Jim Morrison, der Poet

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SÜDWESTRUNDFUNK
ABTEILUNG
Literatur
Telefon: 3121
aktualisierte Fassung vom:
24.01.2007
AutorIn:
RedakteurIn:
Regie:
Egon Koch
Walter Filz
Egon Koch
Tod, alter Freund
Jim Morrison, der Poet
Studiobelegung: 12.02.-15.02.07, 16.45 – 24.00 Uhr, Studio 5
Sendung am:
27.02.2007, 20.03 Uhr
Rollen/Sprecher:
Erzählerin
Isabella Bartdorff 17 – 18 Uhr
Zitator 1
Torsten Sense 21 – 23 Uhr, Berlin
Zitator 2
Übersetzer
Florian von Manteuffel 18 – 18.30
Jochen Nix 19 – 21 Uhr
Uh
Kostenstellennummer:
Produktionsnummer:
Archivnummer(n):
Zitator 2:
Würden die Pforten der Wahrnehmung gereinigt,
Erschiene den Menschen alles, wie es ist: unendlich.
- William Blake
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
Wirkliche Poesie (…) hilft (…) den Möglichkeiten auf die Sprünge,
öffnet alle Türen. Man kann durch jede gehen, die einem passt.
… und darum sprechen Gedichte mich so sehr an – weil sie für
die Ewigkeit sind. – Jim Morrison
Musik 1: Doors - Newborn awakening
(aus “An American Prayer” - Instrumental, bis 0’29’’)
Ansage:
„Tod, alter Freund“
Jim Morrison – Rockstar und Poet
Von Egon Koch
Atmo 1: Tür öffnen, 17 Rue Beautreillis
Über Atmo:
Erzählerin:
17 Rue Beautreillis in Paris. Letzter Wohnort von Jim Morrison.
O-Ton 1: Phil Steele
Beautreillis is in the Marais, on the other side of the Isle St. Louis from
Saint-Germain-des Près. And it was a beautiful building with a
baroque sculptured entrance over a huge green wooden door, probably
from the 1865, 1870 Empire époque. (leichtes Lachen) The funny thing
3
is, there was this guy with a beard and an army jacket living in this
Bourgeois building.
Übersetzer:
Die Rue Beautreillis liegt im Marais. Die Nummer 17 ist ein
schönes Gebäude mit einem barocken Eingangsbogen über einer
großen grünen Holztür, wahrscheinlich aus dem Jahr 1870, aus
der Zeit des „Empire". Komisch daran ist, dass dieser Typ mit
einem Bart und einer Armeejacke in diesem bürgerlichen
Gebäude lebte.
Zitator 1: (aus “Wildnis”)
Funny, / I keep expecting a / knock on the door …
Komisch,
ich erwarte dauernd ein
Pochen an der Tür
Tja, das hast du davon
wenn du bei den Menschen
lebst
Atmo 2: Klopfen an Tür der Concierge, 17 rue de Beautreillis
Über Atmo:
Zitator 1: (aus “Wildnis”)
A Knock? Would shatter / my dreams’ illusions …
Ein Pochen? Würde meiner Träume
Illusionen, Haltung
& Fassung zerstören
Das Bemühen eines armen Poeten
sich herauszuhalten aus den Fängen
der Romane & Glücksspiele
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& des Journalismus
Atmo 3: Schlüssel drehen, Öffnen der Tür Concierge
O-Ton 2: Concierge
Mann: Bonjour.
Concierge: Bonjour monsieur.
Mann: Vous-etes la gardienne?
Concierge: Mais oui.
Atmo 4: Eingang 17 Rue Beautreillis
Über Atmo:
Erzählerin:
Fünf Jahre nach Jim Morrisons Tod kam die Concierge in das
Haus. Sie hat den Rockstar nicht kennen gelernt, nur gehört, er
habe drei Monate im dritten Stock gewohnt und sei 1971 dort
gestorben.
O-Ton 3: Concierge
Je n’ai pas connu. Mais j’entend parlez qu’il es mort la, c’est tout. (…)
Con je n’il pas connu (leichtes Lachen) On voit a la télé … par de fois.
(…) Il est plus vieux comme moi, il va avoir 60 ans par la, c’était un
bon vivant, 60, 65 a peu près. Parce que moi je suis venue 77, il est
mort 71. Mois je suis venue 5 ans après qu’il était mort. (Geräusch
Türöffner) Mais il était la seulement trois moins, il habitait seulement
trois moins ici.
Erzählerin:
Philip Steele, Musiker und Komponist, weiß mehr. Er ist Jim
Morrison in Paris begegnet. Nach Morrisons Tod hat er mit
seinem Rocksong „Beautiful Jim“ einen Hit gehabt und kürzlich
ein Buch über dessen letzten Tage geschrieben: „City of Light“.
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O-Ton 4: Phil Steele
The apartment, (…) he was subletting it from an actress model named
ZoZo Larivière. (…) Definitely a bourgeois apartment with three
bedrooms, so we are talking of a big flat, a big living room. And you
know, for someone in the mid-twenties in Paris who was in a Rock
band and of no one would have anything like that. (…) In a Quartier, in
an upper class Quartier, which is the Marais, near the Place des
Vosges.
Übersetzer:
Die Wohnung hat er vom Fotomodell ZoZo Larivière gemietet.
Eine bürgerliche Wohnung mit drei Schlafzimmern und einem
großen Wohnzimmer. Keiner in Paris, der mit Mitte zwanzig in
einer Rockgruppe war, hätte so eine Wohnung gehabt - in einem
Viertel der Oberschicht, dem Marais, in der Nähe der Place des
Vosges.
Atmo 2: Klopfen an Tür der Concierge, 17 rue de Beautreillis
Musik 2: Doors – The Soft Parade
(0’33’’ – 1’31’’) Can you give me sanctuary …
Zitator 1: (aus „The American Night“)
Kannst du mir eine Zufluchtsstätte geben
Ein Versteck muss ich finden
Ein Versteck für mich
Kannst du mir freundliches Asyl besorgen
Ich schaff es einfach nicht mehr
Der Mann ist schon an der Tür
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O-Ton 5: Phil Steele
He was in a low ebb, he was in between the end of the Doors and the
beginning of something else. (Lachen) (…) And sure enough he was at
the bottom (…) and being at the bottom made him depressed and so he
drank more, he was lost, he didn’t know where he was going, he lost
his confidence, he didn’t know if he could write anymore. He was
definitely at the bottom and he died at the bottom.
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Übersetzer:
Er war schwer heruntergekommen. Er war in einer Phase
zwischen den „Doors“ und von etwas neuem. Er war sicherlich
am Tiefpunkt. Und am Tiefpunkt zu sein, deprimierte ihn und so
trank er mehr. Er war verloren, er wusste nicht, wie es weiter
gehen sollte. Er verlor seine Zuversicht, er wusste nicht, ob er
noch schreiben könnte. Er war bestimmt am Tiefpunkt, und er
starb am Tiefpunkt.
Erzählerin:
„Der höchste und der tiefste Punkt“, sagte Jim Morrison, „das
sind die wirklich bedeutsamen Momente“. Sein Versuch, in Paris
und in der Poesie eine Zuflucht zu finden, scheitert. Seine
Todesahnung wird wahr. Der Mann an der Tür tritt ein und setzt
Jim Morrison in der Badewanne ein Ende.
O-Ton 6: Phil Steele
Just to be in the flat is a weird feeling, but to peek in the bathroom to
see where he died is even more emotional. (…) On the 3rd of July he
died of an overdose apparently, but in the press they said official
reason was heart attack. But the buzz what was going around was he
owe deed. Anyway I was deeply saddened because I very much looked
up to him, he was one of my idols.
Übersetzer:
Es ist schon ein unheimliches Gefühl, in der Wohnung zu sein,
aber in das Badezimmer zu gucken und zu sehen, wo er starb,
ist noch unheimlicher. Er starb am 3. Juli 1971 offenbar an
einer Überdosis, aber die Presse berichtete, die offizielle
Todesursache sei Herzversagen. Ich war tief betrübt, weil ich zu
ihm aufgeschaut habe, er war eines meiner Idole.
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Atmo 5: Schließen Tür 17 Rue Beautreillis
Atmo 6: Rue Beautreillis
Über Atmo:
Musik 3: Doors – Whiskey, Mystics & Men (Essential Rarities) /
Morrison – Whiskey, Mystics & Men (Lost Paris Tapes, 8’36’’ –
10’21’’)
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
Also, ich erzähl dir eine Geschichte vom Whiskey
& von Mystikern & Männern
Und von den Gläubigen & wie die
ganze Sache begann
Erzählerin:
Auf der anderen Seite der schmalen Rue Beautreillis isst und
trinkt Jim Morrison manches Mal im Restaurant mit den blauen
Markisen. Nach seinem Tod treffen sich hier jahrelang seine
Fans. An jedem 3. Juli, seinem Todestag. An jedem 8. Dezember,
seinem Geburtstag. Das ist vorbei. Das Restaurant heißt heute
nicht mehr „Le Beautreillis“, sondern „Le Dindon en Laisse“. Der
jetzige Wirt will nichts vom Sänger der „Doors“ wissen. Er mag
die Beatles.
