Unterscheide

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Prof. Dr. Detlev Sternberg-Lieben
Vorlesung Einführung in das Strafrecht (Strafrecht Allgemeiner Teil)
Grundriss der Konkurrenzlehre1
Unterscheide
mehrere2 Vorschriften (bzw. eine Vorschrift mehrfach) werden verletzt 
 durch:
eine Handlung
(Handlungseinheit,
mehrere Handlungen
(Handlungsmehrheit)
- s. S. 2 -
(auch bei:
-Teilidentität3)
hierdurch ggf.: Klammerwirkung4
Idealkonkurrenz
(Tateinheit)
§ 52 StGB
Realkonkurrenz
(Tatmehrheit)
§ 53 StGB
es sei denn: Gesetzeskonkurrenz
(Gesetzeseinheit5):
1 Literatur:
Wessels/Beulke, Rn. 750-799); Heinrich, AT II, Rn. 1378-1444; Kühl, AT, § 21; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 36; Geppert, Jura 2000, 598 ff., 651 ff.; zu Einzelfragen:
Schönke/Schröder-Stree/Sternberg-Lieben, vor § 52 sowie § 52 ff.
Während die Lehre von den Konkurrenzen die Frage betrifft, wie sich mehrere festgestellte Straftaten zueinander
verhalten, geht es bei der sog. Wahlfeststellung darum, wie zu entscheiden ist, wenn das Gericht nicht zu der
Überzeugung gelangte („in dubio pro reo“), dass die fragliche Tat sich auf bestimmte Art und Weise abgespielt hat,
Straffreiheit aber nach allen als möglich anzusehenden Varianten ausscheidet; hierzu: Wessels/Beulke, Rn. 800-810;
Heinrich, AT II, Rn. 1145-1475; Baumann/Weber/Mitsch, AT, § 10.
2
Bei Verwirklichung mehrerer Tatbestandsvarianten (z.B. § 224 StGB: gefährliches Werkzeug +
lebensgefährdende Behandlung) durch eine Handlung: Kein Fall von Idealkonkurrenz (vielmehr 
strafbar wegen einer gefährlichen Körperverletzung!).
3
Z.B. §§ 223, 249, 52 StGB.
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Vgl. Wessels/Beulke Rn. 780; z.B. §§ 316, 237 aF (!), 177, 52 StGB; oder: §§ 239 III, 212, 177,
52; weitere Beispiele bei (Tröndle/)Fischer Rn. 5 vor § 52.
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Unechte Konkurrenz: Dem Wortlaut nach mehrere Gesetze sind einschlägig, aber: Das primär
anzuwendende Strafgesetz verdrängt die übrigen; Faustformel für Zweifelsfälle: Bedarf eine
sachgerechte Kennzeichnung der Tat (im Urteilstenor  Kundmachung des sozialethischen
Unwerturteils) der Klarstellung durch Anführung aller jeweils verwirklichten Tatbestände ( Idealoder Realkonkurrenz) oder kennzeichnet die Bestrafung (nur) aus der "vorrangigen" Norm das
Unrecht hinreichend ( Gesetzeskonkurrenz)?
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- Spezialität6
- Subsidiarität7
- Konsumtion8
Handlungseinheit (also eine Handlung) bei:
-einer Handlung im natürlichen Sinne9
-einer Handlung im rechtlichen Sinne:
- tatbestandlicher Handlungseinheit:
- mehraktige10 Delikte
- Dauerdelikte11
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"Logisches Einschlussverhältnis", etwa: § 224 StGB zu § 223 StGB; § 211 StGB zu § 212 StGB
(str.); § 249 StGB zu §§ 242, 240 StGB: Vorrangige Vorschrift enthält begriffsnotwendig alle
Merkmale der zurücktretenden und ergänzt oder modifiziert diese um zumindest ein weiteres
Merkmal.
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"Normatives Einschluss- oder Stufenverhältnis" (zB §§ 145d, 246, 316 StGB [formelle
Subsidiarität, da gesetzlich angeordnet]; oder „materielle“ Subsidiarität als Ergebnis einer Wertung:
Versuch  Vollendung; Beihilfe  Anstiftung  Täterschaft; Gefährdung  Verletzung {etwa: §
221  § 211 StGB}: Verdrängte Vorschrift nur für den Fall anwendbar, dass sie nicht durch Norm,
die ein gesteigertes Unrecht kennzeichnet, verdrängt wird; bspw. Subsidiarität von § 223, 224 I Nr.
5 StGB zu § 212 StGB (anders aber bei Zusammentreffen von §§ 223, 224 I Nr. 5 / §§ 212, 22, 23
StGB: Insoweit ist durch Annahme von Idealkonkurrenz klarzustellen, dass die versuchte Tötung
immerhin zu einer vollendeten Körperverletzung geführt hat: BGHStE 44, 196).
