SYNERGIEEFFEKTE: Erneuerbare Energien, Lebensräume und Artenschutz Dass die konsequente Einführung erneuerbarer Energien auf Widerstände in der etablierten Energiewirtschaft und den mit ihr verbundenen politischen und medialen Kreisen stößt, liegt in der Logik der Sache selbst. Während die fossil-atomare Ausrichtung aktueller Energiepolitik Macht und Kapital auf zunehmend weniger aber immer größere multinationale Player konzentriert, erlaubt die dezentrale Vielfalt erneuerbarer Energien eine breite Streuung von Kapital und Marktteilnahme. Dass beides nicht gleichzeitig existieren kann liegt auf der Hand und bleibt somit auch den Akteuren in der Energiewirtschaft nicht verborgen, die ihre über Jahrzehnte gewonnene Macht gegen die gebotene Schubumkehr mit Zähnen und Klauen verteidigen. Dass Angriffe auf die Nutzung erneuerbarer Energien jedoch auch aus der Umweltbewegung selbst kommen, findet nur begrenzte Logik. Eine Logik die sich selbst dort begrenzt, wo die Betrachtung der Realität durch mangelnde Gestaltungsphantasie, durch eine Politik des „Entweder - oder“ künstlich beschnitten wird. Psychologisch erklären lässt sich diese Haltung nur durch die Fortschreibung einmal eingelernter Denkmuster ökologischen Engagements. Diese wurzeln zumeist im Protest gegen naturzerstörerische Produktions- und Wirtschaftsweisen, ein in den siebziger und achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts dringend notwendiger demokratischer Aufschrei. Die Forderung nach einer Energiewende jedoch ist ein konstruktiver, die Strukturen der Gesellschaft verändernder Ansatz. Psychologisch gesehen ist sie damit ein proportional verkehrter Ansatz zum reinen Protestgedanken. Dieser offenbar stark im Bewusstsein verankerte Protestwille richtet sich nun nicht mehr nur gegen die Zerstörung der Natur durch fossile und atomare Energienutzung samt ihren gesellschaftlichen Nebeneffekten, sondern auch gegen die begrenzten Umwelteingriffe durch erneuerbaren Energien. Eine derartige Positionierung ist bei näherer Betrachtung jedoch nur durch eine dauerhafte Ignoranz gegenüber den Gefahrenhierarchien aufrecht zu erhalten. Am deutlichsten ist diese bei den Auseinandersetzungen um die Windkraft zu erkennen, deren konkreter Eingriff in die Umwelt sich auf wenige Quadratmeter beschränkt, während die Veränderung des Landschaftsbildes einer rein subjektiven Bewertung unterliegt. Dem gegenüber stehen die Vergiftung und der Verbrauch von Böden, Luft und Gewässern durch die Förderung, Nutzung und Entsorgung fossiler und atomarer Rohstoffe, an deren Spitze derzeit das Problem des Klimawandels steht. Nicht weniger gilt dieser Vergleich für die Photovoltaik, deren Flächenbedarf sich zumeist ohnehin mit bestehenden Gebäuden deckt, vom geräteintegrierten Modul ganz zu schweigen. Die Inanspruchnahme „größerer“ Flächen betrifft vor allem die Wasserkraft und die Nutzung der Biomasse. Doch auch hier ist eine Gleichsetzung von Flächenbedarf zur Energieproduktion aus fossil-atomaren Quellen einerseits und erneuerbarer Nutzung andererseits nicht zulässig. Der Schutz des Ganzen kann nicht dem Erhalt einzelner, regionaler Naturphänomene geopfert werden. Gerade die Natur selbst lehrt uns, dass das Gesamte dem Individuum, ja sogar einzelnen Lebensräumen übergeordnet ist. Ohne den Schutz des Ganzen kann ohnehin auch das Individuum als solches nicht geschützt werden. Wird so der Maßstab einer realistischen Gefahrenhierarchie angelegt, bleibt nur ein Schluss: Dem begrenzten Eingriff durch erneuerbare Energien in die Umwelt, steht die grenzenlose Ausbeutung der Natur durch fossile und atomare Energienutzung gegenüber. Damit ist der Vorzug zwischen beiden Alternativen kompromisslos den erneuerbaren Energien zu geben. Soweit ist klar: Die Nutzung erneuerbarer Energien