Zum Autor - Veritas Verlag

Werbung
Schulbuch online für Deutsch
Buchbesprechung
Cormac McCarthy „Die Straße“
Cormac McCarthy: Die Straße
Reinbek bei Hamburg 2007
Informationen zum Text
Cormac McCarthys Roman „Die Straße“, eine Endzeitvision, ist ein erschütterndes, aufwühlendes und
bedrückendes Buch. Schauplatz sind die USA nach einem nuklearen Unfall oder Angriff. Ein Vater
und sein Sohn ziehen in den Süden in Richtung Meer, wo es wärmer sein soll und wo sie hoffen, überleben zu können.
Die Sprache wirkt einerseits lapidar – wie beiläufig hingeworfen –, andererseits verwendet der Autor
viele Metaphern. Darüber hinaus bedient er sich zahlreicher Elemente des Horrorgenres. So erinnern
die Überlebenden – abgesehen von den Protagonisten - an Zombies aus Horrorfilmen.
Sowohl die Thematik als auch die Darstellungsweise sind zum Teil brutal, drastisch und unbarmherzig. Deshalb empfehlen wir die Lektüre erst ab der 6. Klasse (10. Schulstufe). Obwohl Hoffnungslosigkeit den Roman über weite Strecken kennzeichnet, ist das Ende optimistisch - nicht zuletzt durch die
Person des Jungen, der die Hoffnung voll Vertrauen in das Gute im Menschen nie aufgibt.
Zum Autor
Der Autor Cormac McCarthy gibt kaum Interviews und verweigert sich konsequent der Öffentlichkeit.
Selbst die Cormac McCarthy-Society schreibt lakonisch auf ihrer Homepage, dass sie nicht sehr viel
über das Leben des Autors wisse: „Except for a few odds and ends (his favorite novel is Melville's
Moby-Dick; he doesn't care for the work of Henry James, he doesn't like to talk about writing etc.),
that's more or less what we know about Cormac McCarthy.“ 1
Cormac McCarthy wurde 1933 in Rhode Island geboren, besuchte 1951/52 die University of Tennessee, ging anschließend für vier Jahre zur US-Air Force und veröffentlichte 1965 seinen ersten Roman,
„The Orchard Keeper“. Von „finsteren, blutigen, oft alttestamentarischer Schwere verpflichteten Bilderwelten und archaischen Totentänzen auf den viel beschworenen Überresten des Amerikanischen
Traums und den Mythen des noch heute verklärten ‚Westens’ als dem Gelobten Land“ schreibt Christian Schachinger im „Standard“ vom 18.04.2007 und bringt damit grundlegende Facetten der Literatur
von Cormac McCarthy auf den Punkt.
1968 folgte „Draußen im Dunkel“ („Outer Dark“), die Geschichte einer jungen Frau, die ihr im Inzest
gezeugtes Kind, das vom Bruder ausgesetzt wurde, sucht. 1974 erschien „Child of God“, 1979
„Suttree“ („Verlorene“), an dem McCarthy zwanzig Jahre lang gearbeitet hatte.
1985 veröffentlichte er „Die Abendröte im Westen“ („Blood Meridian Or The Evening Redness in the
West“), ein wort- und bildgewaltiger Roman, der „den Mythos vom amerikanischen Westen (…) brutal
demontiert“2. Darin erzählt McCarthy von den „Indianerkriegen“ (1845-1848) im Grenzgebiet zwischen
Texas und Mexico und benutzt sie als Folie für das zügellose und erbarmungslose Wüten und Abschlachten – jenen Gräueltaten, die an der indigenen Bevölkerung verübt wurden. Durch eine erbarmungslose und vor Hitze flirrenden Wüstenlandschaft ziehen marodierende Skalpjäger, die buchstäblich alles niedermetzeln, was ihnen in den Weg kommt: „Satz für Satz wird der Mythos vom harten
aber, aber gloriosen Westen demontiert, werden Brutalitäten überhöht und Perversionen ausgestellt.“3
„Die Abendröte im Westen“ wird von vielen Kritikern als einer der wichtigsten Romane der USLiteratur des 20. Jahrhunderts bezeichnet.
Mit dem ersten Teil seiner „Border Trilogy“ („Grenzgänger, 1994; „Land der Freien, 1998), dem Roman „All die schönen Pferde“ (1992) – glücklos verfilmt mit Matt Damon, Henry Thomas, Penélope
1
http://cormacmccarthy.com/Biography.htm; 30.05.2007
Schmitt, Michael: Abendröte, mit Blut gemalt. Der amerikanische Schriftsteller Cormac McCarthy. In: Neue Zürcher Zeitung
vom 4.11.2006
3
Schmitt, Michael: Abendröte, mit Blut gemalt. Der amerikanische Schriftsteller Cormac Mccarthy. In: Neue Zürcher Zeitung
vom 4.11.2006
2
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
-1-
Schulbuch online für Deutsch
Cruz –, schaffte McCarthy, der in den USA zuvor kaum mehr als 5000 Exemplare seiner HardcoverAusgaben verkaufen konnte, den Durchbruch als „Bestsellerautor“.
„No Country for Old Men“ (2005) ist ein harter Drogenthriller, der im Texas des Jahres 1980 spielt.
Das Buch wurde 2007 verfilmt und erhielt 2008 vier Oscars. Für den 2006 erschienenen Roman „The
Road“ („Die Straße“), eine apokalyptische Endzeitvision, erhielt Cormac McCarthy den renommierten
Pulitzer-Preis. Cormac McCarthy ist unter anderem Faulkner Award-Preisträger, American Academy
Award-Preisträger und National Book Award-Preisträger. Der Autor lebt heute in Santa Fe im USBundesstaat New Mexico.
Zum Inhalt
Die USA hat eine Katastrophe heimgesucht; um welche Art von Inferno es sich handelt, erfahren die
LeserInnen nicht. „Die Uhren blieben um 1 Uhr 17 stehen. Eine lange Lichtklinge gefolgt von einer
Reihe leiser Erschütterungen.“ 4 „Er hatte schon seit Jahren keinen Kalender mehr geführt“ 5 „Sämtliche
Geschäfte waren schon vor Jahren geplündert worden“ 6 Von der Pracht und dem Reichtum ist nichts
mehr übrig; alles liegt in Schutt und Asche.
Zehn Jahre nach dem Inferno setzt die Handlung ein: Es ist wahrscheinlich Oktober. Zwei namenlose
Menschen, Vater und Sohn, machen sich auf den Weg in den Süden. Die Ehefrau und Mutter hat
schon vor Jahren Selbstmord begangen, sie hatte nicht die Kraft, gegen die Katastrophe anzukämpfen.