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Mitbestrafte Vor-, Begleit und Nachtat: insb. §§ 123, 303 StGB zu §§ 242, 243 I Nr. 1 StGB
("Quasi-Konsumtion"; str.); § 263 StGB als "Sicherungsbetrug" (Achtung: Nur im Verhältnis zum
"Erstgeschädigten", also z.B. beim Abstreiten des Beutebesitzes gegenüber dem vom Täter
ursprünglich Bestohlenen; nicht aber bezüglich - zusätzlich geschädigter ! - Dritter, also z.B.
gegenüber einem gutgläubigen Abnehmer des Diebesguts):
Unrecht wird durch das "Hauptdelikt", mit dem das zurücktretende Delikt regelmäßig/typischerweise zusammentrifft, hinreichend gekennzeichnet, also bspw.: vornagegangenes Hauptdelikt §§
242, 244 StGB+ anschließende (einfache) Sicherungserpressung (§ 253 StGB), um die Diebesbeute
zu behalten; Gegenbeispiel: Nach einfachem Diebstahl (§ 242 StGB) als Hauptdelikt anschließend
räuberische Erpressung (§§ 253, 255, 250 StGB), um die Diebesbeute zu behalten (vgl. BGH NStZ
2008,396; 2014, 579, 580; BeckOK/StGB-von Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 20).
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ZB ein Bombenwurf, der zum Tode zweier Menschen führt: §§ 211, 211, 52 StGB.
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ZB §§ 177, 249 StGB (Nötigungsmittel + sexuelle Handlung bzw. Wegnahme)  es liegt ein
(einheitliches) Delikt vor, das ggf. mit verschiedenen, hierdurch „verklammerten“ Drittdelikten in
Idealkonkurrenz stehen kann; bspw. Raub, begangen durch Niederschlagen des Opfers (=
körperliche Misshandlung iSv § 223 StGB / Gewaltausübung iSv § 249 StGB) und anschließender
Ansichnahme (= Wegnahme iSv § 249 StGB) seiner Brieftasche: §§ 249, 223; oder: Niederschlagen
des Opfers (= Gewaltausübung iSv § 177 StGB) und Vornahme sexueller Handlungen (= 2. Tatakt
iSv § 177 I StGB) unter zusätzlicher Beleidigung (= Tathandlung iSv § 185 StGB): §§ 177, 223,
185, 52 StGB.
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ZB §§ 123 oder, 239 StGB;  es liegt ein (einheitliches) Delikt vor, das ggf. mit verschiedenen,
hierdurch „verklammerten“ Drittdelikten (Beleidigung eines Bewohners und anschließende
Sachbeschädigung während eines widerrechtlichen Aufenthaltes in fremder Wohnung: §§ 123, 185,
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- sog. natürliche Handlungseinheit12:
= Verwirklichung des (1) gleichen Tatbestandes13 in ubr. Aufeinanderfolge und
(2) in räumlich-zeitlichem Zusammenhang
(3) auf Grund eines einheitlichen Willenentschlusses
[Rechtsprechung weitergehend]14 :
-sukzessive (schrittweise) TB-Erfüllung15
-iterative (sich wiederholende) TB-Erfüllung16
[ -ursprünglich17 auch Fortsetzungszusammenhang18 ]
303, 52 StGB) in Idealkonkurrenz stehen kann. (allerdings str., sofern weiteres Delikt ohne innere
Verknüpfung nur zeitgleich verübt).
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ZB die Tracht Prügel (als eine "körperliche Misshandlung"/ mehrere Blessuren als eine
"Gesundheitsbeschädigung")  es liegt nur ein (einheitliches) Delikt vor, das ggf. mit
verschiedenen, hierdurch „verklammerten“ Drittdelikten in Idealkonkurrenz stehen kann.
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Bei höchstpersönlichen Rechtsgütern idR keine natürliche Handlungseinheit, sofern verschiedene
Rechtsgutsträger.
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Etwa sog. Verkehrsfluchtfälle (zB BGHStE 22, 67): Verwirklichung verschiedener Delikte in
natürlicher Handlungseinheit  Idealkonkurrenz! Hierzu: Sowada Jura 1995, 245.
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Bspw. Abgabe von 3 Schüssen, von denen der erste das Opfer verfehlt, der zweite es verletzt und
der dritte tödlich wirkt: eine Tötungshandlung isv § 212 StGB [Ergebnis: Verurteilung nach § 212
StGB - nicht etwa nach §§ 212, 22, 212, 22, 23, 224 I Nr. 5, 212 StGB in Idealkonkurrenz (§ 52
StGB): Subsidiarität der versuchten zur vollendeten Tötung sowie der gefährlichen
Körperverletzung zur vollendeten (!) Tötung; s. o., Fn. 7].
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Bspw. Fortschaffen der mehrteiligen Diebesbeute in mehreren Gängen.
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Konstrukt aufgegeben durch BGHStE 40, 138 (= NJW 1994, 1636).
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Voraussetzung: Verletzung des gleiches Rechtsgut in gleichartiger Begehungsweise + Gesamtvorsatz (str.).
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