Jubiläumsveranstaltung

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Jubiläumsveranstaltung 30 Jahre Freie Wähler Bayern
Stadttheater, Rosental 6-8, Kaufbeuren - Samstag, 13. 09. 08 – 10.00 Uhr
30 Jahre Freie Wähler
… aus dem Gemeinderat in den Landtag ... bald auch im Bund?
Rede des FW-Bundesvorsitzenden Armin Grein, Landrat a. D., Ehrenvorsitzender der
FW Bayern, zum 30-jährigen Jubiläum des Landesverbandes Bayern
Jubiläen sind so etwas wie Haltestellen im Alltagsbetrieb: Bei Jubiläen hält man inne, schaut
man zurück, erinnert man sich an das Vergangene – und man schaut nach vorn, man überlegt
sich, wie die Zukunft aussehen kann und soll.
Den 30. Geburtstag des FW-Landesverbandes Bayern wollen wir heute mit einem Festakt
würdig begehen. Ich will als Gründungsvorsitzender und langjähriger Landesvorsitzender
Euch, liebe Freie Wähler, an die Gründung erinnern. Die Entwicklung der Freien Wähler
Bayerns durch die drei Jahrzehnte will ich im Sauseschritt Revue passieren lassen.
Als Bundesvorsitzender aber darf ich nicht nur für die Freien Wähler Bayerns, sondern für
alle anderen funktionierenden Landesverbände Deutschlands in die Zukunft schauen – und
natürlich gratulieren, Glück wünschen für die Zukunft.
Sie werden sehen: Bayern braucht Freie Wähler!
1. Freie Wähler seit sechzig Jahren
Gehen wir zunächst einmal mehr als sechs Jahrzehnte zurück: Nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges lag Deutschland in Trümmern. Es waren Trümmer nicht nur im Wortsinn,
sondern auch im übertragenen Sinn. Die politischen Parteien hatten sich zwölf Jahre vorher
unter dem Zwang der „braunen“ Herrschaft aufgelöst oder waren verboten worden. Die strikt
nach dem Führerprinzip aufgebaute NSDAP hatte das Monopol. Politisch anders Denkende
mussten um Freiheit und Leben fürchten und haben in großer Zahl Freiheit und Leben
verloren. Der Zusammenbruch Deutschlands 1945 war auch ein Zusammenbruch des zwölf
Jahre absolut herrschenden politischen Systems.
Wer sich nach dem Krieg politisch betätigen wollte, der wollte dies ohne Partei tun. Politik ja,
Parteipolitik nein – so entschieden sich viele, die am Wiederaufbau Deutschlands im
politisch-moralischen Sinn mitarbeiten wollten. Von Parteien, von einer Partei hatte man
genug. Es war die Geburtsstunde der Freien Wähler. Wobei natürlich nicht verschwiegen
werden soll, dass auch die von den Alliierten zugelassenen Parteien mit lauterer Gesinnung
daran gegangen sind, Deutschland wieder nach vorne zu bringen.
Freie Wähler und politische Parteien haben gleichermaßen unser in Trümmer liegendes
Vaterland und die Demokratie wieder aufgebaut.
Während sich die politischen Parteien überwiegend auf Landes- und Bundesebene betätigt
haben, waren die Freien Wähler damals ausschließlich auf der kommunalen Ebene aktiv.
Denn wir hatten erkannt: Unsere Städte und Gemeinden brauchen auf dem politischen Parkett
einen engagierten Fürsprecher. Einen Fürsprecher, der unseren Kommunen hilft, ihre Stellung
gegenüber Land und Bund und seit einigen Jahren auch gegen Europa zu behaupten. Und wer,
so frage ich Sie meine Damen und Herren, hätte diese Aufgabe besser meistern können als die
Freien Wähler!
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2. Freie Wähler trotzen parteipolitischer Konkurrenz
Gleich bei den ersten Kommunalwahlen nach dem Krieg zeichneten sich erste Erfolge für die
Freien Wähler ab. Sie konnten in einigen Flächenländern der Westzonen in den kleinen
Gemeinden und Städten bis zu 90% der Gemeinderatssitze erringen.
