Becken Beckentypen Herkunft Produktionsfirmen unter besonderer Berücksichtigung der Familie Zildjian Verwendung in der abendländischen Orchestermusik Bachelorarbeit von Elmar BERGER 1 Heutige Beckentypen ............................................................................................................................. 3 Einführung .......................................................................................................................................... 3 Typen .................................................................................................................................................. 3 Becken à due .................................................................................................................................. 3 Chinesische Paarbecken ................................................................................................................. 3 Hi-Hat............................................................................................................................................... 5 Crash & Suspended-Cymbal ........................................................................................................... 6 Ride-Cymbal .................................................................................................................................... 7 China- Cymbal ................................................................................................................................. 7 Sizzle-Cymbal ................................................................................................................................... 9 Herkunft ................................................................................................................................................ 12 Produktion ............................................................................................................................................. 15 Die Zildjians ....................................................................................................................................... 15 Nachfolgefirmen in Istanbul ............................................................................................................. 22 Verwendung in der abendländischen Orchestermusik ........................................................................ 25 Janitscharenmusik (Mehter Takimi) ................................................................................................. 25 Übernahme in die abendländische Musik ......................................................................................... 25 Anhang .................................................................................................................................................. 28 Literatur ................................................................................................................................................. 32 2 Heutige Beckentypen Einführung Als Becken, engl. Cymbals, ital. Piatti oder Cinelli, bezeichnet man ein Schlaginstrument aus einer gehämmerten Bronze und Zinn Legierung, das man paarweise gegeneinander schlägt (“Tschinellen”), oder mit einem Holz, Filz- oder Metallschlägel spielt. Letzteres kommt eher selten vor und kann das Becken auch beschädigen. Der Durchmesser liegt je nach Typ zwischen 15 und 60 cm. Typen Die Einteilung erfolgt nach der aktualisierten Hornbostel-Sachs-Systematik1: Becken à due Auch Paarbecken, Tschinellen, Cinelli (ital.), Pair of Cymbals (engl.) genannt. Sie gehören laut Hornbostel-Sachs zu der Gruppe der Gegenschlag-Idiophone und werden dort mit der Nummer 111.142 klassifiziert. Becken à due werden hauptsächlich im Orchester oder in der Blasmusik verwendet. Man unterscheidet zwischen drei verschiedenen Typen: - Französische (French / light) - Wiener (Viennese / medium) - Deutsche (German / heavy) Die französischen sind die leichtesten und dünnsten, die deutschen die schwersten und dicksten von allen. Unter diesen Bezeichnungen findet man weltweit Paarbecken in einschlägigen Musikgeschäften. Die Klassifizierung hat aber nichts mit der Herkunft der Becken zu tun, denn diese ist nicht westeuropäisch, sondern türkisch. Es bedeutet aber auch nicht, dass in Paris dünne und in Berlin dicke Becken gespielt werden. Chinesische Paarbecken (vgl. mit Absatz China-Cymbal) 1 zitiert nachWikipedia.de 2013 3 Im Vergleich zu den türkischen Becken haben sie aufgebogene Ränder und rundsockelförmige Kuppeln, die, mit Lederriemen durchzogen, als Haltegriffe dienen. Ich hatte die Gelegenheit, in China eine Schlagzeuggruppe zu beobachten, die auf solchen Becken spielte. Dies geschah zufälligerweise vor einem Hotel, in dem ich untergebracht war, und war ein Teil eines Festaktes einer Hochzeit. (Abb. 1) Abb.1 [Foto von Elmar BERGER, in Taiyuan, China, Jänner 2012] "Today, cymbals are widespread throughout China, used in accompaniment of the regional opera traditions and for ceremonial occasions such as weddings and funerals. ..." 