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IP/10/1348
Brüssel, den 19. Oktober 2010
Europäische Kommission verabschiedet Strategie
für Einhaltung der EU-Grundrechtecharta
Die Europäische Kommission hat heute ein Strategie verabschiedet, mit der
eine wirksame Umsetzung der EU-Grundrechtecharta gewährleistet werden
soll. Die Grundrechtecharta ist seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags
rechtsverbindlich. Die Kommission wird sich vergewissern, dass alle EUVorschriften mit der Charta vereinbar sind, und zwar auf jeder Stufe des
Gesetzgebungsverfahrens – von den ersten Vorarbeiten der Kommission
über die Annahme der Vorschriftsentwürfe im Europäischen Parlament und
im EU-Rat bis zur Anwendung der Vorschriften in den EU-Mitgliedstaaten.
Die Kommission wird den Bürgerinnen und Bürgern Informationen darüber
zur Verfügung stellen, wann die Europäische Kommission in
Grundrechtfragen tätig werden kann, und veröffentlicht zur Beobachtung der
Fortschritte einen Jahresbericht darüber, wie die Charta angewendet wurde.
Die Kommission reagiert damit auf Forderungen des Europäischen
Parlaments.
„Die Charta spiegelt unsere gemeinsamen Werte und unsere gemeinsame
Verfassungstradition wider", so Vizepräsidentin Viviane Reding, die in der
Kommission für das Ressort Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft zuständig ist. „Die
Charta muss Richtschnur für die gesamte EU-Politik sein. Die Europäische
Kommission - und vor allem die Justizabteilung - wird sehr genau auf die Einhaltung
der Charta achten, und zwar in allen EU-Vorschriftsentwürfen, in allen
Änderungsvorschlägen des Rates und des Europäischen Parlaments sowie in den
Gesetzen der Mitgliedstaaten zur Umsetzung des EU-Rechts. Die Strategie, die die
Kommission heute verabschiedet hat, ist ein wichtiger Schritt zur Entwicklung einer
europäischen Grundrechtskultur".
Mit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags am 1. Dezember 2009 wurde die EUGrundrechtecharta für die EU-Institutionen und für die Mitgliedstaaten, die das EURecht umsetzen müssen, rechtsverbindlich. Die Charta enthält sämtliche Rechte, die
auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgeschrieben sind, sowie
sonstige Rechte und Grundsätze, die sich aus den gemeinsamen
Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten, der ständigen Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs und sonstigen völkerrechtlichen Instrumenten herleiten.
Die Grundrechtecharta ist sehr modern. Sie umfasst auch sogenannte Grundrechte
der „dritten Generation“ wie Datenschutz und Garantien in Bezug auf bioethische
Grundsätze oder eine transparente Verwaltung.
In der Strategie erklärt die Kommission, welche Maßnahmen sie treffen kann, um
eine vorbildliche Grundrechtbilanz in der EU zu gewährleisten und die europäische
Öffentlichkeit besser über den Grundrechteschutz aufzuklären. Diese Maßnahmen
sind:
1. Garantie der gewissenhaften Achtung der Grundrechtein der EU
- Alle EU-Legislativentwürfe müssen mit der Charta vereinbar sein. Die
Kommission prüft deswegen verstärkt, welche Auswirkungen neue
Legislativentwürfe auf die Grundrechte haben können. Auf Grundlage einer
Grundrechte-Checkliste stellt die Kommission fest, welche Grundrechte von
einem Legislativentwurf betroffen sein könnten, und prüft systematisch, wie sich
jede einzelne beabsichtigte Option auf diese Rechte auswirken würde.
- Während des Gesetzgebungsverfahrens - einschließlich abschließender
Kompromisse im Europäischen Parlament und im Rat - stellt die Kommission
gemeinsam mit diesen beiden Organen sicher, dass die EU-Vorschriften der
Grundrechtecharta nicht widersprechen. Die Kommission leitet eine
interinstitutionelle
Debatte
ein,
um
die
Vorgehensweise
bei
Vorschriftsänderungen,
die
Fragen
der
Grundrechteübereinstimmung
aufwerfen, festzulegen.
