1 Loscht op Europa ! 2 3 4 Position der Christlich-Sozialen Jugend zur Zukunft der Europäischen Union 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 « Loscht op Europa » unter diesem Motto wollte die CSJ über die Europäische Union informieren, bei jungen Menschen Interesse für Europa wecken und mit ihnen über die Zukunft der Union diskutieren. Wir wollen nicht nur über Europa reden, sondern es konkret leben. Die Jugend lässt sich nicht durch Sonntagsreden für den europäischen Gedanken gewinnen. Die Chance liegt im Kennenlernen und im Austausch. In der Erkenntnis, dass wir gemeinsam mehr erreichen können. Wir wollen mehr Wert auf unsere Gemeinsamkeiten legen. Daher arbeitet die CSJ bei der Jugend der Europäischen Volkspartei (YEPP) mit, daher sind wir im ständigen Austausch mit Schwesterorganisationen aus der Grossregion und waren aktiv beim Jugendkonvent in Brüssel dabei. Die vergangenen Wochen und das europäische Hick-Hack in der Irakkrise waren nicht besonders ermutigend. Doch so abwegig es in diesem Augenblick auch klingen mag, die Antwort auf das Scheitern der europäischen Diplomatie heisst : Mehr Europa. Wir haben eine Vorstellung von einem Europa für morgen. Wir haben hohe Erwartungen an den EU-Konvent. Wir haben… Loscht op Europa ! 33 34 35 36 37 1 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 I. Christdemokraten bauen Europa « Die Europäische Union ist eine absolute Notwendigkeit. Die Zukunft Europas liegt in der Annäherung aller europäischen Völker und in der Überbrückung nationaler Gegensätze » CSJ-Grundsatzprogramm « Bausteng fir d’Zukunft » Keine andere politische Familie hat sich von Anfang an so für die europäische Idee stark gemacht, wie die Christdemokraten. Die Gründungsväter der heutigen EU, handelten aus christlicher und demokratischer Überzeugung, um unserem Kontinent eine friedliche und freiheitliche Zukunft zu ermöglichen. Dieses Erbe verpflichtet. Schwierigkeiten und Nöte des Augenblicks dürfen uns nicht davon abbringen, die Union weiterzuentwickeln und zu vertiefen. Unsere europapolitischen Grundsätze : 1. Demokratie Wir wollen ein demokratisches Europa. Oft wird das Demokratiedefizit der EU beklagt. Der Konvent bietet nun die Chance, dieses zu beheben. Wir wollen jetzt auf europäischer Ebene mehr Demokratie wagen. 2. Subsidiarität Die Europäische Union soll sich auf die Gestaltung jener Politikbereiche konzentrieren, die auf europäischer Ebene besser bzw. auf der Ebene der Mitgliedsstaaten oder Regionen nicht ausreichend bewältigt werden können. Das Prinzip der Subsidiarität beruht auf unserem personalistischen Bild vom Menschen, der letzendlich im Mittelpunkt jeder Politik stehen muss. 3. Solidarität Wir stehen für die Solidarität der Menschen untereinander, aber auch für die Solidarität zwischen den Regionen und Staaten. Die internationale Solidarität mit den Entwicklungsländern ist für uns von herausragender Bedeutung. Wie der einzelne Mensch, so sind auch die Region bzw. der Staat auf eine grössere Gemeinschaft angewiesen, um sich voll entfalten zu können. Integration bedeutet für uns aber keine Gleichschaltung, sondern Einheit in Vielfalt. Sie ist ohne das Subsidiaritätsprinzip undenkbar. 4. Föderalismus Bedeutet für uns das Gegenteil von Zentralismus. Föderalismus meint Integration auf Basis des Subsidiaritätsprinzips. Eine föderale Struktur impliziert keinen Superstaat, sie wird im Gegenteil die Zentralisierung der Macht begrenzen. 