, 28, 45-47
 Regionale Mitgliedertreffen, Termine, Aktuelle Fachtagungen ...................................48
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
der Sommer war dieses Jahr nur kurz und nicht sehr intensiv. Immerhin brachte er einige politische Gewitter mit sich und die Veränderungen in der politischen Großwetterlage in Deutschland, die daraus folgten, sind zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Rosa Beilage noch nicht
absehbar. Verschiedene Optionen sind denkbar, sofern es definitiv zur Bundestagswahl
kommt. Am wahrscheinlichsten dürften eine schwarz-gelbe Regierung oder eine große
Koalitionsregierung sein.
Wir wollten von den Parteien wissen, was wir für die psychosoziale und Gesundheitsversorgung erwarten dürfen, wenn sie nach der Wahl in die Regierung kommen und haben den GesundheitspolitikerInnen der größeren Parteien eine Reihe von "Fragen an die Politik" gestellt. Die Antworten, die wir erhalten, können Sie von der Homepage der DGVT herunterladen (sie waren zur Drucklegung noch nicht verfügbar).
Auch der GK II, der Gesprächskreis der Psychotherapeutenverbände, wird in diesen Wochen
versuchen, mit den relevanten GesundheitspolitikerInnen ins Gespräch zu kommen. Über die
Ergebnisse berichten wir in der nächsten Ausgabe.
Weitere Themen, die wir in dieser Rosa Beilage für Sie zusammengestellt haben, sind der Bericht über die erste GK II-Tagung zur Revision der Psychotherapierichtlinien, ferner ein
weiterer Beitrag zur Diskussion um die Qualitätssicherung, und – neben den Länderberichten – einige aktuelle Informationen zu Entwicklungen im Rechtsbereich.
Wir wünschen Ihnen eine angenehme Lektüre!
Kerstin Burgdorf
Waltraud Deubert
Heiner Vogel
____________________________________ ___________________________________ S-3
DGVT: Fragen an die
Gesundheitspolitiker/innen anlässlich der
bevorstehenden Bundestagswahl 1
Struktur und Inhalte der Gesundheitsversorgung in Deutschland wurden in den zurück liegenden Jahren in verschiedener Hinsicht nachhaltig geändert. Gründe waren die Grenzen der Finanzierbarkeit, aber auch die gestiegene Erkenntnis zur „Unter-, Über- und Fehlversorgung“
im Gesundheitswesen, die u. a. mit Steuerungsdefiziten, z.B. durch falsche Anreizstrukturen,
erklärt werden.
Weiterhin weisen zahlreiche Indikatoren zur Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität der Gesundheitsversorgung auf massive Defizite, speziell im Bereich der Versorgung psychischer
Störungen, hin. Bei auf breiter Front zurück gehenden Arbeitsunfähigkeitszeiten steigt beispielsweise die Häufigkeit der Krankschreibungen wegen psychischer Störungen, auch bei
den Gründen für Frühberentung und weiteren Indikatoren nehmen psychische Störungen eine
zunehmend wichtigere Rolle ein. Schließlich weisen alle Versorgungsindikatoren auf eine
dramatische Unterversorgung im Bereich der Psychotherapie, speziell der bei Kindern und
Jugendlichen, hin.
Die anstehende Bundestagswahl und die Politik der dann neu gebildeten Bundesregierung
wird insbesondere auch im Sozial- und Gesundheitsbereich mit den skizzierten Herausforderungen umgehen müssen. Aus Sicht der DGVT ergeben sich vor diesem Hintergrund eine
Reihe von Fragen an die Politik zur geplanten weiteren Ausgestaltung des Gesundheits- und
Sozialbereiches. Wir richten diese Fragen an die Gesundheits- und Sozialpolitiker/innen der
wichtigen Parteien und bitten sie um eine klare und verständliche Beantwortung, damit unsere
Mitglieder und weitere an diesen Themen interessierte Personen Orientierung über die zu erwartende zukünftige Politikgestaltung in diesem Bereich haben.
Thema A) Weiterentwicklung der Gesetzlichen Sozialversicherung als
Sozialleistungsträger
Struktur und Grundprinzipien der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung werden schon
seit über 100 Jahren weltweit als vorbildlich dargestellt (Versicherungs- und Umlageprinzip,
gegliedertes System, Selbstverwaltung …..) und wurden in der westlichen Welt auch verschiedentlich nachgeahmt. In den letzten Jahren zeigen sich aber einige grundsätzliche Probleme dieses Systems, die sich – nach übereinstimmender Einschätzung vieler Expert/inn/en –
aus Finanzierungsproblemen (insbesondere auf der Einnahmeseite) und aus einzelnen Strukturproblemen zusammensetzen.
Frage a1) Welche Maßnahmen sehen Sie zur finanziellen Stabilisierung der sozialen
Versicherungssysteme vor? (Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung)
Frage a2) Welche weitergehenden Maßnahmen planen Sie zur Weiterentwicklung der Struktur der Sozialversicherungen, die ihre Aufgabenerfüllung im Bereich der Sozialleistungen betreffen?
1
Die Fragen wurden Mitte August an die GesundheitspolitikerInnen der im Bundestag vertretenen
Parteien sowie an die Linkspartei verschickt. Antworten, die wir erhalten, werden Sie umgehend
über die Homepage der DGVT einsehen können!
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-4
DGVT:
Thema B) Stärkung des Solidaritätsprinzips in der Gesetzlichen Krankenversicherung
Gesundheitschancen und Krankheitsrisiken sind in der Bevölkerung der Bundesrepublik
Deutschland ungleich verteilt. Gesundheitsreformen sind deshalb danach zu bemessen, inwiefern sie das sozialstaatlich gebotene Solidaritätsprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) stärken und die soziale Ungleichverteilung von Gesundheitschancen und Krankheitsrisiken minimieren: Tragende Prinzipien dabei sind bislang die paritätische Finanzierung durch
Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der finanzielle Ausgleich zwischen wirtschaftlich besser und
wirtschaftlich schlechter gestellten, zwischen Gesunden und Kranken und zwischen jungen
und alten Menschen.
Frage b1) Welche Perspektive sehen Sie für das Solidaritätsprinzip in den vorgesehenen Veränderungen der gesetzlichen Krankenversicherung?
Thema C)
Prävention
Im vergangenen Jahr zeigte sich ein breiter gesellschaftlicher Konsens – auch über alle politischen Parteien hinweg – dass eine Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung durch
eine umfassende gesetzliche Verankerung dieses Auftrags erfolgen sollte. Dennoch ist das
geplante Präventionsgesetz gescheitert. Manche Kommentatoren sehen darin auch eine
Chance, im „zweiten Anlauf“ eine sachgerechtere Lösung erreichen zu können.
Frage c1) Welche Maßnahmen planen Sie hinsichtlich eines Präventionsgesetzes?
Frage c2) Welche Vorgaben des Gesetzentwurfes vom vergangenen Jahr würden/werden Sie
anders gestalten?
Frage c3) Werden die Finanzmittel ausgeweitet? Werden diesmal alle Sozialleistungsträger
(Jugendhilfe, Sozialhilfe, Arbeitsagentur) beteiligt? Auch Pflegekassen und die
privaten Krankenversicherungen sowie die Beihilfe?
Frage c4) Obwohl Prävention und Gesundheitsförderung ein Gebiet ist, welches bislang von
den psychosozialen Wissenschaften und den Fachkräften maßgeblich gestaltet
wurde und wird, waren in der Verantwortung für die Umsetzung weder psychosoziale Fachberufe noch die Psychotherapeutenkammern verantwortlich eingebunden. Wird sich dies in einem zweiten Anlauf ändern?
Thema D)
Die gesellschaftliche Bedeutung von psychischen Störungen
und von Psychotherapie
Die Prävalenz psychischer Störungen nehmen insgesamt zu. Die damit einhergehenden Beeinträchtigungen der Arbeitsproduktivität und der Lebensgestaltung sind gravierend und unterstreichen die gesundheitsökonomischen Dimensionen dieser krankheitswertigen Störungen.
Die Komorbidität psychischer Störungen bei körperlichen Krankheiten und der Anteil psychisch (mit)bedingter somatischer Krankheiten wächst beträchtlich (in der inneren Medizin
vielfach übereinstimmend auf 1/3 geschätzt). Dennoch ist der Einsatz von Psychotherapie und
von multidisziplinären Behandlungsformen im somatischen Krankenhaus – speziell begünstigt durch die DRG-Einführung – nicht vorhanden bzw. geht noch zurück (wo er mal zu finden war).
Frage d1) Welche Möglichkeiten sehen Sie, Multidisziplinarität und speziell den Einsatz
psychosozialer und psychotherapeutischer Ansätze in der somatischen Medizin
und speziell auch unter den „neuen Versorgungsformen“ zu fördern?
Fragen an die Gesundheitspolitiker/innen anlässlich der Bundestagswahl
S-5
Frage d2) Welche anderen Konsequenzen sehen Sie für die Ausgestaltung des Versorgungssystems?
Thema E)
Psychotherapie als Beruf
Mit der Einführung des Psychotherapeutengesetzes 1999 wurde die psychotherapeutische
Ausbildung grundlegend neu geregelt. In der Folge konnten umfangreiche Erfahrungen mit
der Umsetzung dieser Ausbildungsvorgaben gesammelt werden. Insbesondere erwiesen sich
die Ausbildungsanforderungen vielfach als belastend, ökonomisch überfordernd und teilweise
unnötig zeitintensiv – in der Konsequenz nimmt das Interesse am Beruf rapide ab. Den neu
geschaffenen Berufen Psychologische/r Psychotherapeut/in und Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeut/in droht das Aussterben, wenn nicht baldigst wichtige Regelungen des Psychotherapeutengesetzes überarbeitet werden.
Frage e1) Welche Maßnahmen halten Sie für erforderlich und realistisch, um eine Novellierung des Psychotherapeutengesetzes anzugehen?
Thema F)
Psychotherapeutische Versorgung - ambulant
Trotz steigender Prävalenz und nachgewiesener Unterversorgung (s.o.) ist der Anteil psychotherapeutischer Leistungen im GKV-Spektrum (nach SGB V-Vorgaben) gedeckelt – eine einzigartige Regelung im gesamten GKV-System. Die traditionellen Vorgaben der Zulassungsverordnung für Ärzte, und speziell die Regelungen zur paritätischen Niederlassung Psychologischer und Ärztlicher Psychotherapeuten haben sich in der Praxis vielfach als kontraproduktiv erwiesen (freie Arztsitze für Psychotherapie bei gleichzeitig belegter Unterversorgung).
Frage f1) Welche Konzepte haben Sie, um eine bedarfsgerechte psychotherapeutische
Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen?
Frage f2) Speziell im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie zeigen sich in
epidemiologischen Studien gravierende Versorgungsdefizite, die auch durch die
Zulassungszahlen bestätigt werden. Die überkommene Zulassungsverordnung, die
kein eigenes Fachgebiet „Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie“ kennt, verhindert bei voll ausgeschöpften Zulassungszahlen im Regelfall, dass speziell qualifizierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zugelassen werden. Welche
Lösungsmöglichkeiten sehen Sie?
Frage f3) Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie erweist sich die
Zulassungsverordnung, die fiktiv von ganztags berufstätigen Ärzten/Psychotherapeuten ausgeht, als realitätsunangemessen. Aber auch darüber hinaus ist sie nicht
mehr zeitgerecht angesichts einer modernen Arbeitswelt mit flexiblen Arbeitszeitregelungen. Welche Änderungen werden Sie in diesem Bereich prüfen, um eine
bedarfsgerechte Ausgestaltung der Zulassungsverordnung voranzubringen?
Thema G)
Psychosoziale Versorgung, speziell Kinder- und Jugendhilfe
Die in den letzten Jahren gestiegenen Ausgaben für die Jugendhilfe sind ein Zeichen für den
zunehmenden Unterstützungsbedarf im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, bedingt durch
vielfältige gesellschaftliche Entwicklungen. Die finanzielle Misere der Gemeinden ist begründet in strukturellen Problemen des Sozialstaats, die hier nicht näher ausgeführt werden
sollen. Diese Finanznot darf nicht zu Benachteiligungen hilfebedürftiger Kinder, Jugendlicher
und Familien führen.
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-6
DGVT:
Frage g1) Sehen Sie weiteren Änderungsbedarf in diesem Bereich nach der Verabschiedung
des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe kurz vor der
Sommerpause der Parlamente?
Thema H)
Rehabilitation
Behinderte und chronisch kranke Menschen sollten nach den Forderungen des Grundgesetzes
(Art. 3 Abs. 3) soweit wie möglich ein selbst bestimmtes Leben führen. Die Verabschiedung
des SGB IX „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“ im Jahr 2001 brachte für
viele Menschen endlich einen gesicherten Rechtsanspruch auf übersichtlich beschriebene
Leistungen des Sozialstaats. Die Umsetzung des SGB IX steht dabei in vielen Bereichen
eigentlich noch aus.
Frage h1) Welche Perspektiven sehen Sie, um die häufig noch schleppende Umsetzung des
SGB IX zu fördern und Integrationshemmnisse, die von vielen Betroffenen beklagt werden, zu reduzieren?
Thema I)
Arbeitslosigkeit/Arbeitsförderung
Das Sozialgesetzbuch II „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ wurde geschaffen, um
Schnittstellenprobleme zwischen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu überwinden und ein
einheitliches Hilfesystem für Langzeitarbeitslose einzurichten. Die Philosophie des „Förderns
und Forderns“ unter einem Dach sollte Arbeitslose schneller in Arbeit vermitteln. Die weiterhin hohen Arbeitslosenzahlen zeigen allerdings, dass das „Fördern“ bei der Umsetzung der
Reform zu kurz kommt.
Hartz IV hat zudem eine Entwicklung verstärkt, die auf Dauer den sozialen Frieden gefährdet.
Die Kluft zwischen arm und reich wird größer, die Zahl der Kinder, die in Armut aufwachsen,
steigt. Menschen, die ihr ganzes Leben gearbeitet und Sozialbeiträge bezahlt haben, werden
ab 2006 bereits nach 18 Monaten Arbeitslosigkeit Hartz-IV-Empfänger.
Frage i1) Welche Maßnahmen scheinen Ihnen geeignet, die Arbeitslosigkeit insgesamt, vor
allem aber die Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen und älteren Menschen zu bekämpfen?
Frage i2) Sehen Sie die Notwendigkeit von Korrekturen im Zusammenhang mit Hartz IV?
Wenn ja, in welchen Bereichen werden Sie Veränderungen vornehmen?
Thema K)
Migration
In Deutschland leben 7,3 Mio Migrantinnen und Migranten. Bedingt durch die Unsicherheit
ihrer Aufenthaltssituation ist Vielen eine aktive Lebensplanung in Deutschland nicht möglich.
Mit Inkrafttreten des Zuwanderungsbegrenzungsgesetzes zum 1. Januar 2005 wurde in der
Bundesrepublik erstmals ein gesetzlicher Rahmen für Integration formuliert.
Frage k1) Wie stehen Sie dazu und welche Maßnahmen sind darüber hinaus Ihrer Meinung
nach erforderlich, um die Integration von MigrantInnen zu erleichtern bzw. zu fördern?
Qualitätssicherung in der Diskussion _________ ___________________________________ S-7
Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung
in der psychotherapeutischen Praxis
- Anmerkungen zum Beitrag von B. Fliegener :
„Aktuelle Entwicklungen in der Qualitätssicherung
besorgniserregend“ 2 Elisabeth Schneider -Reinsch, Wiesbaden
Wie der Autor richtig feststellt, sind wir, d.h. die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten, nach dem GKV-Modernisierungsgesetz verpflichtet, an Maßnahmen zur Qualitätssicherung teilzunehmen und einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement zu entwickeln.
„(2) Vertragsärzte, medizinische Versorgungszentren, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer von Vorsorgeleistungen oder Rehabilitationsmaßnahmen und Einrichtungen, mit denen
ein Versorgungsvertrag nach § 111a besteht, sind nach Maßgabe der §§ 136a, 136b, 137 und
137d verpflichtet,
1. sich an einrichtungsübergreifenden Maßnahmen der Qualitätssicherung zu beteiligen, die
insbesondere zum Ziel haben, die Ergebnisqualität zu verbessern und
2. einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln.“ § 135 a
Abs. 2 SGB V
Allerdings vermischt der Autor ständig in seinem Artikel Qualitätsmanagement (QM) mit
Qualitätssicherung (QS). Seine Bedenken sind zum Teil nachvollziehbar, durch die Vermischung der Begrifflichkeiten kommt es aber zu Unklarheiten und Missverständnissen.
-
QM bedeutet, alle Abläufe in einer Arzt-/Psychotherapeutenpraxis zu analysieren,
Verbesserungspotential zu entdecken, die Verbesserung einzuführen und zu überprüfen.
-
QS hingegen bezieht sich darauf, dass jede medizinische/psychotherapeutische Leistung
mit Hilfe bestimmter Instrumente (Leitlinien, Dokumentationsanforderungen, Qualitätsberichte u.ä.) ein bestimmtes Qualitätsniveau erreicht. Beispiel: Bei Disease ManagementProgrammen zu Diabetes sollen durch geeignete Behandlungen bestimmte Zielwerte für
die HbA1c-Werte erreicht werden, die fachlich begründet sind.
QM ist umfassend, QS ist dagegen ein Bestandteil von QM und bezieht sich nur auf Behandlungsprozesse.
QM stellt die Frage: Was machen Sie wie?
Zum Beispiel: Wie ist der Datenschutz in Ihrer Praxis gewährleistet? Der Praxisinhaber hat
dabei darzulegen, welche Regelungen er diesbzgl. in seiner Praxis trifft. Es gibt keine Normierung, jeder Praxisinhaber kann für sich individuell entscheiden, wie er Datenschutz in seiner Praxis umsetzt. Von der Grundidee her soll QM den Praxisinhaber zum Nachdenken über
Praxisabläufe bringen. QM-Fachleute sehen bereits darin einen ersten Schritt zur Qualitätsverbesserung. Orientierung zur Durchführung von QM können dabei Musterhandbücher gewähren.
QS im Rahmen von QM könnte die Frage stellen: Wie sichern Sie die Qualität Ihrer Behandlung? Auch da bliebe – von der Grundidee her – jedem Behandler überlassen, wie er
seinen Qualitätsnachweis erbringt (für die Ergebnisqualität könnte ein Behandler angeben:
2
in Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis (VPP) 2/2005, S. 337-339
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-8
Qualitätssicherung in der Diskussion
Durchführung einer katamnestischen Sitzung nach x Monaten, mit Erhebung folgender Daten….).
Die Sorge, die der Verfasser ausdrückt und die ernst zu nehmen ist, bezieht sich auf die Gefahr von Normierungsversuchen. Kann mit QM ein System geschaffen werden, Abläufe zu
normieren, Vorgaben zu machen, Daten aus den Praxen zu sammeln, zu aggregieren, benchmarks einzuführen und „schlechte Praxen“ auszusortieren?
Hier kommt es auf die Mitgestaltung der zu erlassenden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und einzuführender QM-Systeme durch die Psychotherapeuten selbst
an.
Die Richtlinien zum QM erarbeitet der G-BA als untergesetzliches Organ. Der G-BA in der
Besetzung nach § 91 Absatz 2 SGB V (besondere Zusammensetzung für die Psychotherapie)
war allerdings bis zum 30.06.05 (bis dahin war ich selbst Mitglied im G-BA) nicht an den
verschiedenen Entwürfen zu QM-Richtlinien beteiligt. Zur Zeit befindet sich ein Entwurf im
Umlauf, zu dem auch die Bundespsychotherapeutenkammer um Stellungnahme gebeten
wurde. Es wird sich zeigen, wie dabei psychotherapeutische Interessen und die Besonderheit
der psychotherapeutischen Arbeit berücksichtigt werden. In einer Stellungnahme für die hessische Psychotherapeutenkammer habe ich auf Problempunkte hingewiesen. Abzuwarten
bleibt, ob die Bundespsychotherapeutenkammer diese Bedenken aufgreift. Es geht dabei zum
einen um Ziele eines einrichtungsinternen QM (dabei werden Objektivierung und Messung
von Ergebnissen der medizinischen und psychotherapeutischen Versorgung besonders hervorgehoben), zum zweiten um die Einführung und Weiterentwicklung von QM (hier wird gefordert, dass bis zu einem bestimmten Zeitpunkt alle genannten Grundelemente und Instrumente eingeführt werden müssen).
Gegen diese Anforderungen sollte sich die Psychotherapeutenschaft wehren,

weil sie nicht fachgerecht sind. (Behandlungsverläufe lassen sich nicht allein durch
Testergebnisse abbilden, die (subjektiven) Urteile des Patienten und des Therapeuten
spielen dabei auch eine wichtige Rolle. Eine besondere Problematik dürfte sich dabei
auch in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen ergeben),

weil sie nicht bezahlt werden (Um möglichst fundiert (objektive) Veränderungen in
der Therapie abbilden zu können, wäre zumindest eine umfassende und differenzierte
Testdiagnostik notwendig, die uns aber weder aufgrund der Psychotherapievereinbarungen noch aufgrund der engen Regelleistungsvolumina adäquat vergütet werden
würde),

und weil sie uns extrem einengen (so gehören z.B. Patientenbefragungen zu den genannten Instrumenten bei QM, die wiederum bei psychoanalytischen Behandlungen
verfahrensverfremdend wirken können).
QM bietet von der Grundidee her dem Anwender viel Freiheit zur Gestaltung. Er soll und will
ja von dem Verbesserungspotential für seine individuelle Arbeit profitieren. Gibt es aber eher
enge Richtlinien für die medizinische/psychotherapeutische Versorgung, so wird es zunehmend schwerer sein darzustellen, warum man diese Maßgaben nicht erfüllen kann. Zu einer
freien verantwortungsvollen Berufsausübung sollte zu QM eher ein weiter Richtlinien-Rahmen gehören, den jeder Behandler dann selbst ausfüllen kann. Er sollte allerdings seine QMArbeit für Externe nachvollziehbar darlegen können.
Die bisher bekannten oder in der Entwicklung befindlichen QM-Systeme sehen keine routinemäßig weiterzugebenden Daten aus der Praxis vor. Bei EPA (European Praxis Assessment),
einem evaluierten QM-System für Hausarztpraxen, gibt es benchmarks: Die einzelne Hausarztpraxis kann sich vergleichen, wie sie bzgl. bestimmter Kategorien im Vergleich zur
durchschnittlichen Hausarztpraxis abschneidet. Dieser Vergleich kann hilfreich und motivie-
Schneider-Reinsch: QM und QS in der Praxis (Replik zu B. Fliegener)
S-9
rend sein; er setzt aber voraus, dass eine hohe Datensicherheit besteht und ein Missbrauch
ausgeschlossen wird (etwa im Sinne von: die Krankenkassen schließen nur Verträge ab mit
Praxen, die überdurchschnittlich abschneiden…).
Es ist allerdings die Frage, wie realistisch es ist, dass QM-Daten z. B. aus psychotherapeutischen Praxen, die ja normiert erhoben werden müssten, so zusammengeführt werden, dass
daraus ein QM-Profil der einzelnen Praxen erstellbar wäre. Das scheint mir nicht nur sehr
aufwändig und teuer, sondern auch schwer umsetzbar.
Diese Problematik ist schon viel eher beim TK-Modell zur Qualitätssicherung in der PT gegeben, wenn die beteiligten Projektbeiräte und der wissenschaftliche Beirat bzgl. der Datenverwendung auch hinsichtlich einer möglichen späteren routinemäßigen Anwendung nicht
bedacht und verantwortungsvoll die Weichen stellen. Mit dem TK-Modell wird ein System
evaluiert, das wichtige Daten aus der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung liefern
kann (i.S. einer naturalistischen Studie mit differenziertem Design), das aber auch einer Entwicklung Vorschub leisten kann, bei der zukünftig eine Behandler- und Patientenselektion
ermöglicht werden. Hier werden Daten nämlich normiert, Behandler bezogen erfasst und aggregiert.
Als QM-Programm für den niedergelassenen Bereich hat QEP (Qualität und Entwicklung
in Praxen), ein Programm, das von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) (also finanziert von allen Niedergelassenen) für alle Fachgruppen konzipiert wurde, die meisten
Chancen der Verbreitung. Es ist ein sehr umfangreiches Programm, das fast perfektionistisch
viele Bereiche in der niedergelassenen Praxis abdeckt. Psychotherapeuten werden zunächst
einmal durch den Umfang des Qualitätszielkatalogs abgeschreckt. Was für psychotherapeutische Praxen irrelevant ist, kann als nicht anwendbar gekennzeichnet werden. QEP ist aufgegliedert in die Bereiche:

Patientenversorgung

Patientenrecht und Patientensicherheit

Mitarbeiter und Fortbildung

Praxisführung und –organisation

Qualitätsentwicklung
Ein benchmarking ist nicht vorgesehen, auch keine Datenweitergabe. Gerade die Tatsache,
dass QEP für alle Fachgruppen gleichermaßen gilt, schützt uns in diesem Fall vor Sonderregelungen für die Psychotherapie und vor besonderen Datenbegehrlichkeiten. Ärzte würden
sich energisch gegen aufgezwungene benchmarks und Praxisrankings zur Wehr setzen. Um
den Einstieg zu erleichtern, ohne sich gleich überfordert zu fühlen, wird QEP mit sog. Starterzielen beginnen. In Hessen erarbeitet eine Gruppe von Psychotherapeuten eine Startup-Version für Psychotherapeuten, sie könnte auch als KISS-Version (Keep It Small and Simple)
betrachtet werden. Dabei werden Erfahrungen aus psychotherapeutischen Pilotpraxen berücksichtigt.
Eine Zertifizierung von Praxen wird vom G-BA nicht vorgeschrieben werden, durchaus aber
stichenprobenweise eine Erfassung von QM-Maßnahmen in den einzelnen Praxen durch die
Kassenärztlichen Vereinigungen. Auch eigene auf Psychotherapie-Praxen zugeschnittene
QM-Systeme sind denkbar, z.T. auch schon entwickelt. Die KBV plant als Gütesiegel „das
Deutsche Gesundheitssiegel“ einzuführen. Noch unklar ist, wie dieses Gütesiegel erreicht
werden kann (nur über die Erfüllung aller Qualitätsziele von QEP oder auch von anderen
Systemen). Da sich der einzelne Behandler von Gütesiegeln Wettbewerbsvorteile verspricht,
wird es sicherlich zu einer ansteigenden Nachfrage kommen.
Die Frage ist: Können sich die Psychotherapeuten dieser Entwicklung entziehen?
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-10
Qualitätssicherung in der Diskussion
Festzuhalten ist
3
:

Es gibt eine gesetzliche Vorgabe zu QM.

QM ist von der Grundidee her ein sinnvolles Konzept, eigene Praxisabläufe kritisch zu
reflektieren, sich mit Verbesserungsmöglichkeiten zu beschäftigen und somit zur Verbesserung der Versorgung der Patienten beizutragen. Auch die Einrichtung eines (Beinahe-)Fehlermanagement-Forums für die Psychotherapie kann für unsere Profession
durchaus nützlich sein.

Die überschaubaren Prozesse in der psychotherapeutischen Praxis legen ein schlankes,
gut handhabbares QM-System nahe, alles andere wirkt nicht angemessen und demotivierend.

Es wird zu einem bürokratischen Aufwand und unbezahlter Mehrbelastung des
Niedergelassenen kommen. Auch wenn wir sozusagen unsere Handbücher u.ä. im
Kopf haben, so erfordert allein die schriftliche Darlegung der Praxisabläufe insbesondere Zeit. Wird der Nutzen für uns so groß dabei sein, dass wir für QM motiviert
sind/bleiben?

Wie selbstbestimmt können wir perspektivisch QM inhaltlich gestalten, insbesondere
QS als Teilbereich von QM? Oder wird sich QM zu einem Kontroll- und normsetzenden System entwickeln? Hier gilt es, wachsam die Entwicklung von QM zu beobachten und einer evtl. sich abzeichnenden Fehlentwicklung rechtzeitig und energisch gegenzusteuern. Allerdings setzt dies den Konsens unter den Psychotherapeuten voraus,
den ich leider öfters vermisse.

QM hat das Ziel, Wirkungen von neuen Maßnahmen zu überprüfen, also müssten im
Rahmen von QM eingeführte Maßnahmen mit nutzlosen oder gar schädlichen/negativen Wirkungen dadurch auffällig werden.

Ob QM vergütungsmäßig eine Rolle spielen wird, ist noch nicht abzusehen. Bei dem
hausarztzentrierten Vertrag zwischen der KV Hessen und dem Verband der Angestellten Krankenkassen (VdAK) ist die Forderung nach zertifizierter Einrichtung eines
QM Voraussetzung zur Teilnahme an dem Vertrag, allerdings gibt es dazu auch eine
gesetzliche Grundlage im § 73b des SGB V.