stoppt den fossilen und atomaren Wahnsinn und ist somit an sich eine ökologisch unverzichtbare Notwendigkeit, die einzig wahre Alternative. Doch diese grundsätzliche Betrachtung wird dem Chancenkatalog der sich aus einer erneuerbaren Energiegewinnung ergibt, nur unzureichend gerecht. Denn gerade wegen des Widerstandes aus Umweltkreisen unterbleibt häufig die Betrachtung von potentiellen Synergieeffekten die sich für den Lebensraum- und Artenschutz durch erneuerbare Energien ergeben. Und zwar gerade in jenen Bereichen erneuerbarer Technologien, die in Umweltkreisen besonders häufig auf Vorbehalte stoßen: Die Wasserkraft und die Nutzung von Biomasse, vor allem für die Bereitstellung von Treibstoffen. Im Unterschied zur Windkraft und zur direkten solaren Energieernte greifen Wasserkraft und Biomassenutzung in lokale und mitunter auch in überregionale Kreisläufe ein. Bei der Wasserkraft sind überregionale Auswirkungen durch Megastauseen ausschließlich negativ zu bewerten. Sie können das Mikroklima und die Vegetation großer Landstriche, vor allem durch Wassermangel unterhalb der Kraftwerke liegender Fließstrecken erheblich verändern. Nicht selten müssen auch Wald, landwirtschaftliche Flächen und Menschen aus ihrer angestammten, für ihre Ernährung sorgenden Heimat weichen. Hinzu kommen Konflikte um Wassernutzungsrechte verschiedener Staaten, die mit dem sich verschärfenden Klimawandel und wachsenden Bevölkerungen zunehmend zur Kriegsgefahr werden. Anders die Biomassenutzung: Überregionale Auswirkungen einer Biomassenutzung können sowohl negativ als auch positiv ausfallen. Negativ dann, wenn für die Kultur von Energieplantagen großflächig Wald geopfert wird, oder wenn bei Waldpflanzungen nur auf die Produktionsmenge geachtet wird, nicht aber auf die Angepasstheit der Bäume an Klima, Bodenbeschaffung und deren Wasserhaushalt. Positive überregionale Effekte ergeben sich hingegen durch Aufforstungsmaßnahmen, die auf die regionalen Besonderheiten Rücksicht nehmen und durch eine reichhaltige Waldflora stabilisierend auf die Wetterströme und den Wasserhaushalt der Region einwirken. Doch bereits hier werden Misserfolge gerne generalisiert, wie etwa durch die Aufforstung von Permafrostböden, durch Monokulturwirtschaft oder in schneereichen Gegenden die im globalen Klimahaushalt von Bedeutung sind. Dass demgegenüber das Potential zur Wiederaufforstung verlorener Waldflächen und landwirtschaftlich degenerierter Flächen steht, fällt aus der Berichterstattung und in Umweltdebatten häufig weg. Als Erkenntnis bleibt: Überregionale Auswirkungen von Wasserkraft und Biomassenutzung sind unterschiedlich zu bewerten, doch mit einer gemeinsamen Strategie zu beantworten: Dezentrale Technologie, aber auf breiter Ebene. Bei der Wasserkraft heißt dies: Kleinwasserkraft nutzen, aber in großer Zahl. Für die Biomassenutzung bedeutet es im globalen Maßstab der Waldbewirtschaftung vor dem Ackerbau den Vorzug zu geben. Im Ackerbau selbst muss die Antwort in einer weitgehend regionalen Kreislaufwirtschaft gesucht werden. Gerade diese Kreislaufwirtschaft kann aber ohne breite Nutzung der Biomasse nicht stattfinden. Woher sollen die Rohstoffe kommen, wie sollen Kreisläufe geschlossen werden, wenn nicht über biogene Reststoffe? Wird dem dezentralen Anspruch Rechnung getragen, zeigen sich schließlich zahlreiche ökologische Synergieeffekte, die sich gerade durch das Einwirken der Nutzung von Wasserkraft und Biomasse in lokale Kreisläufe ergeben. Werfen wir zuerst einen Blick auf die Wasserkraft: Dass die Errichtung von Stauzonen in den lokalen Naturkreislauf eingreift, ist unbestritten. Doch sind diese Eingriffe grundsätzlich negativ zu bewerten? Im Unterschied zu Großstaudämmen verändern Kleinwasserkraftwerke weder den Grundwasserspiegel einer