BEHINDERUNG UND POLITIK Erscheint 4 x jährlich – 60. Jahrgang Ausgabe 2/11 – Mai 2011 Schwerpunkt: Selbsthilfe – gestern, heute und morgen Faktor für den sozialen Zusammenhalt herausgegeben von Behinderung und Politik 2/11 Inhaltsverzeichnis Editorial Ohne Selbsthilfe keine Gesellschaft ........................................................................... 3 Von Maria Gessler Schwerpunkt Wir sind geboren, um gemeinsam zu wirken Von Carmen Rahm 1951: Längst vergangen und doch überraschend aktuell ........................................... 7 Von Mélanie Sauvain «Warum braucht es AGILE auch in Zukunft?» ........................................................... 9 Von Eva Aeschimann und Mélanie Sauvain Sozialpolitik Sozialpolitische Rundschau ...................................................................................... 11 Von Mélanie Sauvain Zwiespältige Bilanz zur ersten Tranche 6. IVG-Revision .......................................... 16 Von Ursula Schaffner IV-Gutachten bei psychisch und psychosomatisch Erkrankten ................................ 19 Gleichstellung UNO-Behindertenrechtskonvention als Diskussionsstoff .......................................... 22 Von Eva Aeschimann Portrait einer Aktivistin für die Gleichstellung............................................................ 25 Von Eva Hammar Bouveret Zugänglichkeit als Staatssache ................................................................................ 27 Von Mélanie Sauvain «Gleichstellung im Alltag hautnah erlebt»: Es war der Haken! ................................. 29 Von Simone Leuenberger Arbeit Die Journalisten und die berufliche Wiedereingliederung im Rahmen der IV-Revision 6a: Worüber wird geschrieben? ................................................................................ 32 Von Catherine Corbaz Verkehr Mitteilungen der Fachstelle Behinderung und öffentlicher Verkehr........................... 34 Bildung «Meine Selbstsicherheit im Umgang mit anderen ist gestiegen» ............................. 35 Von Eva Aeschimann Behindertenszene Gelebte Selbsthilfe und Empowerment .................................................................... 37 Von Eva Aeschimann Eidgenössische Wahlen: ein Amt für alle zugänglich ............................................... 39 Von Mélanie Sauvain Medien Freiwillig?.................................................................................................................. 41 Von Bettina Gruber Impressum .............................................................................................................. 42 2 Behinderung und Politik 2/11 Editorial Ohne Selbsthilfe keine Gesellschaft Selbsthilfe ist ein wichtiger Teil des Kitts, der eine Gesellschaft zusammenhält. Was wie eine kühne Behauptung erscheint, ist nichts anderes als die Feststellung, dass Selbsthilfe eigentlich etwas Alltägliches ist. Die Mütter im Park reden miteinander über ihre Kinder, tauschen Erfahrungen aus, geben einander Hinweise und Tipps – Selbsthilfe, bloss wird sie nicht als solche erkannt oder ‹offiziell› deklariert. Die Arbeiterbewegung setzte sich ein für gerechtere Entlöhnung und bessere Arbeitsbedingungen. Auch der Rütlischwur ist eine der möglichen Formen von Selbsthilfe: Die Menschen wollten keinen König vor die Nase gesetzt bekommen, sondern direkt dem Kaiser verpflichtet sein. Und es nützte ja: Wir haben keine Monarchie. Selbsthilfe wirkt unter anderem deshalb auf eine Gesellschaft positiv ein, weil Menschen mit gemeinsamen Erfahrungen, Können und Wissen oder Zielen sich zusammentun, um etwas zu bewirken. ‹Die Gesellschaft› an sich kann ja nicht handeln, sie ist etwas Abstraktes. Die Menschen, die ihr angehören, ‹machen› sie: Sitten und Gebräuche, moralische und ethische Regeln, Gesetze, Übereinkünfte, Benehmen, Wahrnehmung – alle tragen dazu bei. Selbst die Verweigerung von etwas als unsinnig Empfundenen kann zu Selbsthilfe führen: Das wollen wir so nicht mehr, wir versuchen etwas zu verändern. Es ist seltsam, dass Selbsthilfe von recht vielen Leuten gar nicht als demokratische, partnerschaftliche und individuelle Kompetenzen fördernde Vorgehensweise wahrgenommen wird. Gewisse politische Kreise scheinen Solidarität für ein Schimpfwort zu halten und die wahren Bedürfnisse und Anliegen von Mitgliedern der Gesellschaft als vernachlässigbar. Am liebsten so schnell wie möglich abschaffen, und die Selbsthilfe von Behinderten-Organisationen erst recht. Etwas Grundlegendes vergessen diese sich so klug gebenden Köpfe jedoch nur zu gerne: Müsste das gesamtschweizerisch in Selbsthilfe investierte Engagement von Berufsleuten getan werden, würde das laut einer Studie rund 100 Millionen Franken kosten. AGILE feiert in diesem Jahr ganz im Stillen das 60jährige Bestehen. Viel hat sich verändert in diesen vergangenen Jahrzehnten, politisch, sozial, gesellschaftlich. Etwas war, ist und bleibt gleich: Eine von den Mitglied-Organisationen gut getragene und starke Dach-Organisation bietet die beste Garantie, dass Menschen, die mit einer Behinderung leben, zu ihrem Recht kommen. Maria Gessler Vorstandsmitglied AGILE Behinderten-Selbsthilfe Schweiz 3 Behinderung und Politik 2/11 Schwerpunkt Wir sind geboren, um gemeinsam zu wirken Sich selber zu helfen, allein oder mit Unterstützung, gehört seit jeher zum menschlichen Wesen. Die organisierte Selbsthilfe geht zurück bis in die Anfänge der Industriegesellschaft, und ihre Geschichte ist geprägt vom sozialen Wandel. Ein Blick zurück. Ein Blick in die Zukunft. Von Carmen Rahm, Geschäftsleiterin Stiftung KOSCH, Koordination und Förderung von Selbsthilfegruppen in der Schweiz Historische Entwicklung der Selbsthilfebewegung Das von Braun und Opielka 1992 im Kohlhammer-Verlag veröffentlichte Werk «Selbsthilfeförderung durch Selbsthilfekontaktstellen» skizziert die Entwicklung der Selbsthilfe in drei Phasen: In den Anfängen der Industriegesellschaft führte die materielle und existentielle Notlage zu einer weit reichenden Auflösung von traditionellen Gemeinschaftsverbindungen. In der Folge entstand eine sogenannte «sozialökonomische Selbsthilfe»: Menschen organisierten sich einerseits für den Aufbau von karitativen Hilfsvereinen, anderseits in solidarischen Hilfssystemen wie Genossenschaften und Gewerkschaften. In der zweiten Phase entwickelte sich die sozialpolitische Selbsthilfe, zu deren Vertretern zum Beispiel der Gehörlosenverein in Bern (Gründungsjahr 1894), der Schweizerische Blindenverband (Gründungsjahr 1911), oder ab den dreissiger Jahren der schweizerische Invalidenverband gehörten. Die Selbsthilfeentwicklung der dritten Phase begründete die moderne Selbsthilfe bzw. Selbsthilfeunterstützung. Der gestiegene Wohlstand ermöglichte nun allen Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu sozialstaatlichen Leistungen. Um sich im Dschungel des Gesundheits- und Sozialwesens zurechtzufinden, schlossen sich Hilfesuchende in lokalen Selbsthilfegruppen zu Gesprächs- und Handlungsgemeinschaften zusammen. Die vielfältigen Formen der «sozialgemeinschaftlichen Selbsthilfe» – später auch als «Alternativ-Szene» betitelt – hatten ihre Blütezeit in den 1970er und 1980er Jahren. Das professionelle Versorgungssystem begegnete diesem Aufschwung anfangs mit grosser Skepsis bis Ablehnung. Man befürchtete eine «Billigkonkurrenz» zu den traditionellen Versorgungsstrukturen. Bald jedoch setzte sich die Erkenntnis durch, dass Selbsthilfegruppen mit professioneller Förderung durch Kontaktstellen und Selbsthilfeorganisationen erfolgreiche Arbeit zu leisten im Stande sind. Die Akteure der Selbsthilfeförderung haben die alternative Ecke verlassen und sind heute als professioneller Partner wahrgenommen und anerkannt. Kooperation und Förderung von Selbsthilfegruppen heute Im Laufe der letzten zwanzig Jahre hat es sich erwiesen, dass Selbsthilfegruppen sich besser und nachhaltiger etablieren, wenn sie von professionell geführten 4 Behinderung und Politik 2/11 Kontaktstellen Beratung und Unterstützung erhalten. Die Mitarbeitenden der Kontaktstellen unterstützen Menschen, damit sie eigenverantwortlich für ihre Belange nach Lösungsmöglichkeiten suchen und diese in Handeln umsetzen können. Zu den zentralen Funktionen einer Kontaktstelle gehören neben der Beratung von Einzelnen und Gruppen die Förderung der Selbsthilfegruppen, die Unterstützung bei Gruppenbildungen, die Promotion der Selbsthilfe-Idee und die Verbindung von Selbsthilfegruppen mit professionellen Hilfsangeboten. Heute setzen sich in 15 Kantonen 20 Kontaktstellen für die Selbsthilfegruppen ein. Vor mehr als zehn Jahren gründete eine Interessengemeinschaft der Kontaktstellen die schweizerische Dachorganisation der regionalen Kontaktstellen – die Stiftung KOSCH. Die Stiftung KOSCH bezweckt die Förderung der Selbsthilfe und koordiniert die Vernetzung der regionalen Kontaktstellen für Selbsthilfe in der Schweiz. Sie betreibt eine nationale und internationale Anlauf- und Informationsstelle für die Selbsthilfe, regt Forschungsprojekte an und bildet die Schnittstelle zwischen den regionalen Kontaktstellen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen. Die Stiftung KOSCH setzt sich mit parlamentarischem Lobbying und Teilnahme in politischen Gremien für die gesetzliche Verankerung der Selbsthilfeförderung ein. Im inzwischen vom