2 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126 127 II. Das neue Europa Heute steht die Europäische Union vor der Erweiterung um eine große Zahl neuer Mitgliedstaaten. Wir begrüssen ausdrücklich die Einbeziehung der mittelund osteuropäischen Völker. Sie werden der Union eine gesamteuropäische Dimension verleihen. Die Erweiterung muss für die Festigung des Friedens und die Schaffung einer freiheitlichen, stabilen Wirtschafts- und Sozialordnung auf dem ganzen Kontinent genutzt werden. « In der Union müssen die europäischen Organe dem Bürger näher gebracht werden. Die Bürger stehen zweifellos hinter den großen Zielen der Union, sie sehen jedoch nicht immer einen Zusammenhang zwischen diesen Zielen und dem täglichen Wirken der Union. Sie verlangen von den europäischen Organen weniger Schwerfälligkeit und Starrheit und fordern vor allem mehr Effizienz und Transparenz. Viele finden auch, dass die Union stärker auf ihre konkreten Sorgen eingehen müsste und sich nicht bis in alle Einzelheiten in Dinge einmischen sollte, die eigentlich besser den gewählten Vertretern der Mitgliedstaaten und der Regionen überlassen werden sollten. Manche erleben dies sogar als Bedrohung ihrer Identität. Was aber vielleicht noch wichtiger ist: Die Bürger finden, dass alles viel zu sehr über ihren Kopf hinweg geregelt wird, und wünschen eine bessere demokratische Kontrolle. » Erklärung von Laeken Zu dieser Analyse durch die Staats-und Regierungschefs der EU meint die CSJ : Einsicht sollte der erste Schritt zur Besserung sein. Es ist nun Aufgabe des Konvents unter der Leitung von Valéry Giscard d’Estaing, Lösungs-und Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Wir hoffen, dass der Konvent und die Debatte, die dadurch ausgelöst worden ist, das europäische Bewusstsein fördern wird. Eine öffentliche Diskussion ist die Voraussetzung für die Einigung auf eine Verfassung und für ihre identitätsstiftende Wirkung. Wir wollen eine europäische Verfassung Die europäischen Nationalstaaten haben in vielen Bereichen ihre ursprüngliche Gestaltungsmacht verloren. Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Terrorismus, viele Probleme machen nicht vor unseren Grenzen halt. Wir können sie nur dauerhaft angehen, wenn wir uns zusammentun. Der Prozess der Integration hat inzwischen eine solche Dichte erlangt, dass er fast unumkehrbar geworden ist. Doch die Bereitschaft zur Integration ist schneller gewachsen als die Möglichkeit der Bürger, die Richtung der europäischen Politik in demokratischer und transparenter Weise zu bestimmen. Hier liegt eine wichtige Ursache für die verbreitete Klage über das Demokratiedefizit in der 3 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 Europäischen Union und die Forderung, den Institutionen und Verfahren zu einer vertieften demokratischen Legitimation zu verhelfen. Die Bürger der Union müssen den weiteren Prozess der europäischen Integration tragen, gestalten und kontrollieren können. Den europäischen Staaten, die zu gegebener Zeit die Mitgliedschaft in der Europäischen Union erwerben wollen, wird eine Verfassung eine systematische und kohärente Orientierung bezüglich der Bedingungen und der Standards geben die sie zu erfüllen haben, wenn sie in Beitrittsverhandlungen eintreten. Dabei verstehen wir unter Verfassung einen Text, der im wesentlichen eine doppelte Bedingung erfüllt: - erstens muss es sich um ein leicht lesbares, systematisches Dokument handeln, das die grundlegenden Bestimmungen enthält, die über Ziele und Perspektiven, über die Aufgaben der Europäischen Union, die politischen Institutionen, ihre Befugnisse und Verfahren sowie über die politischen Rechte der Bürger und allgemein ihre Grundrechte verlässlich Auskunft geben. - zweitens muss es sich um ein Dokument handeln, das nicht nur durch Verhandlung und Kompromiss der nationalen Regierungen, sondern auch durch Debatte und Beschlussfassung der gewählten Repräsentanten der Bürger der Union demokratisch legitimiert wird. Eine solche Verfassung muss Vorrang haben gegenüber anderen Vertragstexten, Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union ebenso wie - im Konfliktfall - gegenüber der nationalen Gesetzgebung. Gegen die Forderung nach einer Verfassung für die Europäische Union sind immer wieder Einwände vorgebracht worden. Sie stützen sich auf die These, dass eigentlich nur ein Staat eine Verfassung haben könne und dass nur ein Volk sich eine solche