2 Die originalen chinesischen Paarbecken unterscheiden sich leicht von den China-Cymbals der europäischen, amerikanischen und türkischen Hersteller. Die China-Cymbals, die man in Europa in einschlägigen Musikgeschäften zu kaufen bekommt, sind nämlich grundsätzlich nicht als Gegenschlag-Idiophone, sondern als Aufschlag-Idiophone konzipiert. 2 Blades 2013 4 Hi-Hat Dieses Instrument nimmt in der Hornbostel-Sachs-Sytematik eine Sonderstellung ein. Es lässt sich sowohl als Aufschlag-Idiophon und als Gegenschlag-Idiophon klassifizieren. (111.142 und 111.221) Der ursprüngliche Namen des Instruments war Charleston-Maschine, da es im Charleston als erstes verwendet wurde. Zwei Becken sind horizontal auf einem Stativ befestigt und werden mit der Betätigung des Fußpedals zusammengeschlagen. Die Hi-Hat wird demnach sowohl mit dem Fuß, wie auch mit Stöcken per Hand gespielt. Letzteres sowohl geschlossen als auch offen. Abb.2 [aus BLADES, 2013] Da die Hi-Hat soviele verschiedene Klänge anbietet, gibt es auch für jede Sound-Variante eine eigene Notierung. Abb. 3 [von Elmar BERGER] Zur Verdeutlichung wird auf 1 und 3 die Bass-Drum und auf 2 und 4 die Snare-Drum gespielt. Ein typischer Beat wie er in der Pop-Musik vorkommen kann. Nehmen wir an, die Hi-Hat wäre im 5 Violinschlüssel notiert. Wenn die Hälse nach oben zeigen, und die Notenköpfe am g2 sind, wird die HiHat mit dem Stick gespielt. Wenn nicht anders gekennzeichnet, ist die Hi-Hat dabei geschlossen. Das bedeutet, dass das Pedal getreten bleibt. Die beiden Becken erklingen gleichzeitig und haben einen ziemlich kurzen perkussiven Klang. Wenn die Hälse nach unten zeigen und die Notenköpfe am d1 sind, wird die HiHat getreten. Das heißt sie wird mit dem Fuß und nicht mit dem Stick gespielt. Je nach Art des Tretens kann dabei ein sehr kurzer, perkussiver oder ein klirrender, längerer Klang entstehen. " ° " bedeutet man öffnet die Hi-Hat und " + " man schließt sie. Die HiHat klingt nach dem Öffnen so lange, bis man sie wieder schließt. In diesem Fall klingt sie von 2 bis 2+ und von 4 bis 4+. Der Klang der geöffneten Hi-Hat kann sowohl nur mit dem Fußpedal (in Abb. 4 auf 4 und 4+) erzeugt werden oder auch zusätzlich mit dem Stick (auf 2 und 2+). Die Hi-Hat geschlossen und mit Stöcken gespielt, ist wohl die am häufigsten verwendete Variante. Meist werden Achtel- oder Sechzentelgruppen gespielt, die ostinato-artig wiederholt werden. Alle folgenden Becken werden auf Stativen montiert und sind Aufschlag-Idiophone. Anmerkung: Auch wenn Becken in der Hornbostel-Sachs-Systematik speziell mit der Nummer 111.142 klassifiziert werden, handelt es sich dabei nur um Becken à due. Becken die auf Stativen montiert werden und mit einem Schlägel gespielt werden, zählen eindeutig nicht zu den Gegenschlag-Idiophonen (111.1), sondern zu den Aufschlag-Idiophonen (111.2). Am besten lassen sie sich als Aufschlagplatten (111.221) klassifizieren.3 Crash & Suspended-Cymbal Die Bezeichnung Crash-Cymbal findet man im Notentext eher wenn es um das Drum-Set geht. Die Bezeichnung Suspendet-Cymbal findet man in der Orchesterliteratur.4 Beide werden entweder mit einem Schwammschlägel am Beckenrand oder mit einem Holzschlägel an der Kante angeschlagen. Der Klang mit Holzschlägeln ist explodierend und eher laut, der mit Filzschlägeln ist eher weich. 3 4 zitiert nachWikipedia.de 2013 Binksterboer 1993, S 197 6 Ride-Cymbal Dieses Becken findet man hauptsächlich am Drum-Set. Es werden auf ihm durchgehend pulsierende Rhythmen, wie auf der Hi-Hat gespielt. Der Anschlag sollte ein klar definiertes “ping”, und kein “wash” wie etwa beim Crash Cymbal, hervorbringen. Das wird dadurch erreicht, dass das Becken größer und dicker als beispielweise ein Crash-Cymbal produziert wird. Anders als in der Pop-Musik, hängt sich im traditionellen Jazz das ganze Timing der Band am Ride Pattern des Schlagzeugers auf. Abb. 4 [von Robin EGGERS BMus, in Istanbul, Türkei, August 2010] Abbildung 3 zeigt Alexandros CHARALAMBOUS und mich, den Verfasser dieser Arbeit, nach einem Beckenkauf in Istanbul. Wir waren auf Tournee mit dem "Cyprus Youth Symphony Orchestra". Alexandros erwarb ein Ride-Cymbal der Firma "Istanbul" und ich erwarb ein Crash-Cymbal der Firma Bosphorus. China- Cymbal Dieses Becken hat seinen Ursprung eindeutig in China, wird aber heute trotzdem in der Türkei, wie in anderen Ländern von allen gängigen Becken-Firmen produziert. Es unterscheidet sich von den 7 anderen Becken in erster Linie durch seiner Form. (siehe Abb. 5) Der Klang bekommt einen sehr trashigen, dreckigen und kurzen Klang. Es wird hier von den bereits westlich