Nationalrat verabschiedeten Präventionsgesetz ist die Förderung von Selbsthilfegruppen explizit verankert. Die Stiftung KOSCH und die Kontaktstellen sind die Organisationen, welche sich für Selbsthilfegruppen zu jeglichen Themen einsetzen. In der Schweiz gibt es heute rund 2000 Selbsthilfegruppen zu 450 Bereichen. Künftige Herausforderungen Längst belegen Studien, dass Mitglieder von Selbsthilfegruppen den Umgang mit einer Krankheit etwa bewusst und eigenverantwortlich anpacken. Dies kann auch zu reduziertem Medikamentengebrauch oder weniger Behandlungen führen und somit die Kosten im Gesundheitswesen beeinflussen. Würden die rund 2000 Selbsthilfegruppen in der Schweiz professionell geleitet, würde dies Kosten im dreistelligen Millionenbereich verursachen. Im Wissen darum, dass die Selbsthilfe in Gruppen einen nachhaltigen positiven Einfluss auf die Gesundheit und auf den Heilungsprozess hat, steht die Förderung der Selbsthilfegruppen auch weiterhin vor grossen Herausforderungen. So muss zum Beispiel auf der politischen Ebene das nationale Präventionsgesetz rasch auch vom Ständerat verabschiedet und effektiv umgesetzt werden. In den Kantonen soll die Förderung von Selbsthilfegruppen in die Verfassung aufgenommen werden, wie es zum Beispiel im Kanton Basel-Stadt seit 2005 bereits der Fall ist. Krankenkassen und professionelle Dienste müssen ihre Klienten und Patienten vermehrt über den Sinn und Zweck von Selbsthilfegruppen informieren. Die gesellschaftliche Anerkennung der Selbsthilfe ist eine weitere Herausforderung. Die Selbsthilfegruppen sollen nicht länger als sogenannte Jammerclubs belächelt werden, sondern als Institution anerkannt sein, welche Menschen darin unterstützt, Selbstvertrauen und Kraft zurückzugewinnen und das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. 5 Behinderung und Politik 2/11 Ziel ist es, dass künftig die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe von Gesellschaft und Politik ebenso selbstverständlich anerkannt ist wie der Besuch des Hausarztes. Kontakte: - Stiftung und Geschäftstelle KOSCH, Tel: 061 333 86 01, www.kosch.ch - Direkte Nummer zur nächsten Selbsthilfekontaktstelle: 0848 810 814 Literaturhinweise: - Selbsthilfegruppen brauchen ein Netz, Vreni Vogelsang, 1995. Seismo-Verlag - Es gibt Leute, die das Gleiche haben, J. Stremlow, 2004, HSA-Luzern - Selbsthilfe unterstützen, NAKOS, 2006, Berlin 6 Behinderung und Politik 2/11 1951: Längst vergangen und doch überraschend aktuell Ein Rückblick auf eine lange zurückliegende Zeit – die Jahre 1951-1952. Erste Informationsbulletins der ASKIO (heute AGILE), erste Jahresberichte. Was hat sich verändert? Was nicht? Eine kleine Reise in die Vergangenheit und zurück in die Gegenwart. Um für die Zukunft gerüstet zu sein … Von Mélanie Sauvain, Secrétaire romande, AGILE Vor 60 Jahren gab es weder Computer noch Internet. Die Informationsbulletins oder Nachrichten der ASKIO (Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Kranken- und Invaliden-Selbsthilfeorganisationen) wurden auf der Schreibmaschine getippt und anschliessend zusammengeheftet. Eine andere Welt … aber nicht nur in dieser Hinsicht. Von den blinden Hausierern zu den ansteckenden Invaliden In den Archiven von AGILE aus den Jahren 1951-1952 zeigt sich vor allem im verwendeten Vokabular, dass die Behinderung im Gegensatz zu heute ganz anders betrachtet wurde. Behinderungen waren «Gebrechen» und die «Invaliden» wurden den «Gesunden» gegenübergestellt. Auch der Alltag der Betroffenen schien völlig unterschiedlich zu sein. Hausieren, d.h. der Verkauf von Krimskrams und anderen handgefertigten Artikeln, beispielsweise war bei Blinden sehr beliebt, da es für sie die einzige Möglichkeit war, «aus den für sie drückenden vier Wänden herauszukommen». Der Begriff der Selbstbestimmung existierte noch nicht. Aber die Betroffenen waren sich schon 1951 bewusst, wie wichtig es ist, über das eigene Schicksal bestimmen zu können. Und sie verschafften sich immer mehr Gehör. Die Notwendigkeit einer Dachorganisation wurde rasch spürbar, denn die «Invaliden» sollten als den «Gesunden» gleichgestellte Ansprechpartner anerkannt werden, vor allem bei Fragen der Pflege und Unterstützung. Dadurch entstand die ASKIO. Ziel war es auch, Vorurteile abzubauen: «Es ist notwendig, in unserem Lande die ungerechtfertigte Furcht vor Ansteckung (AdR.: durch die Behinderung), die Tendenz den körperlich Behinderten als geistig ebenfalls nicht normal anzusehen und vor allem das sentimental-neugierige Mitleid zum Verschwinden zu bringen» (Auszug aus den ersten ASKIO-Nachrichten, Januar 1952). 60 Jahre später muss leider festgestellt werden, dass Menschen mit Behinderung sich immer noch gegen – alte und neue – Vorurteile zur Wehr setzen müssen. Die Angst vor einer Ansteckung ist zwar verschwunden, aber die Angst vor Körperkontakt ist geblieben. Und Menschen mit einer sichtbaren Behinderung machen noch zu häufig die Erfahrung, dass sie wie Kinder oder Personen mit einer geistigen Behinderung behandelt werden. Hingegen gab es in den 1950er-Jahren keine Debatte über «Scheininvalide». Der Erfinder dieser Idee, Christoph Blocher, war damals auch erst 11 Jahre alt. Dennoch gab es bereits eine Tendenz, gute und schlechte Behinderte zu unterscheiden: In einer damaligen Selbsthilfegruppe wurde darüber diskutiert, ob es berechtigt sei, 7 Behinderung und Politik 2/11 wenn ein Amputierter ohne seine Schmuckprothese hausiere oder bettle, «um seinen Umsatz durch den Appell ans Mitleid zu steigern». Aktuell und doch so fern Vor 60 Jahren umfasste die ASKIO acht Selbsthilfeorganisationen: vier regionale Invalidenvereine der Deutschschweiz, zwei Organisationen für Tuberkulose, den Bund Schweizer Militärpatienten und den Schweizerischen Blindenverband (SBV). 1951 wurden in der Schweiz rund «200 000 Blinde, Taube, Stumme, Taubstumme, Gelähmte und andere körperlich Invalide» gezählt. Offenbar wurden die geistig Kranken nicht in der Statistik erfasst, welche in mehreren Dokumenten im Zusammenhang mit der künftigen Invalidenversicherung zitiert wird. Psychische Erkrankungen werden nur in Verbindung mit Amputierten erwähnt, denen es schwer falle, ihr Schicksal zu akzeptieren. Psychische Erkrankungen – anscheinend ein totales Tabu zu diesem Zeitpunkt. Zwar haben sich die «Kategorien» von Behinderung, die bei AGILE vertreten sind, weiterentwickelt, das Tätigkeitsprogramm des Dachverbands von damals bleibt dagegen überraschend aktuell. So wurde an der ersten Delegiertenversammlung der ASKIO am 4. November 1951 beschlossen, «folgende Aufgaben umgehend an die Hand zu nehmen»: - Ein Informationsbulletin soll periodisch herausgegeben werden - Ein Katalog soll errichtet werden über Umfang, Zweck und Leistung möglichst aller Kranken- und Invaliden-Selbsthilfewerke in der Schweiz - Die Presse soll regelmässig positive Artikel erhalten, besonders zum Thema gesellschaftliche Eingliederung - Beim Radio solle eine Diskussion über das Verhältnis Behinderte-Gesunde angeregt werden sowie Reportagen über die Arbeit erfolgreich beruflich tätiger Behinderter - Eine Ferienwoche soll der Förderung des Kontaktes zwischen den Mitgliedern dienen - Der Kontakt mit Parlamentariern soll gepflegt werden im Sinne der Aufklärung und Werbung und Vorbereitung späterer Vorstösse - Alle erreichbaren Dokumente zum Thema Invalidenversicherung sollen gesammelt werden im Hinblick auf gemeinsame Schritte. In den ersten Jahren veränderte sich dieses Programm kaum. Das Ziel einer eidgenössischen Invalidenversicherung – mit einem Teil «berufliche Integration» und einem Teil «finanzielle Unterstützung» – erhielt ein immer grösseres Gewicht. Bis die IV 1960 in Kraft gesetzt wurde. Wo stehen wir heute? Das Ziel ist, sich gegen einen Rückschritt um 60 Jahre zu wehren und gegen den Abbau der Invalidenversicherung zu kämpfen. Übersetzung: Susanne Alpiger 8 Behinderung und Politik 2/11 «Warum braucht es AGILE auch in Zukunft?» Das Dach der Behinderten-Selbsthilfe feiert 2011 seinen 60. Geburtstag – vier Persönlichkeiten, die AGILE seit längerem kennen, und ihre Gedanken zum Jubiläum. Zusammengetragen von Eva Aeschimann, Bereichsleitung Öffentlichkeitsarbeit und Mélanie Sauvain, Secrétaire romande Otto Piller, 1997 – 2003 Direktor Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) In diesem Jahr darf AGILE Behinderten-Selbsthilfe Schweiz den 60. Geburtstag feiern. Dazu gratuliere ich herzlich und verbinde diese Gratulation auch mit dem ebenso herzlichen Dank für die so wertvolle Arbeit, die sie im Lauf dieser Zeit zum Wohle unserer Mitmenschen mit einem Handicap geleistet hat. In meiner Jugendzeit begegnete ich immer wieder Menschen mit einer Behinderung, die ein sehr trauriges Leben führen mussten. In einer bäuerlich geprägten Umgebung war in ihrem Alltag harte Arbeit angesagt. Eine nennenswerte Schulbildung fehlte meistens vollständig und wurde auch nicht als notwendig erachtet. Diese Leute vegetierten oftmals regelrecht dahin und Lebensfreude konnten sie nur erfahren, wenn sie bei gutherzigen Menschen wohnen und arbeiten konnten. Das erbärmliche Leben führte sehr oft auch zu einem frühen Tod. Das hat sich erfreulicherweise vollständig geändert. Einerseits hat die Einführung der Invalidenversicherung im Jahre 1960 eine Förderung der Menschen mit einem Handicap ermöglicht. Auf der andern Seite haben Organisationen wie AGILE wesentlich dazu beigetragen, dass in der Schweiz die Ausgrenzung der behinderten Mitmenschen endlich der Vergangenheit angehört. Das Diskriminierungsverbot in Art.8 der Bundesverfassung und die entsprechende Ausführungsgesetzgebung sind Dank dieser grossen Arbeit heute Wirklichkeit. Dafür verdient AGILE nebst den besten Geburtstagswünschen auch unseren herzlichen Dank. Möge das erfolgreiche und so wertvolle Wirken weitergehen! Andreas Rieder, Leiter des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) In den sechzig Jahren, in denen sich AGILE für die Interessen von Menschen mit Behinderungen einsetzt, hat sich vieles bewegt. Die neun Jahre jüngere IV wurde fünf Mal revidiert, die Wahrnehmung von Behinderung hat sich gewandelt, und neben die herkömmlichen Instrumente der Politik zugunsten von Menschen mit Behinderungen ist das Gleichstellungsrecht getreten. Dieser Wandel ist zu einem guten Teil auch AGILE zu verdanken. Auch in Zukunft gibt es viel zu bewegen: Die IV ist in einer kritischen Phase, und Gleichstellung gilt es in vielen Lebensbereichen noch zu verwirklichen. Hierzu braucht es auch weiterhin Engagement, Beharrlichkeit und Beweglichkeit – kurz: AGILE. 