O-Ton 7: Wirt Restaurant „Le Dindon en Laisse“, „Ex Le
Beautreillis“
Il y a rien la. Il habitait trois semaines ici. Il n’est pas mort ici.
(Stühleklappern, Stimmen) (…) Pour Jim Morrison je pense plus rien.
J’en est mars sur ses tout les jours. (…) J’ai rien, j’aime les Beatles. Je
ne veux plus Morrison.
Atmo 6: Rue Beautreillis
Über Atmo:
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Musik 3: Doors – Whiskey, Mystics & Men (Essential Rarities) /
Morrison – Whiskey, Mystics & Men (Lost Paris Tapes, 8’36’’ –
10’21’’)
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
Das ist es, kapierst du nicht
Dass wir alle unser Ende in der Band haben
Und wenn alle Lehrer & Prediger
Des Reichtums zur Rechenschaft
gezogen würden
Könnten wir eine tolle Zukunft
für mich im Buchstabensand sehen
Atmo 7: Vins des Pyrenées
Über Atmo:
Erzählerin:
„Vins des Pyrenées“, das Restaurant mit den roten Markisen in
der Rue de Beautreillis. Im Jahr 1971 ist es noch ein
Weingeschäft und im Kellergewölbe lagert der Wein in Fässern.
An der Marmortheke kippt Jim Morrison gerne ein paar Gläser.
Der Wirt meint, des öfteren in Begleitung eines bekannten
Drogendealers.
O-Ton 8: Wirt „Vins des Pyrenées
(Frau: Jim Morrison. Mann: Oui, Jim Morrison. Il a venait de boire ici.
(…) On avait des grands cuves a boit. I a venait la sur ce bar. (…) Il
viennent tout le temps la sur boire du blanc. (…) Il a venait souvent
aven a gay qui s’appelle Chinois. Le Chinois c’était le dealer des stars à
l’époque sur Paris. (…) C’était un cave avant. Et les gens à l’époque
venais chercher leurs vins pour le remonter à leur maison en bouteille
et tout le monde ont se servais.
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Musik 3: Doors – Whiskey, Mystics & Men (Essential Rarities) /
Morrison – Whiskey, Mystics & Men (Lost Paris Tapes, 8’36’’ –
10’21’’)
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
Drum sage ich euch
Sage ich euch
Sage ich euch
Wir müssen hier weg
Wir müssen versuchen, eine Antwort
zu finden statt
Einen Weg
Atmo 1: Tür öffnen
Atmo 8: Hotel George V
Über Atmo 8:
Erzählerin:
Mit 27 Jahren hat Jim Morrison sein Image als Rockidol satt. Er
verlässt die „Doors“ und Los Angeles. Eine Antwort will er auf die
Fragen des Lebens finden: als Dichter und Filmemacher. Am 11.
März 1971 folgt er seiner Freundin Pamela nach Paris. Bevor sie
in das Marais ziehen, kommen sie nahe der Champs Elysées im
luxuriösen Hotel „George V“ unter.
Atmo 8: Hotel George V
Über Atmo:
O-Ton 9: Phil Steele
He was a very down to earth artist, mentality definitely the Bohemian
type, but kept leading by the hand from one 5 Star hotel to another
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(…), by his bourgeois girlfriend, it seems, keeping him in comfort while
at the same time he probably didn’t care where the hell he lived.
Übersetzer:
Als Künstler stand er mit beiden Beinen auf der Erde. Sicher war
er vom Kopf her ein „Bohemien“, aber er wurde andauernd von
seiner bürgerlichen Freundin von einem 5 Sternehotel zum
anderen geschleppt, während es ihm wahrscheinlich vollkommen
egal war, wo er lebte.
Atmo 9: Hotel George V, Managerin
Über Atmo:
Erzählerin:
Die Managerin kann nichts zu Morrisons Aufenthalt im Hotel
sagen. Vor einigen Jahren hat das „George V“ seinen Besitzer
gewechselt. Es gehört jetzt zur Hotelkette „Four Seasons“. Am
Rand der Eingangshalle schauen betuchte amerikanische
Touristen die Glasvitrinen an. Sie sind gefüllt mit Handtaschen
und Accessoires von Pariser Designern. Kein Foto, keine Spur
von Jim Morrison. Warum hat er sich gerade Paris zum
Neuanfang ausgesucht, wo er doch kein Wort französisch
spricht? - Der „Doors“-Fan Gernot W. Freudenberger.
O-Ton 10: Gernot W. Freudenberger
Ich glaube, dass er nach Paris ganz bewusst gegangen ist, weil er, wie
er gsagt hat, Paris immer für eine Stadt gehalten hat der Lyrik, der
Künstler. (…) Unn das muss ihm unheimlich imponiert haben, diese
ganze Metropole. (…) Ich glaube, dass er das in Paris gesucht hat, was
er in Amerika und auf den ganzen Touren nicht mehr gefunden hat,
ich glaub, dass Paris für ihn ein Ort der Ruhe war unn (…) er wollte
sein Leben einfach ändern.
O-Ton 11: Phil Steele
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On his first trip to Paris, even before he moved there, I think he saw
the potential that Paris had for him, to be an American expatriate in
lineage of Hemingway, Fitzgerald, of this person wandering around,
feeding vibes (…) of the energy of how this could help you to create and
how Paris is laid out and build and geared for people to sit in Cafés,
the whole Café society thing.
Übersetzer:
Auf seiner ersten Reise nach Paris, noch bevor er dort hingezogen
ist, hat er die Möglichkeit gesehen, die ihm Paris bot: Als
amerikanischer Exilant in die Fußstapfen von Hemingway und
Fitzgerald zu treten, die Schwingungen zu verspüren, die ihm
helfen könnten, schöpferisch zu sein. Und er sah, wie Paris für
Menschen dazu geschaffen ist, in Cafés zu sitzen - die ganze
Caféhauskultur.
Atmo 10: Tür öffnen Hotel Medicis
(Straße, quietschende Tür, Hämmern …)
Über Atmo:
Erzählerin:
Im Sommer 1970 hält sich Jim Morrison bereits einige Wochen
in Paris auf. Im Viertel von Panthéon, Sorbonne und Jardin du
Luxembourg in der Rue St. Jacques. Die braune Tür neben
einem Haushaltswarengeschäft führt in das schlichte „Hotel de
Medicis“. Jim Morrison habe zwei Flaschen Whiskey am Tag
getrunken, erinnert sich der Hotelier. Und daran, dass er seine
Lederhosen und Rüschenhemden beim Auszug im Hotelzimmer
zurück gelassen habe. – Häutungen, als wollte Jim Morrison
bereits damals sein Image als Rockstar ablegen.
O-Ton 12: Besitzer Hotel Medicis
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(Aufschließen Tür) (…) Comme il est parti il a laissé toutes ses affaires
dedans. (…) Le pantalon a cuire, le chemise a cher beaux . (…) Il a
buvée deux bouteille Scotch par jour, enfin de Whiskey. (…) deux
bouteille par jour, c’est comme même impressionnant.
Atmo 11: Tür schließen Hotel Medicis
(quietschende Tür, Straße, Hämmern …)
Atmo 1: Tür öffnen.
Atmo 12: Aux Temps des Cerises
Musik 4: Phil Steele/Phil Trainer - Beautiful Jim
Über Atmo/Musik:
O- Ton 13: Phil Steele
I had a hit in Europe called “Beautiful Jim”. I was inspired writing a
song about meeting him in March of 71. At the end of March he was in
a Bistro in Saint-Germain-des-Pres. (…)
This was the night after the gig with my band CLINIC in the Bill Bo K
Club. (…) We were in this Café, futuristic “L’Astrocet”, like something
out of Star Trek and this guy with the military jacket and the beard
was sitting in the corner, behind a beer. And (…) we sat at a table and
(…) this guy in the corner probably heard us speak American. And
something that he wasn’t really known for doing, namely started
talking to people in Bars unless he was completely drunk, he came
over to us and asked if he could sit down. And we didn’t know who he
was, we had no idea in fact, because at that time he still had his beard.
(…) So we just drank beers, he was on whiskey and beer, chasers. (…)
But he was very transparent, very invisible, very anonymous, just like
he wanted to be.
Übersetzer:
In Europa hatte ich mit dem Song "Beautiful Jim" einen Hit. Die
Begegnung mit ihm im März 71 hat mich dazu inspiriert, den
Song zu schreiben. Ende März war er in einem Bistro in SaintGermain-des-Près. In der Nacht nach dem Auftritt meiner Band
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CLINIC im Bill Bo K Club gingen wir in dieses futuristische, wie
aus „Star Trek“ stammende Café "L'Astrocet" und dieser Typ mit
der Militärjacke und dem Bart saß in der Ecke vor einem Bier.
Wir saßen am Tisch und er hörte wahrscheinlich, wie wir uns auf
amerikanisch unterhielten. Und er tat etwas für ihn
ungewöhnliches, außer wenn er völlig betrunken war: Er kam zu
uns und fragte, ob er sich setzen könnte. Wir wussten nicht, wer
er war. In dieser Zeit trug er noch seinen Bart. So tranken wir
einfach einige Biere zusammen, er trank Whiskey im Bier,
„Chasers“. Er machte einen sehr dünnhäutigen, sehr
unscheinbaren und unauffälligen Eindruck, genau so wie er sein
wollte.