und türkisch weiterentwickelten China-Cymbals die als Aufschlag-Idiophon genutzt werden, gesprochen. Diese werden hauptsächlich am Drum-Set oder im abendländischen Orchester als Effekt benutzt. Die originalen chinesischen Paarbecken können sich von Form und Klang ein wenig unterscheiden, da sie als Gegenschlag-Idiophone konzipiert sind. Das Grundprinzip aller chinesischen Becken ist der aufgebogene Rand. Der kommt sowohl bei den originale chinesischen Paarbecken, wie den modernen weiterentwickelten China-Cymbals vor. ↑ "Becken à Due" Vergleich eines türkischen mit einem chinesischen Beckens: 1: 100%iges türkisches Becken 2: z.B.: "Sabian Sound Control" 3: z.B.: "Zildjian Pang" 4: z.B.: "Paiste 2000 Mellow China" 5: typisches westliches China-Cymbal 6: original chinesisches Paarbecken Abb. 5 [von http://home.mnet-online.de/cymbalism/cymbalism/cymbals/cymbal-types.html, 09.01.2013] Typ 1 ist ein eindeutiges türkisches Becken, das ein Crash, Ride oder eben ein Paarbecken sein kann. Typ 2 bis 4 sind Mischtypen die sehr selten sind und die anhand spezieller Modelle beschrieben werden. Typ 5 ist ein typisches China-Cymbal, wie es in diesem Absatz beschrieben wurde. Typ 6 ist ein originales chinesisches Becken, wie es im Absatz "Beken à due" beschrieben wurde. Schlagzeuger die das China-Cymbal in der Pop-Musik etablierten waren Vinnie COLAIUTA, Manu KATCHÉ und Simon PHILLIPS. Abbildung 6 zeigt Simon PHILLIPS. Zwei 22 Zoll China-Cymbals begrenzen nach rechts und links über seinem Kopf das Set-Up. 8 Abb. 6 [von http://tunesdayrecords.de/Musiker/Schlagzeuger/Simon-Phillips-Bio.htm,09.01.2013] Sizzle-Cymbal Bei einem Sizzle-Cymbal wird durch einen oder mehrer Fremdkörper ein zusätzliches "klirren" erzeugt. Die bekannteste Methode ist, dass man eine Kette auf das Becken hängt. (Abb. 7) Sie sollte so lang wie der Radius des Beckens sein, denn es "klirren" hauptsächlich die Kugeln am Ende. Wenn die Kette länger ist, wird Sie weiter nach unten gezogen, und kann nicht mehr frei schwingen und vibrieren. Abb. 7 [von http://ezrajacky.blogspot.co.at/, 09.01.2013] 9 Eine andere Möglichkeit ein Sizzle Cymbal zu erzeugen, ist, wenn man mit einem Klebestreifen eine Münze auf das Becken klebt. Es gibt auch fabriksfertige Sizzle-Cymbals. Wie bei der Abb. 8 gezeigt, werden hier Fremdkörper am Becken fix montiert. Hier ein China-Sizzle-Cymbal von der Firma Sabian. Abb. 8 [von http://neilpeartnews.andrewolson.com/2007_07_01_archive.html, 09.01.2013] Auch in der Orchestermusik werden Sizzle-Cymbals vorgeschrieben. Als Beispiel hierfür ist John ADAMs „A short ride in a fast machine“ zu nennen. Abb. 9 zeigt, dass im Takt 157 (5/2 Takt) ein Sizzle-Cymbal vorgeschrieben ist. Abb. 9 [aus John ADAMS, A short ride in a fast machine, Partitur, Milwaukee, 1986] Aber auch HINDEMITH verwendete laut James BLADES bereits ein Sizzle-Cymbal: 10 "Hindemith in his Symphony in Eb (1940) somewhat anticipated the "sizzle" cymbal of modern rhythmic groups (a suspended cymbal equipped with loose rivets or similar device) in his instruction for a cymbal to be struck with a soft stick while a thin rod is held to vibrate against the edge of the instrument." 5 5 Blades 1981, Bd. 5, S 114 11 Herkunft Das genaue Herkunftsland der Becken ist umstritten. William T. O'HARA gibt an, dass Becken aus China stammen: "The history of the cymbal, some sources indicate, goes back to the ancient China of 3,000 years ago, which would make it one of the oldest musical instruments used by man. In the Bible, Psalm 150 mentions the ‘cymbal’: ‘Praise him on high sounding cymbals: praise him on cymbals of joy’ " 6 Memo SCHACHINER ist sich higegen sicher, das Becken mesopotamischen Ursprung sind: "Die Becken sind von mesopotamischem Ursprung. Im sassanidischen Iran und in Byzanz bekannt, kamen sie durch die Eroberung Syriens, Ägyptens und des Irans aus dem assyrischen und persischen Kulturraum in die Islamisch- arabische Unterhaltungs-, Kunst- und auch Militärmusik." 7 Andere Autoren geben mehrere Länder an, und geben zu, dass der Ursprung unklar ist: "Die Becken sind seit uralten Zeiten bekannt, aber ihr genauer Ursprung ist unklar, obwohl Abarten der Becken in einigen asiatischen Ländern für religiöse Zwecke und auch in Schlachten mit Sicherheit benutzt wurden. China und die Türkei haben den größten Einfluss bei der Entwicklung der Becken ausgeübt; aber heute ist das, was man als chinesisches Becken kennt, etwas komplett anderes, als ein türkisches Becken. ..." 8 Häufig wird Asien als Ursprungskontinent erwähnt. Es ist eigenartig, mit dem Begriff "Asien" Tibet, China und die Türkei vereinigen zu wollen. Liegen die Regionen denn geografisch so weit auseinander und sind die chinesischen und osmanischen Kulturen doch gänzlich andere. "Die Becken sind asiatischen Ursprungs (gegeneinandergeschlagene Glöckchen, die im Laufe der Zeit flacher wurden), waren bereits in der Antike in Europa bekannt (Kymbala) und wurden bis ins 15. 