9 Behinderung und Politik 2/11 Beatrice Breitenmoser, 1995 – 2004 Vizedirektorin Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV ) und Leiterin Invalidenversicherung; heute Geschäftsleiterin der Stiftung Rüttihubelbad AGILE weckt in mir gute Erinnerungen: Einzelpersonen und kleine Gruppen, die engagiert, kompetent und fair kämpfen. Zentral ist die Würde des einzelnen Menschen. In ebenfalls guter Erinnerung habe ich, wie AGILE «nervt», mühsam und unbequem sein kann. AGILE war ein «Leichtgewicht» in der Welt der politischen und fachlichen Lobbyorganisationen. AGILE brauchte einen gewissen Schutz, um wahrgenommen zu werden. Bestand dieser Schutz, wurde aus dem «Leichtgewicht» ein nicht zu unterschätzendes «Schwergewicht». AGILE ist mir als Organisation mit typischen weiblichen Eigenschaften in Erinnerung. Heute dominieren Spardruck die Debatte und der Irrglauben, Menschen mit einer Behinderung könnten beliebig in die «freie» Arbeitswelt integriert werden. Menschen mit einer Behinderung erleben eine sehr schwierige und herausfordernde Zeit. Ich wünsche von Herzen, dass AGILE ihre starken weiblichen Eigenschaften kompetent, fair und kämpferisch in die Politik und in die Fachwelt einbringt. Thomas Bickel, Zentralsekretär Integration Handicap, Sekretär der DOK AGILE braucht es auch in Zukunft, weil… - die Betroffenen eine gewichtige Stimme zur Vertretung ihrer Anliegen benötigen: - es eine Dachorganisation braucht, welche die vielfältigen Interessen der einzelnen Behinderungsgruppen unter einen Hut bringen kann; - es einer basisdemokratisch ausgerichteten Dachorganisation bedarf, welche den Betroffenen direkt Gehör verschaffen kann; - ein repräsentatives Selbsthilfedach wichtig ist, um eine konstruktive und Erfolg versprechende Zusammenarbeit mit den Fachorganisationen und Leistungserbringern zu ermöglichen; - Menschen mit Behinderung sich in erster Linie selber müssen vertreten können; - sich eine glaubwürdige Behindertenpolitik an einer breit abgestützten Meinungsbildung unter den Betroffenen orientieren muss; - die Stimme der Betroffenen einen klaren und auch kritischen Lautsprecher in der Öffentlichkeit benötigt. 10 Behinderung und Politik 2/11 Sozialpolitik Sozialpolitische Rundschau In den vergangenen Monaten war die Aufmerksamkeit vor allem auf die Revolten in den arabischen Ländern und auf Fukushima gerichtet. Die Schweizer Politik war aber nicht weniger aktiv. Einer der Schwerpunkte der Sozialpolitik war die Verabschiedung der ersten Tranche der 6. IVG-Revision durch das Parlament. Eine Rückschau auf weitere wichtige Geschehnisse der ersten Monate des Jahres. Von Mélanie Sauvain, Secrétaire romande, AGILE «La faim des profits engendre les fins de droit», schreibt Guy Zurkinden in «Services publics», dem Magazin des Verbands des Personals öffentlicher Dienste – die Profitgier also führt zur Aussteuerung. Im Jahr 2010 haben die 20 im Swiss Market Index (SMI) kotierten Unternehmen Rekordgewinne in Höhe von 82 Milliarden Franken erzielt. Auf der anderen Seite müssen ausgesteuerte Arbeitslose und IVRentenbezügerInnen, die ihren Anspruch verlieren, wegen der Kürzungen bei den Sozialversicherungen heute Sozialhilfe beziehen. Immer wieder diese Vergesslichkeit (Fortsetzung) In der letzten «Rundschau» schrieb ich von mehreren Milliarden Franken Steuereinbussen, die dadurch entstehen, dass einige reiche Steuerpflichtige jedes Jahr vergessen, das eine oder andere ihrer Bankkonten zu versteuern – die Ärmeren leiden nicht unter dieser Art von Amnesie. Auch der Bundesrat ist nicht gegen gewisse Versäumnisse gefeit: So hielt er es nicht für nötig, die tatsächlichen Auswirkungen der «Unternehmenssteuerreform II» auf die Steuereinnahmen von Bund und Kantonen zu berechnen, sondern schätzte lediglich, dass dieses Geschenk an die Unternehmen zu Steuerausfällen von rund 400 Millionen Franken führen würde. Nur einige Monate nach Inkrafttreten dieser Reform sind die Steuereinbussen von 400 Millionen auf heute schätzungsweise über 7 Milliarden Franken hochgeschnellt! Befremdend ist auch der Wechsel bei den Empfängern dieser Geschenke. Die als Impuls für Garagisten, Coiffeurgeschäfte und andere Handwerks- und Gewerbebetriebe gedachte Reform hat sich in eine sehr grosszügige Geste für die Aktionäre der UBS, ABB, Nestlé, Novartis und Konsorten verwandelt. In dieser Hinsicht hörte man vom Bundesrat zuletzt, dass er diese Ungenauigkeiten bedaure. Wie die Parlamentsmehrheit lehnt aber auch er eine erneute Abstimmung über diese Reform ab, die vom Volk (im Februar 2008 mit 50,5 Prozent der Stimmen) ohne Kenntnis der tatsächlichen Auswirkungen angenommen worden war. Eine Beschwerde ist hängig. 11 Behinderung und Politik 2/11 Invalidenversicherung Vgl. den Artikel von Ursula Schaffner «Zwiespältige Bilanz zur ersten Tranche 6. IVG-Revision». Die Botschaft zur zweiten Tranche 6b IVG-Revision wurde vom Bundesrat nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe der Zeitschrift veröffentlicht. Arbeitslosenversicherung 16‘000 ausgesteuerte Arbeitslose Am 1. April ist das revidierte Arbeitslosenversicherungsgesetz mit seinen strengeren Bestimmungen in Kraft getreten (vgl. «agile» 3/10). Kurz zuvor hatte der Bundesrat die entsprechende Vollzugsverordnung erlassen. Trotz der positiven Wirtschaftsindikatoren (Wachstum, steigende Exporte, sinkende Arbeitslosigkeit etc.) hat die Regierung an der rückwirkenden Anwendung des neuen Systems auf die vor dem 1. April registrierten Arbeitslosen festgehalten. Damit wurden fast 16‘000 Arbeitssuchende von der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen, viele bereits am 1. April 2011. Häufig mit sehr unzulänglicher Vorankündigung und Begleitung, wenn man den Presseberichten glaubt. Laut Walter Schmid, dem Präsidenten der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS), werden sich rund ein Drittel dieser ehemaligen Versicherten an die Sozialhilfe wenden, die von den Kantonen bezahlt wird. Was mit den anderen geschieht, weiss man nicht. Viele werden zuerst ihr privates Vermögen aufbrauchen, bevor sie den Gang zur Fürsorge antreten. Die meisten Ausgesteuerten lassen sich von ihren Familien unterstützen, sagt Walter Schmid in einem Gespräch mit der SDA. Alle Ähnlichkeiten mit dem Schicksal der ehemaligen IV-Rentenbezüger sind rein zufällig (AdR). Für eine kleine Minderheit der ALV-Versicherten, d.h. für die Kulturschaffenden, brachte die bundesrätliche Verordnung eine Verbesserung. Die vom Volk im September 2010 gutgeheissenen Verschärfungen sehen vor, dass die Beitragszeit für den Anspruch auf 400 Taggelder von 12 auf 18 Monate verlängert wird. Für Kulturschaffende ist es fast unmöglich, diese Anforderung zu erfüllen. Anscheinend ist sich der Bundesrat dessen bewusst. Im früheren System wurden bei Kulturschaffenden mit häufig wechselnden oder befristeten Anstellungen die ersten 30 Beitragstage doppelt gezählt, um eine Beitragszeit von 12 Monaten realistisch werden zu lassen. In der Verordnung zum revidierten Gesetz wurde diese doppelte Anrechnung der Beitragszeit nun auf 60 Tage verlängert. Der einzige Haken besteht darin, dass die Verordnung im Gegensatz zum Gesetz nicht rückwirkend angewendet wird. Kulturschaffende, die ab Anfang April Beiträge entrichtet haben, sind nun besser gestellt als jene, deren Entschädigungen durch das neue Gesetz geschmälert werden. Anfang April hat die Stadt Genf ein Rechtsgutachten veröffentlicht, das diese Ungleichbehandlung in Frage stellt. Nun ist abzuwarten, ob Bundesrat Johann Schneider-Ammann auf diese Argumentation reagiert. 