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
Fence my sacred fire …
Umfriede mein heiliges Feuer
Ich will. Einfach sein, schwarz & rein
Ein trübes Nichts
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O-Ton 14: Phil Steele
I was starting to put two and two together and looked behind the beard
and I kind of suspected that this was him. So finally I just popped in
the question: “Are you Jim Morrison?” (leichtes Lachen) And he said:
“Yeah” (Lachen) And so just as simple as that. I mean he was a very
locky individual, he did not come off as a Rock star or flaming Rock’n
Roll singer or whatever, he came across as a very quiet nondescript
American (…) and didn’t really wanna talk too much about the whole
meteoric Rock’n Roll scene that he lived through for five years. (…) That
was the scene meeting him at the Café and drinking, getting drunk and
playing a little bit of Blues …
Übersetzer:
Ich fing an, eins und eins zusammenzuzählen, schaute hinter
den Bart und ahnte, dass er es war. Schließlich platzte ich mit
der Frage heraus: "Bist du Jim Morrison?" Und er sagte: "Ja". So
einfach war das. Er war ein sehr verschlossener Mensch, er kam
nicht rüber wie ein Rockstar oder toller Rock'n Roll Sänger,
sondern als ein sehr ruhiger, unbescholtener Amerikaner. Über
die ganze spektakuläre Rock'n Roll-Szene, in der er seit fünf
Jahren lebte, wollte er nicht wirklich reden. So war es, als ich
ihm im Café begegnete: wir betranken uns und spielten ein
bisschen Blues.
Atmo 12: Aux Temps des Cerises
Musik 5: Gesang Morrison – Orange County Suite
(aus “Lost Paris Tapes”, erste Strophe, ab 42’32’’: Well I used to know
someone fair …)
über Atmo/Musik:
Zitator 1: (aus „The American Night“)
Also, ich kannte mal ne Hübsche
Sie trug orange Bänder im Haar
Sie war so ausgeflippt
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Sie war kaum da
Aber ich liebte sie
Trotzdem
Erzählerin:
Die Ballade „Orange County Suite“ ist ein Lieblingsstück von Jim
Morrison. Er hat es, wie auch seine Gedichtsammlungen „Die
neuen Geschöpfe“ und „The American Night“, Pamela Susan
gewidmet. In „Orange County Suite“ macht er seiner
„kosmischen Gefährtin“ die größte Liebeserklärung als Dichter:
„Wir lernten sprechen“.
Musik 6: Doors - Orange County Suite (auf “Essential Rarities)
(2. Strophe: “There was rain in our window …”)
O-Ton 15: Phil Steel
By around four, four thirty, the other guys of my band left, so we …
were starting talking more personal things, like, you know, his love life,
(Lachen) and everything I always wanted to ask him and never, you
know, had the chance to. So … what he was into, what he wanted to
do, basically leave music and get into poetry, this is what he said, so
he wanted to be known as a poet. And not many people knew at that
time that he was in poetry, they were still in “Light my fire”. (leichtes
Lachen)
Übersetzer:
Als die anderen Mitglieder meiner Band gegen vier Uhr dreißig
gegangen waren, fingen wir an, über persönlichere Dinge zu
reden, über sein Liebesleben und alles, was ich schon immer mal
wissen wollte. Im Grunde wollte er mit der Musik aufhören und
sich mit Dichtung beschäftigen. Das hat er gesagt. Er wollte als
16
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Dichter bekannt werden. Nicht viele Menschen wussten zu der
Zeit, dass er Gedichte schrieb, sie waren noch bei "Light my fire".
Atmo 12: Aux Temps des Cerises
über Atmo:
Zitator 1: (aus “Wildnis”)
Why do I drink?
So that I can write poetry …
Warum trinke ich?
Damit ich Gedichte schreiben kann.
Manchmal, wenn sich alles dreht
und alles Hässliche in tiefen Schlaf
verfällt
Kommt eine Erleuchtung
und alles Verbliebene ist wahr.
Je mehr der Körper zerstört wird
desto stärker ist der Geist.
Verzeih mir Vater, denn ich weiß,
was ich tue.
Ich möchte das letzte Gedicht
des letzten Dichters hören.
Erzählerin:
Luzia Braun, Fernsehmoderatorin und Jim Morrison Verehrerin.
O-Ton 16: Luzia Braun
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Ich kann mir vorstellen, dass der Wunsch nach Anerkennung als Dichter bei ihm sehr groß war, dass es aber auch nicht einfach für ihn war,
sich von diesem Starimage zu verabschieden, weil ich schon glaube,
dass es auch ungeheuerlich sein muss für einen 25-jährigen, 26jährigen derart umjubelt, begehrt zu sein von einem Publikum, das ihn
heiß liebt, ja und zu sagen, das lasse ich alles hinter mir, den schnöden Ruhm und ich werde jetzt Dichter im Elfenbeinturm und zieh mich
ganz zurück und möchte nur der Qualität meiner Worte (…) verehrt
werden.
Zitator 1: (aus “Wildnis”)
As I look back / over my life …
Wenn ich zurückschaue
Auf mein Leben
Fallen mir Postkarten ein
Verblichene Schnappschüsse
Verblasste Poster
Aus einer Zeit, die mir entfallen ist
(…)
Schallplattenmachen
Elvis hatte, was Sex betrifft
Mit 19 eine reife Stimme.
Meine hat immer noch das
Näselnde Winseln eines
Unterdrückten Halbwüchsigen
Minderwertiges Gequiek & Geschrei
Ein interessanter Sänger
Bestenfalls – eine Lachnummer
Oder ein Schmachtbolzen. Nichts
dazwischen.
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Musik 7: Doors – When the music’s over
(Anfang: … 0’23’’ Yeah … 1’03’’ When the music’s over …)
O-Ton 17: Phil Steel
I didn’t know if he (…) is in poetry or whether this was his way of
saying: I don’t have a voice anymore and I can’t sing, so I have to say
my poetry over the music in the background. (…) was it because he
couldn’t sing anymore, was it because he was burnt out so he went
into poetry as a last resort or was he interested in poetry and thought
it was a higher art form as rock music, so I think it was a little bit of all
those actually. But being cynical about it all I can think of, that he was
lucky that he was in poetry because it … looked like his musical days
were over.
Übersetzer:
Ich wusste nicht, ob er sich mit Dichtung beschäftigte oder ob er
damit sagen wollte: Ich habe keine Stimme mehr, ich kann nicht
mehr singen und muss meine Gedichte sprechen. Dichtete er,
weil er nicht mehr singen konnte? Oder weil er ausgebrannt war
und in der Dichtung einen letzten Ausweg sah? Oder war er
interessiert an der Dichtung, weil er dachte, dass sie eine höhere
Kunstform als Rock ist? Ich denke, es war wirklich ein kleines
bisschen von allem. Aber um zynisch zu sein: Er konnte von
Glück sagen, dass er Gedichte schrieb, weil es danach aussah,
als seien seine Tage als Musiker vorbei.
Musik 7: Doors – When the music’s over
(9’34’’ – 10’54’’: “So when the music’s over … the end”
Atmo 1: Tür öffnen
Atmo 13: Place des Vosges
Über Atmo:
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Zitator 1 (aus “The American Night” – “Paris Journal”)
A small & undiscover’d / park – we ramble …
Ein kleiner & noch unentdeckter
Park – wir quasseln
Und die Plakate schreien
gefahrlose Revolte
& die müden Mauern fallen
kahl, Graffiti werden zu
trockenem Mörtel Sand
ein überfüttertes Vakuum
Staub-Uhr
O-Ton 18: Phil Steele
His favored place in Paris was the Place des Vosges, which is a very
beautiful place designed by Louis … thirteenth and his queen. … It’s
completely symmetrical, surrounded by symmetrical archways that
surround a central park with manicured gardens and … one fountain
in each corner. (…) And Victor Hugo lived just across the street in one
of the buildings above the archways. And Jim used to like to go there
and write, just feeding off the beauty of the place. It’s esthetically a
courageous place to sit and think.
Übersetzer:
Sein Lieblingsplatz in Paris war die Place des Vosges, ein sehr
schöner, von Louis dem Dreizehnten und seiner Königin
angelegter Platz. Er ist völlig symmetrisch, ein Park mit
gepflegten Gärten und einem Brunnen an jeder Ecke und
umgeben von symmetrischen Bogengängen. Victor Hugo lebte in
einem der Gebäude über den Arkadengängen. Jim ging gerne
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dorthin, um zu schreiben und die Schönheit des Platzes in sich
aufzusaugen. Von seiner Ästhetik her lädt einen der Platz zum
Sitzen und Nachdenken ein.
Atmo 13: Place des Vosges
Über Atmo:
Erzählerin:
James Douglas Morrison, als Dichter möchte er mit seinem
vollen Namen in Erscheinung treten, schaut in Paris auf seinen
Lebensweg zurück.
Zitator 1: (aus «Wildnis»)
Ich bin Schotte, wie man
mir sagt. Eigentlich
Erbe von OffenbarungsChristen
Schlange im Tal
Kind einer
Soldatenfamilie …
O-Ton 19: Gernot W. Freudenberger
Er kam aus einem Elternhaus, der Vater war Admiral bei der
amerikanischen Marine und es war ein unheimlich konservatives
Elternhaus mit ner sehr strengen Erziehung unn entscheidend nach
ihm, was er immer so erzählt hat, als er so vier Jahre alt war und sie
haben eine Fahrt durch die Wüste unternommen, als sie irgendjemand
besuchen wollten, und sie kamen an so einem Autounfall vorbei, wo
ein Druck mit Indianern einen Unfall hatte unn ein Indianer auf der
Erde lag, der am Sterben war.