Das Klima hat sich geändert, es ist kalt, es regnet und schneit, die Sonne scheint kaum mehr. Es gibt
keine Vegetation mehr - auch keine Tiere, die die beiden Hauptpersonen essen könnten. „Noch ein
Winter hier war nicht zu überleben.“7
Die Protagonisten, „die wandelnden Toten“8, der Vater bereits von Krankheit gezeichnet, leben nur für
den Tag. Einen Einkaufswagen vor sich herschiebend, ziehen sie durch die zerstörte und verbrannte
Landschaft; ständig auf der Suche nach Nahrung.
Sie treffen immer wieder auf zum Teil schon mumifizierte Leichen. Die übrigen Überlebenden erinnern
an Zombies, sie ziehen mordend, plündernd und marodierend durch die Gegend, sind Kannibalen:
„Eine Armee in Tennisschuhen, mit schwerem Schritt. In den Händen einen Meter lange Stahlrohrstücke, mit Leder umwickelt. Kordeln an den Handgelenken. Durch manche Rohrstücke waren kurze Ketten gefädelt, an deren Enden alle Arten von Knütteln befestigt waren. In wiegendem Gang, wie Spielzeuge zum Aufziehen, klirrten sie vorbei.“9 Mit der vorletzten Kugel seiner Pistole rettet der Vater den
Sohn vor einem dieser Kannibalen.
Kurz bietet ein Atombunker, der nicht geplündert worden ist, den beiden Unterschlupf. Aus Angst, entdeckt zu werden, verlassen sie ihn jedoch bald wieder.
Sie treffen auf einen alten Mann, geben ihm zu essen und schicken ihn wieder weg, da der Vater
fürchtet, er könnte ein Lockvogel der Zombies oder der Kannibalen sein. „Die Welt alsbald fast nur
noch von Menschen bevölkert, die Kinder vor den Augen ihrer Eltern auffressen würden, und die Städte selbst beherrscht von Banden rußgeschwärzter Plünderer, die sich zwischen den Ruinen hindurchwühlten und, weiß von Zahn und Auge, aus dem Schutt gekrochen kamen, in den Händen Nylonnetze
mit verkohlten, unbestimmbaren Konservendosen, wie Einkaufende in den Läden der Hölle.“10
Als sie endlich den Ozean erreichen, ist er nicht blau, sondern „weit, kalt und in schwerfälliger Bewegung, wie ein Fass voll langsam wogender Schlacke, dann die graue Kaltfront aus Asche.“ 11 Auch ist
das Wetter im Süden nicht warm und schön, wie die beiden Protagonisten erhofft haben.
Sie versorgen sich mit den Vorräten, die der Vater von einem gestrandeten Schiff beschafft, und stellen einen Dieb, der ihren Einkaufswagen gestohlen hat. Auf Bitten des Sohnes hin behandelt der Vater den Dieb milde und lässt ihm seine Kleider. In einer Hafenstadt wird der Vater von einem Pfeil getroffen und am Oberschenkel verletzt. Außerdem verschlimmert sich sein Zustand drastisch, er spuckt
4
McCarthy, Cormac: Die Straße. Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2007. S. 50
ebda: S. 8
6
ebda: S. 73
7
ebda: S. 8
8
ebda: S. 52
9
ebda: S. 83f.
10
ebda: S. 161
11
ebda: S. 192
5
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
-2-
Schulbuch online für Deutsch
Blut und fühlt sein Ende nahen. „Ich kann meinen Sohn nicht tot in den Armen halten“12 Nachdem der
Vater gestorben ist, wird der Junge von einer Familie aufgenommen. Das Ende ist offen.
Einstieg
„Beim ersten grauen Licht stand er auf, ließ den Jungen schlafen und ging auf die Straße, wo er sich
niederhockte und die Landschaft im Süden musterte. Öde, stumm, gottverlassen. Er meinte, es sei
Oktober, doch er war sich nicht sicher. Er hatte schon seit Jahren keinen Kalender mehr geführt. Sie
zogen Richtung Süden. Noch ein Winter war hier nicht zu überleben.
Als es hell genug wurde, um das Fernglas zu benutzen, suchte er das unter ihm liegende Tal ab. Alles
verblasste in der Düsterkeit. Über dem Asphalt flog in lockeren Wirbeln die weiche Asche. Er musterte, was er sehen konnte. Die Straßenabschnitte dort unten zwischen den toten Bäumen. Er hielt nach
Farbigem Ausschau. Nach irgendeiner Bewegung. Irgendeiner Spur von stehendem Rauch. Er senkte
das Fernglas, zog sich den Baumwollmundschutz vom Gesicht, wischte sich mit dem Handrücken die
Nase und suchte dann erneut die Landschaft ab. Dann saß er, in der Hand das Fernglas, einfach nur
da und sah zu, wie das aschene Tageslicht über dem Land gerann. Er wusste nur, dass das Kind seine Rechtfertigung war.“13
1) Beschreiben Sie die Landschaft, die Szenerie, die sich der Leserin/dem Leser bietet. Womit könnte
man sie vergleichen? Was fehlt ihr?
2) Mit welchen sprachlichen Mitteln wird die Landschaft beschrieben? Analysieren Sie Sprache und
Satzbau des Textausschnitts.
Zu den Figuren
1) Warum haben die Personen, sieht man von Ely ab, keine Namen?
2) Charakterisieren Sie den Sohn! Er ist eindeutig ein „Guter“. Wenden Sie seine Definition von „gut“
auf ihn selbst an! (Beachten Sie die Textstellen auf S. 71, 84 und 123!)
3) Beschreiben Sie den Vater, ist er ein „Böser“? Berücksichtigen Sie z. B. folgende Aussage:
„Meine Aufgabe ist es, auf dich aufzupassen. Damit hat mich Gott beauftragt. Ich bringe jeden um, der
dich anfasst.“14
Suchen Sie Textstellen, in denen deutlich wird, wie sehr der Vater seinen Sohn liebt!
4) Welche Funktion haben die Frauenfiguren? Welche Bedeutung hat z. B. die tote Mutter?
5) Beschreiben Sie das Verhältnis der überlebenden Menschen zueinander! Wie verhalten sich die
meisten Überlebenden? Welche Chance haben Vater und Sohn in diesem sozialen Gefüge?
6) Wie beurteilen Sie das Romanende? Bedeutet es einen Neubeginn? Der Sohn vertraut der neuen
Familie. Können Sie das als Leserin/Leser auch?
12
ebda: S. 246
McCarthy, Cormac: Die Straße. Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2007. S. 8f.
14
ebda: S. 71
13
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
-3-
Schulbuch online für Deutsch
Zu den Schauplätzen
1) Welche Welt entwirft Cormac McCarthy in seinem Roman? Wie sieht sie aus? Mit welchen sprachlichen Mitteln beschreibt er diese Welt?