Missbrauchspotential ist bei vielen Regelungen gegeben. Wir sollten vor allem einer
Entwicklung in Richtung Normierung und externer Kontrolle entgegenwirken. Vielleicht ist es dazu ratsam, dass viele QM-Systeme Akzeptanz und Anwendung finden
können, ohne dass ich damit einem kommerziellen Wildwuchs das Wort rede.
Dipl.-Psych. Elisabeth Schneider-Reinsch
Psychologische Psychotherapeutin (VT)
Mitglied im Hauptausschuss und Mitglied der Vertreterversammlung der KV Hessen
Mitglied im Vorstand der Psychotherapeutenkammer Hessen
Biebricher Allee 106, 65187 Wiesbaden
[email protected]
3
Vgl. hierzu auch die Beiträge und Leserbriefdiskussionen im Psychotherapeutenjournal, Hefte 2/04
(S. 121-133), 4/04 (S. 336-345), 2/05 (S. 188-190).
____________________________________ __________________________________ S-11
Bericht der ersten Tagung der
Psychotherapieverbände (GK II) zur
Weiterentwicklung der Psychotherapie richtlinien am 11. Juni 2005 in Berlin
Das erste Treffen der GK II-Verbände zum Thema „Weiterentwicklung der Psychotherapierichtlinien“ hatte das Ziel, den konstruktiven Austausch zwischen den verschiedenen Psychotherapieverfahren zur Fragestellung „Gibt es hinsichtlich der Psychotherapierichtlinien
Änderungsbedarf und wenn ja welchen?“ zu ermöglichen. Ausgangspunkt war das von Heiner
Vogel und Armin Kuhr vorgelegte Diskussionspapier „Weiterentwicklung der Psychotherapierichtlinien über die Grenzen der Verfahren hinweg?“(Rosa Beilage zur VPP, 4/04, S. 5-7).
Als ReferentInnen waren sowohl VertreterInnen der drei Richtlinienverfahren als auch anderer Psychotherapieverfahren (Gesprächspsychotherapie, Systemischen Therapie, Körpertherapie, Gruppenpsychotherapie und Neuropsychologie) eingeladen. Die Tagesordnung sah vor,
zunächst eine Übersicht der Geschichte der Psychotherapierichtlinien (PTR) zu geben. Anschließend stellten die ReferentInnen in Kurzbeiträgen die jeweiligen Psychotherapieverfahren und ihre Ideen zur Veränderung der Richtlinien vor. Vorgesehen waren anschließend die
Bearbeitung von offenen Fragen und die Entwicklung von Visionen in Kleingruppen, aufgrund zeitlicher Probleme mussten diese Punkte jedoch entfallen bzw. verschoben werden.
Prof. Armin Kuhr betonte in seinen einleitenden Begrüßungsworten, dass die Diskussion unter den Therapieverfahren eine lange und wortreiche Geschichte habe, sie habe bisher aber
nur wenig Annäherung erbracht. Dennoch begrüßte er diesen erneuten Beginn der Auseinandersetzung und wünschte allen Beteiligten eine aufschlussreiche und konstruktive Veranstaltung. Den ersten Block moderierte anschließend Thomas Fydrich (Professor für Klinische
Psychologie an der Humboldt-Universität Berlin).
Als erster Referent gab Herr Dr. Dahm (Kassenärztliche Bundesvereinigung; langjährig zuständig für die Geschäftsstelle des Arbeitsausschusses Psychotherapie des Bundesausschusses
Ärzte und Krankenkassen, der für die PTR zuständig ist) einen Überblick über die 30-jährige
Entwicklung und die gesetzlichen Grundlagen (§§ 91, 92 SGB V) der PTR als Regelwerk für
das Verhältnis zwischen Leistungserbringer, Leistungsnehmer und den Gesetzlichen Krankenkassen als Kostenträger. Hr. Dahm unterschied bei den Richtlinien sog. „Soll-, Kann- und
Mussbestimmungen“, die das Gebot der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit konkretisieren. So seien z. B. die Kontingente für den Behandlungsfall nicht absolut festgelegt.
Herr Dahm ging in seinem Referat noch auf die aktuellen Diskussionspunkte zu den PTR im
nunmehr zuständigen Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) ein, etwa die Frage der störungsspezifischen Indikation, die Anerkennung der Gesprächspsychotherapie und die Zulassung von Kombinationsbehandlung verschiedener Verfahren in einem Antragszeitraum und
den damit verbundenen Therapeutenwechsel, welche grundsätzlich befürwortet werde.
Abschließend hob er hervor, dass die PTR ein Garant für die ambulante Psychotherapie in der
vertragsärztlichen Versorgung der Bevölkerung ist und das Deutschland – vielleicht aufgrund
der PTR - eine international führende Stellung einnehme, was die Versorgung der Bevölkerung mit ambulanter Psychotherapie angehe. In der anschließenden Diskussion wurde einerseits noch einmal die besondere historische Rolle der PTR hervorgehoben, andererseits wurde
auch angemerkt, dass die Grundstruktur der PTR nach beinahe vierzig Jahren vielleicht doch
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-12
Tagungsbericht
einer Neufassung bedürfe, die sich auch an neueren Erkenntnissen der Forschung orientieren
solle – insbesondere wurde die begrenzte Flexibilität der PTR kritisiert.
Dipl.-Psych. Gisela Borgmann stellte in ihrem Beitrag zur „psychotherapeutischen Leitungserbringung außerhalb der Psychotherapierichtlinien“ das Modell der Techniker-Krankenkasse
zur Psychotherapiefinanzierung vor, welches in den 80er und frühen 90er Jahren recht erfolgreich umgesetzt wurde (damals „TK-Modell“ genannt). Die TK-Regelung gab den nicht in
den Richtlinien anerkannten Verfahren die Möglichkeit, sich in der ambulanten Versorgung
über Kostenerstattung zu beteiligen. Auch hier waren konkrete Zulassungskriterien formuliert,
festgeschrieben wurden jedoch nicht die Verfahren und Methoden, dem Behandler wurde
vielmehr überantwortet, dass er, an den Bedürfnissen des Patienten orientiert, über sein Vorgehen in der Psychotherapie entscheidet. Damit wurden die Behandlerkompetenzen, nicht die
Therapieschule, betont und es war möglich, bedarfsorientiert eine Vielzahl von Verfahrensweisen in das GKV-System einzubeziehen.
Anschließend stellten VertreterInnen der verschiedenen Therapieschulen ihre Verfahren kurz
als Grundlage zur anschließenden Diskussion vor. Anhand des zur einheitlichen Gliederung
der einzelnen Referate formulierten Fragenkataloges gingen die Referent/inn/en mehr oder
weniger explizit auf die Bereiche Ätiologie, Indikation, Evidenz des Verfahrens und allgemeine Bewertung bzw. Ideen zur Veränderung der Richtlinien ein. Die ReferentInnen gaben
in kurzer Zeit eine Fülle von Informationen über das jeweilige Therapieverfahren, zum Teil
durch aufwendige Power-Point-Präsentationen unterstützt. Die Diskussion kam neben den inhaltlichen Beiträgen leider aus Zeitgründen viel zu kurz.
Zunächst hob Dipl.-Psych. Anne Springer als Vertreterin der „Psychoanalytischen Psychotherapie“ hervor, dass viele Psychoanalytiker der Einführung der Psychoanalyse in die kassenärztliche Grundversorgung kritisch gegenüber gestanden hatten. Für sie hatten die Regelungen
einen „doppelten Verzicht“ bedeutet, einerseits bzgl. der Behandlungsfrequenz und andererseits bezüglich der Selbstbeteiligung. Die Psychoanalyse habe sich inzwischen jedoch gut mit
den PTR arrangiert. Im Weiteren begrüßte sie das Gutachterverfahren als Qualitätssicherung
und hob auch die Gleichstellung der PsychotherapeutInnen mit den ÄrztInnen hervor. Den
Blick hin zu anderen Therapieverfahren befürwortete sie unter der Voraussetzung, dass in
einer veränderten Ausbildung ein Verfahren als Schwerpunkt vermittelt wird, Grundlagen anderer jedoch ebenfalls gelehrt werden.
Als Vertreter der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie sprach sich Prof. Rainer
Richter für eine ätiologiebegründete Diagnostik aus. Zum Thema der methodenübergreifenden Psychotherapie sieht auch er in der bisherigen Festlegung durch die PTR Probleme in der
Anwendung. So seien suggestive Methoden und übende Verfahren, beispielsweise in der tiefenpsychologisch-fundierten Psychotherapie nicht zulässig, auch wenn diese im Rahmen einer
spezifischen Indikationsstellung durchaus sinnvoll einzusetzen wären. Die Auswahl der Methoden, die in den PTR-Katalog fallen, sei seiner Ansicht nach fachlich nicht unbedingt nachvollziehbar. So spricht er sich schließlich für den Einbezug der Gesprächspsychotherapie und
der Neuropsychologischen Psychotherapie in die Richtlinien aus. Er schlägt vor, die Psychoanalyse und Tiefenpsychologie als Varianten der „Psychodynamischen Verfahren“ anzusehen,
wie es auch der Wissenschaftliche Beirat empfohlen habe, und die vertiefte Ausbildung im
Verfahren „Psychodynamische Psychotherapie“ anzubieten. Denkbar sei für ihn ein Ausbildungsmodell, nach dem die Ausbildung in einem nicht integrativen Vertiefungsverfahren
stattfindet, theoretische Kenntnisse in allen anerkannten Verfahren sowie praktische Fertigkeiten in mindestens einem anderen Verfahren vermittelt werden.
Als Vertreter der „Verhaltenstherapie“ gab Dipl.-Psych. Benedikt Waldherr zu Beginn einen
sehr kurzen Überblick über die Anfänge der Verhaltenstherapie von einer rein störungs- und
: GK II-Tagung zur Revision der Psychotherapierichtlinien
S-13
symptomspezifischen Behandlung hin zu einem vielfältigen, an den Bedürfnisse des Patienten
ausgerichteten Therapieverfahren. Die Verhaltenstherapie habe in diesem Prozess durchaus
auch Methoden aus anderen Verfahren einbezogen. Als Beispiel führte er die Dialektisch Behaviorale Therapie auf, die u.a. auf Konzepten Kernbergs beruht. Er sieht im Austausch mit
anderen Methoden einen fruchtbaren Prozess, der die Psychotherapie insgesamt voranbringe,
und spricht sich für die Möglichkeit einer flexibleren, das individuelle Krankheitsgeschehen
berücksichtigenden Handhabung der PTR sowie für den Einbezug der Gesprächspsychotherapie aus. Die Eigenständigkeit von anderen zur Diskussion stehenden Verfahren ist für ihn
fraglich, diese seien seiner Meinung nach eher bei den bestehenden unterzuordnen. Er plädierte deutlich dafür, dass es die Möglichkeit geben müsse, im Rahmen der Therapieplanung
auch andere Verfahren bzw. Methoden anderer Verfahren durchzuführen.
Als Vertreterin der Gesprächspsychotherapie forderte Gisela Borgmann im darauf folgenden
Beitrag klar eine Aufnahme der Gesprächspsychotherapie (GT) in die PTR. Sie kritisierte in
ihrem Vortrag die Tatsache, dass sich psychologische Konzepte anhand der Richtlinien in
ärztliche Vorgaben pressen mussten. Den drei anerkannten Verfahren sei dies gelungen, ein
Ausschluss der GT sieht sie als unbegründet. Sowohl bzgl. eines Ätiologiemodells wie auch
der Indikationsstellung gäbe es in der GT durchaus entsprechende Grundlagen. Sie sprach
sich gegen eine reine störungsspezifische Indikation aus, ging vielmehr von der Notwendigkeit einer guten Passung zwischen Patient und Therapeuten aus. Bestimmte Verfahren und deren inhärente Menschenbilder passen zu bestimmten Patienten, andere wiederum zu einer anderen Patientengruppe.
Dipl.-Psych. Anni Michelmann als Vertreterin der systemischen Therapie stand der bestehenden Fassung der PTR ebenfalls kritisch gegenüber, u.a. da sie wenig Spielräume für integratives Arbeiten ließen. Das GKV-Modernisierungsgesetz schaffe grundsätzlich die Voraussetzungen für ein vernetztes und integratives Behandeln. Allerdings würden hierfür viele Hürden, z.B. die PTR, aufgestellt, die eine Umsetzung sehr erschwerten. Grundsätzlich unterstütze sie die evidenzbasierten Kriterien, kritisierte jedoch die Einengung auf drei Verfahren.
Die Folgerung einer entsprechenden Änderung der PTR greife zu kurz, da ergänzend auch das
PsychThG geändert werden müsste. Denn in § 11 des PsychThG wird festgelegt, dass für die
wissenschaftliche Anerkennung eines Verfahrens in Zweifelsfällen die Entscheidung auf der
Grundlage eines Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirates zu treffen ist. Sie betonte, dass
Psychotherapeuten sehr viel mehr könnten als sie laut PTR durchführen dürften und verwies
auf einen aktuellen Artikel von Klaus Grawe4 in der Zeitschrift „Psychotherapie im Dialog“,
in dem dieser sich dafür aussprach, das volle Arsenal an Techniken und Methoden und den
Erfahrungsreichtum aus den verschiedenen Therapieschulen in der psychotherapeutischen
Praxis zu nutzen. Ätiologische Diagnostik sei keine Voraussetzung für eine Psychotherapie,
vielmehr die Frage der Chronifizierung einer Störung im System bzw. in der Familie.
In der anschließenden Diskussion wurde die Möglichkeit der Aufnahme der Systemischen
Therapien als Richtlinienverfahren diskutiert.
Im anschließenden Referat stellte Dr. Manfred Thielen die Körperpsychotherapie als ein
eigenständiges Verfahren vor, welches den meisten ärztlichen wie auch psychologischen
KollegInnen wenig bekannt sei. Sie sei nicht der Tiefenpsychologie oder der Psychoanalyse
unterzuordnen. Auch liege der Körperpsychotherapie ein Menschenbild zugrunde, welches
nicht mit der Verhaltenstherapie vereinbar sei. Es gäbe genügend Studien, die eine wissenschaftliche Fundierung und damit die Berechtigung der Anerkennung der Körperpsychothera4
„Ich glaube nicht, dass eine Richtung einen Wahrheitsanspruch stellen kann!“ - Klaus Grawe im
Gespräch mit Steffen Fliegel. PID 6 (2), 128-135; Nachdruck auch in VPP 37 (3).
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-14
Tagungsbericht
pie belegten. Die Tatsache jedoch, dass die Körpertherapie nicht die Privilegien der in den
PTR anerkannten Verfahren habe, hätte zur Folge, dass weniger Evidenzforschung im Bereich
der Körpertherapie durchgeführt werde. Thielen sprach sich deutlich dafür aus, dass alle PsychotherapeutInnen ihre fachlichen Möglichkeiten anwenden dürfen, d.h. alle Methoden und
alles Wissen auch aus anderen Weiter-und Fortbildungen in der Praxis umsetzen können. Die
Qualifikation approbierter PsychotherapeutInnen sei inzwischen sehr gut durch die Fortbildungsordnungen der Psychotherapeutenkammern gesichert.
Jürgen Matzat, Leiter einer Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen in Gießen und „Patientenvertreter“ bei den Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, beschäftigt sich seit Jahren besonders mit den sog. „Psycho-Selbsthilfegruppen“ als Schnittstelle zwischen Psychotherapie und Selbsthilfe. Er war daher prädestiniert, in Rahmen dieser Tagung die Patientenperspektive darzustellen. Die Patientenvertreter der psychotherapeutisch behandelten Patienten haben, anders als in ärztlichen Behandlungsgebieten, keinen zuständigen Verband, der
auch im G-BA vertreten ist. Selbsthilfegruppen sind in erster Linie methodenunabhängig,
werden entweder durch Professionelle angeleitet oder ihre Mitglieder organisieren sich selbst.
In der BRD gibt es etwa 70.000 bis 100.000 Selbsthilfegruppen, davon 75 % im Gesundheitsbereich, etwa 7.500 im Suchtbereich und 5.000 im sonstigen psychologischen Bereich. Sie
sind bei sehr unterschiedlichen Organisationen und Trägern angesiedelt, etwa 300 Kontaktstellen unterstützen die Arbeit der Selbsthilfegruppen. Sie sind daher von der Kostenübernahem durch die Krankenkassen unabhängig. Matzat plädiert dafür, sehr viel stärker die Meinung der Patienten bei den gesetzlichen Vorgaben zu beachten, damit könnte u. a. auch eine
bessere Passung zwischen Patient und Therapeut erreicht werden.
Auf die Nachfrage, was die Patienten von den PTR hielten, entgegnete Matzat, dass die Patienten in der Regel nichts über die PTR wüssten. Wichtig sei ein möglichst freier Zugang zur
psychotherapeutischen Behandlung und eine gute Passung zwischen Patient und Therapeut.
Jedoch scheint auch das „Hausarzt-Modell“, wie es z.B. in Sachsen-Anhalt vorgegeben ist,
keine wirklich Hürde für die Aufnahme einer Psychotherapie zu sein.
Für die Gruppenpsychotherapie waren Prof. Tschuschke und Dr. Kott vertreten. Nach einer
kurzen Vorstellung der Gruppentherapie sprachen sie sich für eine deutliche Vereinfachung
des Zugangs der Gruppentherapie zur Finanzierung durch die Krankenkasse aus. Aktuell sei
die Beantragung höchst aufwendig, es fehlten qualifizierte Gutachter für deren Beurteilung
und die Behandlungskontingente seien zu gering. Folge sei, dass Gruppentherapie überwiegend in Kliniken angeboten würden, sie in der Niederlassung kaum zu praktizieren sei. Und
dies, obwohl sich die Gruppentherapie als sehr erfolgreiche Behandlungsmethode erwiesen
habe. Tschuschke stellte heraus, dass Störungen schließlich im wesentlichen im sozialen Situationen entstünden, demnach auch in sozialen Situationen therapiert werden sollten. Traumatisierte Patienten profitierten beispielsweise sehr von der Gruppenbehandlung, da die Traumata häufig in sozialen Zusammenhängen stünden. Die Eins-zu-eins-Situation in der Einzelbehandlung wirke bei dieser Patientengruppe oft retraumatisierend. Aber auch im Kinder-und
Jugendlichenbereich sei Gruppenbehandlung gerade in Zeiten zunehmender Isolation sehr angefragt und effizient. Doch gerade im letzteren Bereich seien häufig Loyalitätskonflikte mit
den Familien zu bearbeiten, die Zeit und damit höhere Kontingente erforderten.
Er sprach sich dafür aus, dass die einzeltherapeutische Behandlung in jedem Einzelfall legitimiert werden sollte und damit die Gruppentherapie als angemessenes Verfahren erste Priorität
habe.
Aus der Sicht der Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen sprach Dr. Wildaus sich für
eine Kombination aus Einzel-und Gruppentherapie bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen und ihrer Eltern aus. Es müsse möglich sein, gerade im Kinder- und Jugendli-
: GK II-Tagung zur Revision der Psychotherapierichtlinien
S-15
chenbereich auch Gruppen von weniger als sechs TeilnehmerInnn genehmigt zu bekommen,
denn diese seien häufig sehr viel effektiver als Einzelbehandlungen.
Für eine Revision der PTR forderte Dr. Wildaus, dass die Kontingente der Bezugspersonenstunden deutlich erhöht werden und zwar nicht auf Kosten der Kinderkontingente. Seiner Ansicht nach seien 50 % aller Therapieabbrüche auf fehlende Stunden mit den Eltern zurück zu
führen. Abbrüche seien vor dem Hintergrund gestörter Familiendynamiken sehr viel wahrscheinlicher, daher müsste es ermöglicht werden, die Familien zu therapieren. Diese Haltung
schließe ein, dass TherapeutInnen im Kinder- und Jugendlichenbereich auch Erwachsene behandeln müssten. Dies müsse bereits in der Ausbildung berücksichtigt werden.
Im letzten Kurzreferat stellte Prof. Siegfried Gauggel, TU Aachen, ausgehend von den Behandlungsansätzen der Neuropsychologie das Modell einer störungsorientierten Psychotherapie vor. Dabei geht es ihm um die bedarfsorientierte Zusammenstellung von Behandlungskomponenten auf Grundlage der Evidenzbasierung. Er beschrieb ein alternatives Ausbildungssystem vor, in dem in einem Basismodul methodenübergreifend theoretische Grundlagen, in aufbauenden Modulen dann störungsspezifisches Wissen und spezifische Methoden
vermittelt werden sollten. Ziel einer flexibleren, methodenübergreifenden Ausbildung sei es,
das hohe Potential an Wissen um die Anwendung und Wirkung optimal zu nutzen und effektiver therapeutisch handeln zu können.
In der abschließenden Diskussion unter Moderation von Anni Michelmann und Heiner Vogel,
für die leider zu wenig Zeit blieb, befürworteten alle Diskutanten den Bedarf für Reformen
der Psychotherapierichtlinien, wenngleich vermutet werden darf, dass dieser unterschiedlich
weit bzw. tief gehend gesehen wird.
Viele Beiträge sprachen sich für den Einbezug der Gesprächspsychotherapie und der Systemischen Therapie aus. Im Besonderen wurde auch die Ermöglichung neuropsychologischer Therapien (bei den entsprechenden Erkrankungen) als überfällig angesehen. In diesem Diskussionsfeld bestanden jedoch zum einen unterschiedliche Auffassungen darüber, inwieweit ein
Therapieverfahren als eigenständig anzusehen ist bzw. als eine Methode anderen Verfahren
unterzuordnen ist. Zum anderen differierten die Auffassungen über die Kriterien und das
Ausmaß der Anerkennung eines Verfahrens, etwa bezogen auf die Indikationsbreite der Anerkennung (für alle Störungsbereiche oder nur für Teilbereiche, wie es für die Gesprächspsychotherapie gegenwärtig offenbar diskutiert wird und für die Neuropsychologische Psychotherapie nahe liegt).
Vor allem von den VertreterInnen der Nicht-Richtlinienverfahren wurden die starre Orientierung an vermeintlicher „Wissenschaftlichkeit“ einzelner ausgesuchter Verfahren und damit
zusammenhängend auch die Hürden, ebenfalls als Richtlinienverfahren anerkannt zu werden,
kritisiert. Die Möglichkeit, schulenübergreifend zu arbeiten, etwa durch den Einbezug von
Methoden anderer Verfahren, wurde ebenfalls in vielen Beiträgen gewünscht. Dies würde
eine an den Bedürfnissen des Patienten bzw. am Störungsbild orientierte Behandlung erlauben. Theoretisch denkbar ist hier zum einen eine sequenzielle Behandlung durch unterschiedliche TherapeutInnen verschiedener Schulen in einem Behandlungsverlauf. Jedoch dürfte dies
nur in seltenen Einzelfällen wirklich realisierbar sein. Zum anderen käme die Anwendung
verschiedener, schulenübergreifender Methoden durch eine/n TherapeutIn in Frage. Einig
schien man sich auch zu sein, dass eine verfahrensbezogene Öffnung in der Anwendung auch
Konsequenzen für die Ausbildung oder Weiterbildung haben müsste, wenngleich hier auch
darauf hingewiesen wurde, dass die heutige Ausbildung bereits beträchtliche schulenübergreifende Aspekte enthalte (im Unterschied zur früheren Ausbildung aus der Zeit vor dem Psychotherapeutengesetz). In der Ausbildung nach dem Psychotherapeutengesetz ist es vorgeVerhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-16
Tagungsbericht
schrieben, dass den Teilnehmer/innen zwar ein Vertiefungsverfahren intensiv vermittelt wird,
dass jedoch auch Grundlagen und Methoden aus anderen Verfahren gelernt werden.
Kritisch diskutiert wurde im Übrigen auch die Definition von Indikationsgebieten in den PTR,