Musik 8: Doors – Newborn awakening
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(aus „An American Prayer“; 0’28’’ – 0’41’’: Indians scattered on dawn’s
highway … / Alternative “Lost Paris Tapes”, ab 4’19’’)
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
Indianer verstreut auf dem Highway
Der Dämmerung blutend.
Geister bedrängen den zerbrechlichen
Eierschalenkopf des kleinen Kindes
O-Ton 20: Gernot W. Freudenberger
Jim Morrison hat immer gsagt, dieser Indianer hat ihn angschaut, „als
er gstorben ist, ist dieser Geist des Indianers in meine Seele
eingetaucht“. Unn er hat’s auch später immer wieder beschrieben, dass
das eigentlich der ausschlaggebende Punkt war, sein Leben zu ändern,
obwohl er damals erst vier Jahre alt gewesen ist. Aber er hat immer
behauptet, da iss irgendwas mit ihm passiert, dass er sein ganzes
Leben lang nicht vergessen hat.
Atmo 14: Place des Vosges - Fontäne
Musik 9: Doors – Riders on the Storm
(Instrumental, bis 0’44’’)
Über Atmo/Musik:
Zitator 1: (aus „The American Night“ – Paris Journal)
I remember freeways …
Ich erinnere mich an Freeways
Sommer, neben dir
Ozean – Bruder
Stürme, die vorüberziehen
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Gewitterblitze in der Nacht
„Regen, Nacht, Niedergeschlagenheit –
die Rücklichter von Lieferwagen“
(…)
Ein altes & billiges Hotel
mit Pennern im Foyer
vornehme Penner, zufrieden mit der
Armut
Gegenüber ein
berühmter Billard-Salon
wo die Schauspieler sich treffen
früher mal Spitze – Zuhause von
Beat-Musikern
Beat-Dichtern & BeatWanderern
Über Atmo:
Erzählerin:
1957 verschlingt der 14jährige Jim Morrison „On the Road“ von
Jack Kerouac. Das literarische Manifest der Beat-Generation
beeinflusst sein Leben.
Zitator 2:
Die einzigen Menschen sind für mich die Verrückten, die
verrückt sind aufs Leben, verrückt aufs Reden, verrückt auf
Erlösung, voll Gier auf alles zugleich, die Leute, die (…) brennen,
brennen, brennen wie phantastische gelbe Wunderkerzen und
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wie Feuerräder unter den Sternen explodieren, und in der Mitte
sieht man den blauen Lichtkern knallen und alle rufen „Aaah!“
Erzählerin:
Die „shooting star“ Metapher von Kerouac verwendet der DoorsOrganist Ray Manzarek gerne, wenn er vom Erglühen und
Erlöschen des „Sterns“ Jim Morrison erzählt. Auf der Suche nach
einem intensiven Leben sind Tempo, Drogen, Jazz und Sex die
Zauberwörter der Beatniks.
Musik 10: Doors - Stoned immaculate (0’10’’ – 0’55’’)
Zitator 1: (aus „The American Night“)
Damals war alles
einfacher & verworrener.
In einer Sommernacht, auf dem Weg
Zum Pier, traf ich zufällig
zwei junge Mädchen. Die
Blonde hieß Freiheit,
die Dunkle Wagnis.
Erzählerin:
„Freiheit“ und „Wagnis“ sind für die Beatniks die höchsten
Ideale. In ziellosen Fahrten durch die Weiten des Landes
entdecken die Protagonisten in „Unterwegs“ ein lebendiges
Amerika fern aller Bürgerlichkeit.
Zitator 2:
Der ganze verrückte Wirbel der Dinge (…) sollte alle meine
Freunde und alles, war mir von meiner Familie geblieben war, in
24
25
einer riesigen Staubwolke über der amerikanischen Nacht
aufmischen.
Erzählerin:
Groß ist der literarische Einfluss von Jack Kerouac auf Jim
Morrison. Wortwörtlich übernimmt er die Metapher der
„amerikani-schen Nacht“.
Musik 11: Doors - American Night (0’28’’)
Zitator 1: (aus „fernes arden“)
Bejubeln wir die amerikanische Nacht
Was war das?
Ich weiß nicht.
Hört sich an wie Kanonen …Donner.
O-Ton 21: Gernot W. Freudenberger
Meines Erachtens, das ist eine Annahme von mir, dass Morrison mit
Nacht eigentlich den Tod bschreibt. (…) weil (…) er hat sehr viel über
das Geheimnis des Todes nachgedacht. (…) Und ich glaube, dass Jim
Morrison eigentlich sehr viel Interesse am Tod hat, um herauszufinden,
was kommen kann und was kommen wird. (…) Ja, eigentlich fast in
jedem Lied ist irgendeine Anmerkung über den Tod mit drin.
Musik 12: Doors – Lament for my Cock (auf “An American
Prayer”) (0’14’’ – 0’25’’)
Zitator 1: (aus „The American Night“)
Todesquell
Mysterium
Das mich
Zum Schreiben bringt
25
26
Erzählerin:
Seine eigene lebensbedrohliche Situation bringt Gernot W.
Freudenberger seinem Idol noch näher. Er schreibt Gedichte im
Stile Morrisons und stellt die Website „the-doors-world.com“ ins
Internet. Sie ist heute die informativste und meistbesuchte Seite
über die Doors in Deutschland.
O-Ton 22: Gernot W. Freudenberger
Die Website iss dadurch entstanden, dass ich nach meinem ersten
Krebs – 1998 hatte ich Leberkrebs – (…) Und rein wegen der Ablenkung
wegen der Krebsgeschichte hab ich mir (…) einen Computer gekauft,
habe sehr viele Schwierigkeiten gehabt, hab mir alles selbst
beigebracht, bis ich das Ding einigermaßen beherrscht habe. (…) Es
war eigentlich die Zeit, in der ich sehr intensiv wieder zu den Doors
zurück gefunden hab, weil die Stimmung durch meinen Krebs, die
Angst, dass er wieder kommt und alles, was damit zusammen hängt,
hat eigentlich sehr viel mit der Musik der Doors zu tun gehabt, weil in
der Musik der Doors spiegelt sich auch Tod, Leben, Glück, Freude,
Liebe, irgendwie alles spielt da eine Rolle.
Musik 13: Newborn awakening (0’40’’ – 1’21’’)
(“Blood in the streets / in the town of new Haven …Blood is the rose of
mysterious / union”)
Atmo 15: Place des Vosges – Arkadengang
Über Atmo:
Erzählerin:
Ende 1958 zieht die Familie Morrison von Melbourne, Florida,
nach Alexandria, Virginia, nahe Washington D.C. . Jim Morrison
besucht die High School. Und kommt auf den Geschmack von
Sex und Drugs und Rock’n Roll.
26
27
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
Spaziergänge in D.C. in
Negerstraßen. Bibliothek
& Buchhandlungen. Orange
Ziegel in warmer Sonne.
Zauber der Bücher & Dichter
Dann verschafft Sex einen größeren Kick
als du je gekannt hast &
der ganze Frieden & die Bücher verlieren ihren
Reiz & du wirst zurück
geworfen ins Auge der Vision
Die Geschichte des Rock
Fällt zusammen mit meiner
Teenagerzeit
Erzählerin:
Jim Morrison verbindet seine eigene Entwicklung mit der der
Rockmusik. Im Doors-Stück „Texas Radio & The Big Beat“
erzählt er, dass er mit der Rockmusik eine neue Sprache findet inmitten der konservativen Welt seines Vaters, der W.A.S.P.
„White Angelo Saxon Protestants“.
Musik 14: Doors - Stoned immaculate = Teil von W.A.S.P.(ab
0’51’’)
Zitator 1: (aus „The American Night“)
„Jetzt hört mal zu:
Ich wird euch was erzählen über
Radio Texas & den Big Beat
27
28
Sanft unaufhaltsam langsam & verrückt
wie eine neue Sprache
Kommt an in eurem Kopf
mit der kalten & jähen Wut
eines göttlichen Sendboten
Lasst mich erzählen über
Kummer & den Verlust
Von Gott
Das Wandern, wandern
in heilloser Nacht
Hier draußen an der Peripherie
gibt es keine Sterne
Hier draußen werden wir vollkommen –
gesteinigt.
Atmo 15: Place des Vosges – Arkadengang
Über Atmo:
Erzählerin:
Auf der Place des Vosges schaut er auf seine Anfänge als Dichter
und Musiker zurück, auf die Begegnung mit Ray Manzarek am
Strand von Venice, in der Nähe von Los Angeles.
28
29
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
Kam nach LA zur
Filmschule
Sommer in Venice
Drogenvisionen
Songs auf Dächern
Frühe Kämpfe &
Demütigungen
Dank den Mädchen
Die mich durchfütterten.