2) Schildern Sie einer Freundin/einem Freund in einem kurzen Text die Welt, die Cormac McCarthy in
seinem Roman „Die Straße“ darstellt. Arbeiten Sie auch passende Textzitate ein.
3) Stellen Sie sich vor, Sie verfassen ein Drehbuch für „Die Straße“ als Horror- bzw. Zombiefilm: Wie
würden die Schauplätze der Handlung im Film aussehen? Bedenken Sie, dass es im Buch keine „Hollywood-Szenen“ wie einstürzende oder explodierende Häuser, Kampf, „Action“ oder Ähnliches gibt.
Verfassen Sie für wichtige Schauplätze (die Straße, den Bunker, den Strand …) eine kurze, stichwortartige Beschreibung.
Zur Thematik
1) Die folgenden Begriffe charakterisieren die zentralen Themen des Romans. Formulieren Sie Definitionen und erläutern Sie, was diese „Begriffe“ für Sie selbst und Ihr eigenes Leben bedeuten.
• Tod
• Angst
• Misstrauen
• Vertrauen
• Menschlichkeit/Inhumanität
• Mitleid
• Hoffnung/Hoffnungslosigkeit
2) Skizzieren Sie in einem weiteren Schritt, wie und ob Vater und Sohn – sie sind nach den Aussagen
des Vaters die „Guten“ – die Ideale Menschlichkeit, Mitleid, Vertrauen … leben. Führen Sie entsprechende Textstellen an.
Wie schätzen Sie die Handlungsweise des Mannes ein?
3) Wie würden Sie als Vater die Frage nach „Gut und Böse“ beantworten?
4) Suchen Sie das für Sie zentrale Thema des Romans (Menschlichkeit, Vertrauen …). Stellen Sie
anschließend in einer Tabelle gegenüber, wie der Mann Werte, die Sie als wichtig empfinden, lebt und
wie Sie sich selbst eine Umsetzung dieser Werte vorstellen.
5) Formulieren Sie Fragen an Vater und Sohn für ein fiktives Interview. Verschriftlichen Sie dieses Interview.
Zur Textstruktur
1) Im Roman gibt es keine Kapiteleinteilung. Welche Wirkung hat diese Art von Struktur auf die Leserin/den Leser?
2) In „Die Straße“ gibt es immer wieder Rückblenden. Suchen Sie Textstellen! Auf welche Ereignisse
beziehen sie sich?
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
-4-
Schulbuch online für Deutsch
Zur Gestaltung der Zeit
1) Man spricht von zeitdeckendem, zeitdehnendem und zeitraffendem Erzählen. Welche Art des Erzählens verwendet McCarthy in erster Linie? Warum verwendet der Autor kaum zeitraffendes Erzählen?
Zur Erzähltechnik
1) Man unterscheidet zwischen auktorialer und personaler Erzählweise. Informieren Sie sich zunächst
über die Merkmale der beiden Erzählformen und stellen Sie fest, welche McCarthy in seinem Roman
benutzt.
2) Eine weitere im Roman verwendete Erzählform ist der innere Monolog. Was erfährt die Leserin/der
Leser durch die inneren Monologe des Vaters?
Zur Sprache
1) Der Rezensent Andreas Isenschmid (in der „Neuen Züricher Zeitung am Sonntag“ vom 25.3.2007)
spricht von „Kürzestsätzen in einer zum Skelett abgemagerten Sprache“. Was meinen Sie dazu? Suchen Sie Sätze, die dieser Beschreibung entsprechen!
2) Was bewirkt diese Art von Sprache bei der Leserin/beim Leser?
3) Die direkten Reden sind nicht durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Welche Schwierigkeiten
ergeben sich dadurch für die Leserin/den Leser?
4) Farben bzw. „Un-Farben“ prägen die Atmosphäre im Roman. Suchen Sie entsprechende Textstellen!
5) Was fällt Ihnen am Satzbau auf? (Kurze, lange, unvollständige Sätze, ungewöhnliche Wortstellung
...)
Zur Kommunikation
1) Beschreiben Sie die Gespräche zwischen Vater und Sohn! Wie verläuft die Kommunikation?
Der alte Mann Ely ist einer der wenigen, die mit Vater und Sohn kommunizieren. Wie verläuft dieses
Gespräch?
2) Analysieren Sie auch andere Gespräche; z. B. zwischen dem Vater und jenem Mann, der den Sohn
angreift und letztlich vom Vater getötet wird.
3) Was können Sie über die Bedeutung der Kommunikation in McCarthys Roman im Gesamten aussagen?
Zum religiösen Aspekt
Zur Lösung der folgenden Aufgabenstellungen könnten Sie Ihre Ethik- oder Religionslehrkraft um Hilfe
bitten.
1) Trotz aller Hoffnungslosigkeit gibt es in McCarthys Roman dennoch einen „Hoffnungsträger“, welchen?
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
-5-
Schulbuch online für Deutsch
2) Was meint der alte Mann Ely, wenn er sagt: „Es gibt keinen Gott, und wir sind seine Propheten.“15
Beachten Sie bei der Bearbeitung der Aufgabe besonders das Gespräch auf S. 151f.
3) Ely ist eine Anspielung auf den Propheten Elija. Recherchieren Sie, welche Verbindung es zwischen Ely und dem alttestamentarischen Propheten gibt.
4) Beschreiben Sie das Verhältnis Mann – Gott! Der Vater betet16, worum betet er? Kann man seine
Zwiesprachen mit Gott überhaupt Gebet nennen?
Zur Symbolik
1) Manche Rezensenten meinen, der Sohn symbolisiere den Messias. Was meinen Sie dazu?
2) Was bedeuten Ihrer Meinung nach die Fische (Forellen) im Schlussabsatz, diese Forellen kommen
in den Kindheitserinnerungen des Vaters mehrmals vor!
3) Dem Jungen ist es wichtig, zu betonen, dass er und sein Vater als Gute „das Feuer bewahren“17
Wofür könnte das Feuer ein Symbol sein?
Themenübergreifende Aufgaben
1) Klären Sie den Begriff „Apokalypse“ und eruieren Sie, wie die Apokalypse in der Bibel dargestellt
wird. Lesen Sie dazu den folgenden Textausschnitt aus der Bibel.
Schildern Sie in weiterer Folge, wie Sie sich selbst den Weltuntergang vorstellen.
Die Bibel
DIE OFFENBARUNG DES JOHANNES18
Kapitel 6
Die Öffnung der ersten sechs Siegel (Offb 6,1-17)
1 Und ich sah, dass das Lamm das erste der sieben Siegel auftat, und ich hörte eine der vier Gestalten sagen wie mit einer Donnerstimme: Komm! 2 Und ich sah, und siehe, ein weißes Pferd. Und der
darauf saß, hatte einen Bogen, und ihm wurde eine Krone gegeben, und er zog aus sieghaft und um
zu siegen.