die sich nicht nur an eher überkommenen Begrifflichkeiten orientiere, sondern verschiedentlich auch nicht den Forschungsstand (z.B. über Psychotherapiemöglichkeiten bei Erkrankungen aus den Bereich FO, F1 oder F2) berücksichtige.
Insgesamt verlief die Veranstaltung recht harmonisch, was damit erklärbar sein könnte, dass
kontroverse Standpunkte nicht ausgefochten wurden. Somit kann die Tagung als ein erstes
Kennenlernen und „über den Tellerrand schauen“ bewertet werden, bei dem grundsätzlich Positionen von den VertreterInnn der einzelnen Verfahren vorgestellt wurden. Wenn bei einer
Folgetagung versucht wird, Probleme stärker herauszuarbeiten und Lösungsvarianten durchzuspielen, so dürfte die Diskussion der VerbändevertreterInnen sicher ein höheres Maß an
Kontroversen aufzeigen.
Dipl.-Psych. Eva Heimpel
Knobelsdorffstraße 19, 14059 Berlin
E-Mail: [email protected]
S-17
Berichte aus den Landesgruppen
Baden-Württemberg
Zwei Todesnachrichten erschütterten uns im Juli: Zunächst die Nachricht vom unerwarteten
Tod von Klaus Grawe (an anderer Stelle wird darüber in dieser Ausgabe berichtet). Am 24.7.
verstarb der Präsident der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg, Detlev
Kommer, an den Folgen eines Wochen zuvor erlittenen Herzinfarktes. Den Angehörigen gilt
unser Mitgefühl, für die Psychologen und für die Psychotherapeuten hier bleibt eine schmerzliche Lücke.
Mit dem Psychotherapeutenjournal vom März 2005 trat sowohl die Berufsordnung als auch
die Fortbildungsordnung in Baden-Württemberg in Kraft. Eine geplante Kommentierung
wurde auf Grund der aktuellen Ereignisse auf eine spätere Ausgabe verschoben.
In Baden-Württemberg wird im Herbst diesen Jahres (Briefwahl vom 17.10.-11.11.) die
Kammer neu gewählt, der Wahlkampf hat bereits begonnen. Die KandidatInnen der DGVT
haben sich entschlossen, auf einer gemeinsamen Liste mit bvvp, DGPT, BKJ, und VAKJP zu
kandidieren. Auf diese Weise kann schon jetzt über eine Zieldiskussion für die spätere Kammerarbeit eine Grundlage zur Zusammenarbeit geschaffen werden. Näheres dazu findet sich
auf einer gemeinsamen Homepage: www.psychotherapeutenbuendnis-bw.de, ein Wahlbrief
wird zeitnah vor der Wahl verschickt werden. Zusätzlich zu der gemeinsamen Wahlaussage
werden von den DGVT-KandidatInnen eigene Themen-Flyer entwickelt. Im Juli wurde bereits ein Flyer zum Thema Angestellte an die Institutionen in Baden-Württemberg versandt.
Wichtig ist ein Hinweis auf das Wahlverfahren in Baden-Württemberg: Jeder Wähler hat
genau eine Stimme, die er an eine Person auf einer der zur Wahl antretenden Listen geben
kann. Die Gesamtstimmenzahl der Liste entscheidet darüber, wie viele Sitze die Liste erhält.
Innerhalb der Liste erhalten die Personen nach Anzahl ihrer Stimmen einen Delegiertenplatz.
Im Grunde ist also die Reihenfolge auf der Liste egal, da der Wähler über den Einzug der Personen entscheidet. Die Gemeindewahlen in Baden-Württemberg verlaufen nach einem ähnlichen Prinzip, nur noch etwas komplizierter. Die Verteilung der Delegiertensitz in der Kammerversammlung erfolgt bei der Kammerwahl nach dem Verhältnis-Wahlverfahren SainteLagué/Schepers; bei Google gibt es dazu weitere Informationen.
Bezüglich der Wahlwerbung für die Kammerwahl wurde inzwischen eine Minimallösung
gefunden: nachdem zunächst die Herausgabe der Mitgliederadressen durch die Kammer in
Frage gestellt war, werden wir nun für unsere Wahlliste "Psychotherapeutenbündnis BadenWürttemberg" von der Kammer einen Satz Adressaufkleber der Mitglieder erhalten. Damit
werden wir einen von unserem Bündnis gemeinsam erarbeiteten Wahlbrief verschicken können. Aus Datenschutzgründen ist es uns untersagt, diese Adressen für weitere Aussendungen
zu verwenden.
Inzwischen hat die Geschäftsstelle der DGVT vom Redaktionsbeirat des PsychotherapeutenJournals (PTJ) der Landespsychotherapeutenkammern eine ablehnende Antwort auf die Anfrage erhalten, der Herbstausgabe des PTJ eine Wahlbroschüre beizulegen. Wir sehen durch
diese Beschlüsse derzeit keine Möglichkeit, zielgenau und dadurch kostengünstig nochmals
eigene Wahlinformationen mit speziellen DGVT-Inhalten zu versenden.
Zur Landespolitik: Ministerpräsident Erwin Teufel machte vereinbarungsgemäß seinen Platz
für Günter Oettinger frei. Nach dem Amtsantritt Oettingers wurden einige Kabinettsmitglieder
ausgewechselt, so dass wir jetzt einen neuen Minister im Sozialministerium haben. Erste
Amtshandlungen stimmen positiv und zeigen, dass heikle Themen angegangen werden: Der
neue Minister Andreas Renner konnte erreichen, dass die leitenden Ärztefunktionäre der KasVerhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-18
Berichte aus den Landesgruppen
senärztlichen Vereinigung ihre Bezüge etwas reduzierten (Dauer des Übergangsgeldes und
die Anrechung der Praxiseinnahmen). An den Vorstandsgehältern von bis zu 240 000 Euro
jährlich konnte nichts geändert werden, rechtlich sind die Bezüge so wohl in Ordnung. Mittels
einer bundesweiten Arbeitsgruppe möchte Renner dafür sorgen, dass einheitliche Vergütungsrahmen für die Vorstände erstellt werden (vgl.: Stuttgarter Zeitung, 16.6.2005, S. 8). Minister
Renner übernahm auch die Schirmherrschaft zum Christopher-Street-Day, was nicht alle seiner Kollegen gefreut hat.
Renate Hannak-Zeltner, Landessprecherin
Bayern
Mitgliederversammlung der DGVT-Landesgruppe Bayern am 4.6.2005 in München
Rudi Merod gab den Rechenschaftsbericht für das letzte Jahr ab. Er berichtete, dass die Vorstandsmitglieder sich die Aufgaben geteilt haben. Heiner Vogel, als Mitglied des Kammervorstandes, habe sich in erster Linie um die Kammerangelegenheiten gekümmert. Wichtigstes
Ziel der Arbeit von Heiner Vogel und Rudi Merod in der Kammer war und wird auch in Zukunft sein, die Arbeit der Kammer bei möglichst geringen Kosten für die Mitglieder so effizient wie möglich zu bewältigen. Aus diesem Grund wurden auch Anträge auf Reduktion der
Aufwandsentschädigung von Delegierten und Vorstandsmitgliedern in die Kammerversammlung eingebracht, um eine Anhebung der Beiträge zu verhindern. Diese Anträge fanden
zwar keine Mehrheit aber dennoch eine unerwartet breite Unterstützung. Dadurch konnte die
Position der DGVT in der Kammer bzgl. sparsamen Umgangs mit den Geldern der (Pflicht-)
Mitglieder deutlich gemacht werden.
Auch in der Diskussion um das Versorgungswerk bzw. den Anschluss an ein bestehendes
Versorgungswerk haben sich die DGVT-Vertreter rege beteiligt. Hier wurde bei einer außerordentlichen Delegiertenversammlung das Versorgungswerk für die Kammermitglieder aus
Bayern auf den Weg gebracht.
Hinzu kam die Arbeit im Satzungsausschuss. Diese ist jetzt weitgehend beendet, die Satzung
steht bei der nächsten Delegiertenversammlung zur Abstimmung.
Barbara John ist Mitglied im Finanzausschuss der Kammer und dort regelmäßig aktiv. Wichtigste und zeitraubendste Aufgabe des Finanzausschusses ist die Bearbeitung der Anträge auf
Beitragsermäßigung. Diese müssen alle einzeln geprüft und entschieden werden, da hier
rechtsverbindliche Bescheide erlassen werden müssen.
Rudi Merod hat sich vermehrt um Aufgaben im Zusammenhang mit der KV gekümmert. Er
hat an den Delegiertenversammlungen der KV teilgenommen. Seit der letzten KV-Vertreterwahl ist er nun stellvertretendes Mitglied im Beratenden Fachausschuss für Psychotherapie
und vertritt dort die Positionen der DGVT.
Weiter ist er in der Landeskonferenz der Psychotherapeutenverbände, die bereits seit vielen
Jahren eine enge Zusammenarbeit der ärztlichen und psychologischen Psychotherapeutenverbände sowie der Kinder-/Jugendlichenpsychotherapeutenverbände in Bayern gewährleistet.
Die Landeskonferenz beschäftigt sich in erster Linie mit Fragen der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen und versucht, eine einheitliche Position zu bestimmten Fragestellungen
zu finden und dann mit dieser gegenüber der KV aber auch nach außen aufzutreten. So wurde
in diesem Gremium aber auch mit weiteren Psychotherapeutenverbänden die Vorgehensweise
bzgl. der Nachzahlungen für die Jahre 2000 – 2004 besprochen und ein gemeinsamer Brief an
die niedergelassenen KollegInnen verfasst.
S-19
Eine neue Initiative, die auch auf Landesebene die alten Gräben zwischen den traditionellen
Richtlinien und den Nicht-Richtlinienverbänden überwinden will und dem Gesprächskreis der
Psychotherapeutenverbände auf Bundesebene (GK II) entsprechen soll, ist im Entstehen begriffen und auch hier ist die DGVT regelmäßig vertreten. In dieser Initiative sind bisher die
rein ärztlichen Psychotherapieverbände nicht integriert. Diese Integration scheint eine wichtige Aufgabe für die Zukunft zu sein, damit es nicht weiterhin unterschiedliche Positionen der
PsychotherapeutInnen in der Außendarstellung gibt.
Am Ende seines Berichtes teilte Rudi Merod mit, dass Barbara John nicht mehr für den Vorstand kandidieren wird. Er bedankte sich im Namen des Vorstands für ihre geleistete Arbeit.
Bevor die Neuwahlen zum Vorstand begannen, ergab sich eine Diskussion um die Anzahl der
stellvertretenden Vorstandsmitglieder. Anlass war, dass für den freigewordenen Platz von
Barbara John zwei Kolleginnen (Elke Schweizer und Sonja Stolp) zur Verfügung standen. Da
die Arbeit im Vorstand recht umfangreich ist, wurde aus den Reihen der Mitglieder der Vorschlag eingebracht, den Vorstand doch zu erweitern. Es gäbe noch einige Bereiche, wie z.B.
den Komplex der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, die besser vertreten werden sollten. Die Mitgliederversammlung beschloss dann einstimmig eine Erweiterung des Vorstandes
auf 3 Beisitzer. Elke Schweizer und Sonja Stolp stellten sich vor und erklärten beide ihre
Bereitschaft, für den Vorstand zu kandidieren. Ergebnisse der Wahlen: Landessprecher, Rudi
Merod, Stellvertreter/innen: Elke Schweizer, Sonja Stolp, Heiner Vogel.
Doppeltes Spiel des Bayerischen Hausärzteverbandes?
Die Psychotherapeutenverbände wehren sich
Seit Jahren haben sich die bayerischen Psychotherapeutenverbände in vielen Gesprächen mit
Krankenkassenvertretern und der Politik erfolgreich dafür eingesetzt zu erreichen, dass auch
diese die hohe Bedeutung qualifizierter Psychotherapie und insbesondere die Möglichkeit des
Direktzugangs unterstützen. Der Bayerische Hausärzteverband hat nun unter Führung von Hr.
Dr. Hoppenthaller (der wenige Monate zuvor bei der Wahl zum KV-Vorstand durchgefallen
war) einen bayernweiten Hausarztvertrag mit der AOK als Modell der integrierten Versorgung vereinbart. Die schriftlichen Regelungen darin sehen zwar weiterhin den Direktzugang
zur Psychotherapie vor. Dem widersprechend hat Hr. Hoppenthaller als Vorsitzender des
Hausärzteverbands in einem Rundschreiben vom 27.7. an die Hausärzte und die AOK-Versicherten, in dem das Modell angepriesen wurde, zwar die Direktzugangsmöglichkeiten zu
Gynäkologen und Augenärzten erwähnt, jedoch die selben Möglichkeiten zum Aufsuchen von
Psychotherapie verschwiegen. Für uns ist kaum vorstellbar, dass dies ein redaktionelles Versehen war.
Auf jeden Fall haben die Psychotherapeutenverbände der Landeskonferenz rasch, heftig und
einmütig in einem offenen Brief an alle Beteiligten des Versorgungsvertrags protestiert.
Rudi Merod, Elke Schweizer, Sonja Stolp, Heiner Vogel
Hamburg
Wichtigste Kammerthemen in Hamburg sind derzeit die neu erarbeitete Berufsordnung sowie
die Nachapprobation von ca. 50 Fällen als Psychologische Psychotherapeuten. Im Rahmen
der Übergangsregelung des § 12 PsychThG hatten die Betroffenen ohne Vorliegen eines Psychologie-Diploms eine Approbation erhalten. Mittlerweile wurde einvernehmlich zwischen
allen Beteiligten eine Verfahrensrichtlinie für die Durchführung der Nachapprobationsprüfungen vereinbart.
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
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Berichte aus den Landesgruppen
Auf Basis dieser Verfahrensrichtlinie können die Betroffenen an einem Prüfungsgespräch vor
einer Prüfungskommission der Psychotherapeutenkammer Hamburg teilnehmen. Ziel des Prüfungsgesprächs ist die Klärung der Frage, ob die/der Prüfungsteilnehmer/in die für die eigenverantwortliche und selbstständige Ausübung des Berufs der Psychologischen Psychotherapeuten erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt und eine Approbation entsprechend
den Übergangsvorschriften des § 12 PsychThG durch die Behörde erteilt werden kann (§ 3
der Verfahrensrichtlinie zur Durchführung der Prüfungsgespräche zur Erteilung der Approbation).
Die Verfahrensrichtlinie ist auf der Homepage der Kammer (www.ptk-hamburg.de) veröffentlicht.
Thomas Bonnekamp, Bernd Kielmann
Deutsche Gesellschaft für
Verhaltenstherapie e.V.
Neue Fortbildungsangebote im Institut Hamburg der
Akademie für Fortbildung in Psychotherapie Nord
unter der Leitung von Prof. Dr. Beatrix Gromus
Therapie der Adipositas
Entgegen dem tatsächlichen Aufkommen wird das Störungsbild der Adipositas vernachlässigt. Im Workshop sollen Diagnostik, Ätiologie und therapeutische Vorgehensweisen in Abgrenzung zu anderen Essstörungen erarbeitet werden. Dabei sollen Fallvignetten in der Einzeltherapie sowie in der Gruppentherapie in den Blick genommen werden.
Termin: 9.-10. Dezember 2005
Therapie sexueller Funktionsstörungen
Diagnostik, Ätiologie und therapeutische Ansätze
Mit Zugängen über Selbsterfahrungsanteile werden sexuelle Störungen, deren Ätiologie und
therapeutische Zugänge erarbeitet. Der Aspekt von Sprache im professionellen Rahmen soll
besondere Beachtung finden im Workshop.
Termin: 24.-25. Februar 2006
Anmeldung und weitere Informationen:
Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DGVT) e.V.,
Referat für Aus- und Weiterbildung, Postfach 13 43,
-94 34 44, Fax: 07071-94 34 35,
E-Mail: [email protected] oder im Internet unter www.dgvt.de
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Hessen
(1) Klage gegen die Widerspruchsbescheide der KV Hessen zu den Honorarbescheiden
vom 3. Quartal 2004
In der letzten Ausgabe berichteten wir über die Desinformationspolitik der KVH und darüber,
dass sich der Beratende Fachausschuss PT außerstande sieht, eine sachgemäße Überprüfung
derjenigen Berechnungswege durchzuführen, die den Honorarbescheiden 3 / 04 ff (Vergütung
und Nachvergütung) zugrunde liegen. Daran hat sich bis heute trotz intensiven Bemühens
vonseiten des BFaA PT nichts geändert. Stattdessen erteilt die KVH weiterhin Widerspruchsbescheide, die ohne Klageerhebung vor dem Sozialgericht einen Monat nach Zustellung
rechtskräftig werden.
Die Landesgruppe Hessen empfiehlt allen KV niedergelassenen Mitgliedern dringend, gegen
ablehnende Widerspruchsbescheide zum 3. oder 4. Quartal 2004 binnen 4 Wochen nach Zustellung durch die KVH vor dem zuständigen Sozialgericht Marburg Klage einzureichen.
Hierzu bieten wir unseren Mitgliedern neben kostenloser Rechtsberatung auch ausführliches
Informationsmaterial und Mustertexte an, die über Wilfried Schaeben angefordert werden
können. Da sehr häufig zunächst nach den möglichen Kosten eines Klageverfahrens gefragt
wird, beschränken wir uns an dieser Stelle auf die Kurzinformation, dass nach den uns vorliegenden Zahlen zur Honorarverteilung die Höhe der Gerichtsgebühren in den meisten Fällen
unter 80 Euro liegen dürfte.
Die DGVT hat sich ferner entschlossen, in Hessen eine Musterklage zu führen, wozu derzeit
noch ein geeignetes Mitglied gesucht wird. Alle Mitglieder, die Klage einreichen möchten,
werden dringend gebeten, sich mit unserer Tübinger Geschäftsstelle oder per E-Mail direkt
mit dem 1. Landessprecher in Verbindung zu setzen ([email protected], Subject/Betreff: „KVH-Musterklage DGVT“).
(2) LGH intern: Landesgruppentreffen am 11.11.05
Das nächste Landesgruppentreffen findet am 11.11.05 in Frankfurt statt.
Unseren gemeinsamen Abend möchten wir diesmal mit dem Vortrag eines Gastes eröffnen,
dessen Publikationen zur therapeutischen Praxis derzeit viel beachtet sind. Von 18 Uhr an
wird Dr. Thomas Heidenreich (Universität Frankfurt) zum Thema
„Neue Wege der Rückfallprophylaxe:
Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie der Depression“
referieren (Zertifizierung bei der LPK beantragt – 1 FE).
Im Anschluss findet von 19:00 bis 21:00 Uhr die Mitgliederversammlung der Landesgruppe Hessen statt.
Ort: Hotel National, Baseler Str. 50, 60329 Frankfurt (100 m vom Südausgang des Hauptbahnhofes).
(3) Landespsychotherapeutentag
Der 3. Hessische Psychotherapeutentag findet am 23./24.9.2005 unter dem Titel „Gesundheitspolitische Verantwortung und Psychotherapie“ statt. Veranstaltungsort ist die Fachhochschule Frankfurt, Kleiststr. 8. Von Seiten der DGVT nehmen als Referenten Armin Kuhr (Zukünftige Entwicklungen der Psychotherapie – Störungsspezifisch oder ganzheitlich? Schulenbezogen oder integrativ?) und Heiner Vogel (Psychotherapie in Institutionen – Psychotherapeutische Versorgung in Hessen) teil.
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-22
Berichte aus den Landesgruppen
(4) VT-Fachtagung in Frankfurt
Hingewiesen sei schließlich auf eine Fachtagung zum internationalen Forschungsstand der
Verhaltentherapie statt - Status and Perspectives of Behaviour Therapy: An International
Point of View. Die Tagung findet am 30.9. und 1.10.05 in Frankfurt statt und wird von der
DGVT in Zusammenarbeit mit der Fachgruppe Klinische Psychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie veranstaltet. Die Anmeldemodalitäten finden sich auf der DGVT-Homepage (www.dgvt.de).
Wilfried Schaeben, Anke Teschner
Niedersachsen
Aus der niedersächsischen Psychotherapeutenkammer kann berichtet werden, dass nach der
konstituierenden Kammerversammlung der zweiten Wahlperiode am 9.4.2005 die Ausschüsse
mit ihrer Arbeit begonnen haben. Die DGVT ist in folgenden Ausschüssen vertreten:
-
Ausschuss Finanz- und Beitragsangelegenheiten (Heinz Liebeck, Katrin Ruß)
Ausschuss Satzungs- und Geschäftsordnungsfragen (Christiane Rokahr) und
Ausschuss Angestellte und Beamte (Dieter Haberstroh).
Ein zentrales Thema in der zweiten Wahlperiode der PKN zeichnet sich jetzt schon ab. Dies
ist die Entwicklung der finanziellen Situation der Kammer. Die DGVT setzt sich dafür ein,
dass die Kammerbeiträge für die Mitglieder stabil bleiben. In der Diskussion um mögliche
Einsparungspotentiale wird die Landesgruppe wieder verstärkt das Thema eines Nordkammerzusammenschlusses auf die Tagesordnung setzen. Als Beispiel könnte hierbei eventuell
der Osten dienen. So laufen die Vorbereitungen zur Gründung einer länderübergreifenden
Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer auf Hochtouren.
Nachdem die Landesregierung in Niedersachsen die Bezirksregierungen aufgelöst hat und die
Aufgaben der Landesprüfungsämter (LPA), z. B. Erteilung der Approbation, an die Heilberufekammern übergeben will, steht die PKN vor der Frage, ob sie bereit ist, unter anderem
den Bereich Approbation der PP/KJP und die Aufsicht über die psychotherapeutischen Ausbildungsinstitute zu übernehmen. Aus Gründen der Logistik und der Kosten wird die Gründung eines Zweckverbandes möglichst mit Beteiligung der PKN, der Ärzte-, Tierärzte- und
Zahnärztekammer erwogen. Die Fachaufsicht würde beim Ministerium verbleiben. Wenn so
etwas umgesetzt werden soll, ist allerdings streng darauf zu achten, dass für die Erledigung
von staatlichen Aufgaben keine Gelder von Kammermitgliedern verwendet werden. Ein gutes
Verhandlungsgeschick gegenüber dem Landesregierung ist hierbei angesagt.
Seit Anfang Juli 2005 ist unter den KollegInnen, die in den Landeskrankenhäusern arbeiten,
starke Unruhe ausgebrochen, weil die niedersächsische Landesregierung angekündigt hat, alle
zehn Landeskrankenhäuser zu privatisieren. Es sollen auch schon potenzielle Käufer ihr
Interesse bekundet haben. Die MitarbeiterInnen der Landeskliniken befürchten, dass es zu
Stellenabbau und zu Gehaltseinbußen kommen könnte. Auch könnte sich die psychotherapeutische Versorgungssituation verschlechtern. Die Entwicklung muss genau beobachtet werden und eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Privatisierung ist zu führen. Hieran wird
sich die DGVT-Landesgruppe aktiv beteiligen.
Die Landeskonferenz der Vertragspsychotherapeuten in Niedersachsen, in der die DGVT
auch mitwirkt, hat im April neue SprecherInnen gewählt: Stefan Jürgenliemke, M.A.
(VAKJP), Dr. med. Jörg K. Merholz, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin (bvvp),
Dipl.-Psych. Elke Wöbbe-Mönks, PP (DGPT). Die DGVT-Landesgruppe Niedersachsen
dankt auch an dieser Stelle den bisherigen SprecherInnen Herrn Ziesemer-Mühle (VAKJP),
Frau Freudenberg (bvvp) und Herrn Engelhardt (Vereinigung) für ihre engagierte Arbeit in
S-23
der Landeskonferenz. Herr Engelhardt hat bereits seit der Vorbereitung des Zusammenschlusses zwischen Vereinigung und DPTV seine Mitarbeit in der Landeskonferenz eingestellt.
Deutsche Gesellschaft für
Verhaltenstherapie e.V.
Neues Fortbildungsangebot der Akademie
für Fortbildung in Psychotherapie Nord
Approbation – was nun?
Viele träumen von der eigenen Praxis als persönliches Ziel nach der Ausbildung. Nur: Wie realistisch
ist die Chance auf einen Kassensitz? Wie beantragt man diesen? In Vorbereitung auf den Schritt in
die Selbstständigkeit werden im Workshop die verschiedenen Möglichkeiten der Niederlassung (KVZulassung, Sonderbedarfszulassung, Ermächtigung, Kostenerstattung, Job-Sharing, Assistenz, etc.)
vorgestellt.