12 Behinderung und Politik 2/11 AHV Die 11. AHV-Revision ist zurück Im letzten Herbst wurde die 11. AHV-Revision (zweiter Anlauf) vom Parlament in der Endabstimmung abgelehnt. Haben Sie gedacht, das sei es nun gewesen? Dem ist nicht so. Die 11. AHV-Revision ist zurück. Zumindest ihre Sparmassnahmen… Anfang April hat die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerats der parlamentarischen Initiative von Erika Forster (FDP/SG) Folge gegeben, welche die Anhebung des Rentenalters der Frauen von 64 auf 65 vorsieht. Ausserdem wird die Idee wieder aufgenommen, die Altersrenten nicht mehr an die Teuerung anzupassen, wenn der Ausgleichsfonds eine festgelegte Höhe unterschreitet. Ziel sind Einsparungen in Höhe von 800 Millionen Franken zur Sicherung der Zukunft der ersten Säule. Es ist nicht mehr die Rede davon, einen Teil dieser Mittel zur Finanzierung des vorzeitigen Altersrücktritts für Personen mit tiefem Einkommen zu verwenden, wie es in der Vorlage des Bundesrates vorgesehen war. Für die Linke ist diese parlamentarische Initiative ein schwerer Schlag, wird sie doch im Alleingang gegen den Vorschlag ankämpfen müssen. Die Schwesterkommission des Nationalrats muss ebenfalls noch grünes Licht geben, bevor dem Plenum ein Gesetzestext vorgelegt wird. Angesichts der gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse scheint der Ausgang von vornherein festzustehen. Finanzierung durch eine Erbschaftssteuer Die SP, die Grünen und die Evangelische Volkspartei (EVP) haben ihrerseits eine Lösung zur Sicherung der AHV präsentiert. Die drei Parteien haben sich auf einen Initiativtext zur Einführung einer eidgenössischen Erbschaftssteuer geeinigt: Der Bund soll dadurch jährlich rund drei Milliarden Franken einnehmen, die insbesondere in die Kasse der 1. Säule fliessen sollen. Auch die Kantone gehen nicht leer aus. Um die Erfolgschancen der Initiative zu erhöhen, sollen kleine Vermögen von der Steuer ausgenommen werden. Steuerfrei bleiben sollen Erbschaften unter zwei Millionen Franken, Zuwendungen an EhepartnerInnen oder registrierte PartnerInnen sowie Spenden an Hilfswerke. Der Einheitssteuersatz von 20 Prozent liegt deutlich unter den in Deutschland, Frankreich oder Grossbritannien geltenden Sätzen. Für KMU und Landwirtschafsbetriebe gelten besondere Regeln, um Nachfolgen nicht zu gefährden. Für die Verwendung der drei Milliarden Neueinnahmen lässt die Initiative einen grossen Spielraum. Wir dürfen deshalb davon träumen, dass die IV nicht einmal mehr vergessen geht… KVG Managed Care Die Managed-Care-Vorlage ist auf der Kippe. In der Differenzbereinigung im Parlament haben die beiden Kammern auf ihren Positionen beharrt und damit die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Vorlage nach sechsjährigen Arbeiten versenkt wird. Anders als der Ständerat will der Nationalrat die Krankenversicherungen dazu verpflichten, in allen Regionen Netzwerke anzubieten. 13 Behinderung und Politik 2/11 Unterschiede bestehen auch bei der Frage, wie die Versicherten belohnt werden sollen, die sich für ein Managed-Care-Modell entscheiden, bzw. was für jene gilt, die sich keinem Netz anschliessen. Anfang März hatte der Nationalrat für einen Status quo für die im Managed-Care-Modell Versicherten (d.h. einen Selbstbehalt von 10 Prozent plädiert, während die traditionell Versicherten einen Selbstbehalt von 20 Prozent zu bezahlen hätten. Anfang April hat die zuständige Kommission des Ständerats ihrerseits an der Position ihrer Kammer festgehalten: Versicherte, die auf die freie Arztwahl verzichten, sollen mit einer Kürzung des Selbstbehalts auf 7,5 Prozent belohnt werden. Traditionell Versicherte sollen einen Selbstbehalt von 15 Prozent bezahlen. Angesichts der Gefahr, dass die Vorlage im Parlament oder in der Volksabstimmung scheitert, hat die Mehrheit der Ständeratskommission vorgeschlagen, einen Teil der Vorlage zu retten, d.h. die geplante Verbesserung beim Risikoausgleich. Der Jagd nach guten Risiken, welche sich die Krankenkassen heute liefern, soll ein Ende bereitet werden. Dieser Teil der KVG-Reform soll in eine separate Vorlage ausgegliedert werden, meint die Kommission. Der Ständerat wird im Juni darüber entscheiden. Eine Milliarde als Trost Anfang April hat Didier Burkhalter anerkannt, dass die Versicherten in acht Kantonen (GE, VD, NE, JU, BS, ZH, TG und TI) seit 1996 Krankenkassen-Prämien in Höhe von 1,8 Milliarden Franken zu viel bezahlt haben. Die Versicherten der 18 übrigen Kantone hingegen haben von zu niedrigen Prämien profitiert. Grund dafür ist die Freiheit der Krankenversicherungen, ihre kantonalen Reserven nach Gutdünken zu verwenden. Zur Beseitigung dieser Ungleichbehandlung soll knapp eine Milliarde Franken an die «geprellten» Prämienzahlenden zurückerstattet werden. Das sind nur 51 Prozent der gesamten zu viel bezahlten Prämien. Denn es soll eine politisch akzeptable Lösung für all jene gefunden werden, welche zur Kasse gebeten werden, d.h. für die Versicherten der 18 Kantone, die nicht genug bezahlt haben. Es ist verständlich, dass in dieser Situation versucht wird, einen Kompromiss zu finden. Für diejenigen, die zu viel bezahlt haben und keine vollständige Rückerstattung erhalten, hinterlässt dies aber einen sehr bitteren Nachgeschmack. Aber auch bei jenen, die lieber jährlich das bezahlt hätten, was sie schuldeten, anstatt nun auf einen Schlag die Fehlbeträge zurückzahlen zu müssen. Die Krankenkassen hingegen kommen glimpflich davon – sie haben ja nichts verloren. Der vom Bundesrat vorgeschlagene Ausgleich muss noch von den Räten abgesegnet werden. Dass dies auch geschieht, steht aber gar nicht fest. Rationierung in der Pflege 100'000 Franken: So viel darf gemäss einem neueren Urteil des Bundesgerichts ein gerettetes Lebensjahr kosten. Bisher hatte es niemand gewagt, den Wert eines geretteten Menschenlebens festzulegen. Nun musste das Bundesgericht entscheiden. Konkret ging es um den Fall einer 67-jährigen Patientin, deren teure medizinische Behandlung von der Krankenkasse nicht mehr übernommen wurde. 14 Behinderung und Politik 2/11 Das Gericht ist der Ansicht, dass das Leben eines Patienten nicht zu jedem Preis verlängert werden kann. Im beurteilten Fall ist die Beschwerdegegnerin an der seltenen Krankheit Morbus Pompe erkrankt. Ihr Medikament steht nicht auf der Spezialitätenliste der von der Grundversicherung übernommenen Arzneimittel und kostet jährlich rund 500‘000 Franken. Im Wissen, dass in der Schweiz fast 180‘000 Menschen mit einer vergleichbaren Einschränkung der Lebensqualität leben müssen, urteilte das Bundesgericht, dass der Allgemeinheit die Kostenübernahme für diese Behandlung nicht zugemutet werden könne und gab der Versicherung damit Recht. Dabei bemängelten die Richter aber auch, dass in der medizinischen Praxis heute eine implizite oder versteckte Rationierung stattfinde, ohne dass es dafür allgemein anerkannte Kriterien gebe. Dies führe zu Rechtsunsicherheit und Rechtsungleichheit, weil nicht alle Ärzte und Krankenkassen gleich entscheiden würden. Deshalb legten die Richter die Obergrenze von 100‘000 Franken pro gerettetes Lebensjahr fest. Das Urteil war für Politiker und Ethiker Anlass, sich mit dieser mehr als heiklen Frage zu beschäftigen. Nationalrat Ignazio Cassis (FDP/TI) forderte den Bundesrat in einem Postulat auf, zu diesem Entscheid Stellung zu nehmen. Das Bundesamt für Gesundheit seinerseits erarbeitet ein Konzept, wie im Fall von seltenen Krankheiten zu verfahren ist. Möglich ist die Schaffung eines Spezialfonds, der für solche Behandlungen aufkommen könnte. Für die Betroffenen, die quasi zum Tod verurteilt sind, ist zu hoffen, dass die Studie nicht zu lange dauern wird. Unfallversicherung Die Revision des Unfallversicherungsgesetzes wurde an den Bundesrat zurückgewiesen. Die zuständige Kommission des Nationalrates hatte unter dem Einfluss der Privatversicherer beschlossen, verschiedene Leistungskürzungen zulasten der Versicherten in die Regierungsvorlage aufzunehmen. Glücklicherweise hatten sich Nationalrat und anschliessend der Ständerat geweigert, ihr zu folgen. Der Bundesrat ist nun beauftragt, eine neue Revisionsvorlage auszuarbeiten, die sich auf das Notwendige beschränkt: die Regelung des Problems der Überentschädigung. Viele Rentner beziehen neben der AHV eine UVG-Rente: Damit liegt ihr Einkommen deutlich über jenem der Personen, die bis zur Pensionierung voll gearbeitet haben. Quellen vom 25. Januar bis 28. April 2011: «NZZ», «Tages-Anzeiger», «Le Matin», «Tribune de Genève», «SDA», «Services publics - Journal du syndicat des services publics», Medienmitteilungen der Bundesverwaltung. Übersetzung: Susanne Alpiger 15 Behinderung und Politik 2/11 Zwiespältige Bilanz zur ersten Tranche 6. IVG-Revision Die Einführung des Assistenzbeitrags ist positiv zu werten, auch wenn dessen Ausgestaltung unbedingt verbessert werden muss. Negativ werten Behindertenorganisationen den wiederum nur auf Menschen mit Behinderung oder chronische Krankheiten ausgeübten Druck, in die Arbeitswelt zurückzukehren. Von Ursula Schaffner, Bereichsleiterin Sozialpolitik und Interessenvertretung Ende Frühlingssession hat das Schweizer Parlament erwartungsgemäss die erste Tranche 6. IVG-Revision («6a») bereinigt und verabschiedet. Von der Eröffnung der Vernehmlassung zur ersten Tranche der 6. IVG-Revision bis zu ihrer Verabschiedung durch das Parlament sind genau 21 Monate vergangen. Die Vorlage hat sich seither leicht verändert, ist aber in den Grundzügen gleich geblieben. Positive und negative Teile der Vorlage Wiedereingliederung bisheriger RentnerInnen Von unserer Seite her wurde jener Teil der Vorlage stark diskutiert, welcher die berufliche Wiedereingliederung von rund 17'000 bisherigen IV-RentnerInnen vorsieht. Diese Zahl steht zwar so explizit nicht im Gesetz, sie soll aber von den IV-Stellen gemäss der