6 O'Hara 2004, S 118 Schachiner 2007, S 7 8 Holland 1983, S 105 7 12 Jahrhundert hinein auf Miniaturen in der dem heutigen Instrument entsprechende Form und als kleinere an Stielen befestigten Gabelbecken, dargestellt. Anscheinend gerieten sie in der Folgezeit außer Gebrauch, fanden dann jedoch gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch die Türkenkriege mit der Janitscharenmusik Eingang in das abendländische Orchester, wo sie seither ihren festen Platz in der Gruppe des Schlagzeugs haben." 9 Karl PEINKOFER erwähnt neben Asien Spanien und Süditalien: "Die Becken in der Urform als Zimbeln und Stielbecken (kleine schalenförmige Gegenschlagbecken mit Holzgriffen), sind uralten asiatischen Ursprungs und waren bei den kulturell hochstehenden Völkern der Antike als religiöse Kultinstrumente im Gebrauch. Im Mittelalter wurden sie durch die Sarazenen zuerst in Spanien und Süditalien eingeführt." 10 Auch Ägypten wird öfter erwähnt: "Die Becken oder Tschinellen sind uralten asiatischen Ursprungs. Schon 2000 Jahre v. Chr. dienten sie rituellen Handlungen. Sie erschienen dann in Assyrien, in Ägypten und im klassischen Griechenland, wo sie bei Trauerfeiern die Aufgabe erfüllten, die Seele des Verstorbenen dem Einfluss finsterer Dämonen zu entziehen." 11 "China is often regarded as the first country where cymbals were manufactured. However, the bible of Chinese Musical Instruments, the You Shu (1101), says that at first they were imported from Tibet. India and Turkey were sometimes mentioned as possible places of origin of the cymbal as well. The art of casting, tempering and hammering bronze was known in these countries at a very early stage. Israel and Egypt also have long traditions in this field. Nothing definite is known about the alloy used in those days. Unlike some pictures and stories, the instruments themselves have not survived. ..." 12 Besonders interessant ist es, dass James BLADES die Möglichkeit in Betracht zieht, dass die Becken ursprünglich durch ein Turkvolk nach Tibet und dann weiter nach China gebracht wurden. Wir wissen, dass die Becken durch die Türkenbelagerungen nach Europa gekommen sind. Sie mussten daher von China wieder in das Osmanenreich rückimportiert worden sein: 9 Ruf 1991, S 44 Peinkofer 1981, S 131 11 Briner 1988, S 510 12 Pinksterboer 1993, S 15 10 13 "China is often credited with being the oldest cymbal-making country, but authentic records suggest that cymbals entered China by means of foreign influence. A Chinese source enumerates cymbals among the instruments of an East Turkestanic orchestra established at the imperial court in AD 384. According to the Yüeh-shu, the bible of Chinese musical instruments written in AD 1104 by Ch'en Yang, cymbals came originally to China from Tibet, but other evidence suggested in the similarity of the content of the metal used in the manufacture of the old sacred cymbals of the Chinese (considered to have been 81% copper an 19% tin) and that used traditionally by Turkish cymbal makers. Cymbals ..." 13 13 Blades 1981, Bd. 5, S 113 14 Produktion Die Zildjians Bei einer Arbeit über Becken darf der Familienname Zildjian nicht fehlen. Keine andere Familie prägte die Produktion von Becken derart stark wie die Zildjians. Es begann im 17. Jahrhundert als der Alchimist Avedis I versuchte, aus verschiedenen Metallen Gold zu machen.14 Dies gelang ihm zwar nicht, dafür stieß er auf eine Kupfer und Zinn Legierung, die sich perfekt für die Produktion von Becken eignete. 1608 bekam Avedis I den Familiennamen Zilciyan bzw. Zildjian vom Sultan verliehen.15 Dieser bedeutet soviel wie "Sohn des Beckenschmieds" oder "Familie der Beckenschmiede". 1618 bekam er dann den offiziellen Auftrag Becken für den Hof des Sultans Osman II zu produzieren und 1623 die Genehmigung seine eigene Beckenfirma zu gründen. Der armenische Namen "Zidljian" setzt sich aus folgendem zusammen: Zil= Becken dj= Schmied ian= armenischer Suffix für Familie oder 'Sohn von' 16 Seit dem Jahr 1623 gibt es die Firma Zildjian und das Geheimnis um die Legierung wird bis heute immer nur in der Familie weitergegeben. Immer an den ältesten Sohn oder Neffen. Vereinzelt wurde das Geheimnis auch an weibliche Familienmitglieder weitergegeben. Das aktuelle Grove Dictionary of Jazz publiziert, dass Avedis I erst 1623 die Zinn-Kupfer Legierung erfand. Das widerspricht aber einer Publikation von Jon COHAN, die angibt, das Avedis I bereits 1618 Becken für den Hof des Sultans Becken produzierte. " ... The family traces its lineage back to Avedis Zildjian, a Constantinople alchemist who in 1623 discovered a process for treating alloys. He applied this process to the making of cymbals, an already flourishing craft in Turkey. ... " 17 "... Like his father, Avedis worked for the Sultan, and in a written order, dated March 23, 1618, Avedis was given authorization to make cymbals for the Sultan's court. In the order, the Sultan, 14 O'Hara 2004, S 118 Cohan 1999, S 8 16 Cohan 1999, S 8 17 Blades, 2013 15 15 Mustafa I, bequeathed upon Avedis eighty gold pieces, and more importantly, officially recognized the surname of Zilciyan or Zildjian, meaning in Armenian, "son of the Cymbal Maker," or "Family of Cymbalsmiths." 