Ist die Niederlassung erreicht, steht die Bewältigung organisatorischer (Anmietung von Praxisräumen, Anmeldung bei Behörden, Versicherungen, Anschaffung von Software zur Praxisorganisation
etc.), betriebswirtschaftlicher (Planung von Umsatz, Kosten und Leistung, Honorarvereinbarungen,
Abrechnung etc.) und juristischer Alltagsprobleme (Residenz- und Präsenzpflicht, Therapieverträge)
an.
Die einzelnen Themen werden anhand von Kurzreferaten unter der Leitung von Dr. Anke Pielsticker
bearbeitet. Am Samstag steht die Arbeit in Arbeitsgruppen im Vordergrund; diese werden von
Christiane Rokahr und Katrin Ruß angeleitet und betreut.
Die Intensität, mit der die einzelnen Themen bearbeitet werden, richtet sich nach den Wünschen und
Bedürfnissen der Teilnehmer/innen. Es wird während der zweitägigen Veranstaltung genügend Raum
für Nachfragen und Erfahrungsaustausch bestehen.
Zielgruppe: Das Fortbildungsangebot richtet sich insbesondere an Ausbildungsteilnehmer/innen,
aber auch an bereits approbierte Psychologische PsychotherapeutInnen und Kinderund JugendlichenpsychotherapeutInnen.
Literaturhinweis: Behnsen, E. et al. (Hrsg.) Management Handbuch für die psychotherapeutische
Praxis. R.v. Decker, ständig aktualisierte Auflage.
Referentin: Dipl.-Psych. Dr. phil. Anke Pielsticker, Psychologische Psychotherapeutin
AG-Betreuung: Dipl.-Psych. Christiane Rokahr, Psychologische Psychotherapeutin
Dipl.-Sozialpäd. Katrin Ruß, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
Veranstaltungsort: Hannover
Termin: 11. und 12. Februar 2006
Teilnahmegebühren: 225 Euro (DGVT-Mitglieder),
245 Euro (Nicht-Mitglieder)
Anmeldung und weitere Informationen:
DGVT, Referat für Aus- und Weiterbildung, Postfach 13 43,
-94 34 44, Fax: 07071-94 34 35,
E-Mail: [email protected] oder im Internet unter www.dgvt.de
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-24
Berichte aus den Landesgruppen
Innerhalb der Landeskonferenz ist die Diskussion über die Perspektiven einer Landeskonferenz der Vertragspsychotherapeuten zu führen. Die niedergelassenen KollegInnen benötigen
auf Landesebene eine starke Interessenvertretung – gerade in Zeiten eines massiven Kostendrucks im Gesundheitswesen.
Dieter Haberstroh, Christiane Rokahr
Nordrhein-Westfalen
Unsere Liste „AS Angestellte und Selbständige kooperieren“ hat die erste
Bewährungsprobe bestanden
Die Wahl zur 2. Kammerversammlung ist abgeschlossen, die Stimmen sind ausgezählt, seit
dem 8.7.05 haben wir das Wahlergebnis. Wir konnten die Wählerinnen und Wähler mit unserem Programm überzeugen, so dass wir in die neue Kammerversammlung wieder mit acht
Sitzen einziehen können. Damit sind wir die drittgrößte Fraktion. Wir danken allen Wählerinnen und Wählern, die uns ihre Stimme gegeben haben, für das Vertrauen in unsere Arbeit.
Wir sind in NRW gemeinsam mit den Krankenhauspsychotherapeuten zum ersten Mal mit
einer eigenen Liste angetreten. Der Erfolg bestärkt uns in diesem Schritt. Wir können jetzt zusammen mit den Krankenhauspsychotherapeuten eigenständig handeln und damit unseren
Weg fortführen, den wir in der ersten Kammerversammlung begonnen haben.
Die Ergebnisse im Einzelnen finden sich auf der Homepage der Kammer NRW (www.psycho
therapeutenkammer-nrw.de).
Im PP-Bereich hat unsere Liste in jedem Wahlbezirk mindestens einen Sitz erreicht, in Arnsberg sogar zwei. Hier hatten die Kandidaten der Krankenhauspsychotherapeuten auf den ersten Listenplätzen kandidiert. In Detmold haben wir in erweiterten Absprachen auf der Liste
Angestellte OWL kandidiert. Darüber konnten wir auch einen Platz gewinnen.
Damit stellen wir folgende Kammerversammlungsmitglieder:
Johannes Broil (DGVT)
Wolfgang Dube (Krankenhauspsychotherapeuten und DGVT )
Wolfgang Heiler (Krankenhauspsychotherapeuten)
Winfried Schmidt (DGVT)
Wolfgang Schneider (DGVT)
Wolfgang Schreck (DGVT)
Im KJP-Bereich sind wir nur in vier Wahlbezirken angetreten und konnten zwei Sitze gewinnen:
Veronika Mähler-Dienstuhl (DGVT)
Holger Wyrwa (DGVT)
Außer Holger Wyrwa waren alle gewählten Delegierten unserer Liste schon in der 1. Kammerversammlung vertreten und können auf dieser Erfahrung aufbauen. Wir werden also die
im Wahlprogramm gemachten Aussagen erfolgversprechend angehen können. Insbesondere
werden wir die Angestelltenthemen nach vorne bringen, da diese bisher zu wenig Gewicht in
der Kammer hatten. Wir erwarten, dass die Kammer sich auch positioniert, wenn es z.B. um
Tariffragen oder Stellenstreichungen geht.
Wir sind mit der Aussage in den Wahlkampf gegangen, ein Gegengewicht zum Bündnis
DPTV/Vereinigung zu bilden. In den nun anstehenden Gesprächen mit den anderen Gruppierungen werden wir dem entsprechen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass unsere Themen im
neuen Vorstand Platz haben.
S-25
Johannes Broil, Veronika Mähler-Dienstuhl
Neue Regelung für externe PsychotherapeutInnen im Justizvollzug
des Landes Nordrhein-Westfalen
Wie der DGVT bekannt wurde, ist ab sofort die folgende Regelung für die Vergütung in Kraft
gesetzt worden:
Aufgrund der Erhöhung der Honorarsätze für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
durch die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe und der damit einhergehenden Honorarforderungen der bereits für den Justizvollzug tätigen erfahrenen externen Fachkräfte und
um eine vergleichbare Vergütung zu gewährleisten, wurde der maximale Vergütungssatz für
externe Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die von den Leitern der Justizvollzugsanstalten beauftragt werden, auf den 1,7-fachen GOÄ/GOP-Satz angehoben. Diese Vorgaben
gelten ab sofort im allen Justizvollzugsanstalten des Landes Nordrhein-Westfalen.
Diese neue Regelung erfolgte wohl auch, weil externe PsychotherapeutInnen nicht mehr bereit waren zu Vergütungssätzen zwischen dem 1,0- und max. dem 1,5-fachen Satz der
GOP/GOÄ zu arbeiten. Der frühere Satz von max. 1,8-fach wurde leider nicht erreicht. Es
kann nur geraten werden, in Vertragsverhandlungen in Kenntnis dieser aktuellen Verfügung
zu verhandeln.
Sachsen-Anhalt
In Erwartung der Wahlen zur Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer im kommenden Jahr
(voraussichtlich im 2. Quartal 2006) und dem dazugehörigen Wahl“kampf“ starten wir einen
erneuten Versuch einer Mitgliederversammlung der Landesgruppe Sachsen-Anhalt am
21.10.2005, 20:00 Uhr in Lieskau in der Praxis von Barbara Zimmermann.
Neben dem immer noch aktuellen Thema der Gründung eines Qualitätszirkels oder/und einer
Intervisionsgruppe geht es vor allem um die Ideen und Wünsche für die sich in Gründung befindliche Psychotherapeutenkammer (wie sieht es mit speziellen Themen für unsere Region
aus?).
Zu einem Problem (nicht nur für die Niedergelassenen, diesmal geht es besonders die Angestellten an!) hat sich die Suche nach einem/r KJPler/in für die Psychotherapeutenkammer
Sachsen-Anhalt entwickelt. Alle fünf „Ost“länder sind zwar in der Ostkammer verbunden,
gewählt wird aber erst einmal für jedes Bundesland getrennt. Sieben Kammermitglieder stellt
jedes Bundesland, bisher stehen sechs PPler auf der Vorschlagsliste. Findet sich ein/e
KJPler/in, die für die DGVT und damit für die in der Region schwach vertretenen Kolleginnen und Kollegen der approbierten VT-Zunft in den Ring steigen möchten? Eine Kandidatur
wäre wichtig, damit die Interessen für den KJP-Bereich adäquat vertreten werden können.
Interessierte KJP-Kollegen/Kolleginnen an einer Kandidatur für die Kammerwahl mögen sich bei der Landessprecherin melden ([email protected]).
Barbara Zimmermann
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-26
Berichte aus den Landesgruppen
Schleswig-Holstein
Unmittelbar vor den Sommerferien wurde es in der Psychotherapeutenkammer unseres Bundeslandes noch einmal interessant. Anlass hierfür war die Diskussion um das Versorgungswerk unserer Kammer. Wir haben uns hierzu ja bereits in den letzten beiden Ausgaben der
Rosa Beilage kritisch geäußert, und hinterfragt, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, ein Versorgungswerk zu gründen, dass in dieser Größenordnung (oder vielmehr fehlenden Größenordnung) nirgendwo sonst in der Republik für vernünftig gehalten wird. Wir favorisierten einen
Anschluss an das Versorgungswerk der Niedersächsischen Psychotherapeutenkammer, dem
die Kammern in Hamburg und Bremen bereits beigetreten sind und dem die Kammern von
Hessen und Rheinland-Pfalz demnächst beitreten werden. Die überwältigende Mehrheit der
Kammerversammlung in Schleswig-Holstein sah das anders und so hat unsere Psychotherapeutenkammer seit Februar ein eigenes Versorgungswerk. Offensichtlich sieht auch der hiesige Kammervorstand, dass ein komplett eigenes Versorgungswerk nur von begrenzter ökonomischer Sinnhaftigkeit ist und so gibt es mehr oder weniger vage Absichtserklärungen, mit
einem anderen Versorgungswerk zumindest einen Geschäftsbesorgungsvertrag abzuschließen
oder sich vielleicht doch noch einem anderen Versorgungswerk anzuschließen. Dem interessierten Pflichtmitglied stellt sich nun die Frage, wann denn hierüber entschieden werden soll,
denn es gibt ein sehr wichtiges Datum in diesem Zusammenhang, nämlich den 13. August 2005. Bis zu diesem Datum läuft nämlich die Frist, innerhalb derer man sich von
der Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk befreien lassen kann. Hat man bis zu diesem Datum keinen Antrag auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft gestellt ist man automatisch Mitglied des Versorgungswerkes und kann rückwirkend von Februar 2005 an zur
Beitragszahlung verpflichtet werden.
Aus unserer Sicht wäre es die Aufgabe der Kammerversammlung gewesen, vor Gründung des
Versorgungswerkes, spätestens jedoch bis zum 13. August 2005, über die wichtigen Rahmenbedingungen des Versorgungswerkes abschließend zu entscheiden, damit die Pflichtmitglieder wissen, worauf sie sich einlassen. Das wird aber nun nicht mehr geschehen. Der Kammervorstand machte über ein halbes Jahr lang keine erkennbaren Anstalten den Absichtserklärungen auch Taten folgen zu lassen, und so gelang es erfreulicherweise erstmalig, dass sich zu
diesem Thema ein gemeinsames oppositionelles Vorgehen in der Kammerversammlung
schmieden ließ. Unter maßgeblicher Beteiligung des DGVT-Vertreters erzwangen 6 Versammlungsmitglieder (darunter auch eines aus dem „Regierungsbündnis“) eine außerordentliche Kammerversammlung zu diesem Thema noch vor den Sommerferien. Diese fand am
24.06.05 statt, brachte inhaltlich jedoch leider keine neuen Erkenntnisse. Der Kammervorstand legte keine beschlussfähigen Angebote über einen Geschäftsbesorgungsvertrag oder gar
über einen Anschluss an ein anderes Versorgungswerk vor. Da hierüber nur die Kammerversammlung entscheiden kann, steht damit fest, dass dies vor dem 13. August nicht mehr geschehen wird. Es bleibt bis zu diesem Datum also bei der komplett eigenständigen MiniaturAusgabe eines Versorgungswerkes inclusive eines eigenen Aufsichtsausschusses. Dass es
hierfür keine zwingende Notwendigkeit gibt, zeigt alleine die Tatsache, dass es anderen Landespsychotherapeutenkammern gelang, rechtzeitig klare Bedingungen für ein Versorgungswerk herzustellen. Letztlich muss jedes Pflichtmitglied selbst beurteilen, wie es sich zum Versorgungswerk stellen will, wir wollen an dieser Stelle nur noch mal darauf hinweisen, dass
der 13. August 2005 das Fristende ist und nicht der 15. August, wie von Heiko Borchers, dem
Vorsitzenden des Aufsichtsausschusses, in seinem letzten Brief an die Pflichtmitglieder vom
Juni 2005 angegeben. Laut Kammerrundbrief vom 24.02.05 wurde das Versorgungswerk am
14. Februar gegründet und hier wird auch der 13. August als Fristende genannt.
Warum unser Kammervorstand an dieser Stelle nicht die „gemeinsamen Ressourcen und Synergieeffekte“ mit anderen Kammern und insbesondere mit den Nordkammern nutzt, wie doch
immer wieder in offiziellen Texten (siehe auch jüngste Ausgabe des Psychotherapeutenjournals) verlautbart wird, bleibt uns völlig unverständlich. Denn letztlich können nur in schlan-
S-27
ken Strukturen Effizienz gesteigert und Kosten reduziert werden. Statt dessen schafft unsere
Kammer zusätzliche Strukturen für wenige Mitglieder. So verhält es sich auch bei den Strukturen der Kammer selbst. Es gibt entgegen einem anders lautenden Beschluss der Kammerversammlung keine ernst zu nehmenden Aktivitäten des Kammervorstandes die Möglichkeit
eines Zusammenschlusses zur Nordkammer wirklich auszuloten. Statt dessen gab es im
Frühjahr noch einmal Minimalststellungnahmen der vier Kammervorstände Bremens, Hamburgs, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins, in denen der Zusammenschluss zu einer
Nordkammer ohne nähere Begründung als kontraproduktiv zurückgewiesen wurde.
Für etwas abenteuerlich halten wir es, wenn in diesem Zusammenhang die von uns postulierte
Kostenersparnis in Frage gestellt wird. Wer nur ein wenig rechnen kann, dürfte dies nicht
ernsthaft bezweifeln. Der mit weitem Abstand größte Teil der Kosten in der schleswig-holsteinischen Kammer entsteht durch den Unterhalt der Geschäftsstelle und durch die Entschädigungen für die gewählten Vertreter und den Vorstand. Es liegt auf der Hand, dass nur in
diesen Punkten ein entscheidendes Einsparpotenzial vorhanden ist. Was hätte eine Nordkammer hier zu bieten? Es könnte eine Geschäftsstelle geben. Die wäre wahrscheinlich etwas
größer als die größte der derzeit existierenden vier Geschäftsstellen, aber zweifellos deutlich
kleiner als die pure Addition der bestehenden Strukturen. Es gäbe eine Kammerversammlung,
die sicher etwas größer wäre als die jetzt größte Kammerversammlung im Norden, aber die
sicher deutlich kleiner wäre als die pure Addition der jetzigen Sitzanzahl (wenngleich an dieser Stelle die Rechnung wegen der Vollversammlung in Bremen nicht ganz so einfach ist).
Und es gäbe – auch wenn’s schwer fällt – nur noch einen Vorstand, für dessen Größe dasselbe gilt. Wenn man dann zudem bereit wäre, sich an einer moderaten Entschädigungsordnung zu orientieren, wie sie z.B. in der niedersächsischen Kammer gilt, dann kann überhaupt
kein Zweifel daran bestehen, dass trotz höherer Fahrtkosten mit einer Nordkammer erhebliche
Einsparungen verbunden wären. Selbst wenn man einmal unrealistisch hoch greift und das
mögliche Haushaltsvolumen einer Nordkammer mit dem Dreifachen der jetzigen schleswigholsteinischen Kammer veranschlagt, steigt die Anzahl der Köpfe, die mit ihren Pflichtbeiträgen das Ganze finanzieren aus der Sicht Schleswig-Holsteins um das 5,5-fache. Und nach
Adam Riese... .
Auch andere Überlegungen, etwa die, dass eine Nordkammer einen in kafkaesker Art und
Weise unüberschaubaren Koloss schaffen würde wirken doch eher an den Haaren herbei gezogen. Eine Nordkammer wäre kleiner als die Psychotherapeutenkammer Nordrhein-Westfalens und nicht einmal halb so groß, wie die Ärztekammer in Schleswig-Holstein. Die geographische Ausdehnung würde von Bayern und den Ostländern locker übertroffen. Transparenz
und Mitgliedernähe haben nach unserer Überzeugung weniger mit Größe als vielmehr
mit Haltung zu tun. Deshalb noch ein kleines Beispiel für die Haltung unseres Vorstandes:
Ein Leserbrief, der von uns mit den vorstehenden Inhalten an das Psychotherapeutenjournal
geschickt wurde, fand leider keine Veröffentlichung. Über die Veröffentlichung von Leserbriefen entscheidet der jeweilige Vorstand der Landeskammer. Wir müssen mittlerweile leider davon ausgehen, dass die Strategie der Kammervorstände zur Nordkammeraktion
in dem Versuch besteht, das Votum der ca. 1.400 Pflichtmitglieder so weit wie möglich
zu ignorieren, in der Hoffnung, dass sich die Initiative tot läuft.
Was kann also weiter getan werden?
Fest steht, dass die DGVT das Ziel einer Nordkammer weiter verfolgen wird. Hilfreich
war schon einmal, dass unsere Position in der niedersächsischen Kammer durch die jüngste
Kammerwahl deutlich gestärkt wurde. Vielen Dank dafür. Gleichwohl sitzen wir nach wie vor
nicht ausreichend an einflussreicher Stelle, um eine Umsetzung über die offiziellen Kanäle zu
erreichen. Wir können deshalb nur dafür sorgen, dass die Initiative nicht erlahmt, im Idealfall
auch, dass der öffentliche Druck auf die Kammerfunktionäre steigt. Wir haben uns deshalb
entschlossen, den Kammervorständen ihre Hausaufgaben abzunehmen. Wir werden einen
Musterhaushalt erarbeiten und damit die offensichtlichen wirtschaftlichen Vorteile einer
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-28
Berichte aus den Landesgruppen
Nordkammer für die Pflichtmitglieder mit einem belastbaren Zahlenwerk untermauern und
wir werden für die wenigen inhaltlichen Punkte, die gegen die Gründung einer Nordkammer
sprechen ganz konkrete Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Für Beides brauchen wir etwas
Zeit, aber wir werden es je nach Lage der Dinge zu gegebener Zeit in die politische Auseinandersetzung einbringen. Nach wie vor sind wir aber auch auf Sie angewiesen. Machen
Sie bitte Ihren gewählten VertreterInnen wann immer es geht deutlich, dass Sie an einer
Umsetzung weiter interessiert sind. Nach wie vor sind wir sicher, dass eine Nordkammer
im Vergleich zu den jetzigen Strukturen ihre Aufgaben kostengünstiger und effizienter wahrnehmen kann und deshalb im Interesse der Pflichtmitglieder liegt.
Was gibt’s noch?
Interessant ist ja zweifellos auch die derzeitige politische Großwetterlage. In SchleswigHolstein hat es einen Regierungswechsel gegeben und wir sollten wohl aufpassen, welche
Auswirkungen dies möglicherweise auf die psycho-soziale Versorgungslandschaft im Lande
hat. Jüngst hat der neue Ministerpräsident angekündigt, dass die Landesausgaben pauschal in
allen Bereichen um 10% gekürzt werden. Wie das genau aussehen soll, weiß noch keiner.
Aber wenn Sie in einem Bereich arbeiten, der aus Landesmitteln finanziert ist, informieren
Sie uns bitte, wenn konkretere Planungen bekannt werden. Manchmal lohnt es sich dann,
wenn Berufs- und Fachverbände aktiv werden. Und so wie das im Moment aussieht, kommen
ja auch noch Bundestagswahlen.
Bleibt noch der Hinweis auf unsere nächste Regionale Mitgliederversammlung. Veranstalten werden wir sie am 18.10.05 um 19:00 Uhr, wahrscheinlich wie bisher auch in der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik in Bad Bramstedt. Persönliche Einladungen mit den genauen Angaben und der Tagesordnung werden Sie rechtzeitig erhalten. Wir hoffen jedenfalls
auf rege Teilnahme.
Soviel für diesmal.
Einen schönen Restsommer wünschen
Detlef Deutschmann, Bernd Schäfer
____________________________________ __________________________________ S-29
Wahlen zur Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer
frühestens im April 2006
In der letzten Ausgabe dieser Zeitschrift (Rosa Beilage zur VPP 2/2005, S. 36-38) hatten wir
bereits über den Stand der Vorbereitungen zur Gründung der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer (OPK) und den Zeitplan bis zur Durchführung der 1. Wahl für die Delegiertenversammlung der Ostdeutschen Psychotherapeutenkammer berichtet. Zu diesem Zeitpunkt ging
das Sächsische Staatsministerium und dessen für die Gesundheitsberufe zuständiger Referent
Jürgen Hommel noch von einem Termin Ende 2005 für die Gründung der Kammer aus.
Inzwischen zeichnet sich ab, dass der Terminplan eng werden dürfte. Zwar hat der Sächsische
Landtag die mit der länderübergreifenden Kammergründung notwendig gewordenen Gesetzesänderungen zwischenzeitlich beschlossen, doch steht dieses Prozedere in den anderen vier
beteiligten Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und
Thüringen noch an. Jürgen Hommel rechnet damit, dass sich die jeweiligen Landtage in ihren
ersten Plenarsitzungen nach der Sommerpause im Oktober mit diesem Thema befassen werden. Sobald das letzte Land die Ratifizierungsurkunde hinterlegt hat, wird das zuständige
Sächsische Staatsministerium den Errichtungsausschuss (EA) der zu gründenden OPK berufen. Es muss dann nach Ansicht Jürgen Hommels noch mit einer Zeitspanne von ca. sechs
Monaten gerechnet werden, bis die Wahl stattfinden kann (der Staatsvertrag der fünf Länder
sieht in Art. 5 vor, dass der EA nach Maßgabe der vorläufigen Wahlordnung die Wahl zur
ersten Kammerversammlung innerhalb von längstens zwölf Monaten nach Bestellung des Errichtungsausschusses durchführt). Mit den ersten Wahlen zur OPK ist somit realistischerweise
frühestens im April 2006 zu rechnen (und spätestens 12 Monate nach der Berufung des Errichtungsausschusses).
Eine Errichtungsgruppe mit VertreterInnen der Psychotherapeuten(verbände) aller fünf beteiligten Länder hat in den letzten zwei Jahren bereits Entwürfe zur Kammersatzung, zur Wahlordnung, zur Meldeordnung und zur Beitragsordnung vorbereitet mit dem Ziel, dass diese
Ordnungen nach der Verabschiedung durch den Errichtungsausschuss dann rasch in Kraft
treten können.
Interessantes sieht der Entwurf einer Wahlordnung der Errichtungsgruppe vor: im Unterschied zu den Wahlordnungen der Kammern in den meisten westlichen Bundesländern (Ausnahmen Bremen, Schleswig-Holstein) soll die Wahl zur OPK als eine reine Personenwahl
stattfinden, Listen sollen generell nicht zugelassen werden. Den KandidatInnen soll nur die
Möglichkeit offen stehen, auf dem Wahlzettel hinter ihrem Namen durch einen Zusatz die
Verbandszugehörigkeit kenntlich zu machen.