O-Ton 23: Gernot W. Freudenberger
Nachdem er auf der Universität (…) in Los Angeles, auf der UCLA war,
auf der Filmschule, (…) Das einzige Interesse, was er gehabt hat, das
waren Bücher, Bücher, Bücher. Unn hat dann auch angfangen
Notizbücher mit sich herum zu schleppen, wo er eigene Gedanken erst
nur aufgschrieben hat. Unn später wurden aus seinen eigenen
Gedanken seine Lyrik, seine Prosa. Unn er hat angefangen, unzählige
Gedichte zu schreiben.
Musik 9: Doors – Riders on the Storm
(Instrumental, bis 0’44’’)
über Atmo 15/Musik:
O-Ton 24: Phil Steele
He had nothing to do with music, he was writing poetry, he was looked
upon as a kind of a weirdo, he was down and out, he was actually a
middle class kid, a son of an admiral (leichtes Lachen) whose aircraft
carrier was on the gulf of Tongking and he was the sort of like “drop
out rich kid” on LSD hanging out in Venice.
29
30
Übersetzer:
Er hatte nichts mit Musik zu tun, er schrieb Gedichte und wurde
als Sonderling betrachtet. In Wirklichkeit war er ein Kind aus der
Mittelklasse, der Sohn eines Admirals, dessen Flugzeugträger im
Golf von Tongking stationiert war. Er war der Typ „reiches
Aussteigerkind“ auf dem LSD-Trip, das in Venice rumhing.
Musik 15: Morrison (Paris Tapes, ab 1’35’’)
In that year / We had an intense visitation / of energy
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
In jenem Jahr
Hatten wir einen enormen Schub
Von Energie
Ich ging von der Schule & lebte
Unten am Strand.
Ich schlief auf einem Dach.
Nachts wurde der Mond
Ein Frauengesicht.
Ich traf den Geist der Musik.
O-Ton 25: Gernot W. Freudenberger
Als sie sich dann getroffen haben am Strand unn Jim Morrison ein
Gedicht vorgetragen hat, wo Ray Manzarek da drauf gsagt hatte, „das
iss so was von toll unn hast du da noch mehr davon“. Unn Jim
Morrison (…) gsagt haben soll „Ja, einige Notizbücher voll, aber noch
mehr hab ich in meinem Kopf“. Unn wie Ray Manzarek dann gsagt hat:
„Wir gründen jetzt eine Band und werden Millionäre“.
O-Ton 26: Phil Steele
So this is how he got into music, but (…) he had already been a poet,
so the fact is, (…) what poet becomes famous like a rock star, you
know, (Lachen) it doesn’t happen, so he had this interesting
30
31
combination being a poet and being a rock star becoming famous,
which he wouldn’t been able to do as he stayed as a poet.
Übersetzer:
Auf die Weise kam er zur Musik, aber vorher war er bereits ein
Dichter. Welcher Dichter wird so berühmt wie ein Rockstar?
Keiner. Er war Dichter und wurde zu einem berühmten Rockstar.
Berühmt wäre er nicht geworden, wenn er nur Dichter geblieben
wäre.
Erzählerin:
Der Poet und der Rockstar ermöglichen sich gegenseitig. Die
Verbindung lässt sich jedoch für Jim Morrison nicht lösen. Über
seinen Tod hinaus bleibt er das Rockidol, die Kultfigur.
Atmo 1: Öffnen Tür
Musik 16: Doors – The End (auf “Essential Rarities”)
(Anfang: “Bring out your dead, bring out your dead …”)
Erzählerin:
Der Rockstar, der leuchtende Stern Jim Morrison.
O-Ton 27: Luzia Braun
Er wollte ein Künstler sein. (…) Also, ich glaub schon, dass man sagen
kann, dass Jim Morrison der Erste in der Popmusik war, der Rock und
Poesie zusammen gebracht hat, (…) dem es ums Wort auch ging, um
den Text auch ging, um das Spielen mit den Worten ging. (…)
Wobei ich sagen würde, dass Jim Morrison eigentlich auch einen
Vorbildcharakter hatte, was die Performance betrifft. Also, jetzt in der
Musik hat er auch ein Vortrag gehabt, der zum Teil ja sehr
exhibitionistisch und dramatisch war, wenn er aus dem Dunkeln
geschrieen hat oder man nur seine Stimme gehört hat, das hatte ja
auch schon etwas mit Darbietung zu tun, das war ja schon eine Kunst,
31
32
das nicht nur zu singen, sondern es eben auch zu sprechen zum Teil,
ja.. (…) Wo er wirklich der Erste war.
Musik 17: Doors – The End (auf: „The Doors“)
Zitator 1: (aus „The American Night“)
Der Killer erwachte vor Morgengrauen,
Er zog seine Stiefel an.
Er setzte ein Gesicht auf aus der Klassikergalerie,
Und er schritt weiter den Gang hinunter.
(…)
Und er kam zu einer Tür,
Und er sah hinein,
„Vater?“
„Ja, mein Sohn?“
„Ich will dich töten.
Mutter, ich will dich …“
O-Ton 28: Gernot W. Freudenberger
Als die Doors die ersten Auftritte hatte, das hat unheimlich lange
gedauert, bis er eigentlich mit dem Gsicht zum Publikum gsunge hat,
er hat am Anfang immer nur mit dem Rücken zum Publikum gstanden
unn (…) der ausschlaggebende Punkt war dann eigentlich erst im
Whisky A GoGo, als sie dann die ersten größeren Auftritte hatten, wie
er dann „The End“ rezitiert hatte unn (…)das war eigentlich der erste
gravierende wirkliche Umschwung, wo er bewusst auch, in Interviews
von ihm bestätigt, sich den Leuten zugewandt hat und hat eigentlich
die Reaktion zum ersten Mal genossen, wie die Leute auf den Song
reagieren. Das hat ihm dann später einen unheimlichen Spaß gemacht
(…), mit dem Publikum zu arbeiten unn (…) zu sehen, dass er geliebt
wird, dass er angehimmelt wird unn die Leute auf ihn abfahren.
Musik 17: Doors – The End
Zitator 1: (aus „The American Night“)
32
33
Dies ist das Ende, mein schöner Freund,
Dies ist das Ende, mein einziger Freund,
das Ende,
dich freizugeben, das tut weh
doch folgen wirst du mir nie.
Das Ende
des Lachens und der zärtlichen Lügen,
Das Ende
der Nächte, wo wir zu sterben versuchten.
Dies ist das Ende.
O-Ton 29: Phil Steele
So he was a very intense character, strong personality, almost a perfect
Rock star, you know, part crazy, part genius, part good looking, and I
admired him as a musician because of his voice.
Übersetzer:
Er hatte eine starke Persönlichkeit, war ein fast vollkommener
Rockstar, halb wahnsinnig, halb Genie, sah gut aus, und ich
habe ihn als Musiker wegen seiner Stimme bewundert.
O-Ton 30: Luzia Braun
Jim Morrison hat mich ja die ganzen letzten Jahre begleitet, bis zum
heutigen Tag. (…) Jim Morrison steht neben meinem Bett, also ein
Buch von ihm mit diesem großen, berühmten Foto von ihm mit
entblößter Brust und seinen wallenden Engelshaaren. (…) Dieses Bild
von Jim Morrison (…), es ist all das, was ich nicht mehr habe. Es ist all
das, was ich mal wollte. Es ist all das, woran ich mal geglaubt habe. Es
ist dies, die Wildheit, die Grenzüberschreitung, das Mehr-wollen als
das, was es gibt, und was … die Gesellschaft, die Erziehung für einen
vorsieht, sondern ein ganz anderes Leben zu führen, dafür steht heute
Jim Morrison. (…) Im Grunde steht Jim Morrison für die Jugend pur.
Musik 18: Doors – Break on through
(1.Strophe „You know the day destroys the night …“)
33
34
Erzählerin:
Ende der 60er Jahre, in der Zeit des Aufbruchs, lautet die
Botschaft von Jim Morrison: Durchbruch zur anderen Seite.
34
35
O-Ton 31: Luzia Braun
Ich war siebzehn als er starb, 71, und fünfzehn ungefähr, als ich
anfing „The Doors“ zu hören. Und das war die Zeit - ich bin ja auf dem
Land groß geworden, in einer kleinen Stadt da im Badischen - und wir
fuhren da öfters nach „Konschtanz“, wie das damals hieß, Konstanz
am Bodensee und da gab es die Gammler. Die hingen da irgendwie auf
der Piazza rum, also am Bodensee. Und zu denen legten wir uns dazu,
meine Freundin und ich. Und dort hörten wir Doors, die Doors standen
einfach auch für dieses andere Leben, ja, dieses nicht ländliche, nicht
anständige, nicht in den traditionellen Bahnen verlaufende Leben,
sondern was ganz Neues, was ganz anderes, was mit dem allem bricht,
das waren für mich damals die Gammler und die Doors.
O-Ton 32: Gernot W. Freudenberger
Ich bin eigentlich sehr glücklich, die Zeit der 70er Jahre mitgemacht zu
haben, mit langen Haaren durch die Gegend gelaufen zu sein, Stress
mit jedem gehabt zu haben, mit den Eltern, mit dem Arbeitgeber, mit
den Leuten auf der Straße. „Gammler“ und wie wir alle beschimpft
wurden, aber es war unsere Zeit. (…) Es war die Zeit der freien Liebe,
egal wie man jetzt dazu steht, man hat seinen Joint geraucht, man hat
seine Erfahrung gemacht, man hat gemeint, das Unterbewusstsein
steuern zu können, vielleicht war es in gewisser Weise so.