18 Stammbaum der Familie Zildjian (Abb.10): 18 Cohan 1999, S 8 16 Abb. 10 [von Elmar BERGER] 17 1 Kerope I (?? - ??): Kerope I war der Vater von Avedis I. Er arbeitete bereits im Topkapi Palast für den Sultan als Metallschmied. Geburtsdaten sind nicht bekannt, allerdings publizierte der türkischarmenische Schriftsteller Pars TUGLACI, dass Kerope I 96 Jahre alt wurde. Hugo PINKSTERBOER gibt in seinem "The Cymbal Book" an, dass er vermutet, dass bereits Kerope I Becken produzierte. Das wäre dann eine Gerneration mehr als die Familie Zildjian heute selbst angibt. 2 Avedis I (1596 - ??): Laut bereits den meisten bereits angeführten Quellen ist Avedis I der erste Beckenschmied der Familie Zildjian. Avedis hatte eine Tochter und zwei Söhne 3 Ahkam (1621 - ??): Ahkam war der älteste Sohn von Avedis I. Er war der erste, dem das Geheimnis um die Legierung weitergegeben wurde. 1651 übernahm er die Firma.19 6 Generationen gingen nach Ahkam verloren. 20 4 Harautian I (?? - ??): Vater von Kerope II und Avedis II. Manche Quellen geben noch einen dritten Sohn an, dessen Name allerdings nicht bekannt ist. Harautian gab das Legierungs-Geheimnis an den ältesten Sohn Avedis II weiter. Die Avedis-Linie 5 Avedis II (?? - 1865): Schenkt man der Zildjian eigenen Biographie glauben, war Avedis II auf Reisen in Europa und verkaufte seine Becken bei Ausstellungen in Marseilles, Paris und London. Da seine beiden Söhne Harautian II und Aram noch zu jung waren um die Firma zu übernehmen, ging das Legierungs-Geheimnis vor seinem Tod 1865 an seinen jüngeren Bruder Kerope II.21 7 Aram (18.. - 19..): Nach Keropes Tod 1909 übernahm Aram die Firma und das Geheimnis. Durch die Verfolgung armenischer Interlektueller in der Türkei, war Aram gezwungen nach Bukarest auszuwandern. Er eröffnete dort eine zweite Zildjian-Fabrik. In dieser Zeit übernahm Victoria ZILCAN (Tochter Keropes II) die Leitung in Konstantinopel. 6 Haroutian II (? - ? ): Haroutian II war eigentlich der älteste Sohn von Avedis II. Er wollte die Firma aber nicht übernehmen und ging in die Politik. Vielleicht ist das der Grund wieso sein Geburts- und Sterbedatum nirgendwo aufscheint. 19 Cohan 1999, S 8 O'Hara 2004, S 119 21 zildjian.com 2013 20 18 8 Avedis III (1889 - 1979): Sohn von Haroutian II. Er wanderte 1909 nach Boston (USA) aus und wurde dort Zuckerbäcker. 1927 bekam er einen Brief von seinem Onkel Aram, das er jetzt die Firma in Istanbul übernehmen sollte. Avedis III wollte nicht mehr in die Türkei zurück und so kam Aram in die USA und überlieferte Avedis das Legierungsgeheimnis. 1929 eröffnete er die neue Fabrik in Massachusetts. Glücklicherweise begann genau zu dieser Zeit die große Jazz-Era. Die Nachfrage nach Becken wurde immer größer. Avedis II verdanken wir die Becken-Klassifizierungen wie Ride, Crash oder Splash.22 9 Armand Zildjian (1921 - 2002): Sohn von Avedis III. Er war er erste Zildjian, der in den USA geboren und aufgewachsen ist. Er war gemeinsam mit Robert ZILDJIAN Hüter des Legierungs-Geheimnis. Er half Chick Webb und Gene Krupa Becken dünner zu machen. 4 Töchter: Graigie, Debbie, Wendy, Rab. Er war leiter der Avedis Zildjian Company als K. Zildjian übernommen und Sabian gegründet worden ist. 14 Robert "Bob" Zildjian (1923): Robert erhielt genauso wie sein Bruder Armand das Zildjian Geheimnis. Er verließ die Avedis Zildjian Company und eröffnete in Kanada eine eigene Beckenfirma und benannte sie nach den jeweiligen ersten zwei Buchstaben seiner Töchter Sally, Billy und Andy: Sabian. In einem Interview mit dem Modern Drummer Magazine sagte Robert: "Rumors have been fast and furious on the street as to details. To make a long, tedious story short and polite, Armand and Robert had different philosophies and styles of management and cymbal making." 23 11 Graigie ZILDJIAN (1948): Seit 1999 ist sie Geschäftsführerin der Avedis Zildjian Company. Graigie wird oft als erste Frau erwähnt, die die Zildjian Firma leitete.24 Doch bereits Kerope II hatte 10 Töchter, von denen drei (Akabi, Victoria, und Filor) Führungsaufgaben in der Zildjian Firma übernahmen. 