Erst später entdeckten die politischen Parteien, dass die Muttererde für die Demokratie in den
selbst verwalteten Gemeinden, Städten und Landkreisen liegt. Die SPD erkannte dies zuerst
und gewann vermehrt Bürgermeister- und Oberbürgermeisterwahlen. Doch bald blies die
CSU zum sprichwörtlichen Sturm auf die „roten Rathäuser“.
Allerdings versuchen die politischen Parteien gleichzeitig, die Freien Wähler aus den
Kommunen zu verdrängen. Dies gipfelte in den 1950er Jahren darin, dass die Parteien in
Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und im Saarland die Freien Wähler bei
Kommunalwahlen nicht mehr zuließen.
1960 hob das Bundesverfassungsgericht diese Diskriminierung der Freien Wähler auf und
gestand ihnen sogar Gleichbehandlung bei der „finanziellen Ausstattung“ zu. Dieses Gebot,
meine Damen und Herren, wurde und wird aber konsequent durch immer kompliziertere
Modelle der staatlichen „Parteienfinanzierung“ unterlaufen. Wenn das
Bundesverfassungsgericht ein Modell als verfassungswidrig kassiert, wird das nächste aus der
Schublade geholt.
Große Probleme hatten die Freien Wähler – manche von Ihnen werden sich noch daran
erinnern - mit der bayerischen Landkreisreform von 1972 und der bayerischen
Gemeindereform, die 1978 abgeschlossen worden ist. Es ist ja richtig, dass viele bis dahin
selbständige kleine Verwaltungseinheiten ihre Aufgaben nicht mehr effektiv wahrnehmen
konnten. Aber die größeren Einheiten haben die Persönlichkeitswahl, von der die Freien
Wähler leben, negativ beeinflusst und die Listen- oder Parteienwahl begünstigt.
Trotzdem können wir stolz darauf sein, was wir in den vergangenen 60 Jahren erreicht haben.
Denn trotz der inzwischen sehr gut aufgestellten Parteienkonkurrenz im kommunalen Raum
behaupten sich die Freien Wähler dort auf hohem Niveau. Aber es bestätigt sich immer
wieder: Je kleiner die Kommune, desto größer der Erfolg der Freien Wähler. Denn je kleiner
die Kommune, desto stärker die Persönlichkeitswahl. Und – das zeigen unsere
Wahlergebnisse: Die Freien Wähler haben jede Menge Persönlichkeiten zu bieten.
Das ist keine Selbstüberschätzung! Bei uns sind die bürgernäheren, die fachkundigeren und
sachorientierteren, auch die politischeren Menschen.
3. Freie Wähler und ihre Wahlerfolge
Nach einer Erhebung vom Frühjahr 2008 haben die Freien Wähler folgende Quoten der Sitze
in den Räten kreisangehöriger Gemeinden inne: Thüringen 52%, Schleswig-Holstein 45%,
Baden-Württemberg 43%, Bayern 40%, Rheinland-Pfalz 32%, Sachsen 32%, Sachsen-Anhalt
30%, Brandenburg 25%.
In Bayern sind rund 40% aller Bürgermeister parteifrei. Ebenso 20 % aller Landräte, das
heißt: Von 71 Landräten sind 15 Freie Wähler. 1984 war ich der erste Freie Wähler-Landrat
in Bayern. Seit die Landräte außerhalb Bayerns ebenfalls vom Volk gewählt werden (außer in
Baden-Württemberg), gibt es auch Freie Wähler-Landräte in den anderen Bundesländern.
Der Anteil der Stimmen, der für die Freien Wähler in den Landkreisen und kreisfreien Städten
abgegeben wurde, hat sich bei den Wahlen vom März 2008 auf 18 % erhöht.
Das hört sich nicht allzu berauschend an. Dies hängt mit der Schwäche der Freien Wähler in
den eher anonymen Großstädten zusammen. Dort dominiert, wie bereits erwähnt, die
Parteienwahl – bevorzugt werden Parteien und nicht Persönlichkeiten gewählt. Wir brauchen
also hunderte von kleinen Gemeinden, um zum Beispiel die Landeshauptstadt München
„aufzuwiegen“.