Musik 18: Doors – Break on through
(2. Strophe)
Erzählerin:
Jim Morrisons Vision vom Durchbruch zur anderen Seite - ob
nun durch Drogen, Sex oder Träume – hat seine Ursprünge bei
William Blake und Friedrich Nietzsche, aber vor allem in LouisFerdinand Célines Roman „Reise ans Ende der Nacht“.
Zitator 2:
Die Reise, die wir hier machen, ist gänzlich imaginär. Darin liegt
ihre Stärke.
Sie führt vom Leben zum Tode. Menschen, Tiere, Städte und
Dinge, alles ist nur Einbildung. (…)
35
36
Übrigens kann alle Welt dasselbe machen. Man braucht nur die
Augen zu schließen.
Auf der andern Seite des Lebens.
O-Ton 33: Luzia Braun
Was anderes wollen. (…) Es waren Träume nach einer bestimmten Art
zu leben, nach Intensität, nach Freiheit, nach Liebe. (…) Also, gewisse
Grenzen zu überschreiten, die vorgegeben waren in Bildern, in Idealen,
in Wertvorstellungen. Dieser Wunsch dieser Überschreitung der liegt in
diesen Träumen drin, (…) er träumte von einer gewissen Mündigkeit,
einer Selbständigkeit, einer Freiheit, in der man das, was man will, tun
kann. (…)Im Grunde hat es schon so ne (…) leicht metaphysische
Ebene, die eben über das Sein und das Menschsein nachdenkt.
Musik 18: Doors – Break on through
(Letzte Strophe)
Erzählerin:
So hell Jim Morrisons Stern am Rockhimmel erleuchtet, so jäh
verglüht er wieder. Nach dem Doors-Konzert am 2. März 1969 in
Miami versteckt er sein von Drogen und Alkohol aufgedunsenes
Gesicht hinter einem Bart. Er habe die Seele eines Clowns, sagt
er von sich selbst, die im entscheidenden Moment immer alles
vermasselt.
O-Ton 34: Gernot W. Freudenberger
Der Ausschlag war dann als, bei dem Miami Konzert, er sich angeblich
entblößt haben sollte unn sein Penis den Leuten gezeigt haben soll,
was eigentlich nie bewiesen wurde, auch nicht durch Fotos unn sehr
viele Leute gsagt haben, das hätt so nich gstimmt. (…) Unn er war
ziemlich fertig unn hat (…) eigentlich gar kein Bock mehr gehabt, mit
der Band auf Tour zu gehen, das war ihm alles zuviel und er wollte
sich wieder darauf konzentrieren, mehr zu schreiben. Unn er wollte
eigentlich, wieder zu sich selbst finden.
O-Ton 35: Phil Steele
36
37
He really wanted to become part of the pantheon of poets who would
have been as well known as Rimbaud, Byron, Baudelaire etc.
Übersetzer:
Er wollte wirklich dem Pantheon der Dichter angehören, die so
bekannt werden würden wie Rimbaud, Byron, Baudelaire.
Atmo 1: Öffnen Tür
Atmo 16: Straße Paris / Bouquiniste Quai de la Tournelle
(Verkehr, Sirenen)
Über Atmo:
Zitator 1: (aus “The American Night”)
The sidewalkers moved faster …
Die Passanten gingen schneller
Wir schwammen mit im Strom. Plötzlich
die Bullen, Plastikschilde & Visiere,
lange dünne Knüppel schwingend
wie Taktstöcke, in Formation,
räumten die Straße nach hinten zu.
(…) Pfiffe, als
die Mannschaftswagen kommen. Schnauzbärtige
Soldaten. Wir verlassen die Szene.
O-Ton 36: Phil Steele
He was living in LA when he wrote “An American Prayer” and he took
the same lifestyle that he had in LA to Paris with him. He was still
wandering around the streets as just the streets were different (…) But
the situation was the same, so this is how his poetry is tying in so
closely to his life in Paris and he would keep getting flashes in his mind
even though he was in a different country.
37
38
Übersetzer:
Er lebte in LA als er "An American Prayer" schrieb und er nahm
denselben Lebensstil, den er in LA hatte, mit sich nach Paris. Er
schweifte noch immer in den Straßen umher, aber nur die
Straßen waren anders, die Situation war dieselbe. Auf diese
Weise hängt seine Dichtung eng mit seinem Leben in Paris
zusammen: Wenn er auch in einem anderen Land war, dachte er
weiterhin an LA.
Atmo 17: Straße Paris
Zitator 1: (aus “The American Night”)
Junge Augen, wachsam, funkelnd.
Die Kirche. Eine idyllische Szene
Mit Gitarren, Trommeln, Flöten,
Harfen & Liebenden. Vorbei an
Shakespeare & Co.
Atmo 18: Buchhandlung Shakespeare & Co.
Über Atmo:
Erzählerin:
In der Buchhandlung Shakespeare & Co., gegenüber von NotreDame, halten im Laufe der Jahrzehnte viele US-amerikanische
Poeten Lesungen ab. Auch Jim Morrisons Vorbilder Jack
Kerouac und Allen Ginsberg. Eigentlich der ideale Ort für ihn,
mit anderen über Literatur zu reden und seine Gedichte
vorzutragen. - Weder Sylvie Whitman noch ihr alter Vater George
38
39
Whitman wissen, ob Jim Morrison in ihrem Buchladen gewesen
ist.
O-Ton 37: Sylvia Whitman
It’s back before my time. And I haven’t seen anything in letters or
referring to it in, we have a huge archives upstairs, history of the
bookshop. But I haven’t seen anything in there referring to that. (…)
My father is actually up in the library, we can just ask. (…)
(Türenklappern, Schritte auf Stufe) Dad? (…) Jim apparently came here
towards the end of his life and we were just wondering if we have any
recollection of that. George Whitman: No. Sylvie Whitman: No.
Atmo 19: Hotel de Lausun
(Pochen an der verschlossenen Tür)
Über Atmo:
Erzählerin:
Bei seinen Spaziergängen zwischen Quartier Latin und Marais
kommt Jim Morrison über die Seine und die Ile St. Louis. Am
Quai d’Anjou steht das Hotel de Lausun. Die Tür zum
Haschischclub öffnet sich nicht für ihn. Das Gebäude gehört
1971 bereits dem französischen Staat.
O-Ton 38: Phil Steele
The Hotel de Lausun is a building built in the 17th century (…) was
taken over in the 19th century by the Bohemian crowd who were
literary figures, composers, writers whatever, there were Gerard de
Naval, Honoré de Balzac, Victor Hugo, Charles Baudelaire. But
Morrison would wander in front of the building just to get the vibes, to
see the place mostly from the outside. (…) The inside is absolutely, you
would think you would be in Versailles. I mean these guys in the
Hashish club … all they had to do was to look at the walls and they
could freak out because it was absolutely beautiful.
Übersetzer:
Das Hotel de Lausun ist ein Gebäude aus dem 17. Jahrhundert.
Im 19. Jahrhundert hat es die Boheme in Beschlag genommen,
Komponisten und Schriftsteller, wie Honoré de Balzac, Victor
39
40
Hugo, Charles Baudelaire. Morrison ging vor dem Gebäude
umher, um den Ort von außen zu betrachten und seine
Schwingungen zu spüren. Im Gebäude meint man, man sei in
Versailles. Ich meine, diese Typen vom Haschischclub mussten
nur die Wände anschauen und konnten ausflippen, weil das
Interieur absolut schön war.
Zitator 2:
Die Träume des Menschen sind von zweierlei Art: die einen sind
erfüllt von seinem Alltagsleben, seinen Sorgen, seinen Wünschen
und Lastern. (…) Das ist der natürliche Traum; er ist der Mensch
selber. Aber die andere Art von Traum; der absurde, der unvorhergesehene Traum, ohne Beziehung noch Verknüpfung mit dem
Charakter, dem Leben und den Leidenschaften des Schläfers!
Dieser Traum … verweist offensichtlich auf die übernatürliche
Seite des Lebens, und eben weil er absurd ist, hielten die Alten
ihn für göttlich. - Charles Baudelaire
O-Ton 39: Phil Steele
This is what the Hashish had to meet in and drinking their tea, orange
and hashish concoction to cross over to the realm of the unknown,
which Rimbaud was famous for saying, about the senses have to be
disoriented before you can start creating anything.
Übersetzer:
Bei ihren Treffen im Haschischclub tranken sie ihren Tee, eine
Orange-Haschisch-Mischung, um in den Bereich des
Unbekannten vorzustoßen. Von Rimbaud stammt der berühmte
Ausspruch: man muss die Sinne verwirren, bevor man anfangen
kann, etwas zu erschaffen.
40
41
Zitator 2:
Ich meine, man muss Seher sein, sich zum SEHER machen.
Der Dichter macht sich selbst zum Visionär durch eine lange,
grenzenlose und systematische Verwirrung aller seiner Sinne. (…)
Er gelangt zum Unbekannten!
O-Ton 40: Phil Steele
When Morrison read this, this was like a lightning bolt hitting him in
the head, because he totally connected with this and from then on
proceeded to destroy himself while he created thinking the two would
go together.