Region, noch deren Wasser- und Wetterkreisläufe. Der Eingriff beschränkt sich auf einen begrenzten Abschnitt der Gewässer selbst und auf die Uferund Randzonen desselben. Hier steht, bei genauer Betrachtung, nur ein einziges Problem einer Vielzahl von positiven Veränderungen für die Gewässer- und Umgebungsbiologie gegenüber. Als einziges – lösbares – Problem stellt sich die Frage nach ungehinderten Wanderungsmöglichkeiten für die Gewässerfauna, insbesondere für Fische. Die Antwort darauf sind Fischaufstiege und künftig auch neuentwickelte Turbinentechniken, die ein ungehindertes Durchschwimmen erlauben und gleichzeitig an vielen Standorten sogar Produktionsvorteile aufweisen. Dazu kommen moderne Wasserräder, die ebenfalls unter bestimmten Bedingungen herkömmlichen Turbinen überlegen sein können, auch wenn ihr Beitrag in Summe vermutlich von geringer Bedeutung sein wird. Sie zu nutzen, um diesen Markt anzutreiben, ist dennoch geboten, auch in Hinblick auf die Zusammenarbeit mit DritteWelt-Ländern. Somit bleiben die Veränderungen durch die Aufstauung der betroffenen Gewässerabschnitte. Diese werden fälschlicherweise mit den Erfahrungen durch die Großwasserkraft gleichgesetzt, obwohl dieser Vergleich keineswegs angebracht ist. Denn die so stattfindenden Veränderungen bringen bei näherer Betrachtung für Flora und Fauna der Gewässer eine wertvolle Anreicherung an zusätzlichen, sich vom sonstigen Fliessverlauf unterscheidenden Biotopen mit sich, die in Summe zu einer reicheren Vielfalt an Gewässerlebensräumen und damit an Arten führen. Solcherart sorgfältig umgesetzte Eingriffe in den Gewässerhaushalt abzulehnen, bedeutet daher nicht Umweltschutz im Sinne einer reichhaltigen Ökologie, sondern genau das Gegenteil. Es bedeutet vielmehr, Gewässer weiterhin als Monokulturen zu betrachten, anstatt die Chance zu nutzen, mit einer Revitalisierung der Kleinwasserkraft auch die dringend nötige Revitalisierung von Fließgewässern in Angriff zu nehmen. So sind und bleiben zahlreiche Kleingewässer zu Abflusskanälen degradiert, in denen sich weder eine reiche Flora noch eine vielfältige Fauna entwickeln kann. Der Staudamm zum Kleinwasserkraftwerk hingegen, kann als Teil einer Rückbesinnung auf naturgemäße Gewässerentwicklung gesehen werden, da im Zuge der technischen Nutzung ein Zustand wiedergewonnen wird, der vom Menschen künstlich durch die Ausrottung der Biber aus der Gewässerlandschaft verbannt wurde. Sowohl oberhalb als auch unterhalb der Staustufe entwickeln sich Lebensräume unterschiedlichen Charakters, die ihre eigene Flora und Fauna bilden. Ruhezonen im Staubereich können zahlreichen Arten zur Fortpflanzung dienen und erweitern den Artenreichtum. Bewusst eingeplante Seichtstellen können diese Entwicklung zusätzlich begünstigen. Auch die Uferbereiche und Randzonen passen sich an diesen positiven Wandel an, wenn auch vielleicht mit geringeren Effekten. Landwirte die Wasserkraftwerke betreiben, können die Staubereiche zur Fischzucht nutzen und so zusätzliche Märkte erschließen. Dies befreit sie wieder ein Stück vom Zwang zur Massenproduktion und öffnet somit auch die Spielräume für eine Ökologisierung der Landwirtschaft weiter. Tausende kleine Wasserkraftwerke könnten nicht nur sauberen Strom liefern, sondern auch heimischen Fisch zu leistbaren Preisen, und damit erhebliche Mengen Fischimporte aus Raubbau und Massenhaltung ersetzen. Die Verknüpfung von Kleinwasserkraft und Fischzucht ist vielleicht die überzeugendste Antwort auf Größenwahnprojekte wie Superlachs durch Genmanipulation. Die Maxime lautet daher: Umweltschützer und Naturschutzämter sollen Kleinwasserkraft nicht verhindern, sondern Rahmenbedingungen einfordern, die dem ökologischen Nutzen voll gerecht werden. Das gleiche gilt für die Nutzung der Biomasse. Aktuelle