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Das klingt wie der Kampf David gegen Goliath. Bei der letzten Kommunalwahl haben wir
unsere Ergebnisse verbessert und damit dem übermächtigen Goliath zum wiederholten Mal
die Stirn geboten!
4. Freie Wähler und ihr Landesverband
Wir müssen außerdem künftig alles daran setzen, dass die Freien Wähler weiterhin eine
Spitzenposition in den Städten, Gemeinden und Landkreisen einnehmen und in den
Großstädten mehr Erfolg haben.
Der 1978 gegründete Landesverband hilft ihnen dabei. Er schreibt nur ein Minimum an
Organisation vor. Diese Tatsache ist jedoch gleichzeitig ein Problem: Der Freie Wähler an
sich ist ein eher organisations-skeptisches, frei und manchmal auch quer denkendes
politisches Individuum, alles andere als ein uniformer Parteisoldat. Die Schwierigkeit,
Individualisten in einem Verband zu einigen, war und ist heute noch offenkundig unser
Problem. Wir sind zwar nicht - wie uns die Parteien vorwerfen - ein „vielstimmiger
unharmonischer Chor“. Nein, wir sind stolz darauf, unsere eigene Meinung sagen zu können
und nicht eine Parteimeinung nachplappern müssen. Wenn wir manchmal auch vielstimmig
sind, harmonisch singt unser Chor allemal.
Doch Organisationshilfen und gegenseitige Information bringen die Freien Wähler langsam,
aber stetig dem Ziel näher, mit einer Stimme zu sprechen und in die richtige Richtung am
gleichen Strang zu ziehen.
So ist unser Landesverband ein Garant dafür, dass die kommunalpolitischen Individualisten
sich auch weiterhin in den Kommunen auf einem Spitzenplatz behaupten können. Der
Landesverband ist ein Garant für die erfolgreiche Positionierung der Freien Wähler in unserer
Parteienlandschaft.
5. Freie Wähler in den Landtag
Als flächendeckende Organisation beschränkt sich unser Einfluss schon lange nicht mehr auf
einzelne Kommune. Die Freien Wähler sind heute längst zu einer landesweiten politischen
Kraft geworden. Eine Tatsache, die – so meine ich – uns dazu verpflichtet, auch auf höherer
Ebene einzugreifen. Deshalb fordern wir selbstbewusst: Freie Wähler müssen sich in die
Landespolitik einmischen!
Eine übermächtige Einheitspartei, die CSU, fordert die Freien Wähler heraus. Die Freien
Wähler als bürgerliche Kraft müssen dem Bürger eine echte Alternative bieten. Die derzeit
stark gebeutelte SPD und die inzwischen etablierten Grünen vermögen dies nicht zu leisten.
Nicht alle Freien Wähler nehmen die Herausforderung an. Sie wollen, so sagen sie, bei ihren
sprichwörtlichen Leisten bleiben, also bei der Kommunalpolitik. Allerdings: die Anzahl der
Skeptiker geht zurück. Man muss bedenken: 90 % der Gesetze und Verordnungen schlagen
auf unsere Gemeinden und Kreise durch und würgen ihnen die finanzielle Luft ab. Wir sind
also dringend gefordert, uns auch auf Landesebene einzumischen. Das sind wir, meine Damen
und Herren, unseren Kommunen allemal schuldig!
6. Freie Wähler-Leitlinien statt Partei-Programm
Es kann doch nicht angehen, dass nach wie vor die finanziellen Belastungen, die durch
Gesetze und Verordnungen entstehen, von Bund und Land auf die Gemeinden, Städte,
Landkreise und Bezirke abgewälzt werden. Wir dürfen deshalb nicht müde werden, immer
und immer wieder die strikte Anwendung des Konnexitätsprinzips der Bayerischen
Verfassung und auch ein Konnexitätsprinzip für den Bund zu fordern! So mühsam dies auch
sein mag!