3 Und als es das zweite Siegel auftat, hörte ich die zweite Gestalt sagen: Komm! 4 Und es kam heraus ein zweites Pferd, das war feuerrot. Und dem, der darauf saß, wurde Macht gegeben, den Frieden
von der Erde zu nehmen, dass sie sich untereinander umbrächten, und ihm wurde ein großes Schwert
gegeben. 5 Und als es das dritte Siegel auftat, hörte ich die dritte Gestalt sagen: Komm! Und ich sah,
und siehe, ein schwarzes Pferd. Und der darauf saß, hatte eine Waage in seiner Hand. 6 Und ich hörte eine Stimme mitten unter den vier Gestalten sagen: Ein Maß Weizen für einen Silbergroschen und
drei Maß Gerste für einen Silbergroschen; aber dem Öl und Wein tu keinen Schaden! 7 Und als es
das vierte Siegel auftat, hörte ich die Stimme der vierten Gestalt sagen: Komm! 8 Und ich sah, und
siehe, ein fahles Pferd. Und der darauf saß, dessen Name war: Der Tod, und die Hölle folgte ihm
nach. Und ihnen wurde Macht gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit Schwert und Hunger und Pest und durch die wilden Tiere auf Erden.
9 Und als es das fünfte Siegel auftat, sah ich unten am Altar die Seelen derer, die umgebracht worden
waren um des Wortes Gottes und um ihres Zeugnisses willen. 10 Und sie schrien mit lauter Stimme:
Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du nicht und rächst nicht unser Blut an denen,
die auf der Erde wohnen? 11 Und ihnen wurde gegeben einem jeden ein weißes Gewand, und ihnen
wurde gesagt, dass sie ruhen müssten noch eine kleine Zeit, bis vollzählig dazukämen ihre Mitknechte
15
ebda: S. 151
ebda: S. 14
ebda: s. 76, 117
18
Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 1985. (Teil Neues Testament, S. 293
ff)
16
17
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
-6-
Schulbuch online für Deutsch
und Brüder, die auch noch getötet werden sollten wie sie. 12 Und ich sah: als es das sechste Siegel
auftat, da geschah ein großes Erdbeben, und die Sonne wurde finster wie ein schwarzer Sack, und
der ganze Mond wurde wie Blut, 13 und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde, wie ein Feigenbaum seine Feigen abwirft, wenn er von starkem Wind bewegt wird. 14 Und der Himmel wich wie eine
Schriftrolle, die zusammengerollt wird, und alle Berge und Inseln wurden wegbewegt von ihrem Ort.
15 Und die Könige auf Erden und die Großen und die Obersten und die Reichen und die Gewaltigen
und alle Sklaven und alle Freien verbargen sich in den Klüften und Felsen der Berge 16 und sprachen
zu den Bergen und Felsen: Fallt über uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem
Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes! 17 Denn es ist gekommen der große Tag ihres Zorns,
und wer kann bestehen?
2) Albrecht Dürers „Die vier apokalyptischen Reiter“ (Holzschnitt, 1498) 19 stellt die apokalyptischen Visionen aus der Offenbarung des Johannes dar. Diese Visionen prägten in einem hohen Maße das mittelalterliche Weltbild. Für die damals Lebenden war die Apokalypse in Form von Hunger, Krankheiten
wie der Pest, Tod und der von oben ausgeübten Gewalt und Willkür allgegenwärtig. Die Reiter der
Apokalypse symbolisieren den Tod.
Beschreiben Sie, wie Dürer die biblische Darstellung (siehe Text oben) bildlich umsetzte.
Zum Weiterlesen
Haushofer, Marlen: Die Wand
Glavinic, Thomas: Die Arbeit der Nacht
Beckett, Samuel: Endspiel
Schriftliche Aufgabenstellungen
1) Schreiben Sie einen inneren Monolog, in dem der Vater über seinen Sohn, ihre Existenz bzw. über
ihre Zukunft nachdenkt.
2) Überlegen Sie, wie die Geschichte Ihrer Meinung nach weitergehen könnte. Bedenken Sie dabei,
dass ein klassisches „Happy-End“ à la Hollywood aufgrund der inhaltlichen Struktur des Romans
kaum möglich ist.
Skizzieren Sie eine mögliche Fortsetzung.
3) Der Sohn liegt im Bunker auf seiner Pritsche und erträumt sich eine bessere Zukunft, eine schönere
Welt als die, in der er existieren muss.
Verfassen Sie diesen Tagtraum und beschreiben Sie diese „bessere Welt“, die sich der Sohn erträumt.
4) Der Sohn formuliert in einem Brief an den Vater, was er sich von ihm erhofft. Darin teilt er alle jene
Gefühle und Gedanken mit, die er dem Vater direkt – von Angesicht zu Angesicht – nicht sagen kann.
Verfassen Sie diesen Brief.
5) Falten Sie ein A-4-Blatt in der Mitte und beschreiben Sie in der linken Hälfte das Leben der ersten
Menschen Adam und Eva. Wie könnte deren Welt ausgesehen haben?
Schreiben Sie im Gegensatz dazu auf die rechte Seite, wie die „letzten Menschen“, der Junge und
sein Vater, existieren.
6) Cormac McCarthy hat für seinen Roman „Die Straße“ den renommiertesten Literaturpreis der USA,
den Pulitzer-Preis, erhalten.
19
Aus rechtlichen Gründen können wir die Abbildung nicht zur Verfügung stellen. Sie ist aber über Bibliotheken oder das Internet leicht verfügbar.
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
-7-
Schulbuch online für Deutsch
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Mitglied der Jury, die diesen Preis vergibt, und Sie müssten Ihre Entscheidung für oder auch gegen McCarthy begründen. Schreiben Sie diese Begründung, in der Sie Ihren „Schiedsspruch“ näher erläutern und argumentativ belegen.
7) Suchen Sie die jeweils schlimmste bzw. schönste Textstelle des Romans und begründen Sie Ihre
Entscheidung.
8) Lesen Sie den folgenden Textausschnitt aus „Die Straße“ und den dazu gehörigen Kommentar von
Michael Schmitt.
Bereiten Sie sich anschließend für eine Diskussion vor, in der Sie darlegen, inwiefern Sie der Position
von Michael Schmitt folgen können bzw. warum nicht.
