Mercedes Bresso, Präsidentin der UEF Grußwort an den Bundesausschuss der Europa-Union Deutschland am 17.03.2007 in Berlin Zunächst bedanke ich mich herzlich bei Staatssekretär Peter Altmaier und Ihnen allen dafür, dass Sie mich nach Berlin eingeladen haben, um in diesem wichtigen Jahr gemeinsam über Europa zu diskutieren. 2007 wäre Altiero Spinelli 100 Jahre alt geworden und zugleich feiern wir das 50-jährige Jubiläum der Unterzeichnung der Römischen Verträge. Über diese Feierlichkeiten hinaus konzentrieren sich die Verfechter der Einheit Europas darauf, die Bevölkerung von der Europäischen Verfassung zu überzeugen. Kann nun von Ihrem Lande ein neuer Impuls für die Verfassung und den europäischen Integrationsprozess ausgehen? Wir Föderalisten glauben JA. Deshalb beginnt unser Projekt für ein europäisches Referendum in Deutschland. Und was die Regierungen angeht: Es ist genau der richtige Moment, um die Verfassung wiederzubeleben. Es zeigt sich, dass die gemeinsame Stimmung für die “Revitalisierung” immer stärker wird und mittlerweile sogar diejenigen einschließt, die geglaubt hatten, der Vertrag sei tot - so wie Kommissionspräsident Barroso. Eine weit verbreitete Meinung in der akademischen wie in der politischen Welt ist, dass man die wichtigsten Errungenschaften des Verfassungsvertrages in eine neue Form bringt, aber die Substanz erhält. Auch während des französischen Wahlkampfes spielt das europäische Verfassungsthema eine Rolle im politischen Diskurs. Ségolène Royal hat erst kürzlich angekündigt, dass sie ein neues Referendum zum Vertrag während der nächsten Europawahlen 2009 vorschlägt. Wir als europäische Föderalisten begrüßen die Bemühungen von Kanzlerin Merkel, der Verfassung neue Kraft zu geben und die 27 EU-Länder schnellstmöglich zu einer Einigung zu bringen. Wir kommen aber an dieser Stelle nicht umhin zu kritisieren, dass die deutsche Kanzlerin den Staats- und Regierungschefs in einem ersten Entwurf für eine Road Map für die Verfassung lediglich die intergouvernementale Methode vorschlägt. Merkel möchte die Einigung auf einen neuen Text bis 2008 beschleunigen und glaubt, dass der Weg aus der diesjährigen Sackgasse nur über einen kurzen Text führt, der nicht mehr 1 den Namen „Verfassung“ trägt. Dieser Vorschlag klingt nach einem Kompromiss des kleinsten gemeinsamen Nenners, mit der unmittelbaren Konsequenz, dass man die Bürgerinnen und Bürger nicht direkt in eine erweiterte Debatte einbindet, mit anschließender Ratifikation durch Referenda. Die fundamentale Frage ist, ob Merkels Methode wirklich zu neuen Impulsen führen kann. Ein von Diplomaten verfasster Text, das Ergebnis intergouvernementaler Kompromisse, wird nie einen fortschrittlichen Text darstellen, welcher die Realität der EU-Bürgerinnen und - Bürger widerspiegelt. Die Verbesserung der Verfassung ist nötig, muss jedoch ein transparenter Prozess sein, der die von den EU-Bürgerinnen und Bürgern aufgedeckten Fragen widerspiegelt. Hierbei handelt es sich um die Fragen, die während der Reflexionsphase in zahlreichen Debatten im Rahmen von ”Plan D” gestellt worden sind. Diese “verschlankte” Verfassung stellt die Bedürfnisse und die Interessen der Bürger nicht besser dar. Nur eine Revision der Methode im demokratischen und partizipativen Sinne – unter Einschluss des Europäischen Parlamentes – die sowohl transparent als auch bürgernah ist, kann zu einer positiven Entwicklung führen. Merkel muss den Mut aufbringen, einen neuen Konvent zu ermöglichen, der die klare Anweisung hat, in einem überschaubaren Zeitraum einen neuen Text zu beschließen. Die europäischen Bürgerinnen und Bürger wollen und müssen sich durch ein Referendum Gehör verschaffen, das zeitgleich mit den Europawahlen 2009 stattfindet, um eine demokratische Antwort zu geben. Die UEF initiiert deshalb eine Kampagne zu diesem Thema. Ein Slogan fasst die Kampagne zusammen: “Ein europäisches Referendum zur europäischen Verfassung”. Dadurch wird eine europäische Verfassung ermöglicht - vielleicht mit Änderungen, etwa dadurch, dass man den Dritten Teil streicht, der von den meisten