12 Debbie ZILDJIAN: Debbie ist Vizepräsidentin der Avedis Zildjian Company. Ihr ist außerdem das Legierungsgeheimnis bekannt.25 19 Cady ZILDJIAN (1980): Sie ist seit 2007 bei Zildjian. Ihre Tochter Emilia leutete 2008 die 16. Generation der Zildjian-Familie ein. 17 Andy ZILDJIAN: Präsident von Sabian. Eigentlich ist Andy nur die Kurzform von Armand. Familienhistorisch korrekt hieße es Armand II. 22 activemusician.com 2013 Stern 1983, S 15 24 Pace 2002 25 zildjian.com 2013 23 19 Die Kerope-Linie 22 Kerope II (1829 - 1865): Kerope II übernahm die Firma 1865. Nach dem türkischen Wissenschaftler Pars TUGLACI, war es Kerope II und nicht Avedis II, der die Reisen nach Europa machte um die türkischen Becken zu vertreiben und bekannt zu machen. Er hatte 12 Kinder: 2 Buben und 10 Mädchen. Victoria, seine älteste Tochter war eine der wenigen Frauen, der das Legierungs-Geheimnis verraten wurde.26 Kerope II war es, nach dem später die K. Zildjian Linie benannt wurde. 23 Akabi ZILDJIAN (später DULGARYIAN) (?-?): Tochter von Kerope. Heiratete Gabriel DULGARYIAN.27 (Einige Quellen28, 29 bezeichnen Akabis Mann Mikhail und nicht Gabriel) Zusammen hatten sie zwei Söhne und eine Tochter: Mikhail, Kerope und Clementin. Beide Söhne arbeiteten im Familienbetrieb. Mikhail D. folgte Aram ZILDJIAN nach Bukarest, arbeitete dort in der Beckenfabrik und gibng mit neuem Wissen wieder zurück in Zildjian-Fabrik in Istanbul, die er dann gemeinsam mit Akabi leitete. 25 Filor ZILDJIAN: Filor heiratete Vahan YUZBASHIAN. Dieser leite auch einige Zeit die K. Zildjian Fabrik. Gemeinsam hatten sie einen Sohn der auch Vahan hieß.30 31 Vahan YUZBASHIAN: Als Sohn von Filor, arbeitete er auch in der Zildjian Firma mit.31 24 Victoria ZILDJIAN: Sie leitete um 1900 die K.Zildjian Firma. 32 27 Levon ZILDJIAN, Diran ZILDJIAN: Die einzigen beiden Söhne Keropes waren auch im Familienbetrieb involviert. Eigenartigerweise weiß man über sie aber nicht viel, im Vergleich zu den Töchtern. Nachfahren sind keine bekannt. Diran wusste auch über das Legierungsgeheimnis bescheid und gab es auch an seine Frau Hripsime weiter. 33 28 Mikhail ZILCAN (1906 - 1978): Also Sohn von Akabi ZILDJIAN und Gabriel DULGARYIAN hieß Mikhail natürlich auch DULGARIYAN mit Nachname. Mikhail übernhahm in den 20er Jahren die Fima von seinem Vater und änderte in erster Linie aus Prestige-Gründen den Namen.34 Zildjian war aufgrund des armenischen Suffix "-ian" zu dieser Zeit nicht mehr möglich. Darum entschied er sich für ZILCAN. Später folgte ein Patent-Streit mit Avedis, der die inzwischen sehr erfolgreiche "Avedis Zildjian 26 Pinksterboer 1993, S 142 Pinksterboer 1993, S 142 28 Stern 1983 29 Aldridge 1980 S 36 30 Cohan 1999, S 65, S 11 31 Pinksterboer 1993, S 142 32 O'Hara 2004, S 127 33 The Trade-mark reporter - Band 47 - Seite 602, United States Trademark Association 34 Pinksterboer 1993, S 143 27 20 Company" in Amerika führte. Seni Cousin Avedis hielt es für illegal das Mikhail den Namen Zildjian für die "K. Zildjian - Constantinople" Firma verwente ohne Zildjian zu heißen.35 Mikhail wurde die ganz genaue Beckenlegierungsformel nie gezeigt. Er reiste zu Aram nach Bukarest, aber dieser händigte sie ihm nicht aus. Jon COHAN schreibt, dass Mikhail in jungen Jahren das Legierungsgeheimnis von Kerope ausspionieren wollte. Angeblich schnitt er dazu ein Loch in die Fassade der Firma, um genau zu beobachten wie Kerope II die Legierung herstellt.36 Hinzufügen muss man, dass Mikhail 1906 geboren und Kerope II 1909 gestorben ist. Mikhail müsste also als er drei oder vier Jahre alt war, spioniert haben. Unwahrscheinlich. Mikhail nimmt auch deswegen so eine große Rolle in der Historie der Beckenproduktion ein, da er fast alle Beckenschmiede ausgebildet hat, die heute Firmenchefs verschiedener großen türkischen Beckenfirmen sind und die K. Zildjian Tradition fortführen. Agop TOMURCUK und Mehmet TAMTEGER sind wohl die bekanntesten. 29 Kerope ZILCAN (1914): Auch er ließ seinen Namen von DULGARYIAN auf ZILCAN ändern. Nach Mikhails Tod leitete er die K.Zildjian Firma. Nach der Auflösung der K.Zildjian Fabrik 1977, wurde Kerope von Robert Zildjian 1978 zu Sabian nach Kanada geholt. In der K. Zildjian Fabrik wurden bis zur Schließung alle Becken per Hand gefertigt und gehämmert. In den USA, bei der Avedis Zildjian Company und in Kanada, bei Sabian wurde die Produktion schon längst auf maschinelle Fertigung umgestellt. Nun wurde Kerope ZILCAN Entwickler der HH - Serie (Hand-Hammered) bei Sabian. 32 Gabriel "Gabe" ZILCAN (1941): Sohn von Kerope ZILCAN. Auch er ist bei der Firma Sabian als Inventory Control Manager tätig. 33 Mike ZILCAN: Sohn von Kerope ZILCAN. Laut einem Interview mit Andy ZILDJIAN, wurde er auch mit Kerope zusammen zu Sabian gebracht.37 Nicht nachweisbare Zildjian Familienmitglieder: Karekin ZILDJIAN: Mythen zufolge soll dieses Familienmitglied die Legierungsformel von Avedis III ausspioniert haben. 