Erfahrungen mit landwirtschaftlichen Produktionsmethoden dürfen nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen im Kontext mit politischen und marktrealen Zusammenhängen gesehen werden. Diese wurden jahrzehntelang auf Massenproduktion für den Weltmarkt zugeschnitten. Über Jahrzehnte saß die Landwirtschaft in der Ölfalle, die von zwei Seiten zuschnappte: - - Zum einen durch die Internationalisierung der Agrarmärkte, die nur durch die Subventionsorgien zugunsten fossiler Energien – vor allem Treibstoffen aus Erdöl möglich wurde und die Bauern unter den Druck verzerrter Märkte setzte. Zum anderen durch die von fossilen Treibstoffen und petrochemischen Produktionsmitteln angetriebene Industrialisierung der Landwirtschaft, die infolge einseitig kalkulierter Produktionsfaktoren über Jahrzehnte die Bedürfnisse der Naturkreisläufe missachtete. Kalkuliert wurden laufende Einnahmen und Ausgaben, nicht aber das natürliche Kapital an Bodenressourcen, Wasserkreisläufen und ökologischer Vielfalt. Damit einher ging ein dramatischer Verlust an Kulturarten und -sorten. Reis, Soja, Baumwolle, Weizen und Mais beherrschen den Weltmarkt, Saatgutmonopole reduzieren die Anzahl verfügbarer Sorten und gefährden damit langfristig auch die Ernährungssicherheit durch genetische Verarmung der Kulturarten. Monopole auf der Abnehmerseite diktieren die Preise. Dies zwingt die Bauern zu monokultureller Massenproduktion, jener Form von Landbewirtschaftung, die von der Umweltbewegung zu recht kritisiert wird. Doch auch hier ist die nahtlose Übertragung bisheriger Erfahrungen auf die Nutzung der Biomasse zur Energie- und Rohstoffgewinnung unangebracht. Diese schafft Vielfalt, wo lange Zeit Einfalt herrschte, zahlreiche neue Kulturpflanzen bieten neue Möglichkeiten zum Fruchtwechsel und zur Mischkultur. Insbesondere die energetische Nutzung von Ganzpflanzen, etwa in Biogasanlagen, erlaubt eine reichhaltige Mischung von Kulturpflanzen. Aber auch der gemeinsame Anbau von Nahrungs- und Energiepflanzen ist denkbar. Im Hausgarten ist die wiederentdeckte Mischkultur längst keine Ausnahmeerscheinung mehr, eine Praxis, die auf die kommerzielle Landwirtschaft durchaus übertragbar ist, wenngleich auch noch manches an Erfahrung zu sammeln und an Forschung zu tätigen ist. Pflanzen in Mischkultur begünstigen gegenseitig die Nahrungsaufnahme, teilen sich verschiedene Zonen des Wurzelraumes, sind resistenter gegen Krankheiten, Schädlinge und Wettereinflüsse und bringen zumeist höhere Erträge bei geringerem Düngebedarf. Vorraussetzung sind lediglich gleiche Klima- und Bodenansprüche, gegenseitige Verträglichkeit und für maschinelle Landbearbeitung gleiche Saat- und Erntezeitpunkte. Maschinelle Saat- und Erntetechniken, die zu Beginn der „grünen“ Revolution den Drang zu Monokulturen begünstigten, können nach den beträchtlichen Fortschritten technischer Entwicklung heute zur Umkehrung dieses Trends beitragen, wenn landwirtschaftliche Maschinenbauer diesen Beitrag leisten wollen. (Sie sollten dies im Hinblick auf neue Märkte ohnehin im eigenen Interesse tun) So ist es denkbar, Maschinen zu konstruieren, die verschiedene Erntehöhen und Korngrößen beernten und trennen können. Um die Belastung der Äcker durch Befahren und Bearbeiten zu verringern, ist auch vorstellbar Maschinen zu konstruieren, die in einem Schritt Ernte, moderate Bodenbearbeitung und Ausbringung einer mitgeführten Nachkultursaat ausführen. Oder die Trennung und sofortige Wiederaussaat einer mitkultivierten Gründüngung (etwa div. Kleearten), um so dem Boden so unmittelbar wie möglich wieder eine schützende Gründecke zu verschaffen (die auch aus dem Blickwinkel des Hochwasserschutzes von Bedeutung ist). Dies mag neu und ungewohnt sein, aber keineswegs eine hohe Hürde für Gesellschaften mit