Verfassung auf der Grundlage seines kulturellen und gesellschaftlichen Konsenses geben könne. Die Europäische Union sei aber kein Staat, und es gebe auch kein europäisches Volk. Außerdem würde sich das beklagte Demokratie-Defizit angesichts einer "von oben" dekretierten Verfassungsgebung nur verstärken. Diese Einwände können dazu beitragen, das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Entwicklung eines kulturellen Konsenses und einer gemeinsamen Identität wach zu halten. Sie übersehen jedoch, dass gerade die Vielfalt der Traditionen, Kulturen, Religionen und Sprachen die Grundlage der europäischen Identität sind. Diese Vielfalt hat in der europäischen Geschichte immer wieder befruchtend gewirkt und Entwicklungen hervorgebracht, die weit über die einzelnen Nationen und Regionen auf große Teile Europas ausgegriffen haben. 4 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 Europäische Kultur war und ist mehr als eine Addition verschiedener nationaler und regionaler Kulturen. Sie ist schon heute ein tragendes und prägendes Element des europäischen Gemeinwesens. Die historisch und kulturell geprägte europäische Identität ermöglichte die Entstehung der Europäischen Union; ihre Entwicklung hat nach und nach eine politisch und sozial geprägte europäische Identität begründet. Unsere Erwartungen an den EU-Konvent 1. Die Grundrechtecharta muss integraler Bestandteil der Europäischen Verfassung werden. Die Verankerung der Grundrechte in der Verfassung unterstreicht die Werteorientierung der Europäischen Union. Die Grundrechtecharta muss Gültigkeit haben für das Handeln der Union und der Mitgliedstaaten. Der Europäische Gerichtshof und das Gericht erster Instanz müssen mit entsprechenden Zuständigkeiten ausgestattet werden. Dies trägt dazu bei, die Union und ihren Bezug zu den Bürgern zu stärken. Wir wollen eine wertgebundene Verfassung Die formalen Regeln einer Verfassung sind Ausdruck von inhaltlichen Überzeugungen über die richtige Art und Weise des Zusammenlebens von Menschen in einem Gemeinwesen mit seiner politischen, rechtlichen und sozialen Ordnung. Von Beginn an war der europäische Integrationsprozess ein politisches Projekt mit zutiefst ethischem Ansatz. Jetzt bietet sich die Gelegenheit sich über das Ethos und die moralischen Grundlagen des europäischen Projektes neu zu verständigen und sich ihrer neu zu vergewissern. Welche Ziele und Prinzipien sollen unser Handeln leiten ? Welche Institutionen sollen nach welchen Regeln unser Zusammenleben ordnen ? Diese Fragen können nicht nach reinem Kosten-Nutzen-Denken erwogen werden. Wir wollen für die Europäische Union eine wertgebundene Verfassungsordnung anstreben, der es nicht nur um formale Regeln geht, sondern die auf inhaltlichen, ethischen Vorstellungen und Überzeugungen gründet. Die europäische Verfassung muss von der unteilbaren und unantastbaren Würde des Menschen ausgehen. Ebenso müssen die universellen Werte der Freiheit und der Verantwortung, der Gerechtigkeit und der Solidarität betont werden. Bei politischen Problemen mit grenzüberschreitendem Charakter, die ethische Fragen aufwerfen - wie beispielsweise beim Asylrecht, beim Schutz Behinderter, beim Verbot der Selektion menschlichen Lebens, beim Verbot von Todesstrafe, 5 220 221 222 223 224 225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 Folter und Vertreibung, beim Schutz vor Gewalt und Menschenhandel, bei den biomedizinischen Entwicklungen und ihrer Bewertung oder bei der Euthanasie muss die europäische Verfassung einen festen Bezugsrahmen für die notwendigen öffentlichen Debatten bilden; sie muss für die politische Bewältigung von Veränderungsprozessen und des damit einhergehenden Wandels von Wahrnehmung und Bewertung Orientierung geben. 