1907 soll er nach Mexiko-City gegangen sein, um dort eine eigene Becken-Fabrik aufzubauen. Bei einer Explosion im Schmelzraum soll sein Kopf abgerissen und der Körper in Bronze konserviert worden sein.38 35 Falzerano S 51 Cohan 1999, S 11 37 msretailer.com 2013 38 Pinksterboer 1993, S 141 36 21 Nachfolgefirmen in Istanbul Als die K. Zildjian Fabrik von der amerikanischen Avedis Zildjian Company 1977 aufgekauft wurde, und Mikhail ZILCAN mit seinen beiden Söhnen bei Sabian in Kanada anfing zu arbeiten, blieben andere Mitarbeiter in Istanbul zurück. Agop TOMURCUK und Mehmet TAMTEGER (Abb. 9) waren zwei Beckenschmiede, die in der K. Zildjian Fabrik unter Mikhail arbeiteten. 1981 wiedereröffneten sie die lehrstehende Fabrik. Zuerst unter dem Namen „Zildjiler“, dann unter dem Namen „Istanbul“. Bereits 1982 wurde wieder weltweit expandiert. 39 Da die Avedis Zildjian Company die K. Zildjian Marke gekauft hat, produzierte sie nun auch unter deren Name in den USA. Allerdings nicht per Hand-Hämmerung, wie es in der K. Zildjian Fabrik üblich war, sondern maschinell. Dies wirkte sich aber auch auf den Klang der Becken aus. Handgehämmerte Becken klingen durch ihre leicht unregelmäßige Hämmerung etwas dunkler. Besonders Jazz Schlagzeuger bevorzugen diesen Klang und greifen daher oft zu alten Ks, zur HH (HandHammerd) Serie von Sabian oder zu Becken von türkischen Produzenten. Als Agop TOMURCUK 1996 starb, gingen Mehmet und Agops Söhne Arman und Sarkis getrennte Wege. Es entstanden die beiden Firmen „Istanbul Mehmet“ und „Istanbul Agop“. Weitere erwähnenswerte türkische Nachfolgefirmen: Bosphorus Cymbals Bosphorus wurde 1996 von den Beckenschmieden Hasan SEKER, Ibrahim YAKICI and Hasan OZDEMIR gegründet. Alle drei lernten ihr Handwerk bei Mehmet TAMTEGER und Agop TOMURCUK. Masterwork Masterwork wurde 2002 von Beckenschmied Yucel ULUC gegründet. Samsun Cymbals Samsun Cymbals wurde 2006 von Mustafa DIRIL, einem ehemaligen Mitarbeiter von „Istanbul Cymbals“ gegründet. Es ist eine der wenigen türkischen Beckenfirmen, die ihren Sitz nicht in Istanbul haben. „Samsun Cymbals“ ist nach dem Ort in dem die Beckenschmiede liegt (Samsun) benannt. 39 Pinksterboer 1993, S 201 22 Murat Diril Cymbals: Murat DIRIL ist Inhaber der Firma„Murat Diril Cymbals“, die auch in Samsun stationiert ist.40 Impression: Impression wurde von vier Arbeitern, die zuerst bei Bosphorus gearbeitet haben, 2010 gegründet. Inhaber der Firma ist Kadri KAYAN. Im August 2012 besuchte ich die Firma "Istanbul Mehmet" im Stadtteil Esenyurt in Istanbul. Abbildung 9 zeigt mich (den Verfasser dieser Arbeit) und Mehmet TAMTEGER. Abbildung 10 zeigt Beckenhämmerer bei der Firma "Impression" Abb .9 [2012, von einer Mitarbeiterin der Firma "Istanbul Mehmet"] 40 muratdiril.com 2013 23 Abb.10 [2012, von Elmar BERGER] 24 Verwendung in der abendländischen Orchestermusik Janitscharenmusik (Mehter Takimi) Als Janitscharenmusik oder Mehter Takimi wurde die Feldmusikkapelle der Osmanen genannt. Sie hatte auch viele andere Namen wie Tablchane, Näwbetchane oder Tschalidji Mihterhan. 41 Die Begriffe "Janitscharenmusik", so wie "Mehter Takimi" gab es nicht wirklich. Der Begriff "Janitscharenmusik" wurde im Nachhinein in Europa verwendet. Genauso wurde der Begriff "Mehter Takimi" im Nachhinein von türkischen Wissenschaftern eingeführt. Laut Memo SCHACHINER müsste der Begriff historisch korrekt "Musik der Mihterchane" heißen. Bei den Osmanen wurde die Feldmusik dazu verwendet, um den Marschtakt vorzugeben. Sie wurde aber genauso bei Schlachten eingesetzt, um jeden einzelnen Soldaten mit der mitreißenden Musik zu motivieren. Außerdem wurden verschiedene Befehle, zum Beispiel ein Angriffsbefehl, durch die Musik ausgedrückt. Übernahme in die abendländische Musik Mitte bis Ende des 17. Jahrhunderts kamen die Becken in der großen gehämmerten Form, wie wir sie jetzt kennen, durch die osmanischen Belagerungen (im Volksmund: Türkenkriege) nach Westeuropa. (Erste Wiener Türkenbelagerung 1529; Zweite Wiener Türkenbelagerung 1683). Auch wenn die Feldmusik der Osmanen für Europäer nicht undbedingt wohlklingend war, war der Rhythmus, den dabei die Große Trommel zusammen mit den Becken spielte, unheimlich rhythmisierend. In der Kunstmusik und vor allem auch in den europäischen Militärmusiken, wurden später osmanische Schlaginstrumente übernommen. In der Wiener Klassik wurde "türkisches Schlagwerk" dann verwendet, wenn es um ein orientalisches Sujet ging. Zum Beispiel bei Wolfgang Amadeus MOZARTs Oper Die Entführung aus dem Serail. Große Trommel, Becken und Triangel galten als "türkischen Instrumente". Tatsächlich ist die Triangel aber kein türkisches Intrument und wurde auch nicht von der Feldmusik der Osmanen mitgebracht. Durch den zeitlichen Abstand der Türkenbelagerung zur Wiener Klassik, hatte man die Instrumente wahrscheinlich falsch in Erinnerung. Auch muss festgehalten werden, dass zwischen der zweiten Türkenbelagerung und der Wiener Klassik fast 