Übersetzer:
Als Morrison das las, ging ihm ein Licht auf. Er identifizierte sich
völlig damit. Von da an war er schöpferisch und gleichzeitig
zerstörte er sich selbst. Und er glaubte, beides würde zusammen
gehen.
Zitator 1: (aus “Wildnis”)
You want ecstasy …
Du willst Ekstase
Lust & Träume.
Dinge, die nicht genau das sind, als was sie erscheinen.
(…)
Ich rede mit dir, meinem Ich.
Lass uns die Welt neu erschaffen.
Das Schloss der Schöpfung brennt.
Schau. Sieh es brennen.
41
42
Wärm dich in den weißglühenden Kohlen.
O-Ton 41: Luzia Braun
Es leuchtet mir ein, dass diese zerstörerische Energie und die
schöpferische bei ihm sehr nahe beisammen lagen, das kann ich mir
gut vorstellen, weil ja seine Stücke und Texte genau damit spielen.
Eigentlich irgendwo Gott sein zu wollen und auf der anderen Seite also Gott in dem Sinne, etwas schöpferisches, etwas neues zu schaffen,
was visionäres zu haben- und auf der anderen Seite aber dauernd an
die Grenzen eigentlich auch zu stoßen und klein zu sein einfach nur.
(…) Das Chaos, das Chaos auch als Voraussetzung für Kreativität.
Erzählerin:
Rimbaud macht seinen Entwurf vom Dichter-Sein zum
Mittelpunkt seiner Rebellion. Nach Beendigung von seiner
„Saison in der Hölle“ ist er jedoch fertig mit der Literatur. Ab dem
Alter von 19 Jahren schreibt er kein einziges gedichtetes Wort
mehr und geht als Händler nach Afrika. Während sich Jim
Morrison mit Zigaretten, Alkohol und Drogen selbst zerstört, gibt
er seinen Selbstentwurf als Dichter nicht auf.
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
A quality of ignorance …
Als eine Art von Ignoranz
ist Selbsttäuschung vielleicht
vonnöten für das Überleben
des Dichters.
Atmo 1: Öffnen Tür
Atmo 20: Salon de Thé „Sip Babylone“
(Verkehr, Stimmen, Schritte Passanten, Stimme Kellner)
42
43
Über Atmo:
O-Ton 42: Phil Steele
He was living a similar life to what I was living. (…) When you go to
Paris and you are a singer or song writer, a musician, a poet, it’s made
for us. You hang out in cafés, you a sort feed of the energy and the
vibes of people walking by on the sidewalks, chatting away, discussing
whatever at the next table and it’s an extremely creative and inspiring
environment.
Übersetzer:
Er lebte ein ähnliches Leben wie ich. Paris ist für Sänger,
Songschreiber, Musiker oder Dichter gemacht. Man hängt in
Cafés herum, man nimmt die Energie und die Schwingungen der
Leute auf, die auf den Bürgersteigen spazieren gehen, am
Nachbartisch plaudern und reden. Es ist eine äußerst kreative
und anregende Umgebung.
Erzählerin:
Vor dem „Sip Babylone“, einem Salon de Thé, kreuzen sich die
Straßen. Eine führt zum Invaliden-Dom, eine andere zur Place de
la Concorde. Nach der Nacht im „L’Astrocet“ frühstückt Phil
Steele auf der Terrasse des „Sip Babylone“ mit Jim Morrison und
Pamela, im März 1971.
43
44
O-Ton 43: Phil Steele
Pamela out to see didn’t want to have Jim coffee, she out to see knew
that Jim had stomach problems. So she ordered milk and pasta and
there was nothing on. And that’s where I knew, well, there is something
wrong with him physically. (…) It was a sort of antidote to all the
alcohol. But between … smoking all night and drinking Whiskey with
beer chasers and coughing between every two words that he would say
I knew that guy was in bad shape physically. (…) So the fact that he
died was not due to whatever drug that he had that night, if that’s the
case, but he was also in very … poor health.
Übersetzer:
Offensichtlich wollte Pamela nicht, dass Jim Kaffee trank. Offensichtlich wusste sie, dass Jim Magen-Probleme hatte. Sie
bestellte für ihn Milch und Pasta, ohne etwas darauf. Da wusste
ich: etwas stimmt mit ihm körperlich nicht. Das Frühstück war
eine Art Gegenmittel zum ganzen Alkoholkonsum. Er hatte die
ganze Nacht geraucht, Whisky im Bier getrunken und bei jedem
zweiten Wort gehustet. Da wusste ich, dass der Typ in einem
schlechten gesundheitlichen Zustand ist. Die Ursache seines
Todes war nicht irgendein Rauschgift, das er eventuell in dieser
Nacht genommen hat, insgesamt war es um seine Gesundheit
schlecht bestellt.
Erzählerin:
Jim Morrison erzählt Phil Steele von seinem Vorhaben, seine
Gedichte in einem Studio aufzunehmen, mit Musik im
Hintergrund. Er kann es nicht mehr verwirklichen. Jahre nach
seinem Tod produzieren die restlichen drei „Doors“-Musiker “An
American Prayer”, mit den noch in Los Angeles von Jim Morrison
selbst gesprochenen Gedichten.
44
45
Musik 19: Doors – An American Prayer
(1’06’’ – 1’50’’)
Zitator 1: (aus „The American Night“)
O great creator of being …
O großer Schöpfer allen Seins
Gewähre uns noch eine Stunde, um
Unsere Kunst zu zeigen
& unser Leben vollkommener zu machen
Die Motten sterben & Atheisten sind doppelt göttlich
& sterben
Wir leben, wir sterben
& der Tod macht dem kein Ende
Reisen wir also noch tiefer in den
Alptraum
Klammern uns ans Leben
Unsere feurige Blume
(…)
(Ich berührte ihren Schenkel
& der Tod lächelte)
Atmo 21: Ex-Rock’n Roll Circus
(Ab: 0’35’’ Öffnen Tür, Stimmen, Schritte (…) Vogelgezwitscher,
Türenschlagen Schritte ...
Über Atmo:
Erzählerin:
In der Rue de Seine im 6. Arrondissement reiht sich eine Galerie
an die andere. Hinter der blauen Haustür der Nummer 57 führt
der Flur auf eine geschlossene Eisentür zu. 1971 ist sie der
45
46
Eingang zum Musikclub „Rock’n Roll Circus“, heute der
Hintereingang des Restaurants „Alcazar“. In Paris hält sich bis
heute das Gerücht, Jim Morrison sei am Eingang des „Rock’n
Roll Circus“ an einer Überdosis Heroin gestorben und nicht in
der Badewanne in der Rue Beautreillis an Herzversagen.
O-Ton 44: Passantin
Je croix, Jim Morrison est mort ici. (…) Il était très mal, il prend des
doses de cocaïne très fortes et il est mort et fondrai sur ces escaliers.
Musik 20: Led Zeppelin – Dazed and confused
Über Atmo/Musik:
Erzählerin:
Im „Rock’n Roll Circus“ begegnet Phil Steele Jim Morrison zum
letzten Mal.
O-Ton 45: Phil Steele
It was the in-place to go in Paris, all the models, actors, musicians, my
band even played at the Rock’n’ Roll Circus, in fact Led Zeppelin played
at the Rock’n’ Roll Circus, Cannet Heat played at the Rock’n’ Roll
Circus. (…) It had just been a cave, a couple of caves linked together to
make the club, so it was underground. (…) It was a very impressive
place. (…) But apparently there were a lot of drug pushers, drug
dealers in there at the time also and it was rumored that Jim Morrison,
I mean, I never saw him do anything but walking around and drink
beer out of a bottle and probably try to pick up chicks (Lachen), I mean
that was his image in there (…) but I never saw any link between him
and the drug dealers.
Übersetzer:
Es war der In-Club in Paris, voll mit Models, Schauspielern,
Musikern. Meine Band hat sogar im „Rock’n’ Roll Circus“
gespielt, Led Zeppelin, Canned Heat haben dort gespielt. Der
Club lag im Keller. Ein sehr eindrucksvoller Ort. Aber
anscheinend gab es dort in der Zeit auch viele
46
47
Rauschgifthändler. Es wurde gemunkelt, dass Jim Morrison …,
ich meine, ich habe ihn nie etwas anderes tun sehen, als dort
herumzuschlendern und Bier aus einer Flasche zu trinken.
Wahrscheinlich hat er versucht, Frauen aufzureißen, das war
sein Image dort. Aber ich habe ihn nie mit einem
Rauschgifthändler zusammen gesehen.
Musik 21: Doors – Lament for my Cock
(auf American Prayer: 1’30’’ - 2’02’’)
Zitator 1: (aus „The American Night“)
„Ich drückte ihren Schenkel
& der Tod lächelte“
Tod, alter Freund
Tod & mein Schwanz
ihr seid die Welt
Ich kann die erlittenen
Verletzungen verzeihen
Im Namen von
Weisheit
Luxus
Romantik
Satz für Satz.
Worte sind heilsam.
Worte schlugen mir die Wunde
& werden mich gesund machen
47
48
Wenn man dran glaubt.