Zielsetzung des Bundesrats erreicht werden. Namentlich Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung unterstützen die IV-Stellen bei der Zielerreichung; diese Massnahmen sind mit der 5. IVG-Revision eingeführt worden. Auch sollen die bereits bestehenden beruflichen Massnahmen wie Berufsberatung, Arbeitsvermittlung oder Umschulung (Art. 15 – 18c IVG) sowie der Anspruch auf Beratung und Begleitung bisherigen RentnerInnen zu Gute kommen. Koordiniert mit der zweiten Säule wird eine Art Rückfallschutz eingeführt: Wer den Schritt ins Arbeitsleben wagt und innerhalb von drei Jahren erneut krank wird, soll ohne grossen administrativen Aufwand seine/ihre IV- und BVG-Rente wieder erhalten. Eine besondere Regel gilt für Rentnerinnen und Rentner, die an einer unklaren, organisch nicht nachweisbaren Schmerz- oder ähnlichen Störung leiden. Ihre Rente soll innerhalb von drei Jahren überprüft und wenn möglich herabgesetzt oder aufgehoben werden. Personen über 55 Jahre oder jene, welche seit 15 Jahren eine IV-Rente bekommen, sind von dieser Regel ausgenommen und behalten ihre Rente. Mehr Wettbewerb beim Erwerb von Hilfsmitteln Mit der 6a-IVG-Revision erhält der Bund neu die Möglichkeit, beim Einkauf von Hilfsmitteln auch Ausschreibeverfahren anzuwenden. Dies allerdings erst nach der Prüfung der drei andern Massnahmen, das sind: Tarifverträge, Höchstlimiten und Pauschalen. Erst wenn diese Instrumente nicht zu den gewünschten Preissenkungen führen, darf das BSV Ausschreibeverfahren durchführen. 16 Behinderung und Politik 2/11 Einführung Assistenzbeitrag Ab 1. Januar 2012 haben volljährige Personen mit Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung (HE) Anspruch auf einen Assistenzbeitrag, sofern sie zu Hause leben. Sie müssen die Assistenzleistungen im Rahmen von Arbeitsverträgen beziehen; PartnerInnen oder Kinder dürfen allerdings mit dem Assistenzbeitrag nicht entschädigt werden. Der Bundesrat legt die Einzelheiten wie Höhe der Stundenansätze und maximal vergütete Stunden fest. – Die neue IV-Leistung wird über die Kürzung der HE von Heimbewohnenden finanziert. Neuer Finanzierungsmechanismus für Bundesbeitrag an die IV Bis Ende 2013 bezahlt der Bund 37,7 Prozent der Ausgaben der IV. Ab 1. Januar 2014 gelten als Bemessungsgrundlage des Bundesbeitrags neu die Mehrwertsteuereinnahmen, wobei diese um einen bestimmten Faktor verringert werden. Der Bund soll aber weiterhin mindestens 37,7 Prozent der Ausgaben der IV bezahlen. Weitere Änderungen Neben den erwähnten wurden weitere Artikel verändert oder gestrichen. Wir nennen hier beispielhaft drei: Gemäss 6a-IVG-Revision werden ausserordentliche Renten in Zukunft ausschliesslich via Bund finanziert (Art. 77 Abs. 2). Damit wird definitiv verhindert, dass diese Renten exportiert werden könnten. In Zukunft kann die IV-Stelle IV-RentnerInnen den kantonalen Polizeibehörden melden, wenn sie an deren Fahrtüchtigkeit zweifelt (Art. 66c). Wer bisher während Eingliederungsmassnahmen verunfallte oder erkrankte, hatte Anspruch auf die Bezahlung der Behandlungskosten. Dieser Artikel ist ersatzlos gestrichen worden. Das heisst, die betroffenen Menschen müssen die entstehenden Kosten selber tragen, obwohl sie möglicherweise weder eine IV-Rente noch ein sonstiges Einkommen haben. Poltisches Kalkül aufgegangen Bei Menschen mit Behinderung ist die vom Parlament am Ende der Frühjahrssession 2011 verabschiedete Vorlage sehr zwiespältig angekommen, denn sie enthält positive und negative Elemente. Positiv ist die Einführung des Assistenzbeitrags zu werten, auch wenn dessen Ausgestaltung unbedingt verbessert werden muss. Negativ werten wir den wiederum ausschliesslich auf Menschen mit Behinderung oder chronische Krankheiten ausgeübten Druck, in die Arbeitswelt zurückzukehren. Die Arbeitgebenden sind bei dieser Wiedereingliederungs- beziehungsweise Sparstrategie ebenso abwesend wie in der vorangehenden 5. IVG-Revision. Bitter wird von Seiten der Behinderten und chronisch Kranken sowie ihrer Organisationen bemerkt, dass das politische Kalkül der noch von Bundesrat Couchepin und dem damaligen IV-Chef du Bois-Reymond der Öffentlichkeit präsentierten Vorlage aufgegangen ist: Sie und eine Mehrheit des Parlaments haben die Behindertenorganisationen mit dem «Zückerchen» Assistenzbeitrag bewusst 17 Behinderung und Politik 2/11 gegeneinander ausgespielt. Damit werden sie absichtlich von aussen daran gehindert, Solidarität zu leben. 18 Behinderung und Politik 2/11 IV-Gutachten bei psychisch und psychosomatisch Erkrankten Eine Ärztin macht sich Gedanken über IV-Gutachten. Sie stützt sich bei ihren Überlegungen in ihrem Gast-Artikel auf eigene Erfahrungen aus der klinischen Tätigkeit. Die Autorin möchte anonym bleiben. Ihr Name ist der «agile»Redaktion bekannt. Zuerst erscheint es mir wichtig, allfällige Interessenkonflikte und den Auftraggeber anzugeben. Ich bin angestellte Ärztin. Es bestehen keinerlei finanzielle Abhängigkeiten bzgl. Aufträge für IV-Gutachten oder Patientenzuweisungen. Die Auftraggeberin dieses Artikels ist die Redaktion von «agile – Behinderung und Politik». Aufhänger für das Thema ist für die «agile»-Redaktion eine Parlamentarische Initiative von SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen, sowie ein Positionspapier, verfasst von verschiedenen Behindertenorganisationen, die sich kritisch zu medizinischen Gutachten in IV-Verfahren geäussert haben. 1. Unabhängigkeit der Gutachter: wirtschaftliche und juristische Abhängigkeit Gutachter sind heute geschult und zertifiziert. Die zentrale Frage lautet für mich: Wem sind sie verpflichtet? Ich beschränke mich auf zwei wichtige Aspekte. a) Wirtschaftliche Abhängigkeit Die Gutachtertätigkeit ist gut bezahlt und damit lukrativ. Informationen zur Höhe der Abgeltungsbeträge sind dem Positionspapier «IV-Gutachten» verschiedener Behindertenorganisationen zu entnehmen oder über die SGPP Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie erhältlich. Gutachten werden je nach Schweregrad mit 1500 bis mehreren tausend Franken entlohnt, wogegen ein normaler IV-Arztbericht durch den behandelnden Arzt im Schnitt 220 Franken kostet. Es erstaunt nicht, dass es einerseits Gutachter-Firmen (GmbHs) gibt, die ausschliesslich der Gutachtertätigkeit nachgehen, anderseits viele niedergelassene Ärzte einen großen Anteil ihres Einkommens durch die Gutachtertätigkeit erwirtschaften. Es braucht wenig Kombinationsvermögen um zu schliessen, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit die theoretisch geforderte Unabhängigkeit und Objektivität eines Gutachters beeinträchtigt. Interessanterweise wird den durch die behandelnden Ärzte angefertigten Berichten zuhanden der IV ein Befangenheitsmalus unterstellt, wohingegen die IV im öffentlichen Diskurs selbstredend davon ausgeht, dass die durch sie bestellten und von ihr wirtschaftlich abhängigen Gutachter unabhängig und objektiv arbeiten würden. Die Tatsache, dass bisher weder eine unabhängige Kontrolle bzgl. der Qualität der Gutachten, noch der Verteilung der Aufträge für Gutachten besteht, verleiht der aktuellen Sachlage einen grotesken Charakter. b) Juristische Verpflichtung: Medico-Legalisierung Ein medizinischer Gutachter kann unter den aktuellen Umständen kaum neutral sein, da er sich in seiner Beurteilung an die geltenden Bundesgerichtsentscheide halten muss (ich verweise auf die Försterkriterien). Im Gutachten nimmt er einen juristischen Entscheid mit seiner Argumentationslinie vorweg. 19 Behinderung und Politik 2/11 2. Wertigkeit der Zeugnisse behandelnder Ärzte bei der IV Als klinisch tätige Ärztin kann ich die Tatsache nicht verstehen, dass interdisziplinäre Beurteilungen, die während Aufenthalten in öffentlichen Spitälern erlangt wurden, von der IV wenig in ihre Beurteilung miteinbezogen werden und oft bereits stattgehabte Untersuchungen in Form von Teilgutachten bei sogenannt externen Gutachtern erneut in Auftrag gegeben werden. Dies kostet eine Menge Geld und Zeit! a) Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bei psychisch und psychosomatisch Kranken Bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit führen Teilgutachten immer zu einer Teilbeurteilung der Arbeitsfähigkeit, zur sogenannten medizinisch-theoretischen Arbeitsfähigkeit aus der Sicht des jeweiligen begutachtenden Facharztes. Psychische und psychosomatische Erkrankungen führen sowohl zu körperlichen wie kognitiven Symptomen, die die Leistungsfähigkeit der Betroffenen bald und erheblich beeinträchtigen. Gerade bei psychisch und psychosomatisch Erkrankten fehlt die Integration bzw. die Erfassung des gesamten Leidens und führt damit zu Fehleinschätzungen der Arbeitsfähigkeit, weswegen der Erfahrung des behandelnden Arztes eine große Bedeutung zukäme. b) Gutachtertätigkeit bei psychisch Kranken: Beziehungsfähigkeit und Vertrauen Eine psychische Erkrankung beeinträchtigt meist die Beziehungsgestaltung zu fremden Menschen, wobei der Erstkontakt nicht selten von Misstrauen, Angst, Selbstzweifeln usw. geprägt ist. Oft werden psychisch kranke Patienten nur 40 Minuten (in einigen uns bekannten Fällen nur 20 Minuten) von einem psychiatrischen Gutachter gesehen, was gezwungenermaßen zu einer anderen Interaktion, Anamnese und Beurteilung führt als dies bei einer langjährigen ärztlichen Bezugsperson des Vertrauens der Fall ist. Daher muss die Einschätzung der behandelnden Ärzte bei psychisch Kranken dringend in die Begutachtung mit einbezogen werden. 