„Ich glaube, dort unten könnte es etwas geben, und deshalb müssen wir nachsehen. Wir können nirgendwo anders hin. Es muss sein. Ich möchte, dass Du mir hilfst. Wenn Du nicht die Lampe halten
willst, musst Du den Revolver nehmen. Ich halte die Lampe. Okay. Genau das tun die Guten. Sie versuchen es immer wieder. Sie geben nicht auf.“20
„Das ist am Ende eine erbärmliche Philosophie, und das Schlimmste daran: Sie kommt einem so bekannt vor, weil es auch im wirklichen Leben viel zu viele gibt, die sich für die Guten halten, und deshalb einfach weitermachen mit dem, was sie immer schon getan haben, gerade auch in den USA
nach 2001.“21
9) Schreiben Sie, wie es dem Sohn mit seiner neuen Familie ergeht, also eine Fortsetzung des Romans. Besteht die neue Familie aus „Guten“ oder sind ihre Mitglieder vielleicht doch „Böse“?
10) Schreiben Sie in einem inneren Monolog, was die Frau am Ende des Romans denkt, als sie den
Jungen umarmt.
11) Was denkt der Sohn über seine Reise mit dem Vater? Was erzählt er dem Mädchen und dem
Jungen der „neuen“ Familie.
Lösungsvorschläge
Zum Einstieg
1) Landschaft, Szenerie: „graues Licht“; „öde, stumm, gottverlassen“; „Alles verblasste in der Düsterkeit“; „weiche Asche“; „tote Bäume“; völlige Leere, Düsternis und Bewegungslosigkeit: „Er hielt nach
Farbigem Ausschau. Nach irgendeiner Bewegung. Irgendeiner Spur von stehendem Rauch.“ Alles ist
grau, hoffnungslos: „(…) wie das aschene Tageslicht über dem Land gerann.“
Vergleichen Sie dazu auch die nachfolgenden Ausführungen.
2) Sehr metaphernreich, viele entsprechende Adjektive. Kurze und einfache Sätze, teilweise grammatikalisch unvollständig, wechseln sich mit komplexen Sätzen ab.
Zu den Figuren
1) Die Vernichtung betrifft beinahe die gesamte US-Bevölkerung, sie ist also kein Einzelschicksal. Jene, die überlebt haben, verlieren ihre Identität, Individuen sind nicht mehr wichtig, es hätte jede und
jeden treffen können. Außer den beiden Protagonisten, die in Richtung Süden wandern, und zahlreichen Zombies gibt es im Roman kaum menschliche Figuren. Auch Ely lässt Vater und Sohn letztendlich im Zweifel zurück: „Heißt er tatsächlich Ely?“
20
Mc Carthy, Cormac, Die Straße. Reinbek bei Hamburg 2007, S. 123
Schmitt, Michael: Vom Untergang der Welt. Buch der Woche: „Die Straße“ von Cormac McCarthy.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/606259/
21
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
-8-
Schulbuch online für Deutsch
2) Der Sohn ist eindeutig ein guter Mensch, er ist freundlich, dankbar und hilfsbereit.(So will er sich
sogar bei den Menschen bedanken, die den Atombunker angelegt haben! Er überredet den Vater dazu, Ely Essen zu geben und dem Dieb Kleidung und Schuhe zu lassen.) Er hat Mitleid, so sorgt er sich
um den kleinen Buben, den er gesehen zu haben glaubt.22
Obwohl er flüchtig betrachtet naiv erscheint, hat er dennoch Weitblick: „Nie mehr ist eine lange Zeit. Aber der Junge wusste, was er wusste. Dass nie mehr im Handumdrehen passiert war.“
Er hat moralische Bedenken, möchte die Pistole nicht benutzen und lehnt Gewalt ab. Er macht es sich
zur Aufgabe, das Feuer zu bewahren.
Er glaubt an das Gute im Menschen.23
Er erinnert an den „neuen Menschen“ des Expressionismus.
3) Der Vater ist ein Mensch, der die Katastrophe realistisch sieht, sie realistisch sehen muss. Nur
wenn er hart durchgreift, kann er seinen Sohn retten. Das ist sein Lebensziel, er weiß, dass er nicht
mehr lange zu leben hat, bereits am Beginn der Geschichte wird er von Hustenanfällen geplagt.
Er hat seine Frau verloren, macht sich Vorwürfe, sich nicht um sie gekümmert zu haben. („Er dachte
..., dass er irgendwie hätte dafür sorgen müssen, dass sie bei ihnen blieb, aber er wusste nicht,
wie.“)24 Er begreift aber auch, dass er sie nicht retten konnte.
Für seinen Sohn tut er alles, er muss für ihn auch unmenschlich handeln, so tötet er den Kannibalen,
lässt einen Sterbenden im Stich, gibt dem Alten nur das Notwendigste und will dem Dieb alles nehmen.
Im Grunde ist er verzweifelt, das Kind ist sein Lebenselexier, ihm gibt er Ratschläge, die ihn befähigen
werden weiterzuleben, falls er auf andere „Gute“ trifft. Immer wieder gibt es rührende Passagen, die
zeigen, wie sehr der Mann seinen Sohn liebt. 25
4) Frauen spielen in McCarthys Roman eine untergeordnete Rolle, was erstaunlich ist. Sind es doch in
der Literatur meist Frauen, die voller Hoffnung sind und ihre Kinder für die Zukunft prägen.
Die Ehefrau und Mutter hat die Familie verlassen und Selbstmord begangen. Sie konnte mit der Katastrophe nicht umgehen, wollte keine „wandelnde Tote in einem Horrorfilm“26 sein.
Der Mann lässt schon früh das Foto seiner Frau zurück.27
Einmal äußert der Junge, dass er gerne bei seiner Mutter wäre, meint damit allerdings, dass er tot
sein möchte.28
Am Ende gibt es doch eine positive Frauengestalt, die den Sohn umarmt und willkommen heißt.
5) Es gibt kein soziales Gefüge mehr, das nackte Überleben steht im Vordergrund. Die Menschen
werden zu Mördern und Kannibalen, sie verrohen. (Erschütternde Szenen belegen das!) Solidarität,
Mitgefühl oder Zusammengehörigkeitsgefühl sind bis auf wenige Ausnahmen „ausgestorben“.
Vater und Sohn haben es sehr schwer, sich in dieser Umgebung durchzusetzen und vor allem zu
überleben.
6) Der Sohn hat Vertrauen in einen Neuanfang mit den Leuten, die behaupten, „Gute“ zu sein, und
auch das Feuer bewahren.
7) Die Leserin/Der Leser könnte daran zweifeln: Die „Guten“ könnten doch wie die anderen auch Kannibalen sein und den Jungen als willkommenes Opfer sehen. Denn die Menschen, die Vater und Sohn
auf ihrer Wanderung getroffen haben, geben eigentlich wenig Anlass zu Hoffnung.