2. Die Bürger müssen besser als bisher nachvollziehen können, welche Ebene für welche Entscheidungen verantwortlich ist. Im Sinne der Subsidiarität sollen nur die Kompetenzen auf europäischer Ebene angesiedelt sein, die von den Mitgliedsstaaten nicht ausreichend erledigt werden können. Nicht alle Probleme in Europa sind auch eine Aufgabe für die Union. Wir glauben nicht, dass die EU sich einen starren Kompetenzkatalog zulegen sollte. Eher sollten die ausschliesslichen Kompetenzen der Union (zum Beispiel für die gemeinsame Währung), die konkurrierenden Kompetenzen, (zum Beispiel für den Binnenmarkt, Landwirtschaft, Umweltpolitik, Forschung, Verkehr ) und die Koordinationskompetenzen (zum Beispiel in den Bereichen Soziales, Bildung, Kultur, Sport) in der Verfassung der EU festgeschrieben werden. Im Falle von Konflikten über die Zuständigkeiten soll der Europäische Gerichtshof über die Auslegung der Kompetenzverteilung entscheiden. Wir wollen ein soziales Europa Kernstück des europäischen Sozialmodells ist das Konzept der ökologischsozialen Marktwirtschaft, nach dessen Grundprinzip die Existenzbedingungen der Menschen nicht ausschliesslich durch das Spiel der Marktkräfte bestimmt werden können. Es müssen Mindeststandards im Bereich der wichtigsten sozial-und arbeitsrechtlichen Bestimmungen sowie der Mitsprache der Arbeitnehmer gewährleistet werden. Das Gebot der Sozialen Marktwirtschaft gilt im Zeitalter der Globalisierung auch im Hinblick auf die Verantwortung der Europäer und ihres Gemeinwesens für die Gestaltung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung und der Entwicklungszusammenarbeit mit jenen, die auf solidarische Hilfe angewiesen sind. Die Verpflichtung der Europäischen Union, Verantwortung für eine von Gerechtigkeit und Freiheit getragene universelle Gemeinschaft der Völker zu übernehmen, muss in der Verfassung ihren Ausdruck finden. Wir wollen eine Umweltunion Der europäische Verfassungskonvent hat die Chance, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche europäische Umweltpolitik, eine effektive Verankerung des 6 266 267 268 269 270 271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281 282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301 302 303 304 305 306 307 308 309 310 Prinzips der Nachhaltigkeit und eine zukunftsgerichtete Energiepolitik in der EU zu schaffen. Die Union muss dem Umweltschutz sowie der Neugestaltung der Wirtschaftsstrukturen im Sinne der ökologischen Marktwirtschaft einen prioritären Stellenwert einräumen. Auch hier gilt es sich auf Mindeststandards zu einigen. Die zukünftige europäische Agrarpolitik muss vor allem auf die Förderung der nachhaltigen Entwicklung der ländlichen Gebiete, die umweltverträgliche Produktion hochwertiger gesunder Nahrungsmittel, die Förderung des ökologischen Landbaus, gemeinsame Qualitätsstandards, das Verbot der Freisetzung genetisch veränderter Organismen sowie den Umwelt- und der Gesundheitsschutz abzielen. Wir brauchen eine europäische Aussenpolitik Wir hoffen, dass das Fiasko, das die europäische Aussenpolitik in der Irakkrise erlebt hat, nun die Verantwortlichen zur Einsicht bringt, dass die Union nur durch ein gemeinsames Auftreten Stärke zeigen und eine Führungsrolle übernehmen kann. Eine gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union ist notwendig, um im Interesse der Bürger die politische Gestaltungsmacht zurückzugewinnen. Die Gemeinsame Aussenpolitik soll nicht als blosses Zusammenarbeit zwischen den Regierungen der Mitgliedsstaaten konzipiert sein. Sie soll als einheitliche politische Vorgehensweise im Rahmen der Institutionen der Union definiert und durchgeführt werden. Die Kommission muss ein Initiativrecht in der Aussenpolitik erhalten. Europa braucht einen handlungsfähigen Aussenminister. Die Europäische Union sollte einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat einnehmen. Europa muss für unsere Sicherheit sorgen... Die organisierte Kriminalität macht nicht vor Grenzen halt. Daher brauchen wir eine europäische Polizei, die gegen das organisierte Verbrechen vorgehen kann. Wir brauchen ein nach europäischem Muster