- Die EU-Mitgliedstaaten sind bereits aufgrund ihrer nationalen Verfassungen zur
Einhaltung der Grundrechte verpflichtet. Doch auch bei der Umsetzung von EURecht müssen die Mitgliedstaaten die Grundrechte beachten. Die Kommission
wird
mit
allen
verfügbaren
Mitteln
erforderlichenfalls
auch
mit
Vertragsverletzungsverfahren sicherstellen, dass es bei der Umsetzung von EURecht nicht zu einem Verstoß gegen die Charta kommt.
2. Verbesserung der Bürger-Informationen
- Die Bürgerinnen und Bürger sollten wissen, an wen sie sich im Falle einer
Grundrechtsverletzung wenden können. Ab 2011 können sie über das neue eJustice-Portal der Kommission auf Informationen über Rechtsmittel in allen
Mitgliedstaaten zugreifen.
- Die
Kommission
wird
darlegen,
in
welchen
Fällen
sie
bei
Grundrechtsbeschwerden tätig werden kann und in welchen Fällen nicht, weil
die EU nicht zuständig ist. Die Charta überträgt der Kommission keine
allgemeine Befugnis, auf dem Gebiet der Grundrechte tätig zu werden. Die
Kommission kann vielmehr nur tätig werden, wenn es um EU-Recht geht, z.B.
wenn EU-Rechtsvorschriften erlassen werden, die der Charta widersprechen,
oder wenn durch eine einzelstaatliche Maßnahme eine EU-Rechtsvorschrift auf
eine Weise angewandt wird, die nicht mit der Charta vereinbar ist. Die
Mitgliedstaaten haben ihre eigenen Grundrechtschutzsysteme, die sich auf die
nationalen Verfassungen und Gerichte stützen und die durch die Charta nicht
ersetzt werden sollen. Die Wahrung der Grundrechte ist deswegen in erster
Linie Angelegenheit der nationalen Gerichte.
3. Verfolgung der Fortschritte
- Die Kommission veröffentlicht einen Jahresbericht darüber, wie die
Grundrechtecharta angewendet wurde. Der Bericht verfolgt die Fortschritte in
den Bereichen, in denen die EU Handlungsbefugnis hat. Er zeigt auf, wie die
Grundrechtecharta in konkreten Fällen berücksichtigt wurde, z.B. beim
Vorschlag neuer Rechtsvorschriften. Der Bericht könnte Anstoß geben für einen
jährlichen Meinungsaustausch mit dem Europäischen Parlament und dem Rat
der Europäischen Union, und fungiert als Instrument zur Verbesserung der
Information der Öffentlichkeit.
Hintergrund
Die EU-Grundrechtecharta wurde auf der Tagung des Rates von Nizza am
7. Dezember 2000 von den Präsidenten des Europäischen Parlaments, des EU-
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Rates und der Europäischen Kommission erstmals feierlich verkündet. Zu diesem
Zeitpunkt war die Grundrechtecharta noch nicht rechtlich bindend. Artikel 6 Absatz 1
des Vertrags über die Europäische Union in der durch den Vertrag von Lissabon
geänderten Fassung bestimmt, dass die Grundrechtecharta in gleicher Weise
rechtsverbindlich ist wie die Verträge. Dies bedeutet insbesondere, dass der
Europäische Gerichtshof befugt ist, EU-Rechtsvorschriften für nichtig zu erklären,
welche gegen die in der Charta garantierten Grundrechte verstoßen. Der Vertrag
über die Europäische Union legt auch fest, dass die Charta die Zuständigkeiten der
EU, wie sie in den Verträgen festgelegt sind, nicht erweitert. Artikel 51 der Charta
bestimmt: „Diese Charta gilt für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der
Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten
ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union".
Zum ersten Mal haben sich Kommissionsmitglieder im Mai dieses Jahres durch
einen feierlichen Eid zur Achtung der Grundrechtcharta und der Verträge verpflichtet
(IP/10/487).
Weitere Informationen
Die heutige Mitteilung steht im Newsroom der Generaldirektion Justiz zur Verfügung:
http://ec.europa.eu/justice/news/intro/news_intro_en.htm
Website von Vizepräsidentin Viviane Reding, die in der EU-Kommission für das
Ressort Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft zuständig ist:
http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/reding/index_de.htm
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