Zu den Schauplätzen
22
Vgl. Die Straße, S. 78f.
ebda: vgl. S. 94
24
ebda. S. 51
25
ebda: S. 24, 37f., 51
26
ebda: S. 52
27
ebda: S. 49
28
ebda: s. 52
23
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
-9-
Schulbuch online für Deutsch
Die Erde ist ein verwüsteter und von Asche bedeckter Planet, auf dem nichts mehr wächst, auf dem
alles verbrannt und vernichtet ist, auf dem kein Tier mehr lebt (vgl. Sie dazu auch den Umschlag des
Buches). Sonne und Sterne sind verschwunden: „Die Erde war wüst und leer, und es war finster auff
der Tiefe (…)“29. (1. Mose 1,2)und „Die Schwärze, in der er in jenen Nächten erwachte, war blind und
undurchdringlich. Eine Schwärze, dass einem vom Lauschen die Ohren schmerzten. Oft musste er
aufstehen. Kein Geräusch außer dem Wind zwischen den kahlen, geschwärzten Bäumen.“30
Ein Mann und ein Junge ziehen mit ihrem Einkaufswagen durch eine in graues Licht getauchte Landschaft, in der kaum Leben existiert, denn die Zivilisation, wie wir sie kennen, ist untergegangen: „Lange Tage. Offenes Land, wo die Asche über die Straße wehte.“31
Vater und Sohn ziehen einen ehemaligen Interstate-Highway entlang. Dieser führt irgendwo durch den
Süden der USA. Die ehemals blühenden Landschaften und Städte, die nun in Schutt und Asche liegen und vor sich hin kokeln und Brände schwelen, kennt der Mann aus einer fernen Zeit, die es nun
nicht mehr gibt und wahrscheinlich so auch nie mehr geben wird. Es ist eiskalt und selbst der Schnee
ist grau, genauso wie die Tage, denn es wird nicht mehr richtig hell:
„Sie stapften weiter, abgemagert und verdreckt wie Süchtige von der Straße. Gegen die Kälte bis über
den Kopf in ihre Decken gehüllt, ihren Atem wie Rauch vor dem Mund, schlurften sie durch die seidig
schwarzen Verwehungen. Sie überquerten die breite Küstenebene, wo der weltliche Wind sie mit heulenden Aschewolken zwang, Deckung zu suchen, wo immer sie konnten. In Häusern oder Scheunen
oder an der Böschung eines Straßengrabens, die Decken über die Köpfe gezogen, der Mittagshimmel
schwarz wie die Kerker der Hölle. Er hielt den bis ins Mark frierenden Jungen an sich gedrückt. Verlier
nicht den Mut, sagte er. Wir schaffen das schon.“
Die Dörfer und Häuser sind verlassen, mumifizierte und zerfetzte Leichen bzw. Leichenteile liegen
umher. Es gibt kaum etwas zu essen, kaum Kleidung. Eine Szenerie, die an George Romeros Zombie-Filme erinnert.
Ein verlassener und vergessener Atomschutzbunker wird zum Symbol für die verlorene Zivilisation:
Hier finden die beiden Reisenden Essen, Kleidung, Licht, ein warmes Bad; ein Hoffnungsschimmer in
einer trostlosen Welt, aber auch den Bunker müssen die beiden wieder verlassen: Die Gefahr, von
umherziehenden Kannibalen entdeckt zu werden, ist zu groß.
Regen, Kälte und Dunkelheit beherrschen die Schauplätze des Romans. Die Protagonisten ziehen
nach Süden, wo sie Wärme und Sonnenschein vermuten, denn einen weiteren Winter würden sie
wohl kaum mehr überleben. Doch die LeserInnen wissen bald, was Vater und Sohn längst ahnen:
Wärme und Erlösung wird es auch im Süden, am Meer wohl nicht geben. Als die beiden das Meer erreichen, bietet sich ihnen folgendes Bild:
„Dort draußen war der graue Strand, an den unter fernem Rauschen stumpf und bleiern die langsamen Brecher heranrollten. Wie die Ödnis einer fremdartigen See, die sich an den Ufern einer gänzlich
unbekannten Welt bricht. Draußen im Watt lag ein Tanker auf der Seite. Dahinter der Ozean, weit, kalt
und in schwerfälliger Bewegung, wie ein Fass voll langsam wogender Schlacke, dann die graue Kaltfront aus Asche. (…)
Sie hatten die Fersen in den Sand gestemmt und sahen zu, wie das öde Meer an ihre Füße spülte.
Kalt. Trostlos. Ohne Vögel.“32
Zur Thematik
Das zentrale Thema des Romans ist das Überleben weniger Menschen nach einer Katastrophe, die
vor zehn Jahren stattfand und zum Untergang der Zivilisation führte. Welcher Art die Katastrophe war,
erfahren die LeserInnen nicht. Ein atomarer Krieg ist nahe liegend, da von einer „langen Lichtklinge“
am Horizont die Rede ist.
Danach ist sprichwörtlich nichts mehr so, wie es vorher war: Die wenigen Menschen, die überlebt haben, sind nach zehn Jahren – der Junge wird kurz nach der Katastrophe geboren – in der zivilisatori29
Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft 1985. S. 3
McCarthy, Cormac: Die Straße. Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2007. S. 17
31
McCarthy, Cormac: Die Straße. Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2007. S. 191
32
McCarthy, Cormac: Die Straße. Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2007. S. 191f.
30
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
- 10 -
Schulbuch online für Deutsch
schen Steinzeit angelangt. Soziale Strukturen existieren nicht mehr, die Gesellschaftsordnung ist zerstört: Es wächst nichts mehr, fast alle Tiere sind tot, Nahrungsmittel gibt es nur in alten Dosen, die in
den ausgeplünderten Häusern vereinzelt noch gefunden werden können; und Kannibalen, die Bösen,
ziehen auf der Jagd nach Menschen durchs Land.
Grausige Szenen, die die LeserInnen erschaudern lassen, markieren den Weg der beiden Protagonisten:
„Sie traten auf die kleine Lichtung, der Junge an seine Hand geklammert. Bis auf das schwarze Ding,
das über der Glut auf einem Spieß steckte, hatten die Leute alles mitgenommen. Er stand da und
schaute prüfend in die Runde, als der Junge sich zu ihm umdrehte und das Gesicht an seinem Körper
vergrub. Mit raschem Blick versuchte er festzustellen, was passiert war. Was ist denn?, fragte er. Was
ist denn? Der Junge schüttelte den Kopf. O Papa, sagte er. Der Mann sah genauer hin. Was der Junge gesehen hatte, war der verkohlte Leib eines Kleinkindes, ohne Kopf, ausgeweidet und auf dem
Spieß langsam schwärzer werdend. Er bückte sich, nahm den Jungen auf den Arm und lief, während
er ihn fest an sich drückte, in Richtung Straße los. Es tut mir leid, flüsterte er. Es tut mir leid.“ 33
Vater und Sohn, beide namenlos, ziehen durch eine eiskalte verwüstete Landschaft und durchqueren
Landstriche des Grauens, immer darauf bedacht, sich vor anderen Menschen zu verbergen: Die Apokalypse findet statt, es gibt keine Zukunft mehr, die Vergangenheit ist deshalb ohne Bedeutung. Der
Vater erzählt dem Sohn auch nicht von der untergegangenen Zivilisation, von der verlorenen Natur, da
dieser sie ohnehin nicht mehr erleben wird.