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Darüber hinaus muss die kommunale Selbstverwaltung ihren Freiraum erweitern.
Zentralistische Tendenzen sowohl vom Bund als auch vom Freistaat und erst recht aus Europa
müssen zurückgewiesen werden.
Freie Wähler müssen Anwalt der Kommunen bleiben!
Unsere Bildungspolitik braucht neue Impulse: „Pisa“ lässt grüßen! Doch vor Schnellschüssen
sei gewarnt! Bayern ist nicht überall Spitze. Auch Bayern kann von anderen Ländern noch
viel lernen! Eine Angleichung der Bildungspolitik in den einzelnen Bundesländern ist
anzustreben, wobei die Kulturhoheit der Länder bestehen bleiben soll.
Die regionale Wirtschaft muss gestärkt werden! Heimische Handwerks- und Handelsbetriebe
sowie Dienstleister sind zu fördern und zu unterstützen, nicht aber abwanderungswillige
Konzerne! Durch eine dringend notwendige Steuerreform muss verhindert werden, dass sich
„Heuschrecken“, die sich als Global Player gerieren, mittelständische Betriebe einverleiben
und die Arbeitsplätze in der Region wegrationalisieren.
Die Leistungsstandards aller Sozialgesetze, vor allem der Gesetze, die die Kommunen
finanziell besonders schwer belasten, müssen auf den Prüfstand. Sozialleistungen müssen auf
ein notwendiges, aber vertretbares Maß reduziert werden.
Unsere Familien- und Sozialpolitik muss der demographischen Entwicklung Rechnung
tragen, besser noch: entgegenwirken. Infrastruktur muss in den Kommunen, im Land, im
Bund angepasst werden.
7. Freie Wähler: Bayern braucht sie
Sie sehen, meine Damen und Herren: Bayern braucht die Freien Wähler auf der kommunalen
Ebene und auf der Landesebene.
Bayern braucht die Freien Wähler auf der kommunalen Ebene, um die kommunale
Selbstverwaltung zu verteidigen und zu stärken. Starke Gemeinden, Städte, Landkreise und
Bezirke sind das Fundament für die Länder, für den Bund und für Europa. Schon die
Bayerische Verfassung von 1946 wusste um die überragende Funktion unserer Gemeinden. In
Art. 11 Abs. 4 heißt es: „Die Selbstverwaltung der Gemeinden dient dem Aufbau der
Demokratie in Bayern von unten nach oben.“
Bayern braucht die Freien Wähler im Landtag, um die Zukunftsaufgaben in den Bereichen
Bildung, Wirtschaft und soziale Sicherung zu meistern. Aber auch, um aus dem Landtag
heraus die Selbstverwaltung unserer Kommunen zu schützen und zu stärken.
Die Parteien beherrschen diese Aufgaben nur unzulänglich.
Wir müssen uns im positiven Sinne einmischen – wie bisher in die Kommunalpolitik, künftig
verstärkt in die Landespolitik. In einigen Jahren vielleicht auch in die Bundespolitik.
Anfragen von Landesvorsitzenden, die für die nächste Bundestagswahl kandidieren wollen,
haben mich als Bundesvorsitzender der Freien Wähler schon erreicht.
Aber wie sagt der Franke: Wir machen es wie beim Klöße-Essen: Ein Kloß nach dem
anderen!
Wenn wir in Bayern und in anderen Bundesländern in die Landtage eingezogen sind, werden
wir uns auch mit dem Ziel Bundestag beschäftigen müssen.
Meine Devise als Bundesvorsitzender der Freien Wähler Deutschlands war immer kurz und
prägnant: Bayern, Deutschland, ja Europa brauchen Freie Wähler.
Zum 30-jährigen Jubiläum des Landesverbandes Bayern lautet unsere
Forderung:
FREIE WÄHLER – aus dem Gemeinderat in den Landtag.
Und bald auch im Bund und von dort nach Europa.
In diesem Sinne: Alles Gute und viel Erfolg!
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