Spannend wird es sein zu beobachten, ob die Mitglieder der Errichtungsgruppe und des letztlich beschließenden Errichtungsausschusses in den nächsten Monaten diese sehr nachhaltige
Auffassung zum Wahlrecht beibehalten oder ob sich hier – unter Einbezug der Erfahrungen
aus den bereits bestehenden Kammern – noch Änderungen ergeben werden.
Kerstin Burgdorf
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
Alles was Recht ist…
S-30
Zur Mitgliedschaft und Beitragspflicht in den
Kammern für Psychologische
Psychotherapeuten und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten
Jan Eichelberger, LL.M.oec., Berlin 5
Nach den jeweiligen Kammer- bzw. Heilberufegesetzen sind die Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zur Mitgliedschaft in der jeweiligen Landespsychotherapeutenkammer verpflichtet, wenn sie ihren Beruf ausüben oder (alternativ in einigen Bundesländern) ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Kammergebiet haben. Diese Pflichtmitgliedschaft wirft im Wesentlichen drei Fragen auf. Zunächst
stellt sich für alle das Problem der grundsätzlichen Zulässigkeit der Verkammerung (nachfolgend unter I.). Zum Zweiten ist zu klären, wann ein Psychotherapeut seinen Beruf im Sinne
der Kammer- und Heilberufegesetze ausübt (dazu nachfolgend unter II.). Insbesondere betrifft
dies diejenigen Personen, die nicht therapeutisch im engeren Sinne von Krankenbehandlung
tätig werden, sondern beispielsweise lehrende Aufgaben an Hochschulen oder im Rahmen
von Aus-, Fort- und Weiterbildung erbringen. Sollten auch diese (theoretischen)
Psychotherapeuten mitgliedspflichtig sein, so stellt sich für sie die Frage, ob sie zumindest in
den Genuss eines geringeren Mitgliedsbeitrages kommen müssen (nachfolgend unter III.).
Abschließend (nachfolgend unter IV.) wird untersucht, ob es Möglichkeiten zum „Verzicht“
auf die Pflichtmitgliedschaft gibt.
Zu diesen Problemkreisen sind in der letzten Zeit einige Urteile verschiedener Verwaltungsgerichte ergangen, von denen exemplarisch die des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 10. August 2004 (2 A 176/03), des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 9.
August 2003 (13 K 1505/02), des Verwaltungsgerichts Köln vom 27. Oktober 2004 (9 K
7004/01) und des Verwaltungsgerichts Bremen vom 25. März 2004 (2 K 1399/02)
nachfolgend besprochen werden.
I. Pflichtmitgliedschaft in der Psychotherapeutenkammer
Übereinstimmend sehen die hier besprochenen Urteile keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Pflichtmitgliedschaft der approbierten Psychotherapeuten in
einer Psychotherapeutenkammer.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Zwangsmitgliedschaft
in einer berufsständischen Kammer, da dies in die persönlichen Freiheitsrechte (Art. 2 Abs. 1
GG) des Einzelnen eingreift, nur zulässig, wenn die Kammern legitime öffentliche Aufgaben
wahrnehmen und ihre Errichtung – gemessen an diesen Aufgaben – dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht.6 Der Gesetzgeber darf also nicht beliebig Verbände mit
5
Der Autor war Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der
Universität Jena (Lehrstuhl Prof. Dr. Dr. G. Jerouschek M.A.) und ist derzeit Rechtsreferendar am
Kammergericht.
6
BVerfG, NVwZ 2002, 335, 336 (Industrie- und Handelskammer); BVerfG, DVBl. 2002, 835 (Zahnärztekammer Brandenburg); BVerfGE 10, 89, 102 (Wasserverband); BVerfGE 38, 281, 298f.
(Arbeitnehmerkammer).
Eichelberger: Mitgliedschaft u. Beitragspflicht der Psychotherapeutenkammern
S-31
Zwangsmitgliedschaft errichten, jedoch kommt ihm bei der Festlegung dessen, was eine legitime öffentliche Aufgabe ist, ein weites Ermessen zu.7 Allgemein formuliert sind legitime öffentliche Aufgaben solche Aufgaben, an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber so geartet sind, dass sie weder im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engen Sinne staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch seine Behörden wahrnehmen muss.8
Die Kammer- und Heilberufegesetze weisen den Kammern vielfältige Aufgaben zu. So haben
diese unter anderem die beruflichen Belange ihrer Angehörigen wahrzunehmen, die Erfüllung
der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen, für die Qualität der Berufsausübung zu sorgen, die berufliche Fort- und Weiterbildung der Berufsangehörigen zu fördern
und aus dem Berufsverhältnis entstandene Streitigkeiten zu schlichten. Dass diese Aufgaben
anfallen, kann nicht bestritten werden; sie müssten – hielte man die Kammern für unzulässig –
durch andere, unmittelbare staatliche Verwaltungseinheiten übernommen werden. Dann aber
ist es sachgerecht, diese Aufgaben auf die entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen zu
übertragen und diese ihre eigenen Angelegenheiten in eigener Satzungsautonomie regeln zu
lassen, zumal diese die sie selbst betreffenden Angelegenheiten auf Grund ihrer Sachkunde
und Problemnähe besser regeln können als der Staat. Die notwendigerweise mit der Selbstverwaltung verbundene Zwangsmitgliedschaft ist darauf angelegt, durch Beteiligungsrechte
kompensiert zu werden, sodass durch die damit verbundenen Einflussmöglichkeiten die Mitglieder des Zwangsverbandes im Grunde eher begünstigt als belastet sind.9 Der in der Errichtung einer unterstaatlichen Selbstverwaltungskörperschaft zum Ausdruck kommende Autonomiegedanke fügt sich somit sinnvoll in das System der grundgesetzlichen Ordnung ein.10
Unter diesem Blickwinkel „stellt sich die Errichtung einer Psychotherapeutenkammer als logische Konsequenz der von den Berufsverbänden der psychotherapeutisch tätigen Psychologen erstrebten und schließlich auch erreichten Schaffung der Berufe des Psychologischen
Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten durch das Bundesgesetz vom 16. Juni 1998 (BGBl. I S. 1311) sowie deren Einbeziehung in die gesetzlichen
Krankenversicherung dar. Die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer kann mit Blick darauf als
Kehrseite der Möglichkeit gesehen werden, auf Grund einer erteilten Approbation die Heilkunde selbständig und freiberuflich als Psychotherapeut ausüben zu dürfen.“.11 Der Gesetzgeber hat damit „für den Berufsstand der Psychotherapeuten das nachvollzogen, was für die Angehörigen anderer Heilberufe wie Ärzte, Apotheker, Tierärzte und Zahnärzte schon seit langem gilt, ebenso wie für andere freie Berufe wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Architekten“.12
7
BVerfG, NVwZ 2002, 335, 336 (Industrie- und Handelskammer); BVerfG, DVBl. 2002, 835 (Zahnärztekammer Brandenburg).
8
BVerfGE 38, 281, 299 (Arbeitnehmerkammern).
9
BVerwGE 106, 64, 83 (Emschergenossenschaft).
10
BVerfGE 33, 125, 157 (Facharztbeschluss); BVerfGE, 10, 89, 102ff. (Wasserverband); BVerfGE
10, 354, 363 (Bayerische Ärzteversorgung); BVerfGE 15, 235, 240 (Industrie- und Handelskammer); BVerfGE 38, 281ff. (Arbeitnehmerkammern).
11
VG Arnsberg, Urt. v. 9.8.2002 – 13 K 1505/02, S. 7.
12
Schleswig-Holsteinisches VG, Urt. v. 10.8.2004 – 2 A 176/03, S. 10.
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-32
Alles was Recht ist…
II. Berufsausübung
1. Alle Bundesländer haben die Pflichtmitgliedschaft so ausgestaltet, dass der Kammer jedenfalls diejenigen approbierten Psychotherapeuten angehören, die im Kammergebiet ihren Beruf
ausüben.13 Dies führt zu der Frage, wann ein Approbierter seinen Beruf im Sinne der Kammer- und Heilberufegesetze ausübt. Das denkbare Spektrum reicht dabei vom Abstellen auf
die Approbation über die Anlehnung an die bundesrechtliche Regelung über die Ausübung
der Psychotherapie (§ 1 Abs. 3 PsychThG) bis hin zu einer eigenständigen Begriffsbildung.
Relevant wird dies dann, wenn jemand zwar die Approbation besitzt, jedoch nicht heilkundlich im Sinne von § 1 Abs. 3 PsychThG tätig wird, etwa weil er ausschließlich lehrende
Aufgaben an Hochschulen oder im Rahmen von Aus-, Fort- und Weiterbildung erbringt, in
der Verwaltung tätig ist etc.
2. Der Landesgesetzgeber ist frei in seiner Entscheidung, wen er in den Kreis der sich selbst
verwaltenden Kammerangehörigen einbezieht und dabei unabhängig von etwa abweichenden
bundesrechtlichen Berufsdefinitionen.14 Eine verbindliche Regelung (etwa durch § 1 Abs. 3
PsychThG) hat der Bundesgesetzgeber weder beabsichtigt, noch hätte er dazu die Gesetzgebungskompetenz.15 Gleichwohl beinhalten nur wenige Landesrechte eine Definition. So heißt
es in § 3 Abs. 2 der Beitragsordnung der Psychotherapeutenkammer Hamburg: „Berufsausübung im Sinne dieser Regelung umfasst nicht nur die Behandlung von Patienten, sondern
jede Tätigkeit, bei der psychotherapeutische Kenntnisse angewendet oder mit verwendet werden (z. B. in Lehre und Forschung, bei Beratungstätigkeiten in der Industrie (Coaching/Personalmanagement), bei Beratungsstellen, Behörden und dergleichen).“.
3. Betrachtet man die Rechtsprechung in anderen Bereichen des Heilberufswesens, so zeigt
sich, dass auch dort seit langem ein sehr weiter Begriff der Berufsausübung angewandt wird.
So ist ärztliche Berufsausübung nicht nur die diagnostische und therapeutische Tätigkeit des
praktizierenden Arztes, sondern es genügt eine Tätigkeit, bei der ärztliche Fachkenntnisse
vorausgesetzt, eingesetzt oder mitverwendet werden oder werden können.16 Der Begriff umfasst daher auch die Tätigkeit aller in der öffentlichen Verwaltung, im öffentlichen Gesundheitswesen, in der Forschung und Lehre tätigen Ärzte sowie der Sanitätsoffiziere. 17 Dabei
wird es nicht als hinderlich angesehen, wenn dies überwiegend administrativ oder organisatorisch geschieht.18 Selbst Hochschullehrer der theoretischen Fächer betreiben mit ihrer
Grundlagenforschung eine medizinische Tätigkeit, mag sie auch mit der Ausübung der Heilkunde im engeren Sinne nichts zu tun haben und mit anderen nichtärztlichen Berufen eng
13
Teilweise genügt für die Mitgliedschaft alternativ auch der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt
im Kammergebiet.
14
BVerwGE 39, 100, 101; BVerwG, NJW 1997, 814, 815 (Landesapothekerkammer Hessen).
15
Näher Stellpflug, MedR 2005, 71f.
16
VG Gießen, MedR 2002, 523, 524; OVG Lüneburg, Nds.VBl. 1995, 20-21; s. auch BVerwG, NJW
1990, 2335; ausf. zur historischen Entwicklung des weiten Begriffes der „ärztlichen Tätigkeit“ OVG
Lüneburg, DVBl. 1960, 365ff.
17
BVerwGE 39, 100ff. (Medizinalbeamter beim Gesundheitsamt); HessVGH, ESVGH 22, 189ff.
(Universitätsprofessor für Physiologie); OVG Lüneburg, NdsÄBl. 1960, 139 (Lehrstuhlinhaber für
Pharmakologie); BVerwG, VerwRspr 23, 786 (Sanitätsoffizier der Bundeswehr); VGH Bad.-Württ.,
DMV 1979, 998 (ärztlicher Hochschullehrer der biologischen Chemie und Ernährungswissenschaften); OVG Lüneburg, MedR 1989, 104ff. (Lehrstuhlinhaber für Physiologie und Anatomie).
18
VG Braunschweig, MedR 1995, 283.
Eichelberger: Mitgliedschaft u. Beitragspflicht der Psychotherapeutenkammern
S-33
verwandt sein.19 Das Bundesverwaltungsgericht begründet dieses weite Verständnis damit,
dass die Landesärztekammer die beruflichen Belange der Gesamtheit der Ärzte zu wahren
und an der Erhaltung einer sittlich und wissenschaftlich hoch stehenden Ärzteschaft mitzuwirken habe. Diese Aufgabe könne die Landesärztekammer nur erfüllen, wenn sie sich die Erfahrungen der Ärzte aus allen Tätigkeitsbereichen nutzbar machen kann.20 Es hat sich damit
ein weiter Begriff der ärztlichen Tätigkeit durchgesetzt, der über die Ausübung der Heilkunde
am Menschen im Sinne des § 2 Abs. 5 BÄO hinausgeht.21 Negativ formuliert kann also erst
dann nicht mehr von einer ärztlichen Tätigkeit gesprochen werden, wenn eine berufsfremde
Tätigkeit, die in keinerlei Zusammenhang mit der ärztlichen Ausbildung und den medizinischen Fachkenntnissen steht, ausgeübt wird.22
4. Ähnliche Grundsätze wendet die Rechtsprechung auch für die Pflichtmitgliedschaft in der
Apothekerkammer23 an. Da mit Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes ein im Status
diesen akademischen Heilberufen gleichgestellter Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten resp. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten bezweckt wurde24, ist es nur konsequent, diese Rechtsprechung – wie dies die Gerichte bislang bereits praktiziert haben – auf die
Psychotherapeuten zu übertragen.25
Nach Ansicht der Rechtsprechung ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Kammer- und
Heilberufegesetze sowie aus dem Selbstverständnis der Kammern, dass Kammerangehörige
all diejenigen approbierten Psychotherapeuten sein sollen, die mit Beantragung und Innehabung der Berufszulassung ihr Interesse an der Ausübung der Heilkunde unter der Berufsbezeichnung des Psychotherapeuten bekundet haben.26 Eine Berufsausübung läge jedenfalls bei
einer Tätigkeit vor, bei der die Kenntnisse, die Voraussetzung für die Approbation waren,
vorausgesetzt, eingesetzt oder mitverwendet werden, auch wenn die ausgeübte Tätigkeit mit
anderen Berufen verwandt sei.27 Nur durch ein möglichst breites Mitgliederspektrum könnten
die Kammern ihre Aufgaben umfassend wahrnehmen.28 Schließlich sprächen auch Gründe
der Vereinfachung der Verwaltungspraxis für eine Pauschalierung und Generalisierung, da
19
OVG Lüneburg, OVGE 44, 394ff. (ärztlicher Professor für Biochemie); VGH Bad.-Württ., DMV
1979, 998 (ärztlicher Hochschullehrer der biologischen Chemie und Ernährungswissenschaften);
enger OVG Koblenz, NJW 1964, 466, 467.
20
BVerwGE 39, 100, 103 (Medizinalbeamter beim Gesundheitsamt).
21
VG Braunschweig, MedR 1995, 283.
22
OVG Lüneburg, Nds.VBl. 1995, 20; VG Braunschweig, MedR 1995, 283, 284.
23
Vgl. etwa HessVGH, MedR 1993, 269ff., bestätigt von BVerwG, NJW 1997, 814ff.
24
Vgl. nur Jerouschek, Kommentar zum PsychThG, 2004, § 1 Rn. 4.
25
Ebenso (für die Beitragsbemessung) VG Bremen, Urt. v. 25.3.2004 – 2 K 1399/02, S. 8, 11.
26
VG Arnsberg, Urt. v. 9.8.2002 – 13 K 1505/02, S. 7; Schleswig-Holsteinisches VG, Urt. v.
10.8.2004 – 2 A 176/03, S. 11.
27
VG Köln, Urt. v. 27.10.2004 – 9 K 7004/01, S. 6; VG Kassel, Urt. v. 26.7.2004 – 5 E 1194/04 (zit.
nach Stellpflug, MedR 2005, 71, 73).
28
Schleswig-Holsteinisches VG, Urt. v. 10.8.2004 – 2 A 176/03, S. 11; VG Kassel, Urt. v. 26.7.2004 –
5 E 1194/04 (zit. nach Stellpflug, MedR 2005, 71, 73).
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-34
Alles was Recht ist…
auf diese Weise die Kammer von den kaum zu treffenden Feststellungen über die konkrete
Tätigkeit des Approbierten befreit wird.29
Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht zieht daraus den Schluss, dass die Kammermitgliedschaft nur vermeiden könne, wer seine Approbation aufgibt.30 Dies geht jedoch
zu weit. Die Kammer- und Heilberufegesetze stellen für die Kammermitgliedschaft ausdrücklich auf die Berufsausübung und nicht bereits auf die Erlaubnis zur Berufsausübung (die Approbation) ab. Allein die Approbation genügt daher nicht, um eine Mitgliedspflicht zu begründen.31 Das bedeutet aber nicht im Umkehrschluss, dass nur eine approbationspflichtige
Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 PsychThG umfasst ist. Vielmehr kann eine Berufsausübung
auch vorliegen, wenn zur Ausübung der konkreten Tätigkeit keine Approbation notwendig
wäre.32
Maßgeblich ist somit allein, ob bei der Tätigkeit des Psychotherapeuten Kenntnisse, die Voraussetzung für die Approbation sind, vorausgesetzt, eingesetzt oder mitverwendet werden
oder werden können. Nur wenn solche Fachkenntnisse für die Tätigkeit keinerlei Bedeutung
haben, es sich also um eine berufsfremde Tätigkeit ohne Zusammenhang mit der Ausbildung
oder den Fachkenntnissen eines Psychologischen Psychotherapeuten bzw. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten handelt, liegt keine Berufsausübung im Sinne der Kammer- und
Heilberufegesetze vor.33 Mit anderen Worten scheiden damit nur diejenigen Therapeuten aus,
die entweder den die Kammerzugehörigkeit vermittelnden Beruf überhaupt nicht ausüben
oder die einen fremden, mit ihrer Ausbildung und Qualifikation nicht zusammenhängenden
Beruf ausüben.34
5. Berufsausübung im Sinne der Kammer- und Heilberufegesetze ist damit zunächst die diagnostische und therapeutische psychotherapeutische Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 3
PsychThG, also die Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert.
Hierbei ist unerheblich, ob dies als Selbständiger, Angestellter oder im öffentlichen Dienst
Beschäftigter geschieht. Berufsausübung in diesem Sinne ist aber auch jede Tätigkeit in Forschung und Lehre, Aus- und Weiterbildung sowie in der privaten oder öffentlichen Verwaltung, sei diese Tätigkeit auch überwiegend administrativer oder organisatorischer Art, solange
nur psychotherapeutische Fachkenntnisse zumindest mitverwendet werden.
6. Einen Mindestumfang für die Berufsausübung sehen die Kammer- und Heilberufegesetze
(bis auf das Hamburgische Psychotherapeutenkammergesetz, das eine „nicht nur gelegentliche“ Berufsausübung fordert) nicht vor, sodass auch eine nebenberufliche oder nur gelegentliche psychotherapeutische Tätigkeit zur Kammermitgliedschaft führt. Es genügt somit jede
psychotherapeutische Tätigkeit aufgrund der Approbation, sei diese auch noch so gering. 35
29
VG Arnsberg, Urt. v. 9.8.2002 – 13 K 1505/02, S. 7; Schleswig-Holsteinisches VG, Urt. v.
10.8.2004 – 2 A 176/03, S. 11.
30
Schleswig-Holsteinisches VG, Urt. v. 10.8.2004 – 2 A 176/03, S. 11.
31
Vgl. OVG Koblenz, NJW 1964, 466, 467 (für einen Arzt).
32
VG Köln, Urt. v. 27.10.2004 – 9 K 7004/01, S. 8.
33
Ebenso Stellpflug, MedR 2005, 71, 74.
34
VG Köln, Urt. v. 27.10.2004 – 9 K 7004/01, S. 6.
35
OVG Rheinland-Pfalz, NJW 1977, 2129.
Eichelberger: Mitgliedschaft u. Beitragspflicht der Psychotherapeutenkammern
S-35
7. Unter Anwendung dieser Grundsätze haben die Gerichte eine Berufsausübung im Sinne der
Kammer- und Heilberufegesetze (zu Recht) bejaht für eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, die ausschließlich in der Ausbildung von Diplom-Heilpädagogen tätig ist36 sowie
für einen Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, dem als Leiter einer Erziehungsberatungsstelle sogar untersagt war, therapeutisch im
Sinne des PsychThG tätig zu sein37.
III. Kammerbeitrag
1. Die Kammern können zur Deckung ihrer Kosten Beiträge von den Mitgliedern verlangen.
Dies ist im Grundsatz unbestritten. Die Beitragslast rechtfertigt sich dadurch, dass die Kammern die Interessen ihrer Mitglieder wahrnehmen und deren wirtschaftliche Tätigkeit fördern,
weshalb eine Beteiligung der Kammermitglieder an der Kostenlast verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden ist.38 Zu Recht weist in diesem Zusammenhang das Schleswig-Holsteinische
Verwaltungsgericht darauf hin, dass auch im Alternativmodell einer unmittelbaren staatlichen
Verwaltung des Berufsstandes diese Kosten über Abgaben zu finanzieren wären.
Bei der Ausgestaltung ihrer Beitragsordnungen haben die Kammern einen Gestaltungsspielraum. Soweit sie ihre durch Zweck und Aufgabenkreis begrenzte Regelungskompetenz nicht
überschreiten, steht ihnen eine Gestaltungsfreiheit, ein sog. „normatives Ermessen“ zu. 39 Damit korrespondiert eine nur beschränkte gerichtliche Kontrolldichte. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Beitragsordnungen erstreckt sich nur darauf, ob die Kammern die äußersten
Grenzen ihres Gestaltungsbereichs eingehalten haben, nicht aber, ob die getroffene Regelung
die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung ist.40
Die Rechtsprechung fasst Kammerbeiträge stets als Beiträge im Rechtssinne auf, da diese der
Abgeltung eines besonderen Vorteils, nämlich des sich aus der Mitgliedschaft ergebenden
Nutzens dienen sollen. Die Beitragsbemessung muss deshalb dem Äquivalenzprinzip und
dem Gleichheitssatz genügen.41 Diese beiden Grundsätze markieren damit zugleich die äußersten Grenzen des Gestaltungsbereiches der Kammern in Bezug auf ihre Beiträge.
2. Das Äquivalenzprinzip ist die beitragsrechtliche Ausformung des allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.42 Es besagt, dass die Kammerbeiträge nicht
in einem Missverhältnis zum Wert der Mitgliedschaft stehen dürfen, zwischen Leistung und
Gegenleistung also ein angemessenes Verhältnis bestehen muss und dass einzelne Mitglieder
im Verhältnis zu anderen nicht übermäßig hoch belastet werden dürfen. 43 Das darf freilich
nicht dahingehend missverstanden werden, dass in jedem Einzelfall der jeweils zu zahlende
36
VG Köln, Urt. v. 27.10.2004 – 9 K 7004/01.
37
VG Arnsberg, Urt. v. 9.8.2002 – 13 K 1505/02.
38
BVerfG, NVwZ 2002, 335, 337.
39
BVerfGE 12, 319, 325; VGH Bad.-Württ., MedR 1999, 189, 191.
40
BVerwG, Buchholz 418.0 Ärzte Nr. 23; BVerwG, NJW 1990, 786, 787; BVerfGE 31, 119, 130;
VerfGH Berlin, MedR 2004, 49, 50.
41
BVerwGE 92, 24, 26 (Ärztekammer); BVerwGE 39, 100, 107.
42
BVerwG, Buchholz 418.0 Ärzte Nr. 23; BVerwG, GewArch 1992, 28, 29.
43
BVerfGE 20, 257, 270; BVerwGE 12, 162, 166; VGH Bad.-Württ., MedR 1999, 189, 190.
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-36
Alles was Recht ist…
Kammerbeitrag unmittelbar dem Vorteil der Kammerzugehörigkeit entsprechen müsste. 44
Abgesehen davon, dass dieser Vorteil für den Einzelnen häufig schwer zu bestimmen und zu
messen sein und deshalb weitgehend nur vermutet wird45, sind schon aus Gründen der
Praktikabilität und im Interesse einer möglichst einfach zu handhabenden Beitragsordnung
Typisierungen und Pauschalisierungen notwendig. Diese sind zulässig, soweit sie sachlich
vertretbar und nicht willkürlich vorgenommen werden.46 Im Übrigen ist es nicht notwendig,