O-Ton 46: Phil Steele
The night of his death he was very depressed and maybe … his
girlfriend Pamela had a bag of something lying around and I am sure
Jim probably thought it was Cocaine and took a little bit of it and sure
enough it could turn out to be Heroine and he could have died
accidentally that way. (…) That’s a likely version in my opinion of how
it could have happened. But there is no question that he was not alive
(Lachen) (…) by four o’clock in the morning July 3rd his heart stopped,
there is no question about it.
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Übersetzer:
In der Nacht seines Tods war er sehr deprimiert. Vielleicht hatte
seine Freundin Pamela eine Tüte herum liegen. Jim dachte
bestimmt, es wäre Kokain und nahm ein kleines bisschen davon.
Es könnte aber Heroin gewesen sein und er könnte auf diese
Weise gestorben sein. So könnte es passiert sein. Aber es gibt
keinen Zweifel daran: Sein Herz hörte gegen vier Uhr am Morgen
des 3. Juli auf zu schlagen.
Atmo 22: Ex-Rock’n Roll Circus
(ab 4’52’’ : Schnelle Schritte einer Frau, Öffnen und Zufallen Tür)
Atmo 23: Père Lachaise
(ab 3’30’’: Quietschen der Tür, Stimmen)
Über Atmo:
Erzählerin:
Friedhof Père Lachaise, letzte Ruhestätte von Jim Morrison.
O-Ton 47: Angestellte Père Lachaise
Jim Morrison, voila, sixième Division, Numéro Un …Voila, c’est Jim
Morrison ici. Vous avez un Division et après vous avez …
Atmo 23: Père Lachaise
(ab 5’30’’: Klappern, Quietschen der Tür)
Musik: Doors – The End (aus „Essential Rarities)
(ab 2’00’’)
Über Atmo/Musik:
O-Ton 48: Phil Steele
I started singing “The End”, because Morrison was up the hill and I
was very, very taken. (…) A beautiful cemetery and he was really taken
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by the cemetery, oh, here is the other weird thing, he visited it a couple
of weeks before he died, he was wandering around all the graves.
Balzac, a couple of the Hashish clubber, they just went from Isle St.
Louis up the hill to pass the Bastille to Père Lachaise, all sort like of
keeping it in the neighborhood. (…) And you’ve got Balzac, you’ve got
Edith Piaf, you’ve got Frederic Chopin and Oscar Wilde. And Morrison
was just completely taken by all the names and the feeling that he had
and the beauty of the place, the Greco-roman architecture of all the
little temples and the bronze statues. (…) I am sure that he already had
it selected for where he wanted to be lay to rest.
Übersetzer:
Ich fing an, "The End" zu singen, weil Morrison auf dem Hügel
lag und ich sehr ergriffen war. Ein schöner Friedhof. Er war
wirklich vom Friedhof begeistert. Ein paar Wochen, bevor er
starb, besuchter er ihn. Er ging zu allen Gräbern. Balzac … einige vom Haschischclub zogen von der Isle St. Louis direkt den
Hügel zum Père Lachaise hinauf, um beieinander zu bleiben.
Balzac liegt dort, Edith Piaf, Frederic Chopin und Oscar Wilde.
Morrison wurde völlig gepackt von all den Namen und der
Schönheit des Ortes, von der Graeko-romanischen Architektur
all der kleinen Tempel und von den Bronzestatuen. Ich bin mir
sicher, dass er den Friedhof bereits als den Ort ausgewählt hat,
wo er begraben werden wollte.
Atmo 24: Grab Jim Morrison
(Ab 4’55’’) Sirenen, Stimmen „Sehr unscheinbar, gell“… Geräusch
digitaler Kamera … Sirene bis 6’04’’
Über Atmo:
Erzählerin:
Das Grab Jim Morrisons ist von Mausoleen und Sperrgittern
umgeben. Keiner der vielen Besucher aus aller Welt kommt
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direkt an das Grab heran. Das war bis vor einigen Jahren
anders. Gelage haben die Fans an seinem Grab abgehalten.
O-Ton 49: Gernot W. Freudenberger
Wenn jemand jung stirbt, der irgendwas gschaffen hat oder der en
Namen ghabt hat, (…) iss das eigentlich in der Welt des Menschen,
dass man en Kult drum macht. (…)
Das ist auch einer der Gründe, warum ich sage (…) ich guck mir das
Grab nich an. Ich muss da nicht hingehen, um Jim Morrison in
meinem Kopf zu behalten oder in meinem Herzen zu behalten und zu
sagen: (…) Er war ein guter Frontman unn er hat gewusst, wie man mit
dem Publikum umgeht und sie haben eine wahnsinnig gute Musik
geschaffen, die vier zusammen.
O-Ton 50: Amerikanische Touristin
It’s pretty cool to see his grave, but it’s very unassuming, isn’t it. (…) I
like his poetry too.
Erzählerin:
Das Grab ist heute von allen Graffiti gereinigt, von einer Kamera
und Friedhofswärtern in blauen Uniformen bewacht. Alkohol und
Drogen sind verboten, Graffiti unter Strafe gestellt.
O-Ton 51: Friedhofswärter
L’alcool, c’est interdit. (…) Drogues, interdit. Là, comme ça, c’est bien,
tranquille. Des photos, c’est tout. (…) Maintenant la gardien à la
camera là-bas. (…) Maintenant, si je trouve quelqu’un qui fait la graffiti
15.000 Euro a moins et deux ans de prison. Maintenant c’est tout et
nettoyer. C’est propre, tranquille.
Atmo 25: Grab Jim Morrison
Über Atmo:
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Musik 22: Jim Morrison – Bird of Prey (auf “Lost Paris Tapes”)
(ab 4’08’’)
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
Ich bin ein Todesvogel
Nichtsnutziger Nachtvogel
Musik 23: Doors – Bird of Prey (auf “An American Prayer”)
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
Raubvogel, Raubvogel
flieg hoch, flieg hoch
am Sommerhimmel
(…)
Raubvogel, Raubvogel
flieg hoch, flieg hoch
ich muss sterben
Raubvogel, Raubvogel
flieg hoch, flieg hoch
nimm mich mit
Über Atmo:
Erzählerin:
Zwischen Blumen liegt auf dem Grabbeet das gelbe Plakat von
einem Auftritt der „Doors“ am 5. Juli 1968, mit dem Foto des
jungen und hübschen Jim Morrison. Auf dem Granitstein stehen
Töpfe voller bunter Blumen. Auf der Vorderseite des Grabsteins
ist eine Bronzetafel eingelassen.
O-Ton 52: Phil Steele
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“Kata Ton Daimona Eaytoy”, (…) the greek phrase written on his
tombstone, which means several things, one of which is ”Here he lays
with his demons” or it could mean “Due to his own spirit”. But his
father being an admiral in navy, a very intelligent man probably knew
what he was saying when he had the bronze plack made for his sons
grave. It’s a tangencies reference to the fact that he … Morrison is
living with his demons, but he is also … he is here guided by his spirit.
(…) And I felt a strong presence of Jim Morrison near that grave. (…)
You can’t lay to rest there until you, according to the French
government, deserve to be put there. So he luckily made it. They
thought that he was a literary figure that he was writing poetry, but
that he was also in the arts.
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Übersetzer:
"Kata Ton Daimona Eaytoy". Der griechische, auf seinen
Grabstein geschriebene Ausdruck bedeutet mehrere Dinge.
Einmal: "Hier liegt er mit seinen Dämonen". Oder: "Durch seinen
eigenen Geist". Sein Vater, ein Admiral der Marine, ein sehr
intelligenter Mann, wusste wahrscheinlich, was er damit sagen
wollte, als er die Bronzetafel für das Grab seines Sohnes machen
ließ. Es ist eine doppeldeutige Anspielung darauf, dass Morrison
mit seinen Dämonen lebte, aber dass er auch durch seinen Geist
hierher geführt wurde. An diesem Grab spürte ich stark Jim
Morrisons Gegenwart. Aufgrund einer Vereinbarung mit der
französischen Regierung kann man hier nicht beerdigt werden,
ohne sich verdient gemacht zu haben. Glücklicherweise hat er es
geschafft. Sie dachten, dass er ein Schriftsteller war, dass er
Gedichte schrieb und auch mit Kunst zu tun hatte.
O-Ton 53: Luzia Braun
Es ist wie eine (…) verzögerte Wunscherfüllung, dass er auf dem
Friedhof dann umgeben ist von den Dichtern, die für ihn sehr wichtig
waren. Aber im Leben hat er das nicht geschafft, einer von ihnen zu
werden, im Tod schon. Und das ist natürlich kurios, auf eine Art
natürlich traurig, aber irgendwo, finde ich, auch passend zu ihm, also
es ist irgendwie auch ganz schön, dass er dort gelandet ist in Paris auf
nem Dichterfriedhof.
Zitator 1: (aus „Wildnis“)
End with fond good-bye …
Ende mit herzlichem Abschied
& Plänen für die Zukunft
- Kein Schauspieler
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Schriftsteller – Filmemacher
Welche meiner Egozellen
wird erinnert werden
Abspann:
Sie hörten:
„Tod, alter Freund“
Jim Morrison – Rockstar und Poet
Von Egon Koch
Es sprachen:
…
Technische Realisation:
…
Regie: Egon Koch
Redaktion: Walter Filz
Produktion: SWR, 2007
- Ende -
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