den technisch verfügbaren Mittel des 21. Jahrhunderts. Oder will man etwa ernsthaft behaupten, die Konstruktion eines Fusionsreaktors sei realistisch, nicht aber die Forderung nach mehrfunktionalen Erntetechniken? Doch Mischkultur muss nicht zwingend die unmittelbare gemeinsame Kultur bedeuten. Auch die in vielen Ländern lange praktizierte Reihenmischkultur, bei der zwei oder mehr Kulturen eingebunden sein können, kann wieder in künftige Konzepte einfließen. Dies würde zwar nicht alle positiven Effekte der Mischkultur zur Entfaltung bringen, wäre aber dennoch insgesamt ein erheblicher Gewinn. Es ist zudem ein Weg der auch beschritten werden kann, wenn der Maschinenbau seiner gesellschaftlichen Verpflichtung nicht nachkommt. Die Möglichkeiten neuer Kulturansätze reichen bis hin zum Agroforesting in dem Feld und Waldkultur ineinander greifen, eine Kulturpraxis mit Mehrfachfunktion. Erosion durch Wind und Regenfälle, Wassermangel in Trockenzeiten, Humusmangel: All dies sind überwiegend Erscheinungen intensiver Monokultur und einer humusvergessenen Düngepraxis. Mischkultur und insbesondere Agroforesting wirken diesen Erscheinungen entgegen. Alleine der Laubfall der Bäume reichert die Humusvorräte einer Kulturfläche beträchtlich an, Windschutz ist gegeben, starke Regenfälle werden zumindest auf Teilen des bewirtschafteten Kulturlandes abgefangen, die Wasserspeicherkapazität erhöht sich durch die Präsenz der Bäume um ein Vielfaches. Schon 1943 erkannte Albert Howard in seinem landwirtschaftlichen Testament: „In der Zukunft, wenn die Landwirtschaft zu ihrem Recht kommt, und sie nicht mehr länger nur als eine Industrie betrachtet wird, kann es wünschenswert sein, zu einer langfristigen Fruchtfolge überzugehen, in der Wälder und Parkländereien in beackertes Land du abgetragenes Ackerland zurück in Waldland oder in mit Bäumen bestandene Grasflächen zurückverwandelt wird.“ Mit einem derartigen Modell wäre auch schlagartig jede Debatte über die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energieproduktion in der Landwirtschaft aus der Welt zu schaffen. Aber schon das Vorhandensein von Hecken auf landwirtschaftlichen Flächen bringt erhebliche Gewinne für die ökologische Vielfalt und im Kampf gegen die Erosion. Mit der energetischen Nutzung von Biomasse ergibt sich so die Möglichkeit, die vielerorts „flurbereinigten“ Äcker wieder mit Hecken anzureichern. Dabei ist durchaus denkbar, auch Hecken aus Miscanthus und anderen mehrjährigen Feldkulturen einzubinden. Vögeln können die Hecken zum Nisten dienen, Amphibien und Reptilien, eine reichhaltige Insektenwelt, und zahlreiche Wildpflanzen können sich wieder einfinden. Eine biologische Vielfalt, die auch dem Pflanzenschutz dient. Auch Kurzumtriebswälder, vor allem wenn sie als Mischkultur praktiziert werden, können diesen Beitrag leisten. Zahlreiche Kombinationen und Variationen der aufgezeigten Kulturmethoden können in vielfältiger Weise ebenfalls zum Einsatz kommen und den regionalen und lokalen Verhältnissen angepasst werden. Dies zeigt: Wenn von Mehrfachnutzung die Rede ist, muss sich dies nicht nur zwangsläufig auf die stoffliche oder energetische Verwertung beschränken, sondern kann auch positive Effekte für die Kulturbedingungen selbst meinen. Etwa den Stickstoffgewinn durch Schmetterlingsblütler, Einsparung an Pflanzenschutzmitteln und Bodenbearbeitung, Humusvermehrung, vermiedene Ernteausfälle und vieles mehr. All das muss (auch von der Politik) künftig in die KostenNutzen-Rechnung einbezogen werden, ein Ansatz der von sich aus zu ökologischeren Produktionsweisen führt. Bedingung ist politischer Wille und ausreichendes Verständnis auch für landwirtschaftliche Fragen in Politik, Medien, Öffentlichkeit und Umweltbewegung. Denn die Vielfalt an möglichen Konzepten