französischen Kritikern abgelehnt wurde, und/oder dem aktuellen Text ein Sozialprotokoll hinzufügt, das die Befürchtungen der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt. Die Verfassung gibt allen Bürgerinnen und Bürgern über ein paneuropäisches Referendum, das möglichst zeitgleich mit den Europawahlen 2009 stattfinden soll, Beteiligungsmöglichkeiten. Gleichzeitig gewinnt die Verfassung an Legitimation, wenn sie von der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger und der Mehrheit der Staaten verabschiedet wird. Einige Länder könnten sich in der Tat dazu entschließen, nicht teilzunehmen. Dies würde jedoch die Bedeutung der Initiative nicht mindern, da die Verfassung nur für die 2 Länder gelten würde, die mit JA gestimmt haben. Andere Länder hätten die Möglichkeit, ihre interne Debatte fortzusetzen und die Verfassung später zu ratifizieren, um dann Teil der “verfassten” EU zu werden. Man muss darauf hinweisen, dass ein konsultatives Referendum juristisch betrachtet nicht bindend ist. Jedem Land stünde es frei, den Text zu ratifizieren oder nicht, je nachdem wie seine eigene Verfassung es vorschreibt. Anderseits ist klar, dass ein neuer Prozess in Gang gesetzt werden würde, der logischerweise in bislang existierendem Recht nicht ganz vorgesehen ist. Das sollte uns aber nicht abschrecken: die einzige Herausforderung, vor der wir stehen, ist die Ratifizierung der Verfassung, auch mit den möglichen oben genannten Änderungen. Dennoch muss immer betont werden, dass dieser Text, trotz einiger Einschränkungen, große Fortschritte ermöglicht. Nicht zuletzt durch die Schwierigkeiten bei der Ratifizierung kann es nun zu Änderungsvorschlägen kommen. Sollten die europäischen Bürger eine Verfassung per Volksabstimmung annehmen, wozu eine einfache Mehrheit ausreichend ist, dann müssten auch diese Änderungsvorschläge mit einfacher Mehrheit angenommen werden. So könnte man jene Länder umgehen, die der EU tendenziell mit Vorbehalten gegenüber stehen, da diese wahrscheinlich auch nicht die Verfassung ratifizieren werden. Ich weiß, dass in Deutschland zwei wichtige Intellektuelle, Jürgen Habermas und Ulrich Beck, ähnliche Ideen entwickelt haben und dass diese Ideen von einigen europäischen Staats- und Regierungschefs gut aufgenommen wurden, u.a. von dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer und dem italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi. Gibt es ein Referendum zu diesem Text, so werden in wenigen Jahren Voraussetzungen gegeben sein, die einen noch fortschrittlicheren Text ermöglichen. Sollte es kein Referendum geben, ist es wahrscheinlich, dass es einige Jahre lang nicht möglich sein wird, sich auf einen besseren Text zu einigen. Die Mission der Föderalisten ist immer dieselbe: den Regierungen zu zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger für mehr und nicht für weniger Europa sind, sobald sie nicht im Einfluss der nationalstaatlichen Innenpolitik stehen. Die Volksabstimmung in allen EU-Ländern ist ferner die demokratischste Lösung, um aus der Sackgasse herauszukommen, in der wir uns befinden. Diese Sackgasse hat 3 bisher nur den Protagonisten der Nationalstaatlichkeit und einem gelähmten und fragmentierten Europa Vorteile gebracht. Die wichtigste Aufgabe, die uns erwartet, ist nun der Start der neuen Kampagne für die föderale EU-Verfassung, durch die Unterschriftensammlung von 1 Mio. Bürgerinnen und Bürger via Internet. Sie fordert eine wirkliche Verfassungsbildung, verknüpft mit einem Referendum für die Ratifizierung, das zeitgleich mit der Europawahl 2009 stattfinden soll. Ich möchte Sie alle bitten, die Kampagne in Deutschland mit Ihrem Enthusiasmus und Ihrem Einsatz zu unterstützen und ich möchte Ihnen gerne am Schluss folgende Worte von Altiero Spinelli in Erinnerung rufen: Im Kampf für die europäische Einheit war und ist heute noch eine "Konzentration des Willens notwendig und der Glaube an die Gelegenheit, sie zu nutzen, wenn sie da ist, um die Niederlagen zu verkraften, wenn sie geschehen, um zu entscheiden, weiter zu machen, wenn nötig". 4