dass die Vorteile von den Beitragspflichtigen wirklich wahrgenommen werden, sondern es
genügt die Möglichkeit hierzu.47
Obwohl somit das Äquivalenzprinzip in Verbindung mit dem Gleichheitsgebot im Grundsatz
eine vorteilsbezogene Beitragsbemessung vorgibt, ist nicht ausgeschlossen, dass auch soziale
Gesichtspunkte, wie insbesondere die persönliche Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden.48
Da der Verkammerung auch ein sozialer Gedanke zugrunde liegt, ist es erlaubt (aber keine
Pflicht49), dass jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (d.h. in der Regel nach
dem Einkommen) zur Finanzierung der Kammerarbeit beiträgt, also wirtschaftlich schwächere Mitglieder auf Kosten der leistungsstärkeren entlastet werden. 50 Jedoch ist eine ausschließlich einkommensbezogene, den individuellen Nutzen überhaupt nicht berücksichtigende Beitragsordnung unzulässig. In erster Linie muss die Beitragsbemessung also vorteilsbezogen sein.51 Dazu ist es notwendig, dass für die verschiedenen Berufsgruppen innerhalb
der Kammer, wenn und soweit diese unterschiedlichen Nutzen aus der Kammermitgliedschaft
ziehen, differenzierte Beitragssätze vorgesehen sind.
3. Das führt zu der Frage, ob die Mitglieder der Psychotherapeutenkammern unterschiedlichen Nutzen aus der Mitgliedschaft ziehen. Viele Kammern bejahen dies offenbar, da sie
mehr oder minder differenzierte Beitragsklassen vorsehen. Zumeist unterscheiden sie dabei
im Wesentlichen zwischen Selbständigen, Angestellten bzw. Beamten sowie denjenigen, die
ihre Berufstätigkeit unterbrochen oder eingeschränkt haben.
Auch die Rechtsprechung scheint – soweit sie sich dazu bisher geäußert hat – von der Notwendigkeit einer Differenzierung auszugehen, wobei freilich über die Details keine Einigkeit
besteht. Nach Ansicht des VG Koblenz seien derzeit keine signifikanten Unterschiede in der
Einkommenssituation zwischen angestellten und freiberuflich tätigen Kammermitgliedern
vorhanden und auch die Inanspruchnahme der Kammer bei beiden Gruppen in etwa gleich.
Deshalb sei diesbezüglich keine Differenzierung notwendig. 52 Anderes gelte jedoch
44
BVerwG, Buchholz 418.0 Ärzte Nr. 23; BVerwG, GewArch 1992, 28.
45
BVerwGE 92, 24, 26; BVerwG, GewArch 1992, 28, 29 m.w.N.
46
BVerwG, Buchholz 418.0 Ärzte Nr. 23.
47
BVerwGE 25, 147, 198; BVerwGE 92, 24, 26; BVerwGE 39, 100, 107; VerfGH Berlin, MedR 2004,
49, 51.
48
BVerfGE 97, 332, 345.
49
OVG Koblenz, NJW 1977, 2129, 2130; Stellpflug, in: Behnsen u.a. (Hrsg.), Management-Handbuch für die psychotherapeutische Praxis, Stand: 19. Lief. 2004, 1170 Rn. 99.
50
BVerwG, DVBl. 1993, 725, 726; BVerwGE 92, 24, 26; VGH Kassel, DÖV 1987, 549.
51
BVerwGE 92, 24, 28 (Ärztekammer); BVerwG, Buchholz 451.45 HwO § 113 Nr. 2; VGH Bad.Württ., MedR 1999, 189, 190.
52
VG Koblenz, Urt. v. 4.10.2004 – 3 K 4397/03.KO, S. 8.
Eichelberger: Mitgliedschaft u. Beitragspflicht der Psychotherapeutenkammern
S-37
„unzweifelhaft“ hinsichtlich der praktizierenden und nichtpraktizierenden Mitglieder, für die
eine jeweils unterschiedliche Beitragsbemessung notwendig sei.53
Dagegen meint das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht, dass die Mitglieder der Psychotherapeutenkammer keine derart homogene Gruppe darstellten, dass ein Einheitsbetrag gerechtfertigt erschiene. Ein einheitlicher Betrag komme nur dann in Betracht, wenn entweder
die Gruppe der Beitragszahler so homogen ist, dass bei pauschalisierender Betrachtung jedem
ihrer Mitglieder der gleiche Vorteil zukommt oder sachgerechte Differenzierungskriterien
nicht ersichtlich sind. Beides sei hier nicht der Fall. Vielmehr ergäben sich eine Vielzahl der
Aufgaben der Kammer aus den Bedürfnissen der konkreten Berufsausübung der selbständig
tätigen Mitglieder. Angestellte hätten demgegenüber einen geringeren, diejenigen, die ihren
Beruf nicht ausüben, den geringsten Nutzen. Deshalb sei eine differenzierende Beitragsregelung notwendig.54 Das Gericht verweist dabei auf die diesbezügliche Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 92, 24ff.).
Ähnlich argumentiert auch das VG Bremen, das ebenfalls eine Differenzierung zwischen freiberuflich und abhängig beschäftigten Psychotherapeuten für zwingend erforderlich erachtet. 55
Weiterhin führt das Gericht aus, dass kein Grund ersichtlich sei, warum die für Ärzte und
Apotheker geltenden Grundsätze nicht auch auf Psychotherapeuten angewendet werden sollen.56
Diese Grundsätze besagen folgendes: Den größten Nutzen aus der Kammermitgliedschaft
hätten die praktizierenden Mitglieder. Die Aufgaben der Kammer bestünden im Wesentlichen
darin, im öffentlichen Interesse die gemeinsamen beruflichen Belange der Mitglieder wahrzunehmen und zu fördern. Den nicht mit der Heilbehandlung und der Bekämpfung von Krankheiten praktisch befassten Mitgliedern werde demnach schon mit Rücksicht auf die Aufgabe
der Kammer keine vergleichbare, auf ihre Tätigkeit ausgerichtete Wahrnehmung und Förderung beruflicher Belange zu teil. Die nicht praktizierenden Ärzte zögen somit einen wesentlich geringeren Nutzen aus dem Wirken der Ärztekammer, als Ärzte, die mit der Heilbehandlung befasst sind. Diese Ungleichbehandlung sei auch mit der grundsätzlich zulässigen Typisierung und Pauschalierung bei der Beitragsbemessung nicht zu rechtfertigen. 57 Demzufolge
sei der Beitrag ausschließlich wissenschaftlich oder gutachterlich tätiger Ärzte geringer anzusetzen, wobei bereits ein Abschlag von 20 Prozent zum Beitrag für praktisch Tätige den verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge.58 Im Übrigen sei jedoch gegen eine einkommensbezogene Beitragsbemessung nichts einzuwenden, da bei typisierender Betrachtung die
Annahme gerechtfertigt sei, dass mit der Höhe der ärztlichen Einkünfte regelmäßig auch der
materielle und immaterielle Nutzen aus der Existenz und dem Wirken der Kammer zunähme.59
53
VG Koblenz, Urt. v. 4.10.2004 – 3 K 4397/03.KO, S. 9.
54
Schleswig-Holsteinisches VG, Urt. v. 10.8.2004 – 2 A 176/03, S. 13f.
55
VG Bremen, Urt. v. 25.3.2004 – 2 K 1399/02, S. 9.
56
VG Bremen, Urt. v. 25.3.2004 – 2 K 1399/02, S. 8.
57
BVerwGE 92, 24, 28; OVG Lüneburg, MedR 2002, 477, 478f.; VG Braunschweig, MedR 1995, 283.
58
VerfGH Berlin, MedR 2004, 49, 50; VG Gießen, MedR 2002, 523ff; OVG Lüneburg, MedR 2002,
477ff.; BVerwGE 92, 24, 28f.
59
BVerwGE 92, 24, 27; OVG Lüneburg, OVGE 44, 394, 399; OVG Lüneburg, MedR 2002, 477, 478;
VGH Bad.-Württ., MedR 1999, 189, 190.
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
S-38
Alles was Recht ist…
Die Rechtsprechung hält also eine Differenzierung zwischen praktisch tätigen Ärzten
einerseits und nicht praktisch tätigen Ärzten andererseits für erforderlich, nicht aber eine
solche innerhalb der Gruppe der praktisch Tätigen nach der Form ihrer Berufsausübung
(selbständig, angestellt oder verbeamtet).
4. Tatsächlich spricht einiges dafür, diese Grundsätze auf die Psychotherapeutenkammern zu
übertragen, da diese prinzipiell die gleichen Aufgaben wahrzunehmen haben, wie die Ärzteresp. Apothekerkammern. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass die Psychotherapeutenkammern eine deutlich andere Mitgliederstruktur aufweisen, da der Anteil der nicht selbständig tätigen Mitglieder weitaus höher ist, als in den anderen Kammern. Bedeutung erlangt dies
insbesondere bei der von den Kammern auszuübenden Berufsaufsicht. Bei den nicht selbständig Tätigen wird diese hauptsächlich vom Arbeitgeber bzw. Dienstherrn wahrgenommen,
wodurch eine wesentliche Aufgabe der Kammern für eine große Mitgliederzahl weitgehend
bedeutungslos wird.60
4.1. Zwingend geboten ist jedenfalls eine Differenzierung zwischen praktizierenden und nicht
praktizierenden Psychotherapeuten. Ausschließlich theoretisch tätige Mitglieder der Kammer
dürfen deshalb nicht in gleicher Weise zu Beiträgen herangezogen werden wie behandelnde
Psychotherapeuten.61 Betroffen sind damit insbesondere die ausschließlich in Forschung und
Lehre, administrativ oder organisatorisch Tätigen. Allerdings dürfte hier ein relativ geringer
Abschlag ausreichen, da auch diesen Mitgliedern wesentliche Leistungen der Kammer wie
beispielsweise die berufliche Fort- und Weiterbildung, die Förderung und Erhaltung des Berufsstandes usw. zugute kommen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch wer aktuell nicht
psychotherapeutisch im Sinne des § 1 Abs. 3 PsychThG tätig ist, diese Tätigkeit aufgrund seiner fortbestehenden Approbation jederzeit (wieder) aufnehmen kann. Insofern profitiert er gegenwärtig jedenfalls potenziell auch von den stärker auf praktizierende Mitglieder ausgerichteten Aufgaben der Kammer, wie etwa der Überwachung der Einhaltung der Berufspflichten
etc.
4.2. Nicht ebenso eindeutig zu beantworten ist die Frage, ob innerhalb der psychotherapeutisch tätigen Kammermitglieder zwischen Freiberuflern, Angestellten oder Beamten zu differenzieren ist.62 Zwar ist zuzugeben, dass diese jeweils unterschiedliche Vorteile aus der Kammermitgliedschaft ziehen. Ob diese sich jedoch – wie dies die Verwaltungsgerichte Schleswig-Holstein und Bremen meinen – so offensichtlich voneinander unterscheiden, dass eine
Differenzierung verfassungsrechtlich geboten wäre, entzieht sich einer pauschalen Beurteilung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die sich aus der Kammermitgliedschaft ergebenden
Vorteile kaum individuell bezifferbar sind und es dessen nach der Rechtsprechung auch gar
nicht bedarf. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs Berlin „ist zu berücksichtigen, dass
ein Großteil der Aufgaben der Kammer darin besteht, als Interessenvertretung die Gesamtbelange ihrer Mitglieder gegenüber der Öffentlichkeit und dem Staat zu wahren. Der sich aus
dieser Aufgabe ergebende Vorteil muss sich nicht zwangsläufig bei jedem Mitglied in einem
wirtschaftlichen Vorteil niederschlagen. Der potenzielle Nutzen aus dieser Aufgabe kommt
60
Vgl. VG Bremen, Urt. v. 25.3.2004 – 2 K 1399/02, S. 11 m.w.N.
61
VG Bremen, Urt. v. 25.3.2004 – 2 K 1399/02, S. 8.
62
Dafür: VG Bremen, Urt. v. 25.3.2004 – 2 K 1399/02, S. 9; ähnlich Schleswig-Holsteinisches VG,
Urt. v. 10.8.2004 – 2 A 176/03, S. 13; dagegen: VG Koblenz, Urt. v. 4.10.2004 – 3 K 4397/03.KO,
S. 8; Stellpflug, in: Behnsen u.a. (Hrsg.), Management-Handbuch für die psychotherapeutische
Praxis, Stand: 19. Lief. 2004, 1170 Rn. 78; ausdrücklich offenlassend: VG Arnsberg, Urt. v.
9.8.2002 – 13 K 1505/02, S. 9.
Eichelberger: Mitgliedschaft u. Beitragspflicht der Psychotherapeutenkammern
S-39
allen Mitgliedern zugute [...]“.63 Legt man dieses Verständnis von Vorteilen zu Grunde, lässt
sich ohne weiteres auch vertreten, dass eine Differenzierung nicht notwendig ist.64
Jedenfalls hat die sonstige bisherige Rechtsprechung die beitragsrechtliche Gleichbehandlung
von praktisch Tätigen ohne Rücksicht auf die Form ihrer Berufsausübung nicht beanstandet.
Dabei ist zu bedenken, dass die Gerichte – wie oben festgestellt – die Beitragsordnungen nur
im Hinblick darauf prüfen können, ob die Kammern die äußersten Grenzen ihres Gestaltungsbereichs eingehalten haben, nicht aber, ob sie dabei die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung gefunden haben. Insofern bleibt abzuwarten, ob die beiden erwähnten Urteile Bestand haben werden. Über die Erfolgsaussichten entsprechender Klagen kann daher
nur spekuliert werden; allerdings spricht einiges dafür, dass die ständige Rechtsprechung zu
den anderen Heilberufen auf die Psychotherapeuten übertragen werden wird.
Selbstverständlich ist eine Differenzierung gleichwohl zulässig und wird von vielen Beitragsordnungen auch durchgeführt. Ob diese auch (gerichtlich) erzwungen werden kann, ist dagegen ungewiss.
4.3. Unabhängig davon begegnet eine einkommensabhängige Veranlagung innerhalb von verschiedenen Beitragsgruppen keinen durchgreifenden Bedenken. Die Annahme, höhere Einnahmen sprächen im Allgemeinen auch für größeren Nutzen, gilt hier gleichermaßen wie bei
den Ärzten und Apothekern.
IV. Verzicht auf die Mitgliedschaft/Doppelmitgliedschaft
Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen (Approbation und Berufsausübung bzw. alternativ
Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Kammergebiet) vor, so ist unvermeidbare Folge
die Pflichtmitgliedschaft in einer Psychotherapeutenkammer. Ein „Verzicht“ auf die Pflichtmitgliedschaft ist – abgesehen von der Rückgabe der Approbation – nur in den jeweils von
den Kammer- und Heilberufegesetzen ausdrücklich geregelten Fällen möglich. Allerdings sehen längst nicht alle Gesetze derartige Tatbestände vor.
Ein erhebliches Problem ergibt sich in diesem Zusammenhang, wenn jemand in verschiedenen Bundesländern die Voraussetzungen für die Kammermitgliedschaft erfüllt. Dieser Fall
kann dadurch eintreten, dass er seinen Beruf in mehr als einem Land ausübt (eine Teilzeittätigkeit genügt jeweils, siehe oben II.6.), oder dass er in dem einem Land seinen Wohnsitz hat
und aufgrund dessen Mitglied der örtlichen Kammer ist65, er seinen Beruf aber in einem anderen Land ausübt und daher auch dem dortigen Kammerzwang unterfällt. Manche Landesrechte sehen für derartige Fälle Befreiungsmöglichkeiten in einer der betroffenen Kammern
vor. Wo diese aber fehlen, bleibt es grundsätzlich bei der mehrfachen Mitgliedschaft. Hier
kann allenfalls eine Beitragsermäßigung in Betracht kommen, sofern diese Möglichkeit in der
jeweiligen Beitragsordnung eröffnet ist.66 Ist auch diese nicht gegeben, so ist der Betroffene
Mitglied mehrerer Kammern und dementsprechend mehrfach beitragspflichtig. Inwieweit dies
einer gerichtlichen Überprüfung standhält, kann nur vermutet werden. Die Rechtsprechung
hat bisher eine Doppelmitgliedschaft grundsätzlich nicht beanstandet. Insoweit es dabei um
die mehrfache Mitgliedschaft in jeweils unterschiedlichen Fachkammern, etwa zugleich
Apotheker- und Industrie- und Handelskammer, ging, wurde maßgeblich auf die daraus fol63
VerfGH Berlin, MedR 2004, 49, 50.
64
So ausdrücklich das VG Koblenz, Urt. v. 4.10.2004 – 3 K 4397/03.KO, S. 8.
65
Möglich in Bayern, Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg und Saarland, ferner Niedersachsen
und Schleswig-Holstein.
66
So beispielsweise in Niedersachsen (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 der Beitragsordnung).
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
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Alles was Recht ist…
genden unterschiedlichen Aufgabenstellungen der Kammern abgestellt.67 Aber auch
Mehrfachmitgliedschaften in jeweils gleichen Fachkammern werden als zulässig betrachtet.
Dies rechtfertige sich aus der Möglichkeit von Grundbetreuung durch mehrere Kammern
einerseits und der Teilnahme und Einflussnahme in mehreren Vollversammlungen andererseits. Dabei sei unerheblich, ob der Betroffene auch tatsächlich ein Interesse an mehrfacher
Betreuung oder Mitarbeit in mehreren Vollversammlungen habe.68
Angesichts dieser Rechtsprechung steht zu vermuten, dass eine Mehrfachmitgliedschaft in
verschiedenen Psychotherapeutenkammern jedenfalls im Grundsatz nicht beanstandet werden
würde. Insofern wäre es wünschenswert, dass in allen Kammer- und Heilberufegesetzen zukünftig derartige Konstellationen angemessen geregelt würden.
V. Zusammenfassung
1. Die Gerichte haben übereinstimmend eine sehr weite Auslegung des Begriffes der Berufsausübung im Sinne der Kammer- und Heilberufegesetze, wie dies bisher bereits herrschende Meinung für die Ärzte und Apotheker ist, auf die Psychotherapeuten übertragen.
Mitglieder der Psychotherapeutenkammer sind danach auch die nicht praktisch tätigen Approbierten, solange sie nur psychotherapeutische Fachkenntnisse bei ihrer Tätigkeit zumindest
mitverwenden. Dagegen gerichtlich vorzugehen, scheint angesichts der einheitlichen Rechtsprechung ohne Erfolgsaussicht.
2. Die Gerichte haben aber zugleich klargestellt, dass jedenfalls die nicht praktisch tätigen
Kammermitglieder nicht in gleichem Umfang zu Beiträgen herangezogen werden dürfen, wie
die praktizierenden. Ihr Vorteil aus der Kammermitgliedschaft sei im Vergleich zu letzteren
wesentlich geringer, was beitragsrechtlich zwingend zu berücksichtigen sei. Ein Abschlag von
20 Prozent sei jedoch ausreichend.
3. Uneinheitlich ist die Rechtsprechung dagegen hinsichtlich der beitragsrechtlichen Behandlung von Selbständigen einerseits und Angestellten bzw. Beamten andererseits innerhalb der
praktisch Tätigen. Die Verwaltungsgerichte Bremen und Schleswig-Holstein sehen auch zwischen diesen Gruppen so wesentliche Unterschiede, dass eine Differenzierung notwendig sei.
Die Verwaltungsgerichte Koblenz und Arnsberg dagegen haben eine einheitliche Beitragsbemessung nicht beanstandet. Insofern bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung
diesbezüglich entwickelt.
Anschrift des Autors:
Jan Eichelberger
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VGH Bad.-Württ., MedR 2002, 313ff. (Apothekerkammer/IHK).
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OVG Rheinland-Pfalz, GewArch 1994, 415f. (IHK); Schleswig-Holsteinisches VG, BauR 2004,
1052 (Architektenkammer).
S-41
Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe zum
Kammerbeitrag, insbesondere zur Beitrags ermäßigung aufgrund besonderer sozialer Härte
In einem Urteil vom 16.3.2005 hat das Verwaltungsgericht (VG) Karlsruhe (Az.: 9 K
1552/03) die Klage einer halbtags in einer Klinik beschäftigten Psychologischen Psychotherapeutin auf Ermäßigung des Kammerbeitrags abgewiesen.
Das Gericht hat die Begründung der Klägerin, der einheitliche Kammerbeitrag für alle berufstätigen Pflichtmitglieder im Jahr 2001 verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil
die unterschiedliche Leistungsfähigkeit von angestellten und selbstständigen sowie von in
Vollzeit und in Teilzeit tätigen Psychotherapeuten nicht berücksichtigt werde, als nicht stichhaltig angesehen. Die Beitragserhebung des Jahres 2001, die nicht nach verschiedenen Arten
der Berufstätigkeit differenzierte, habe zumindest in der Errichtungs- und Aufbauphase der
Kammer nach Ansicht des Gerichts den rechtlichen Anforderungen (Äquivalenzprinzip,
Gleichheitsgrundsatz) genügt. In einer Phase, in der sich die Tätigkeit im Wesentlichen auf
die mit dem Aufbau der Kammer verbundenen Aufgaben beschränkte, könne der immaterielle
Vorteil, der den Mitgliedern aus der Existenz einer Kammer zukomme, einen für alle Mitglieder einheitlichen Beitrag rechtfertigen, zumal es keine Anhaltspunkte dafür gegeben habe,
dass die Mitglieder bereits in der Gründungsphase stark unterschiedliche Vorteile aus der
Kammertätigkeit ziehen würden.
Auch hinsichtlich der Halbtagstätigkeit der Klägerin und ihres geringen Einkommens erkennt das VG Karlsruhe keinen Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip. Zwar sei in der
Rechtsprechung anerkannt, dass mit der Höhe der beruflichen Einkünfte regelmäßig auch der
materielle und immaterielle Nutzen aus der Existenz der Kammer zunehme, doch sei eine
derartige Differenzierung nicht zwingend geboten. Erwägungen der Praktikabilität, zumal im
Gründungsjahr der Kammer, in dem noch kein zuverlässiges Datenmaterial über die Einkommenssituation der Mitglieder vorgelegen habe, können Pauschalierungen rechtfertigen.
Spannend lässt sich der letzte Prüfungspunkt des Gerichts an: der Anspruch auf Ermäßigung des Beitrags aufgrund der Härtefallregelung der Umlageordnung und die Frage,
ob die Klägerin den gemeinsamen Einkommensteuerbescheid vorzulegen habe.
Das Gericht anerkennt zwar die Möglichkeit, dass der Beitrag auf schriftlichen Antrag hin
unter Vorlage entsprechender Nachweise hin gestundet, auf 50 % ermäßigt oder erlassen werden kann. Das Einkommen der Klägerin bewege sich auch nach den vorgelegten Gehaltsnachweisen innerhalb des zweiten Schwellenbetrags, der grundsätzlich eine Halbierung des
Beitrags ermögliche, doch habe die Klägerin keine weiteren Angaben dazu gemacht, weshalb
in ihrem Fall eine Härtefall gegeben sein könnte. Das VG urteilt: „Da auch der Ehemann der
Klägerin nach den Angaben in den Gehaltsnachweisen im öffentlichen Dienst tätig ist und
damit über ein weiteres Einkommen verfügt, das für den gemeinsamen Lebensunterhalt zur
Verfügung steht, fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Annahme eines Härtefalls.“
Die Frage, ob die Kammer das Ehegatteneinkommen heranziehen könne, lässt das Urteil dann
aber (leider) offen: “Ob die Klägerin, die mit ihrem Ehemann gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wird, verpflichtet war, den Einkommensteuerbescheid vorzulegen, um einen
Härtefall nachzuweisen, kann offen bleiben. Denn ihr stand es frei, den Nachweis auf andere
Weise zu erbringen. Dies hat sie jedoch nicht getan. Auch die Gelegenheit, in der mündlichen
Verhandlung zu ihrem Ermäßigungsantrag ergänzend vorzutragen, hat sie ausdrücklich ungenutzt gelassen.“
Kerstin Burgdorf
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
Alles was Recht ist…
S-42
EU-Berufsanerkennungsrichtlinie erlassen
Am 6. Juni 2005 hat der Rat der EU den Richtlinienvorschlag zur Anerkennung von Berufsqualifikationen in zweiter Lesung gegen die Stimmen von Deutschland und Griechenland angenommen. Die bisher geltenden sektoralen Richtlinien, die der Anerkennung von Befähigungsnachweisen dienten, werden durch diese allgemeine Berufsanerkennungsrichtlinie zusammengefasst und gleichzeitig aufgehoben. Die EU-weite Anerkennung sämtlicher reglementierter Berufe (u.a. auch der Psychotherapeuten), die zur Berufsausübung in der gesamten