Der Vater betont seinem Sohn gegenüber zwar immer wieder, dass sie die Guten seien, denn sie bewahrten das Feuer und würden keine Menschen essen. Er reagiert aber in extremen Situation auf eine Weise, die den Sohn zweifeln lässt, ob sie sich tatsächlich von den Bösen unterscheiden, denn der
Vater verhält sich anderen gegenüber höchst unmenschlich: Er hilft anderen nicht, tötet in Notwehr
zwei Menschen und überlässt jenen Dieb, der ihre Lebensmittel gestohlen hat, nackt, unbewaffnet und
ohne Nahrung seinem Schicksal.
Der schleichende Verlust des Menschlichen ist das zentrale Thema des Romans: Der Vater sieht nur
seinen Sohn, dessen Überleben alle (unmenschlichen) Aktionen und Reaktionen rechtfertigen, auch
die Gewalt, die Angst und das Misstrauen allen anderen Überlebenden gegenüber. Er lehnt es grundsätzlich ab, anderen zu helfen, auch nicht jenen Menschen, die in einer noch erbärmlicheren Situation
als sie selbst sind. Er agiert selbst unmenschlich und kann dem Jungen, der voller Mitleid und Hilfsbereitschaft ist, seine Handlungsweise nicht erklären.
Dieses Verhalten lässt den Sohn am Vater zweifeln. Er möchte sich stärker von den Bösen unterscheiden; nicht Kannibale zu sein, ist für ihn zu wenig. Das Verhalten des Vaters erscheint ihm, der
Empathie (den Drang zu helfen)verspürt, nicht richtig und der Junge droht an den inneren Widersprüchen zu zerbrechen, weil er dem Vater nicht mehr vertrauen kann, denn: Kann das physische Überleben den moralischen Zusammenbruch rechtfertigen? Was soll werden, wenn es kein funktionierendes
soziales Gefüge, keine Menschlichkeit und kein Vertrauen mehr gibt? Auch die Notlügen, mit denen
der Vater den Jungen vor der Wahrheit bewahren will, säen bei diesem Misstrauen:
„Ich muss dich ständig im Auge behalten, sagte der Junge.
Ich weiß.
Wenn man kleine Versprechen bricht, bricht man auch große. Das hast du selber gesagt.
Ich weiß. Aber ich tu´s nicht.34
Der Vater zweifelt nicht an seinem Tun, denn für ihn steht das Kind im Zentrum all seines Bemühens.
Das Buch erzählt also auch von der Liebe zwischen Vater und Sohn, dem einzigen, was dem Vater in
dieser postapokalyptischen Welt geblieben ist.
Der Schluss des Romans lässt einen zarten Keim der Hoffnung zu: Der Vater ist zwar tot, aber der
Junge wird von einer Familie aufgenommen, es könnte so etwas wie eine Zukunft geben, zumindest
im Menschlichen, im Sozialen35:
33
McCarthy, Cormac: Die Straße. Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2007. S. 177
McCarthy, Cormac: Die Straße. Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2007. S. 34
35
McCarthy, Cormac: Die Straße. Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2007. S. 250f.
34
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
- 11 -
Schulbuch online für Deutsch
„Woher weiß ich, dass du wirklich einer von den Guten bist?
Gar nicht. Du musst es riskieren.
Bewahrst du das Feuer?
Ob ich was?
Ob du das Feuer bewahrst? (…)
Was ist denn jetzt mit dem Feuer?
Was, ob ich es bewahre?
Ja.
Ja, das tun wir.
Hast du Kinder?
Ja, wir haben Kinder.
Hast du auch einen kleinen Jungen?
Wir haben einen kleinen Jungen und ein kleines Mädchen.
Wie alt ist er?
Ungefähr so alt wie du. Vielleicht ein bisschen älter.
Und du hast sie nicht gegessen?
Nein.
Du isst keine Menschen.
Nein. Wir essen keine Menschen.
Und ich kann mit dir kommen.
Ja.
Also gut.
Okay.
„Es ist dieser Vorschuss an Vertrauen, der den Unterschied macht, von beiden Seiten eingefordert,
und von beiden Seiten gewährt. Der Unterschied zwischen der Fortsetzung dessen, was eingefleischt
war, und einem Neubeginn bei der Einrichtung zwischenmenschlicher Beziehungen.“36
Zu den Erzählformen
1) Der Autor Cormac McCarthy setzt z. T. einen auktorialen Erzähler ein. Dieser beobachtet die beiden Protagonisten und gibt deren karge Dialoge wieder. Er weiß mehr als Vater und Sohn, vor allem
über die Vergangenheit. Er kennt die Träume des Mannes, er kann in dessen Kopf hineinsehen. Die
Erzählperspektive wechselt phasenweise in die personale Erzählform aus der Sicht des Vaters.
2) Die inneren Monologe des Vaters offenbaren seine Befürchtungen, Hoffnungen, Wünsche, seine
Erinnerungen (besonders an seine Frau und seine Kindheit) und seine Gefühle gegenüber dem Jungen.
Zur Textstruktur
1) Die LeserInnen werden zum Weiterlesen förmlich gezwungen, ihre gesamte Aufmerksamkeit wird
gefordert; Ziel ist zu erfahren, wie die Geschichte endet. Es gibt in der Handlung keine Abschnitte,
keine Spannungsbögen und auch keine wirklichen Höhepunkte. Die Spannung bleibt konstant auf einem Niveau, den roten Faden bildet die Reise der beiden Hauptpersonen.
2) Auffallend sind die Rückblenden, die die Ehefrau und Mutter betreffen. Der Mann macht sich Vorwürfe, sich nicht genug um sie gekümmert zu haben. 37 Er erinnert sich auch an seine Kindheit. Der
Moment der Katastrophe wird ebenfalls in Form einer Rückblende geschildert.38
Zur Gestaltung der Zeit
Schmitt, Michael: Vom Untergang der Welt. Buch der Woche: „Die Straße“ von Cormac McCarthy.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/606259
37
ebda: S. 15
38
ebda: S. 50
36
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
- 12 -
Schulbuch online für Deutsch
1) Bei den vielen Dialogen verwendet McCarthy zeitdeckendes Erzählen, wenige Passagen, z. B. als
der Vater stirbt, laufen wie in „Zeitlupe“ ab (= zeitdehnendes Erzählen). Es ist nicht erstaunlich, dass
McCarthy nur selten zeitraffend erzählt. Zur Mühsal und zu der durch die Umstände bedingten Langsamkeit der Protagonisten würde diese Erzählform nicht passen, ihr sogar widersprechen.