ausgerichtetes FBI. und sich selbst schützen und verteidigen können Die Europäische Union braucht eine starke Armee, die einen europäischen Pfeiler innerhalb der NATO bilden sollte. Zu einer europäischen Verteidigung gehört auch ein nukleares Schutzschild. Die britischen und französischen Nukleararsenale sollen im Rahmen der militärischen Integration unter ein gemeinschaftliches europäisches Kommando gestellt werden. Europa muss weltweit eine eigenständige friedenspolitische Rolle übernehmen. Dazu bedarf es einer am Ziel eines weltweiten Friedens orientierten europäischen Sicherheits-, Friedens- und Verteidigungspolitik. Die 7 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322 323 324 325 326 327 328 329 330 331 332 333 334 335 336 337 338 339 340 341 342 343 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353 354 355 Verfassung muss deshalb auch festlegen, dass die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik unter folgenden Perspektiven zu erfolgen hat: - sie muss in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Vereinten Nationen die gemeinsamen Ziele der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union verfolgen, ihre fundamentalen Interessen vertreten, ihre Unabhängigkeit und Integrität schützen; - sie muss zur internationalen Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft und zur Schaffung einer friedlichen Weltordnung beitragen. 3. Dass Politikbereiche auf europäischer Ebene entschieden werden darf nicht zu weniger Demokratie und Transparenz führen als würden diese national entschieden. Daher müssen Entscheidungen auf europäischer demokratisch legitimiert sein wie in den Mitgliedsstaaten. Ebene vergleichbar Die CSJ ist daher der Ansicht, dass eine fundamentale Reform der Institutionen vorgenommen werden muss. Die Erweiterung der Union verschärft deren Notwendigkeit. Das Europäische Parlament muss - gemeinsam mit dem Rat - zu einem wirklichen Gesetzgebungsorgan der Union werden. Die Einführung eines europaweit einheitlichen Wahlsystems zum Europäischen Parlament erscheint aus Gründen der gleichwertigen demokratischen Legitimität aller Abgeordneten als sinnvoll. Ein solches Wahlsystem sollte sowohl eine repräsentative und gerechte Vertretung der verschiedenen politischen Landschaften in Europa sicherstellen als auch die Bildung politischer Mehrheiten sowie eine engere Bindung der Abgeordneten an ihre Wähler ermöglichen. Die Bürger sollten auf Wunsch an den nationalen Wahlen des Landes teilnehmen können, wo sie ihren festen Wohnsitz haben. Auch sollte die Möglichkeit eines europaweiten Referendums vorgesehen werden. Den europäischen Parteien fällt eine wichtige Rolle im Bereich der politischen Willensbildung zu. Der Europäische Rat repräsentiert die Mitgliedsstaaten der EU. Er soll eine Art zweiter Kammer der Union werden. Die Präsidentschaft des Rates durch ein Mitglied sollte in Zukunft ein Jahr betragen. Das Beschlussfassungsverfahren im Rat muss demokratischer und effizienter gestaltet werden. Auch sollte der Rat als Gesetzgebungsorgan öffentlich tagen. Exekutivfunktionen soll der Rat grundsätzlich nur noch in den Bereichen 8 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379 380 381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397 398 399 wahrnehmen, die in der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit verbleiben. Die qualifizierte Mehrheitsentscheidung im Rat muss Regel werden. Die Zusammenführung der Arbeit in einem Rat wird am ehesten dem Anspruch an Transparenz und kohärenter Entscheidungen gerecht. Die Fachministerräte sollen zu vorbereitenden Ausschüssen des Rates umgebaut werden. Die Kommission muss zu einer wirklichen Exekutive der Union ausgebaut werden. Die Kommission ist die eigentliche Exekutive der Union und vertritt das gemeinschaftliche Interesse. Sie soll keine Behörde, sondern ein politisches Organ sein, das, vergleichbar mit einer nationalen Regierung, auch politische