EU berechtigt, wird somit nun von der Berufsanerkennungsrichtlinie umfasst.
Dabei war die Rechtslage bezüglich der Psychotherapeuten im Rechtsetzungsverfahren zunächst umstritten. Das Parlament hatte Vorschläge formuliert, die die automatische Anerkennung für den Beruf des Psychotherapeuten vorsahen. Diese Vorschläge wurden jedoch von
der Kommission und vom Rat abgelehnt mit dem Hinweis darauf, es läge noch keine Harmonisierungsrichtlinie vor, die die gegenseitige Anerkennung unter den Mitgliedstaaten für den
Beruf des Psychotherapeuten regelt. (Für Ärzte beispielsweise bestehen bereits Harmonisierungsrichtlinien).
Auszug aus den Änderungsvorschlägen des Parlaments vom 11.5.200569:
„...Für die Berufe, die unter die allgemeine Regelung zur Anerkennung von Ausbildungsnachweisen - nachstehend "allgemeine Regelung" genannt - fallen, sollten die Mitgliedstaaten
die Möglichkeit behalten, das Mindestniveau der notwendigen Qualifikation festzulegen, um
die Qualität der in ihrem Hoheitsgebiet erbrachten Leistungen zu sichern. Nach den Artikeln
10, 39 und 43 des Vertrags sollten sie einem Angehörigen eines Mitgliedstaates jedoch nicht
vorschreiben, dass er Qualifikationen, die sie in der Regel durch schlichte Bezugnahme auf
die in ihrem innerstaatlichen Bildungssystem ausgestellten Diplome bestimmen, erwirbt,
wenn die betreffende Person diese Qualifikationen bereits ganz oder teilweise in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat. Deshalb sollte vorgesehen werden, dass jeder Aufnahmemitgliedstaat, in dem ein Beruf reglementiert ist, die in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen
Qualifikationen berücksichtigen und dabei beurteilen muss, ob sie den von ihm geforderten
Qualifikationen entsprechen. Dieses allgemeine System zur Anerkennung steht jedoch nicht
dem entgegen, dass ein Mitgliedstaat jeder Person, die einen Beruf in diesem Mitgliedstaat
ausübt, spezifische Erfordernisse vorschreibt, die durch die Anwendung der durch das allgemeine Interesse gerechtfertigten Berufsregeln begründet sind. Diese betreffen insbesondere
die Regeln hinsichtlich der Organisation des Berufs, die beruflichen Standards, einschließlich
der standesrechtlichen Regeln, die Vorschriften für die Kontrolle und die Haftung. Schließlich
zielt diese Richtlinie nicht auf einen Eingriff in das berechtigte Interesse der Mitgliedstaaten
ab, zu verhindern, dass einige ihrer Staatsangehörigen sich in missbräuchlicher Weise der
Anwendung des nationalen Rechts im Bereich der Berufe entziehen...“.
Psychotherapeuten fallen in den Anwendungsbereich der Berufsanerkennungsrichtlinie,
jedoch erhalten Sie keine automatische Anerkennung der Berufsqualifikation in anderen Staaten der EU. Sie müssen - wollen sie in einem anderen EU-Staat berufstätig sein
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Eine detaillierte Aufarbeitung des Themas findet sich auf der Homepage des Instituts für Kammerrecht, Halle (http://www.kammerrecht.de): Stellungnahme 4/05: Prof. Dr. W. Kluth, Dipl.-Jur. Frank
Rieger „Die neue Berufsanerkennungsrichtlinie. Regelungsgehalt und Auswirkungen auf die Berufsausübung und –aufsicht“
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als in dem, in dem sie ihre Qualifikation erworben haben - das in der Richtlinie geregelte Anerkennungsverfahren durchlaufen. Dieses ermöglicht die Anerkennung der Berufsqualifikation bezogen auf die verschiedenen Niveaus.
Die Richtlinie unterscheidet zwischen der Niederlassung und Dienstleistungserbringung. Bezüglich der Niederlassung wurden zudem vier Berufsqualifikationsniveaus eingeführt, die
eine leichtere Vergleichbarkeit der Qualifikationsniveaus in den Mitgliedstaaten erreichen
sollen. Zur Vereinfachung der Anerkennung können die Mitgliedstaaten selbst oder Berufsverbände Plattformen bilden, damit diese objektive Kriterien zu der Frage ausarbeiten, wie
wesentliche Unterschiede zwischen den mitgliedstaatlichen Ausbildungsanforderungen ausgeglichen werden können. Bei Erfüllung dieser Kriterien durch den sich Niederlassenden soll
dies zur Berufsanerkennung führen. Bezüglich der Dienstleistungserbringung sieht die Richtlinie vor, dass der Dienstleistungserbringer die Berufsregeln des Mitgliedstaats anzuwenden
hat, in dem er die Dienstleistung erbringt (Art. 5 Abs. 3). Am 20. Tag nach Veröffentlichung
im Amtsblatt der Europäischen Union, mit der in den nächsten Wochen zu rechnen ist, wird
die Richtlinie in Kraft treten. Danach müssen die Mitgliedstaaten die Richtlinie innerhalb von
zwei Jahren in nationales Recht umsetzen.
Was sich daraus für die Psychotherapeut/inn/en in Deutschland ergibt, bleibt zunächst offen.
Das Psychotherapeutengesetz sieht bereits jetzt in § 2 Abs. 2 vor, dass EU-Bürger mit einer
Psychotherapieausbildung aus einem anderen EU-Staat einen Anpassungslehrgang oder eine
Gleichwertigkeitsprüfung absolvieren müssen, je nachdem, in welchem Umfang/Ausmaß die
bereits absolvierte Ausbildung den Anforderungen an die PT-Ausbildung des Psychotherapeutengesetzes gleichkommt. Möglicherweise muss es hier zu Konkretisierungen bzw. Standards hinsichtlich der Gleichwertigkeitsbewertung kommen, die von den Kammern, ggf. im
Einvernehmen mit den Psychotherapeutenverbänden, regeln sind.
Bundessozialgericht e ntscheidet zu § 44 SGB X
Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 22.6.2005 in zwei Verfahren zu § 44 SGB X der Revision der beklagten KV Baden-Württemberg stattgegeben. Der Senat hob die vorinstanzlichen Entscheidungen des Sozialgerichts Reutlingen sowie des Landessozialgerichts BadenWürttemberg auf und wies die Klage ab. (Vgl. hierzu den Kurzbericht in der letzten Ausgabe
dieser Zeitschrift, Rosa Beilage 2/2005, S. 40).
In der Pressemitteilung des BSG vom 23.6.2005 heißt es: “Dem Kläger steht kein Rechtsanspruch auf Aufhebung der bestandskräftigen Honorarbescheide für die Jahre 1995 bis 1997
zu, weil § 44 Abs 1 SGB X auf Bescheide über vertragsärztliches und -psychotherapeutisches
Honorar nicht anzuwenden ist. Nach der maßgeblichen Vorschrift des § 44 Abs 2 Satz 2 SGB
X steht die Aufhebung rechtswidriger nicht begünstigender Bescheide, die von zu niedrigen
Punktwerten bei der Vergütung ausgingen, mit Wirkung für die Vergangenheit im Ermessen
der Beklagten. Mit dem Hinweis auf die hohe finanzielle Belastung der Gesamtvergütung für
das laufende Quartal, die mit der Nachvergütung der betroffenen Psychotherapeuten eintreten würde, und auf den damit zwangsläufig verbundenen Verwaltungsaufwand hat die Beklagte sachbezogene Gesichtspunkte benannt, an denen sie ihre Ermessenentscheidung ausrichten durfte. Danach verbleibt es im Regelfall bei der Bestandskraft von Honorarbescheiden, die auf Rechtsgrundlagen beruhen, die sich im Nachhinein als fehlerhaft erwiesen haben.
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen aus anderen
Bereichen. So enthält § 79 BVerfGG den Grundsatz, dass unanfechtbare VerwaltungsentVerhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
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Alles was Recht ist…
scheidungen, die auf Normen beruhen, die das BVerfG für nichtig erklärt hat, bei Bestand
bleiben.“
Für diejenigen Psychotherapeuten, die keinen Widerspruch eingelegt haben oder auch nur in
einzelnen Quartalen vergessen haben, Widerspruch einzulegen, ist dieses Ergebnis mehr als
enttäuschend.
Es hängt nun vom guten Willen der jeweiligen KV ab, ob Nachzahlungen geleistet werden,
obwohl kein Widerspruch eingelegt worden ist. Nach dem Urteilsspruch aus Kassel sind die
KVen in dieser Situation zwar nicht verpflichtet zur Nachzahlung, sie können jedoch aufgrund selbstständiger Entscheidung an alle Vertragspsychotherapeuten leisten und damit dem
Gebot der Fairness nachkommen. Einige wenige KVen haben sich bislang allen Vertragspsychotherapeuten gegenüber verpflichtet gesehen und unabhängig von tatsächlich eingelegten
Widersprüchen nachgezahlt.
Es bleibt der dringende Rat an alle KollegInnen fortbestehen, weiterhin vorsorglich Widerspruch gegen die Honorarbescheide einzulegen. Aktuelle Widerspruchsformulare sind über
die DGVT-Geschäftsstelle bzw. die DGVT-Fachgruppe Niedergelassene zu erhalten.
SG Reutlingen - S 1 KA 3143/00 - LSG Baden-Württemberg - L 5 KA 4387/02 BSG - B 6 KA 21/04 R
und
SG Reutlingen - S 1 KA 3223/00 - LSG Baden-Württemberg - L 5 KA 4408/02 BSG - B 6 KA 24/04 R
Kerstin Burgdorf
Landesarbeitsgericht Rheinland -Pfalz zur
Kostenübernahme für Fortbildung durch Arbei tgeber
„Arbeitnehmer müssen - trotz entsprechender Vereinbarungen - nicht grundsätzlich ihre
Fortbildungskosten an die Firma zurückzahlen, wenn sie kündigen. Vielmehr müsse in jedem
Einzelfall geprüft werden, ob der Mitarbeiter einen „bleibenden Vorteil“, etwa eine zusätzliche Qualifikation, erlangt habe, die sich künftig für ihn finanziell positiv auswirke.“
Soweit ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz in Mainz Az.: 11 Sa 279/04 vom 03.06.2005
(Quelle: ZDF, Recht und Justiz)
Auf den ersten Blick hat dieses Urteil nicht unmittelbar etwas mit der Tätigkeit von Psychologischen Psychotherapeuten zu tun. Aber nur auf den ersten Blick. Erheblich betroffen sind
beispielsweise - etwa nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) in Kliniken angestellte
- Psychologen/Diplompsychologen, die, aus welchen Gründen auch immer, eine Approbation
als Psychologische Psychotherapeuten besitzen ( Zum Beispiel, um gelegentlich einer selbstständigen heilkundlich-psychotherapeutischen Tätigkeit „unter der Berufsbezeichnung Psychotherapeut/-in“ nachgehen zu können und zu dürfen).
Mitglieder dieses Personenkreises sind auf Grund der Fortbildungsordnungen, die bereits von
einzelnen Psychotherapeutenkammern formuliert und in Kraft gesetzt worden sind, zum
Nachweis ihrer Fortbildung, im allgemeinen im Umfang von 50 Punkten pro Jahr, ebenso
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verpflichtet wie ihre selbstständig arbeitenden Kolleginnen und Kollegen. Und das, obwohl
beider Tätigkeiten und Qualifikationsprofile nur sehr bedingt miteinander vergleichbar sind.
Pfiffige Arbeitgeber könnten nun, und einige tun das auch, diese für sie unerwartet durch die
Kammern geschaffene, günstige Situation nutzen, um auf kaltem Wege und abseits von tariflichen Vereinbarungen, auf Kosten ihrer Mitarbeiter ihren eigenen Vorteil zu befördern. Sie
lassen ihre Mitarbeiter bei jeder beantragten Fortbildungsveranstaltung vor deren Genehmigung, oft auch schon bei einfachen und kurzen Dienstreisen, die dann als Fortbildungsmaßnahmen deklariert werden, so genannte Verpflichtungserklärungen unterschreiben: Nach diesen verpflichtet sich der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin, ohne wenn und aber, die vom Arbeitgeber gezahlten Reisekosten vollständig oder mindestens teilweise zurückzuzahlen, wenn sie
in einem gewissen Zeitraum, oft bis zu vier Jahren, das Arbeitsverhältnis beenden. Unterschreibt der Mitarbeiter nicht, zahlt er Dienstreise oder Fortbildung aus eigener Tasche - er ist
ja zur Fortbildung und deren Nachweis verpflichtet - und der Arbeitgeber hat den Vorteil,
ohne eigene Kosten einen immer aktuell und hoch qualifizierten Mitarbeiter einsetzen zu
können, dessen Fortbildung dann aus Sicht des Arbeitgebers „nicht in dienstlichem Interesse“
liegt, wie in diesen Fällen argumentiert wird. Ein Sparmodell mit Zukunft!
Glücklicherweise hat das oben zitierte Gericht derartigen Praktiken nunmehr einige grobe
Steine in den Weg geworfen. Die Last einer möglichen rechtlichen Auseinandersetzung mit
dem Arbeitgeber verbleibt allerdings bis zu einer vernünftigen und realistischen Regelung bei
den angestellten Kolleginnen und Kollegen.
Dietrich Stobik
Weißdornweg 23
53757 Sankt Augustin
Neue Bücher / Broschüren / Infos
Selbsthilfegruppenjahrbuch
Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Selbsthilfegruppen e.V. hat das Selbsthilfegruppenjahrbuch 2005 veröffentlicht. Nähere Informationen unter www.dag-selbsthilfegruppen.de.
Herbstakademie zur Gesundheitsförderung
Vom 27. bis 30.9.2005 findet in Magdeburg unter dem Motto „Den Alltag gesundheitsfördernd gestalten. Wege zur Praxis und Politik nachhaltiger Gesundheitsförderung“„ die
HerbstAkademie statt.
Programm und Anmeldung unter www.sgw.hs-magdeburg.de/herbstakademie oder über
HerbstAkademie 2005 Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen Hochschule MagdeburgStendal Breitscheidstr. 2 39114 Magdeburg Tel.: 0391 - 886 4287 Fax: 0391 - 886 4736,
E-Mail: [email protected].
Schon bekannt? www.psychotherapienetz.de
Bereits seit vielen Jahren stellt Ingo Brandenburg eine Info-Homepage zur Verfügung, in der
– unter Mitwirkungen anderer Redakteure/innen und unter Nutzung zahlreicher weiterer Infound Pressedienste – regelmäßig aktuelle Infos aus dem Bereich der Psychologie und
Psychotherapie zu finden sind (eigentlich sind sie dort „nur verlinkt“ – aber auf jeden Fall
einfach und schnell zu erreichen, übersichtlich aufbereitet und „qualitätsgesichert“).
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
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Neue Bücher / Broschüren / Infos
Gesundheit in der Arbeitswelt
Ein aktuelle Übersicht zu zahlreichen Statistiken über Fragen der Gesundheit im Beruf - beispielhaft bezogen auf das Land Bayern – bietet der aktuelle Gesundheitsmonitor Bayern des
Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Ausgabe 3/05 - herunterzuladen
unter www.lgl.bayern.de/de/left/fachinformationen/gesundheit/gbe.htm). Verarbeitet und auch
kritisch bewertet wurden Statistiken des Mikrozensus sowie von den verschiedenen Sozialversicherungsträgern (Unfall-, Renten-, Krankenversicherung). Es finden sich viele interessante Daten über gesundheitsrelevante Arbeitsbelastungen und –ressourcen in unterschiedlichen Berufsfeldern, Statistiken zum „Unfallgeschehen“ in verschiedenen Berufen, regional
differenzierte und Krankenkassendaten zum Krankenstand, diagnosegeschichtete Daten über
Frühberentungen, ferner ausgewählte Hinweise auf laufende Präventionsprojekte zum Bereich
der Arbeitswelt.
Bericht zum Workshopkongress der Fachgruppe Klinische Psychologie und
Psychotherapie der DGPs vom Mai 2005 im Internet
Im Nachgang zum Tagungsbericht in der Rosa Beilage (Supplement zu VPP 2/2005, S. 14 f.)
geben wir hier den Hinweis auf die Internetpräsentation des 4. Workshopkongresses für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs)
vom Mai diesen Jahres in Dresden. Er enthält neben einer Fotosammlung der Tagung auch die
Präsentationen der meisten Vorträge:
http://www.psychologie.tu-dresden.de/workshopkongress2005.
Deutsche Zentralbibliothek für Medizin
Die virtuelle Fachbibliothek Medizin MedPilot, ein Gemeinschaftsprojekt der Deutschen
Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) und des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), ist um den Zugriff auf die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erweitert
worden. Die wissenschaftlich begründeten Leitlinien für Diagnostik und Therapie der AWMF
sind systematisch entwickelte Hilfen für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen.
Weitere Datenbanken, die über MedPilot aufgerufen werden können sind: BIOME (englischsprachige Websites aus den Bereichen Health und Life Sciences), HECLINET (Literaturdatenbank in deutscher und englischer Sprache auf dem Gebiet des Krankenhauswesens),
SOMED (Literaturdatenbank auf den Gebieten Sozialmedizin und Public Health) und Springer-Verlagsdatenbank-PrePrint.
Die ZB MED ist die zentrale Fachbibliothek für Medizin, Gesundheitswesen, Ernährung,
Umwelt und Agrarwissenschaften für die Bundesrepublik Deutschland. Das DIMDI stellt ein
hochwertiges Informationsangebot für alle Bereiche des Gesundheitswesens zur Verfügung:
mehr als 80 medizinische Datenbanken und Informationssysteme mit mehr als 110 Millionen
Dokumenten. Außerdem ist das DIMDI Herausgeber der deutschen Versionen von medizinischen Klassifikationen.
Weitere Informationen:
Deutsche Zentralbibliothek für Medizin
Tel.: 0221 - 478 7115 E-Mail: [email protected]
http://www.medpilot.de, http://www.awmf-online.de, http://www.zbmed.de,
http://www.dimdi.de.
Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin
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Literaturdatenbank PSYNDEX - Rabatt für DGVT-Mitglieder
Das Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) der Universität
Trier bietet den Mitgliedern der DGVT die Nutzung der Referenzdatenbank PSYNDEX zu
einem 20%igen Rabattpreis an. Für 40,- Euro (statt normal 50,- Euro) kann sich ein Mitglied
ein Jahr lang rund um die Uhr in PSYNDEX über psychologierelevante Publikationen, Testverfahren und audiovisuelle Medien informieren. Studentische Mitglieder erhalten sogar 50%
Rabatt und zahlen somit nur 25,- Euro.
Mit derzeit über 195.000 Nachweisen insgesamt und rund 8.500 Neuzugängen jährlich ist
PSYNDEX die umfassendste Datenbank für psychologische Literatur, audiovisuelle Medien
und Testverfahren aus dem deutschen Sprachraum. Neben kompletten bibliographischen Angaben enthalten nahezu alle Nachweise eine inhaltliche Kurzbeschreibung. Die Datenbank
deckt die gesamte Psychologie ab; dabei entfallen rund 50% der nachgewiesenen Dokumente
auf Bereiche der klinischen Psychologie.
Auf die Datenbank kann mit einfacher technischer Ausstattung und einem leicht zu bedienenden Suchsystem zugegriffen werden. Ein Hilfe-Modus sowie Suchtipps unterstützen den Nutzer beim Suchvorgang.
Auf der Homepage des ZPID www.zpid.de ist in der Rubrik „Vergünstigte PSYNDEX Jahrespauschale für Verbandsmitglieder“ ein spezielles Anmeldeformular für Verbandsmitglieder
hinterlegt. Mit der Anmeldung erklärt das Mitglied sein Einverständnis zur Überprüfung seiner Verbandsmitgliedschaft durch das ZPID. Sobald die Bestätigung der Mitgliedschaft vorliegt, erhält das Mitglied sein individuelles Passwort zugeschickt.
Für Rückfragen zum Angebot steht im ZPID Frau Bonfig (Tel. 0651-201-2869, [email protected]) zur Verfügung.
Das ZPID, eine zur Leibniz-Gemeinschaft gehörende Serviceeinrichtung, wird von Bund und
Ländern finanziert.
Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 37 (3), Suppl. 3 [Rosa Beilage]
Weitere Informationen, Tagungen, Termine …
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Termine der Landesgruppen
 Hessen
Freitag, 11. November 2005, 18:00 – 19:00 Uhr: Gastvortrag „Neue Wege der Rückfallprophylaxe: Achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie der Depression“.
Referent: Dr. Thomas Heidenreich. Anschließend (19:00–21:00 Uhr) Mitgliederversammlung
der Landesgruppe. Ort: Hotel National, Baseler Str. 50, 60329 Frankfurt (100 m vom Südausgang des Hauptbahnhofes entfernt).
 Sachsen-Anhalt
Freitag, 21. Oktober 2005, 20:00 Uhr: Mitgliederversammlung der Landesgruppe SachsenAnhalt in der Praxis von Barbara Zimmermann, Heckenweg 5, Lieskau. Themen: Gründung
eines Qualitätszirkels oder/und einer Intervisionsgruppe, Ideen und Wünsche für die sich in
Gründung befindende Psychotherapeutenkammer.
 Schleswig-Holstein
Dienstag, 18. Oktober 2005, 19:00 Uhr: Regionale Mitgliederversammlung. MedizinischPsychosomatische Klinik in Bad Bramstedt. Persönliche Einladungen mit den genauen Angaben und der Tagesordnung werden Sie rechtzeitig erhalten.
Aktueller Veranstaltungstipp 1:
Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit des Landes Rheinland-Pfalz veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem Deutsches Netzwerk für Psychische Gesundheit; www.gnmh.de), am
22. September 2005 (9.00-17.00 Uhr) die Fachtagung
„Möglichkeiten zur Stärkung der seelischen Gesundheit
von Kindern und Jugendlichen in Rheinland-Pfalz“
im Erbacher Hof, Mainz, Grebenstr. 24-26, Akadamie des Bistums Mainz
mit Referaten von Franz Petermann (Grundlagen; Uni Bremen), Bernd Röhrle (Projektbeispiele; Uni
Marburg) und Andreas Beelmann (Prävention von Aggressivität und Kriminalität; Uni Jena) sowie
Workshops mit Martin Hautzinger (Präv. von depr. Störungen; Uni Tübingen), Gerd Beelmann
(Bewältigung von Jugendarbeitslosigkeit; Uni Bremen), Judith Conradt (Präv. von Angststörungen;
Uni Münster) und Nora Dannigkeit (Präv. von Essstörungen; Charité Berlin).
Anmeldung: spätestens bis 10.9.2005 an das Ministerium für Arbeit, Soziales,
Familie und Gesundheit, Bauhofstr. 9, 55116 Mainz; www.masfg.rip.de
Aktueller Veranstaltungstipp 2:
Fachtagung der DGVT und der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der DGPs
zum internationalen Forschungsstand der Verhaltentherapie am 30.9. u. 1.10.05 in Frankfurt am Main:
Status and Perspectives of Behaviour Therapy: An International Point of View
Referent/inn/en: Armin Kuhr (Dinklar), K. Gunnar Götestam (Trondheim), Franz Caspar (Genf),
Arnoud Arntz (Maastricht), Paul Emmelkamp (Amsterdam), Tom Borkovec (University Park), Susan
Bögels (Maastricht), Dianne Chambless (Philadelphia), Art Freeman (Philadelphia), Anke Ehlers
(London), Nils Birbaumer (Tübingen), Lars-Göran Öst (Stockholm), Michael Lambert (Salt Lake
City), Birgit Kröner-Herwig (Göttingen).
Programm und Abstracts können ab sofort über die Homepage der DGVT eingesehen werden !
 Es sind noch einige Plätze frei! Anmeldung nur über die Homepage der DGVT
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