100 Jahre liegen. Deswegen war das was in der Wiener 41 Schachiner 2007, S 12 25 Klassik als türkische Musik galt, reines Gedankengut des Komponisten und hat meistens gar nichts mit echter türkischer Musik zu tun. Einzig und allein das Schlaginstrumentenduo große Trommel und Becken waren tatsächliche Instrumente der Osmanen. Memo SCHACHINER, ein türkischstämmiger Wiener Musikwissenschaftler schreibt dazu: "Wir wissen, dass zur zweiten Wienbelagerung weder Haydn noch Mozart geboren waren. Etwa 80 Jahre nach der zweiten Belagerung wurde Wien das "Zentrum" der "Janitscharenmusik" oder der ‚Türkischen Musik‘. Wenn die Instrumente der Mihterhane nach der zweiten Wienbelagerung, nicht wie seit 1938 von Panoff weltweit fleißig abgeschrieben wurde, von der europäischen, vor allem habsburgerischen Kapellen die aus europäischen Kollonien deportierten Schwarzafrikaner waren, wie kam die ‚türkische Janitscharenmusik‘ nach Wien? Türkische Musik oder Janitscharenmusik war im deutschsprachigen Raum die Bezeichnung für eine musikalische Modeströmung des 18. Jahrhunderts und hatte weder mit den "Türken" noch mit den ‚Janitscharen‘ etwas zu tun." 42 Eine direkte Beeinflussung der Feldmusik der Osmanen auf die europäische Kunst- und Militärmusik hat es nicht gegeben. So lässt sich auch erklären, dass Triangel und Schellenbaum es geschafft haben als vermeintlich türkisches Instrumentarium in die Orchester- und Militärmusik aufgenommen zu werden. Türkische Becken, die zur Zeit der Türkenkriege in den Janitscharenmusiken verwendet wurden, sahen laut einem Kupferstich so aus: 42 Schachiner 2007, S 112 26 Abb. 9: "Die Becken" Kupferstich von Luigi Ferdinand MARSIGLI. aus "Stato militare dell´imperio ottomano", Parte Seconda, Planche XVIII, Amsterdam 1732 In der abendländischen Kunstmusik kamen Becken erstmals bei folgenden Werken vor. Jean Baptiste LULLY: Le Bourgois Gentilhomme (1670)43 Nicolaus Adam STRUNGK: Esther (1680)44 Reinhard KEISER: Claudius (1703)45 André-Ernest-Modeste GRÉTRYS: La fausse Magie (1775)46 Christoph Willibald GLUCK: Iphigenie auf Tauris (1779)47 Wolfang Amadeus MOZART: Die Entführung aus dem Serail (1782) Joseph HAYDN: Symphonie Nr. 100 (Militärsymphonie) (1794) Ludwig van BEETHOVEN: "Die Ruinen von Athen" (1812)48 Ludwig van BEETHOVEN "9. Symphonie" (1824)49 Notenbeispiele dazu befinden sich im Anhang: Man sieht, dass alle drei Wiener Klassiker türkisches Schlagwerk in ihren Werken zitieren. Wolfgang Amadeus MOZARTs Oper "Die Entführung aus dem Serail" von 1782 ist wohl das bekannteste Werk, in dem die vermeintliche Janitscharenmusik verarbeitet wurde. Die Handlung dreht sich hauptsächlich um den stereotypen komisch-bösen Türken, das auch durch die Musik verstärkt zum Ausdruck gebracht wird. 43 Schachiner 2007, S 74 Peinkofer 1981, S 132 45 Peinkofer 1981, S 132 46 Briner 1988, S 518 47 Blades 1981, Bd. 5, S 114 48 Blades 1981, Bd. 5, S 114 49 Blades 1981, Bd. 5, S 114 44 27 Anhang A1 , Iphigenie auf Tauris, Christoph Willibald GLUCK, 1779 Hg. Gerhard CROLL, "Sämtliche Werke", Abteilung 1: Musikdramen, Band 11, Kassel, 1965, S 75 28 A2 Die Entführung aus dem Serail, Wolgang Amadeus MOZART, 1782 Hg. Edwin F. KALMUS, "Miniature Orchestra Scores No. 418", Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1910, reprinted 1933, S 1 29 A3 Symphonie Nr. 100 (Militärsymphonie), Joseph HAYDN (1794) Philharmonia Partituren, Wien, 1982, S 200 30 A4 Symphonie IX, Ludvig van BEETHOVEN, 1824 Philharmonia Partituren, Wien, 1982, S 199 31 Literatur James BLADES, The New Grove dictionary of music and musicians, second edition, Hg.: Stanley SADIE, reprinted with minor corr., London 1981 James BLADES, Artikel: Cymbals, Grove Music Online, The New Grove Dictionary of Jazz, 2nd edition, Zugriff 13.01.2013 Ermanno BRINER, Reclams Musikinstrumentenführer, Stuttgart , 1988 Jon COHAN, Zildjian: "A History of the Legendary Cymbal Makers", 1999 James HOLLAND, Das Schlagzeug, 1983, S 105 Eric PACE, New York Times 31.Dez 02, Artikel "Armand Zildjian, 81, Head Of Family of Cymbal Makers" , New York, 2002 Hugo PINKSTERBOER, The Cymbal Book, Milwaukee, 1993 Karl PEINKOFER, Handbuch des Schlagzeugs, 2. Auflage, Mainz, 1981 Wolfgang RUF, Lexikon Musikinstrumente, Mannheim 1991 Memo SCHACHINER, Janitschareninstrumente und Europa, 2007 Chip STERN, Modern Drummer Magazine 11/83, Artikel Inside Sabian, New Jersey, 1983 William T. O'HARA, Centuries of Success: Lessons from the World's Most Enduring Family Business, Kapitel 9: Avedis Zildjian Company, Avon, 2004 http://de.wikipedia.org/wiki/Hornbostel-Sachs-Systematik; Zugriff: 12.01.2013 http://www.activemusician.com/Zildjian-History--t2i193, Zugriff: 10.01.2013 http://www.msretailer.com/msr/andy-zildjian/, Zugriff: 10.01.2013 http://www.muratdiril.com/about-us-murat-diril-cymbals.html, Zugriff 15.01.2013 32