zeigt, dass die Lösung nicht im Verzicht, sondern im angepassten Management nachwachsender Rohstoffe liegen muss. Ein Verzicht auf nachwachsende Rohstoffe mit dem Argument, man wolle Monokultur und Intensivlandwirtschaft vermeiden, wäre letztlich eine selbsterklärtes Scheitern, eine freiwillige Kapitulation im Kampf um eine ökologisch verträgliche Landwirtschaft. Die kategorische Ablehnung nachwachsender Rohstoffe mit derartiger Argumentation, bedeutet letztlich die Kindesweglegung ökologischer Anliegen im zentralsten aller menschlichen Lebensbereiche. Und damit auch die Kindesweglegung der naturgegebenen Verbindung zwischen dem Schutz der natürlichen Umwelt und den sozialen Errungenschaften. (auch solchen die noch errungen werden müssen) Konkret: Was will man den Menschen in Afrika, Lateinamerika und weiten Teilen Asiens sagen, wenn man ihnen weiter das Potential nachwachsender Rohstoffe zur Energieversorgung, zur Wiederbelebung der Landwirtschaft und der Dorfstrukturen vorenthält. (Was im Übrigen auch für die anderen erneuerbaren Energien gilt). Wie aber will man ihnen das Potential offenbaren, wenn man ihnen signalisiert: „Ja, ihr in Afrika, macht nur, wir in Europa verzichten darauf.“? Eben weil das Ziel einer ökologisch orientierten Landwirtschaft nicht geopfert werden darf, kann auf die erneuerbaren Rohstoffe nicht verzichtet werden. Eben weil es zu einer Trendwende kommen muss, müssen marktfähige ökologische Konzepte für die Landwirtschaft umgesetzt werden, die statt auf einseitige, subventionierte und unkontrollierte Massenproduktion, auf vielfältige, bedarfsgerechte und kreislauforientierte Produktion, Absatz- und Entsorgungswege setzen. Wie will man ohne organische Produktion, sprich ohne Biomasseanbau und -nutzung, eine organische, umweltverträgliche Kreislaufwirtschaft schaffen? Wie will man von Bauern, deren Überleben von Gnaden politischer Parteien abhängig ist, und die somit nie wissen was morgen ist, die trotz politischer Unterstützung ums Überleben kämpfen, wie will man von ihnen erwarten, dass sie aus eigener Kraft die Ökologisierung der Landwirtschaft vorantreiben? Wenn die Bauern zu Verbündeten der Umweltbewegung werden sollen, dann muss man ihnen die Instrumente dazu in die Hand geben. Mit anderen Worten: Man muss ihnen Märkte schaffen, auf denen sie aus eigener Kraft überleben können. Für die Entlohnung zusätzlicher ökologischer Aufgaben (Landschaftserhaltung, Biotoppflege..) reicht ein Bruchteil dessen, was der Staat heute an Marktsubventionen für den Welthandel von Überschussproduktionen aufbringt. Der Unterschied: Hier wird den Bauern nichts geschenkt, sondern eine Leistung angemessen bezahlt. Im Zeitalter der erneuerbaren Energien wird die Bauernbewegung für das 21.Jahrhundert jene Bedeutung erlangen, die der Arbeiterbewegung durch die industrielle Revolution im 20. Jahrhundert zukam. Nimmt die Umweltbewegung die Bauern und ihre Überlebensfragen ernst, tritt sie in einen konstruktiven Dialog über die Zukunft der Landwirtschaft ein, in dem die Nutzung nachwachsender Rohstoffe im Zentrum der Erneuerungsbemühungen stehen, dann können die Synergieeffekte einer echten Kreislaufwirtschaft gemeinsam mit der Landwirtschaft erschlossen werden: - Durch die Wiedergewinnung regionaler Märkte verringert sich der Güterfernverkehr, eine Maßnahme, die nicht nur dem Klimaschutz dient, sondern die auch zum Schutz von Vögeln mehr beiträgt, als der sinnlose Kampf gegen harmlose Windmühlen. Gleichermaßen gilt dies für wandernde Amphibien und viele Säugetiere, die täglich auf den Straßen verenden. - Durch die Nutzung zahlreicher neuer Kulturarten und -sorten kann die Bodenpflege verbessert werden: durch reicheren Fruchtwechsel, humusbildende Kulturen (Miscanthus, Kurzumtriebswälder,...) abwechslungsreiches