Zur Sprache
1) Bei vielen Sätzen fehlt das Prädikat. Die Gespräche sind auf das Notwendigste reduziert, es gibt
daher auch viele Ein-Wort-Sätze: „Öde, stumm, gottverlassen“39, „Reglos und präzise“40, „Die Fenster
unversehrt“41, „Was siehst du?, fragte der Mann. Nichts. Er senkte das Fernglas. Es regnet. Ja, sagte
der Mann. Ich weiß.“42 Bei manchen Sätzen fehlt auch das Subjekt: z. B. „Zogen den Wagen hinter
sich her über die Erde.“43
2) Die LeserInnen müssen sich Fehlendes hinzudenken, denn die Protagonisten geben das Wesentliche - was sie fühlen – ja nicht preis. Die Sprache unterstützt die Vorstellung von einer öden, dunklen,
verlassenen Landschaft, d.h. die sprachlichen Bilder sind die einer grauen und trostlosen Gegend.
3) Das Fehlen der Anführungszeichen fordert die Aufmerksamkeit der LeserInnen genauso wie das
Fehlen der Kapiteleinteilung. Anfang und Ende von Gesprächen sind nicht markiert, sondern in den
übrigen Text integriert.
4) Die Farbgebung ist schwarz-weiß, unterschiedliche Grautöne dominieren. „Die Schwärze, in der er
in jenen Nächten erwachte, war blind und undurchdringlich. Eine Schwärze, dass einen vom Lauschen die Ohren schmerzten.“44 Kräftigere Farben, sieht man vom Rot des Bluts ab, existieren nicht
mehr. Manchmal gibt es „Farbtupfer“ in der Schwärze, so z. B. „Der Schnee orangerot und zuckend
...“45
5) McCarthy verwendet viele kurze, z. T. unvollständige Sätze: „Wüstes Land. Ein an ein Scheunentor
genageltes Bärenfell. Räudig. Strähniger Schwanz.“ 46
Es gibt verhältnismäßig wenige Gliedsätze. Ganze Passagen bestehen aus aneinandergereihten
Hauptsätzen.
6) Beide Protagonisten reden nur das Notwendigste, selbst wichtige Themen, wie Tod, werden in wenigen Worten abgehandelt: „Ich wünschte, ich wäre bei meiner Mom. (…)“ 47
Die Zivilisation ist vernichtet, die Welt dem Untergang nahe. Ebenso zerstört ist die zwischenmenschliche Kommunikation: Misstrauen, Furcht und Zweifel machen Gespräche unmöglich. Hinter jeder Äußerung wird Verrat oder Vernichtung vermutet, jemanden zu treffen und mit ihm zu sprechen, bedeutet immer Gefahr.
Zum religiösen Aspekt
1) Der Sohn verkörpert das Prinzip Hoffung. Es ist wichtig, das Feuer, das Symbol für Wärme und
Menschlichkeit, zu bewahren. Er hat Mitleid, vertraut anderen, glaubt an das Gute im Menschen. Er
betrachtet es als seine Aufgabe, sich um andere zu kümmern. Gott hat die Welt verlassen, deshalb
sind die Menschen verroht. Auch die Propheten sind verroht, sie glauben nicht mehr an Gott.
39
ebda: S. 8
ebda: S. 9
41
ebda: S. 10
42
ebda: S. 12
43
ebda: S. 80
44
ebda: S. 17
45
ebda: S. 31
46
ebda: S. 19
47
ebda: S. 52
40
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
- 13 -
Schulbuch online für Deutsch
2) Der biblische Prophet Elija wird während einer Hungersnot von einer Witwe, die selbst kaum mehr
zu essen hat, versorgt (vgl. 1. Buch der Könige 17,8-24). Auch Ely bekommt auf Verlangen des Jungen hin Essen.
3) Der Mann hat ein gespaltenes Verhältnis zu Gott: Er kniet in der Asche, um zu Gott zu beten, doch
eigentlich betet er nicht, sondern verflucht Gott, den er für sein Unglück, vor allem für den Verlust seiner Frau verantwortlich macht: „Dann kniete er einfach in der Asche. Er hob das Gesicht dem erblassenden Tag entgegen. Bist du da?, flüsterte er. Werde ich dich endlich sehen? Hast du einen Hals,
damit ich dich erwürgen kann? Hast du ein Herz? Hol dich der Teufel, hast du eine Seele? O Gott,
flüsterte er. O Gott“.48
4) Obwohl er an Gott glaubt, zweifelt er an dessen Existenz. „Meine Aufgabe ist es, auf dich aufzupassen. Damit hat Gott mich beauftragt. Ich bringe jeden um, der dich anfasst.“49 „Er wusste nur, dass
das Kind seine Rechtfertigung war, wenn das nicht Gottes Wort war.“ 50
5) Der Tod ist – oft grauenerregend dargestellt – allgegenwärtig; vor allem in den Schilderungen des
Kannibalismus. Wenn der Autor Cormac McCarthy „Wer vom Tod nicht sprechen will, der ist kein seriöser Schriftsteller“ sagt, dann meint er, dass viele Autoren von einem wesentlichen Teil des Lebens
ablenken oder sich scheuen, sich mit ihm auseinanderzusetzen. „Und die Träume so farbenreich. Wie
sonst würde der Tod einen locken? Beim Erwachen im kalten Morgendämmer wurde alles sofort zu
Asche (…)“51
Zur Symbolik
1) Der Junge ist Hoffnungsträger für die Zukunft.
2) Die Fische sind ein Symbol für Lebendigkeit und Leben, der Mann erwähnt sie in seinen Erinnerungen immer positiv, man kann sie also als Trost für die Zukunft werten.
3) Das Feuer ist Symbol für Wärme und Menschlichkeit, man kann Nahrung zubereiten, für ein zukünftiges Leben ist Feuer unerlässlich. Auch in der Antike hat Prometheus Zeus das Feuer geraubt,
um den Menschen den Grundstein für ihr Leben zu geben.
48
ebda: S. 14
ebda: S. 71
50
ebda: S. 8
51
ebda: S. 22
49
http://stichwort-literatur.veritas.at
Eva und Gerald Rainer (2008, VERITAS-Verlag)
- 14 -
Herunterladen