Entscheidungen trifft. Der Präsident der Kommission sollte in Zukunft vom Europäischen Parlament gewählt werden. Dadurch wird - die dringend erforderliche - stärkere Personalisierung erreicht, da die Europäischen Parteien mit eigenen Spitzenkandidaten für die Kommissionspräsidentschaft zu den Europawahlen antreten. Der Präsident der Kommission muss das Recht haben, die Mitglieder der Kommission nach fachlichen Gesichtspunkten auszuwählen. Die Mitglieder der Kommission sollten aus der Mitte des Parlamentes bestimmt werden. Die gesamte Kommission muss vom Parlament und vom Rat mit Mehrheit bestätigt werden. Sie ist dem Europäischen Parlament als Kollegialorgan verantwortlich. Die Exekutivfunktionen der Union müssen von der Kommission wahrgenommen werden. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss und der Ausschuss der Regionen, die im Rahmen des politischen Systems der Europäischen Union als Schnittstellen zu den nationalen Zivilgesellschaften und zu den Gemeinden, Regionen oder Gebietskörperschaften fungieren, sollten durch eine Erweiterung ihrer Funktionen sowie durch die Zuerkennung des Organstatus von der Union weiterentwickelt werden. Diese Vertreterversammlungen verleihen nicht nur den besonderen Interessen, Erwartungen und Vorschlägen der in den Mitgliedstaaten organisierten gesellschaftlichen Kräfte beziehungsweise der kommunalen und regionalen Verantwortungsträger gültigen Ausdruck; sie dienen auch der Integration und der Konsensbildung und bieten -im Sinne der partizipativen DemokratieMitwirkungsmöglichkeiten, ohne in Konkurrenz zum Europäischen Parlament als dem Ort der repräsentativen Demokratie - zu geraten. 9 400 401 402 403 404 405 406 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416 417 418 419 420 421 422 423 424 425 426 427 428 429 430 431 432 433 434 435 436 437 438 439 440 III. Europa träumen « Es bleibt zu hoffen, dass sich die geeigneten Männer (und Frauen) finden werden, die diese Aufgabe meistern und das begonnene Werk fortentwickeln werden, um schliesslich das allen gemeinsame Ziel zu erreichen : Die europäische Föderation, die zur Bewahrung des Friedens unerlässlich ist. » Dr Walter Hallstein, in « Die ZEIT », 1951 Das Streben nach dem globalen Gemeinwohl ist heute die größte Herausforderung. In eine globale Ordnungspolitik (global governance) müssen neben den Regierungen verschiedene Akteure einbezogen werden, die einige Grundwerte teilen. Die Wirtschaft muss sich bemühen, ihre eigenen langfristigen Interessen mit dem globalen Gemeinwohl in Einklang zu bringen. Das verantwortungsvolle Handeln internationaler Nichtregierungsorganisationen ist ein entscheidender Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung auf globaler Ebene. Unter den diversen regionalen Zusammenschlüssen ist die Europäische Union am weitesten vorangeschritten. Die gemeinsame Wahrnehmung von Souveränität hat in der Europäischen Union einen Grad erreicht, den es andernorts in der Welt nicht gibt, und dies, obwohl die Mitgliedsstaaten eine lange Geschichte von Krieg und Gewalt verbindet. Von daher kann sich die EU effektiver für das Weltgemeinwohl einsetzen. Jean Monnet vertrat die Ansicht, dass „die Gemeinschaft selbst nur ein Schritt auf dem Weg zu Organisationsformen für die Welt von morgen ist”. Daher trägt die Europäische Union eine besondere Verantwortung, sich für das Anliegen einer gehaltvollen globalen Ordnungspolitik einzusetzen. Für die CSJ steht fest, dass die Europäische Union und insbesondere ihre Mitgliedsstaaten zu Vorreitern der Reformen für globale Ordnungspolitik werden müssen, ausgehend von ihrer einzigartigen geschichtlichen Erfahrung, in der sie Kriege geführt, Frieden geschlossen und ein bis dato unerreichtes Maß an Zusammenarbeit verwirklicht haben. Der Präsident des Konvents hat uns aufgefordert Europa zu träumen. Wir wollen durch unser politisches Engagement dazu beitragen, dass aus diesem Traum Wirklichkeit wird. 10