Nährstoffmanagement (Gründüngung, Fruchtwechsel, geschlossene Stoffkreisläufe,...) und umfassend durch Vegetation vor Erosion geschützten Böden. Durch die engere Verknüpfung von Land und Forstwirtschaft können zahlreiche dieser Synergieeffekte weiter optimiert werden. - Durch die Einbindung der Biogastechnologie kann klimaschädigendes Methan in Strom und Wärme umgewandelt, können Dünger und Pflanzenschutzmittel gewonnen und Entsorgungsprobleme in der Viehwirtschaft gelöst werden. Kaum ein anderer Dünger trägt mehr und rascher zur Humusbildung im Boden bei, als der an Bodenorganismen reiche Schlamm einer Biogasanlage. Zudem erlaubt gerade die Vergasung von Biomasse die gleichzeitige Kultur mehrerer Arten auf ein- und derselben Fläche, da es nicht auf die einzelnen Erträge, sondern auf den Gesamtertrag ankommt. - Durch reichhaltigere landwirtschaftliche Produktion erweitern sich die Spielräume zu einer Wiederzusammenführung von Pflanzenbau und Viehwirtschaft. Da auch Jagdwesen und Fischerei durch Schaffung neuer Lebensräume von dieser Entwicklung profitieren können, verringert sich der Druck zur Massentierhaltung. - Durch die Schaffung neuer, regionaler Wirtschaftskreisläufe, und nur durch diese, kann auch unsere Ernährungssicherheit erhalten bleiben und eine gesunde Ernährung bewahrt oder gewonnen werden. Zum einen, weil der erdölsüchtige Weltmarkt diese Sicherheit nicht bieten kann, zum anderen, weil die Regionalisierung der Produktion auch wieder zu einer ReRegionalisierung der Pflanzenzüchtung führen wird. Ohne neue landwirtschaftliche Selbständigkeit ist das Ziel einer Erhaltung der Biodiversität in der Pflanzenzüchtung nicht zu erreichen, womit auch die Ernährungsgrundlage von mehr als sechs Milliarden Menschen in Frage gestellt ist. Letztlich ist die quantitative und qualitative Erschließung der erneuerbaren Potentiale ein Kulturauftrag, der geleistet werden muss und auch kann. Er richtet sich vor allem an jene, die über das politische, finanzielle und technische Kapital zur Umsetzung dezentraler, stabiler Wirtschaftsentwicklung verfügen. Es richtet sich aber auch an die Verantwortlichen in der Umweltbewegung, die erneuerbaren Energien als Chance für eine Ökologisierung von Landwirtschaft und Gesellschaft zu begreifen, anstatt die Hürden zu fixieren. Als Sohn eines Leichtathletiktrainers weiß ich, dass Hürden dazu da sind, um übersprungen zu werden. Wer auf den Hürden herumtrampelt, kann das Rennen wohl kaum gewinnen. Weshalb sich die Umweltbewegung konsequent täglich die Frage stellen muss: Wollen wir gewinnen? Gewinnen im Sinn von substanziellen Erfolgen und nicht im Sinne von „Seht ihr, wir haben doch recht gehabt, dass alles den Bach runter geht!“ Also muss gezielt gefragt werden: Will man dem Klimawandel erfolgreich begegnen, durch Nutzung der erneuerbaren Potentiale, durch Aufforstung und durch Wiedergewinnung des Kohlenstoffspeichers Humus, oder verzichtet man aus Angst vor der eigenen Courage und mangels Phantasie auf diese Chancen? Will man gesunde Böden, vielfältige Lebensräume, eine reichhaltige Flora und Fauna, saubere und kontinuierliche Wasserkreisläufe, oder ergibt man sich verzweifelt dem anhaltenden Trend zur Monokultur? Will man die Landwirtschaft in ihrer unübersehbaren Not aus der Ölfalle befreien oder versperrt man ihr den Weg in Eigenständigkeit? Will man eine von resistenten Giften befreite Lebenswelt oder weiterhin die fossile und atomare Verseuchung zulassen? Und zuletzt: Will man als Umweltbewegung weiter erfolgreich die Gesellschaft mitgestalten oder will man von einer in Energiefragen zunehmend erwachenden Bevölkerung zu den Akten gelegt werden, weil man sich den Anforderungen der Zeit versperrt? Die Antwort kann nur jede/r Verantwortliche in der Umweltbewegung selbst geben!