3. Engagement der Gutachter und Qualität der Gutachten Es ist mir wichtig zu erwähnen, dass es sehr engagierte und verantwortungsvolle Gutachter gibt, die sich der Beziehungsbeeinträchtigung psychisch und psychosomatisch Erkrankter bewusst sind, die Abklärungen entsprechend gestalten sowie integrativ und sorgfältig schlussfolgern. Es wäre für die Patienten beruhigend, um einen einheitlichen und von Vertrauen geprägten Zugang durch die Gutachter zu wissen. 4. Dauer eines IV-Verfahrens Sie ist von verschiedenen Faktoren abhängig und unterschiedlich lang. Eine IVAbklärung führt bei allen Menschen zu einer Verunsicherung. Bei psychisch Kranken kommt es meist zu einer Zustandsverschlechterung. Diesem Umstand sollte Bedeutung beigemessen werden, da ein laufendes Versicherungsverfahren im Allgemeinen mit einem schlechteren Therapieverlauf einhergeht und damit die Chronifizierung der Erkrankung fördert. 20 Behinderung und Politik 2/11 5. Schlussfolgerungen Das «Positionspapier-IV-Gutachten» schlägt Lösungen vor, die die Qualität der Gutachtertätigkeit, die externe Kontrolle der IV und den Einfluss der behandelnden Ärzte verbessern soll. Die vorgeschlagenen Massnahmen sind sinnvoll, doch ist eine genaue Überprüfung der Auswirkungen auf die Patienten dringend notwendig. Ich befürchte als Folge der einen oder anderen Massnahme eine Verlängerung des IVAbklärungsverfahren, was bei psychisch kranken Menschen im ungünstigen Fall zu einer Chronifizierung der Krankheit führt. 6. Notwendig sind aus meiner Sicht: eine IV-unabhängige Kontrolle der IV-Gutachtensverteilung und der Ausbildung von Gutachtern mit Pflicht zur regelmäßigen Supervision. Eine finanzielle Angleichung verschiedener ärztlicher Leistungen zuhanden der IV, um den Anreiz, fachlich ungerechtfertigte bzw. patientenfeindliche Beurteilungen durch finanzielle Anreize, zu minimieren. eine Professionalisierung der Entscheidungsträger innerhalb der IV. eine verbindliche Kontaktaufnahme mit den behandelnden Ärzten. bei psychisch und psychosomatisch Kranken: - eine ausgewogene Gewichtung der Beurteilung von behandelnden Ärzten (Langzeitverlauf) und den Gutachtern (Kurzzeiteindruck). Mein Vorschlag wäre eine Handhabung wie bei Prüfungen, die aus einer Vornote (Beurteilung des behandelnden Arztes) und einer Prüfungs-Endnote (Gutachter bzw. mehrere Teilgutachten) besteht. - Eine einheitliche Praxis beim Erstellen von Gutachten in Bezug auf die Beziehungsgestaltung, Anzahl und Dauer der Konsultationen, Dauer des IV-Verfahrens. - Arbeit mit professionellen Übersetzern bei der Begutachtung von Patienten mit Sprachproblemen (z.B. Migrationshintergrund). 21 Behinderung und Politik 2/11 Gleichstellung UNO-Behindertenrechtskonvention als Diskussionsstoff Eine erste Auswertung der Vernehmlassungsantworten zur UNOBehindertenrechts-Konvention zeigt: Betroffene, Kirchen und Links-Grün unterstützen den Beitritt zur Konvention, Arbeitgeber, Gewerbe und Rechtsparteien lehnen ihn ab. Von Eva Aeschimann, Bereichsleitung Gleichstellung Mitte April ist das Vernehmlassungsverfahren zum Beitritt der Schweiz zum UNOÜbereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu Ende gegangen. Ein erster Blick auf einige der Stellungnahmen macht deutlich: Die Beitrittsfrage zum Menschenrechts-Übereinkommen bietet Diskussionsstoff. Betroffene und ihre Organisationen: Möglichst rasch beitreten! Egalité Handicap, die Fachstelle der DOK, hat in Zusammenarbeit mit dem Gleichstellungsrat Egalité Handicap eine Stellungnahme ausgearbeitet, auf die sich in der Folge verschiedene Organisationen abstützten. So auch AGILE BehindertenSelbsthilfe Schweiz, die in ihrer Antwort den Beitritt zur Konvention als Meilenstein für die Schweiz und die rund 800'000 Menschen mit Behinderung bezeichnet. Die Schweizer Paraplegiker-Vereinigung sieht im UNO-Übereinkommen ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Diskriminierung von Menschen mit einer Behinderung in sämtlichen Lebensbereichen. Pro Mente Sana erwartet mit einem Beitritt zur Konvention die Förderung der Chancengleichheit und eine Sensibilisierung und Stärkung des gesellschaftlichen Bewusstseins für die Rechte von Behinderten. Der Elternverein autismusschweiz hofft bei der UNO-Konvention auf eine Klärung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und eine höhere Verbindlichkeit für Menschen mit Behinderung – insbesondere mit nicht-körperlichen, nicht-sichtbaren Behinderungen. Die Konvention schaffe keine Sonderrechte, schreibt insieme Schweiz, die Vereinigung der Elternvereine für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Das Zentrum für selbstbestimmtes Leben wiederum hält fest, dass eine NichtUnterzeichnung der Konvention einer Aberkennung der Menschenrechte gleichkomme für den Teil der Bevölkerung mit einer Behinderung. INSOS, CURAVIVA, Avenir Social, Kirchen: Chancengleichheit gefordert! INSOS, der Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderung und CURAVIVA, der Dachverband der Heime und Institutionen haben eine gemeinsame Vernehmlassungsantwort eingereicht. Darin schreiben sie: «Damit Menschen mit Behinderung alle Rechte und Pflichten wahrnehmen können, müssen die bestehenden Hindernisse erkannt und ausgeräumt werden». Das UNOÜbereinkommen halte diese zeitgemässe Grundhaltung fest. Avenir Social, der Dachverband der Sozialen Arbeit Schweiz, verweist auf den besonderen Stellenwert, der dem Übereinkommen beigemessen werde. Dies widerspiegle sich deutlich in der 22 Behinderung und Politik 2/11 erstmaligen Unterzeichnung einer UNO-Konvention durch die Europäische Gemeinschaft. Auch der Schweizerische Evangelische Kirchenbund unterstützt das Vorhaben des Bundesrats. «Die Konvention führt von der Rechtsgleichheit zur Chancengleichheit», schreibt der SEK in seiner Vernehmlassungsantwort. Und: «Sie macht Ernst mit der Einsicht aus der Präambel der Bundesverfassung, ‹dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen›.» Diese Haltung trägt auch der Schweizerische Katholische Frauenbund mit. Er begrüsst die Absicht des Bundesrates, «mit der Ratifizierung des Übereinkommens ein wichtiges Signal zur ernsthaften Würdigung der Anliegen der Menschen mit Behinderung zu setzen». SP, Grüne und Gewerkschaften: UNO-Konvention als Chance Auch die SP, die Grünen sowie der Schweizerische Gewerkschaftsbund unterstützen einen Beitritt der Schweiz zur UNO-Behindertenrechtskonvention. Das Übereinkommen stärke das bestehende Schweizerische «Behindertenrecht» mit Bundesverfassung (Art. 8 Abs. 2 und 4), der Sozialversicherungsgesetzgebung und dem Behindertengleichstellungsgesetz. Denn die Konvention stelle eine «wertvolle Konkretisierungshilfe bei der Auslegung des Schweizerischen Behindertenrechts dar», schreibt die SP. Die Grünen bezeichnen die Konvention als «ein Werk der Betroffenen». Es zeige die Menschenrechtsprobleme auf im Zusammenhang mit Behinderung und liefere die entsprechend nötigen Rechtsinstrumente. Und der Schweizerische Gewerkschaftsbund betont, dass die Konvention die Inklusion und Gleichstellung Behinderter grundsätzlich fördere. Für die CVP-Frauen wiederum gibt es «keinen Grund, dass die Schweiz dieses Übereinkommen nicht ratifizieren könnte.» Die CVP-Frauen halten fest: «Dass die Schweiz dies noch nicht getan hat, wundert uns sehr! Obschon das Übereinkommen schon am 13. Dezember 2006 von der UNO-Generalversammlung angenommen und bis zum 1. Dezember 2010 von 147 Staaten (inkl. der EU) unterzeichnet und von 96 Staaten ratifiziert wurde, ist die Schweiz diesem Übereinkommen immer noch nicht beigetreten. Diese zögerliche Haltung ist nicht in unserem Sinn». Die CVP Schweiz hat nicht an der Vernehmlassung teilgenommen. SVP, FDP, Arbeitgeberverband und Gewerbeverband: Klare Ablehnung Wie aus den Vernehmlassungsantworten von SVP und FDP.Die Liberalen hervorgeht, lehnen beide Parteien den Beitritt der Schweiz zur UNO-Konvention für die Rechte der Menschen mit Behinderungen ab. Ein Beitritt zum Übereinkommen sei objektiv nicht notwendig, schreibt die SVP. Die Schweizer Rechtsordnung erfülle bereits heute im Wesentlichen die Vorgaben des Übereinkommens. «Zudem bindet die Umsetzung finanzielle Mittel, die anderweitig fehlen würden», argumentiert die SVP. Auch die FDP befürchtet, als eine Auswirkung der Umsetzung der Konvention, «exorbitante Kosten» in einzelnen Bereichen. Und sie fragt, ob insbesondere als Folge für den Bereich Arbeit und Beschäftigung der Einführung von Quoten nicht Vorschub geleistet würde? Der Arbeitgeberverband betont in seiner Vernehmlassungsantwort, dass er der beruflichen Integration von Menschen mit Behinderung grundsätzlich grosse Wichtigkeit beimesse. Das UNO-Übereinkommen sei aber das falsche Instrument, 23 Behinderung und Politik 2/11 auf dieses Ziel hinzuarbeiten. Er begründet dies unter anderem damit, dass das Abkommen ein Recht auf Arbeit vorsehe, das die Schweiz nicht kenne. Das Prinzip der Nicht-Diskriminierung von Menschen mit Behinderung insbesondere auf dem Arbeitsmarkt müsse pragmatisch und auf nationaler Ebene angegangen werden. Auch dem Schweizerischen Gewerbeverband (sgv) liegt daran einleitend festzuhalten, dass er die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung ablehne. Trotzdem spricht sich der sgv klar dagegen aus, dass die Schweiz dem Übereinkommen beitritt. «Die Erfahrung lehrt uns, dass auch Übereinkommen, die auf den ersten Blick einen harmlosen Eindruck erwecken, plötzlich einen Regulierungsdruck auslösen oder zumindest zum Anlass genommen werden können, um auf politischer Ebene zusätzliche regulatorische Eingriffe zu verlangen oder der Wirtschaft neue Auflagen zu machen.» Der Gewerbeverband lehnt einen Beitritt ab, «da man bei derartigen Übereinkommen nie genau weiss, auf was man sich letztendlich einlässt.» Und er befürchtet, dass der Schweiz «dem Frieden zuliebe» der Mut fehle, Änderungen zurückzuweisen, auf die sie kaum eingegangen wäre, wenn diese von Beginn an Bestandteil des Übereinkommens gewesen wären. Fazit: Die Frage des Beitritts zur UNO-Behindertenrechtskonvention bietet gerade auch im eidgenössischen Wahljahr politischen Zündstoff. Es wird sich zeigen, ob bereits die weitere politische Diskussion darüber die tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderung beschleunigt. Und es wird sich zeigen, ob diese Diskussion beim Gesetzgeber einen Anreiz auslöst, die bestehende Gesetzgebung zu überprüfen und bessere Lösungen zur nötigen Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverbotes zu finden. Nachtrag: Informationen zur UNO-Behindertenrechtskonvention Die UNO-Behindertenrechtskonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der bereits bestehende Menschenrechte für die Lebenssituation behinderter Menschen konkretisiert. Die am 13. Dezember 2006 von der UNO-Generalversammlung angenommene Konvention verbietet die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen und garantiert ihnen die bürgerlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte. Die Fachstelle Egalité Handicap hat ein Merkblatt zur UNO-Konvention erstellt. Das Merkblatt beantwortet Fragen zum Inhalt der Konvention, aber auch, wieso die Schweiz der Konvention beitreten soll (Merkblatt UNO-Konvention). 24 Behinderung und Politik 2/11 Portrait einer Aktivistin für die Gleichstellung Das Engagement für die Rechte der Schwächsten der Gesellschaft – das ist das Ziel von Eva Hammar, dem neuen Mitglied des Gleichstellungsrats Egalité Handicap. Die Medienverantwortliche des Schweizerischen Gehörlosenbundes gibt für «agile» einen Rückblick auf ihre bisherige Laufbahn und ihre Träume. Von Eva Hammar Bouveret, Mitglied Gleichstellungsrat Egalité Handicap Ich kam 1971 in Genf mit einer beidseitigen schweren Hörbehinderung auf die Welt. Während der ganzen Schulzeit besuchte ich die allgemeine Schule. Nach der Matura studierte ich an der Universität Biochemie. Ich habe eine Doktorarbeit verfasst und Forschungsarbeiten im Bereich Diabetes realisiert. Gleichzeitig war ich Mitglied der Komitees der «Association des sourds de Genève» (CRAL) sowie einer Vereinigung zur Förderung der Gesundheit von Gehörlosen (les Mains pour le Dire). Gegenwärtig bin ich als Medienverantwortliche im Schweizerischen Gehörlosenbund (SGB-FSS) tätig. In dieser Funktion nehme ich an den Sitzungen der Genfer Vereinigung zur Verteidigung der Interessen der Menschen mit Behinderung FéGAPH (Fédération genevoise des Associations de Personnes Handicapées et de leurs proches) teil. Die Bedeutung der Gebärdensprache Während meiner Kindheit und Jugend hatte ich nie Kontakt zu anderen Hörbehinderten oder Gehörlosen. Im Rückblick stelle ich fest, dass mir das sehr gefehlt hat. Ich habe mich immer stark für die Politik interessiert, dachte aber, dass ich als Gehörlose keine Möglichkeit hätte, mich in einem solchen Bereich zu engagieren. Im Alter von 23 Jahren habe ich endlich die Gebärdensprache und die Gemeinschaft der Gehörlosen entdeckt. Dies hat mein Leben in mehrerer Hinsicht entscheidend beeinflusst. Zunächst einmal hatte ich bis dahin meine Gehörlosigkeit als Mangel und beschämende Unzulänglichkeit erlebt. Ich dachte, dass ich als Gehörlose damit leben müsse, auf einige meiner Träume zu verzichten. Dass ich andere Gehörlose getroffen und die Gebärdensprache gelernt habe, hat mir ermöglicht, einen Weg einzuschlagen, um meine Behinderung schliesslich zu akzeptieren. Heute erlebe ich meine Gehörlosigkeit als Teil von mir selbst, einen Teil, zu dem ich ohne Komplexe stehe. Politisches Engagement ist möglich Dadurch habe ich auch die Welt der Vereine und des politischen Engagements für die Rechte der Menschen mit Behinderung entdeckt. Ich stellte fest, dass ich dank den Gebärdendolmetschern problemlos an politischen Diskussionen und Sitzungen teilnehmen kann. Und schliesslich hatte dies auch Auswirkungen auf mein Berufsleben. Nach mehreren Jahren in der wissenschaftlichen Forschung habe ich mich entschlossen, in einen Bereich zu wechseln, in dem ich mich mehr einbringen kann und der mir wirklich am Herzen liegt. Deshalb arbeite ich heute als Medienverantwortliche beim Schweizerischen Gehörlosenbund. 25 Behinderung und Politik 2/11 Im Laufe der Jahre haben sich mein Interesse für die Politik und das Engagement für die Rechte der Menschen mit Behinderung entwickelt. Ungerechtigkeiten, insbesondere gegenüber den Schwächsten, haben mich seit jeher empört. Mit dem gegenüber diesen Personen immer härter und unerbittlicher werdenden politischen Umfeld hat sich meine Motivation, mich für sie einzusetzen, noch verstärkt. Deshalb habe ich mich für den Gleichstellungsrat Egalité Handicap beworben und bin sehr glücklich, dass ich gewählt worden und nun Mitglied bin. Träume von Gleichstellung Welches sind meine Vision und mein Ziel für mein Engagement als Mitglied des Gleichstellungsrats Egalité Handicap? Mein Traum ist es, dass wir eines Tages mit anderen Augen betrachtet werden. Ich träume, dass die Menschen mit Behinderung irgendwann nicht mehr als Personen mit einem Mangel angesehen werden, der behoben oder versteckt werden muss, sondern als gleichgestellte Menschen und BürgerInnen mit ihren Unterschieden und spezifischen Bedürfnissen. Ich hoffe zutiefst, dass die Behinderung eines Tages keine – imaginäre oder tatsächliche – Schranke mehr darstellt, welche die betroffene Person daran hindert, ein erfülltes und sinnvolles Leben zu leben. Ich wünsche mir, dass wir irgendwann in einer Gesellschaft leben werden, in der die Chancengleichheit für alle in allen Bereichen Realität ist. Ich hoffe von ganzem Herzen, dass ich im Gleichstellungsrat Egalité Handicap möglichst viel zur Verbesserung des Lebens der Menschen mit Behinderung beitragen kann. Meine neue Aufgabe gehe ich somit voller Hoffnung und Motivation an. Ich freue mich sehr, mit all jenen zusammenzuarbeiten, die in den mit dem Gleichstellungsrat verknüpften Strukturen tätig sind, darunter auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von AGILE. Übersetzung: Susanne Alpiger 26 Behinderung und Politik 2/11 Zugänglichkeit als Staatssache Der Kanton Freiburg ist einer der einzigen Kantone oder sogar der einzige, der die Zugänglichkeit von Bauten zur Staatssache gemacht hat. Die im Januar 2010 eingesetzte Kommission für behindertengerechtes Bauen erstellt Gutachten im Rahmen von Baubewilligungsverfahren, so wie es beispielsweise die Feuerpolizei für Sicherheitsfragen tut. Ein beispielhaftes Modell. Von Mélanie Sauvain, Secrétaire romande, AGILE Die neue Freiburgische Kommission wurde vor über einem Jahr eingesetzt. Nun ist es an der Zeit, über ihre Arbeit eine erste Bilanz zu ziehen. Hier eine Zusammenfassung des Gesprächs mit drei ihrer begeisterten Mitglieder: dem Präsidenten Daniel Savary (Architekt), Bettina Gruber (Vertreterin der Sehbehinderten) und Werner Hofstetter (Vertreter der Menschen mit Mobilitätsbehinderung). Das Siegel des Kantons als grosser Vorteil In den 80er Jahren beschlossen mehrere Behindertenorganisationen die Gründung einer Freiburgischen Kommission für hindernisfreies Bauen. Deren vorrangige Aufgabe besteht darin, auf Probleme mit der Zugänglichkeit hinzuweisen und Hindernisse zu beseitigen. Dieser «sehr reaktive» Aspekt wurde später durch eine Sensibilisierung der jungen Architekten der Ingenieurschule ergänzt, damit die Frage der Zugänglichkeit bereits bei der Planung berücksichtigt wird. Leider sei dieses privatrechtliche Organ etwas zu häufig als einfaches Lobbyinginstrument betrachtet worden und nicht als unumgänglicher Ansprechpartner. «Der Kommission mangelte es an der offiziellen Anerkennung», erklärt Daniel Savary. Im Januar 2010 bestellte der Freiburger Staatsrat verschiedene Mitglieder der noch heute bestehenden Kommission in die neue Kommission für behindertengerechtes Bauen, die Teil des kantonalen Bau- und Raumplanungsamts (BRPA) ist. Die Experten für Zugänglichkeit, von denen die Mehrheit mit Behinderung lebt, arbeiten nun mit dem Siegel des Kantons. «Durch diesen offiziellen Charakter haben wir ein grösseres Gewicht und bestimmte Rechte. Beispielsweise können wir Vertreter der Stadt an Sitzungen kommen lassen, wie dies für den neuen Theatersaal der Fall war», erläutert der Architekt. Die neue Kommission wird nicht einfach nach Gutdünken der Akteure eines Projekts konsultiert, sondern ist Bestandteil des Prozesses für die Erteilung von Baubewilligungen. «Der Grossteil der Arbeit (90 Prozent) wird von Jean-Claude Fischer, Mitglied der Kommission und Verantwortlicher für die Prüfung der Baubewilligungen im BRPA, vorbereitet», hält Bettina Gruber fest. «Stellt er ein Zugänglichkeitsproblem fest, korrigiert er es soweit wie möglich oder übermittelt uns das Dossier». Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass die Experten vorgängig für die Einhaltung der Gesetze sorgen (Kantonales Raumplanungs- und Baugesetz – RPBG - und Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes – BehiG). Die Betroffenen werden so nicht mehr als Nörgler betrachtet, die sich über schlechte Projekte beklagen und Einsprache erheben, sondern als offizielle Ansprechpartner vor der 27 Behinderung und Politik 2/11 Projekteinreichung. «In diesem Sinne war die Kommission auch nie die Ursache für eine Verzögerung oder Verteuerung eines Projekts», sagt Werner Hofstetter. Auf den Plänen nicht ersichtlich Laut Bettina Gruber war die Schaffung der kantonalen Kommission vor allem mit Blick auf Sinnesbehinderungen ein wichtiger Schritt. Es ist nicht schwierig, auf einem Plan zu erkennen, ob die Türen für Rollstühle breit genug und ob Lifte oder Rampen in einer bestimmten Grösse vorgesehen sind etc. Hingegen ist es beispielsweise nicht möglich zu wissen, ob die Beschilderung den Bedürfnissen von Menschen mit einer Sehbehinderung gerecht wird. In ihren Gutachten für alle Baubewilligungen im Zusammenhang mit einem öffentlichen Dienst hält die Kommission beispielsweise fest, dass eine Höranlage verfügbar sein muss. Und es müsse überprüft werden, ob sie funktioniere, fügt Daniel Savary lachend an. Denn es sei auch schon vorgekommen, dass Höranlagen eingebaut worden seien, aber nicht funktionierten! Positive Resultate Die Kommission für behindertengerechtes Bauen kann stolz sein auf ihre Arbeit, die sie in diesem Jahr geleistet hat. «Unsere Erfolge sind nicht auf den ersten Blick ersichtlich», meint Daniel Savary, «Aber dank unseren sehr genauen Gutachten ist die grosse Mehrheit der Bauten schon ab dem Zeitpunkt der Planung zugänglich». Dies gilt insbesondere für das künftige Theater in Freiburg, das wie jedes Projekt von öffentlichem Interesse eng begleitet wird. Einige Mitglieder begeben sich sogar auf die Baustelle, um namentlich die Beschilderung zu überprüfen. Daniel Savary weist auch darauf hin, dass viele der Dossiers, die umstritten und zu regelrechten Dauerbrennern wurden, durch die Kommission deblockiert wurden. In Zukunft nimmt die Kommission die Herausforderung an, die Entwicklung des heute noch sehr ländlichen Kantons voranzubringen. Eines der grossen Dossiers ist weiter die Anpassung der öffentlichen Schulen. Freiburg ist dabei, die schulische Integration grundsätzlich einzuführen. Der private Partner Die kantonale Kommission könnte ohne Freiwilligenarbeit und die Kommission für hindernisfreies Bauen sicherlich nicht so gut funktionieren. Letztere vertritt weiterhin alle Behindertenorganisationen. Sie ist offensiver und freier in ihren Handlungen, erklärt Daniel Savary. So ist sie nach BehiG beschwerdeberechtigt, was bei der Kommission des Kantons nicht der Fall ist. Im Übrigen befasst sie sich mit allen Aspekten des BehiG, während die offizielle Kommission nur bei den Bauten das Recht auf Einsicht hat. Die Sensibilisierungsarbeit bei den Architekturstudenten schliesslich bleibt Sache privater Organisationen. Es gehe darum aufzuzeigen, dass Kreativität und Zugänglichkeit nicht unvereinbar seien, schliesst der Präsident. Übersetzung: Susanne Alpiger 28 Behinderung und Politik 2/11 «Gleichstellung im Alltag hautnah erlebt»: Es war der Haken! Das Behindertengleichstellungsgesetz ist ein wichtiges Instrument für die tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Es zielt darauf ab, Hindernisse zu beseitigen, die der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Weg stehen. Ob Gleichstellung wirklich gelingt, hängt oft vom Engagement einzelner Menschen ab. Wie das folgende Beispiel aus dem Berufsalltag zeigt. Von Simone Leuenberger, wissenschaftliche Assistentin von AGILE Das BehiG nützt… Mein nächster beruflicher Einsatzort ist eine Stadt am Zürichsee. Ich war noch nie dort. Deshalb versuche ich mich per Internet schlau zu machen, wie ich denn mit dem Elektrorollstuhl am besten an mein Ziel kommen könnte. Ich bin positiv überrascht. Der Bahnhof ist ein Stützpunktbahnhof der SBB. Ich werde also nach Voranmeldung aus dem Zug geholt. Am Bahnhof ist aber noch nicht Endstation. Ich muss noch weiter, den Berg hinauf. Normalerweise lege ich kürzere Strecken mit dem Elektrorollstuhl zurück. Hier ist das Gelände aber ziemlich steil und das Wetter unsicher – ich möchte ja nicht tropfnass ankommen… Also suche ich nach einer Alternative und werde schnell fündig: Es gibt einen Ortsbus, und dieser ist zu meinem Erstaunen auch vollständig rollstuhlgängig. So zumindest die Information aus dem Internet, der ich Glauben schenke. Schon toll, was seit Einführung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) schon alles bewirkt wurde. Noch vor ein paar Jahren konnte man die rollstuhlgängigen Buslinien in der Schweiz an einer Hand abzählen. Nun sind sogar Ortsbusse kleinerer Städte vollumfänglich mit Niederflurfahrzeugen und Rampen ausgestattet. Das erleichtert mir meine Planung enorm. Billet lösen – per Internet, weil ich die Billetautomaten immer noch nicht benutzen kann – , Fahrplan ausdrucken, Einstiegshilfe für den Zug beim SBB Callcenter bestellen und schon ist meine Reiseplanung perfekt. Gespannt bin ich, ob auch alles klappt. … hier leider gar nicht! Die Hinfahrt klappt perfekt: In Zürich wird mir beim Umsteigen auf die S-Bahn geholfen und der Ortsbus hat tatsächlich eine herausklappbare Rampe. Der Buschauffeur hilft mir bereitwillig. Ich bin beruhigt. Nun kann ich sicher sein, dass auch die Rückreise ohne Probleme vonstatten gehen wird. Nach einem langen Tag stehe ich etwas müde wieder an der Bushaltestelle. Diesmal natürlich auf der anderen Strassenseite, denn ich will ja zum Bahnhof zurück. Diese Haltestelle liegt in einer konvexen Kurve und ist deshalb in einer Strassenbiegung etwas zurück versetzt. Ich widme dem aber keine grosse Beachtung. Der Buschauffeur wird schon nahe genug heranfahren, wenn er mich sieht, und mit der Rampe kann die verbleibende Spalte wohl problemlos überwunden werden. Pünktlich kommt der Bus. Der Chauffeur macht keine grossen Anstalten mir zu helfen. Ich frage ihn deshalb höflich, ob er mir die Rampe heraus klappen könne. «Nehmen Sie den Bus auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Dort ist der 29 Behinderung und Politik 2/11 Zugang einfacher», meint er. Ich erkundige mich, wann der andere Bus am Bahnhof ankomme. – Schliesslich muss ich meinen Zug erwischen. Sonst müsste ich beim SBB-Callcenter meine Einstiegshilfe umplanen. Das hiesse mindestens eine Stunde warten, denn solange ist die Voranmeldefrist. – Der Bus komme in ca. zehn Minuten und brauche fünf Minuten länger für die Strecke bis zu Bahnhof, da er eine andere Route fahre. Alles klar, würde ich auf den Vorschlag des Buschauffeurs eingehen, würde ich meinen Zug ganz sicher verpassen! Und das will ich auf keinen Fall. Schliesslich will ich meinen Arbeitstag nicht um eine ganze Stunde verlängern. Wer möchte das schon. «Das gibt’s doch nicht!» Ich rüste mich zum Kampf. Freundlich aber bestimmt teile ich dem Buschauffeur mit, dass ich mit seinem Bus fahren will, da ich eben sonst den Zug verpassen würde. Schliesslich habe ich mich per Internet erkundigt und erfahren, dass alle und auch wirklich alle Busse rollstuhlgängig seien. Widerwillig lenkt er den Bus etwas näher zum Trottoir, damit die zu überbrückende Spalte etwas kleiner wird. Ich atme auf. Er ist also doch bereit mich mitzunehmen. Der Chauffeur kommt nach hinten zur Klapprampe und verschwindet sogleicht wieder. Aha, als erfahrene Busfahrerin erkenne ich auf den ersten Blick das Problem: Die Klapprampe ist nicht mit einem Griff ausgestattet, an dem man sie aufklappen kann, sondern hat anstelle eines Griffes einfach ein kleines Loch. Um diese Rampe aufklappen zu können, braucht es einen Haken, der ins Loch passt. Der Buschauffeur kommt zurück, ohne Haken, und versucht die Rampe mit blossen Händen aufzuklappen. Der Versuch scheitert. Als nächstes versucht er es mit einem Schlüssel. Auch dieser Versuch geht fehl. Der Buschauffeur verschwindet wieder, kommt aber sehr bald zurück. Er könne den Haken nicht finden. Es habe wohl in diesem Bus keinen. Das gibt’s doch nicht! Da hat man tipptopp rollstuhlgängige Busse, und dann fehlt der Haken. Der Bus wird nullkommaplötzlich seiner ganzen Rollstuhlgängigkeit beraubt. Tja, da kann auch ein noch so gutes Behindertengleichstellungsgesetz nichts mehr ausrichten. Das ist nur noch dumm, schade und traurig. Ich lasse noch einmal eine Tirade los von «Gibt’s doch nicht!» über «Das kann doch nicht wahr sein!» bis zu «Ist ja das Allerletzte!». Die anderen Fahrgäste sind schon lange auf uns aufmerksam geworden. Nun mischen sie sich ein – und greifen zu. Im Handumdrehen sitze ich doch noch im Bus. Sie haben meine 180 kg inkl. Elektrorollstuhl kurzerhand über den Absatz katapultiert und so die Rampe ersetzt. Am Bahnhof werden sie es noch einmal genau so machen. «Doch, doch, das gibt’s sehr wohl!» Ich sitze im Zug. Ende gut alles gut? Für mich nicht! Mein Kopf dreht sich im Kreis: «Es kann doch nicht sein, dass man rollstuhlgängige Busse baut, kauft, einsetzt und dann die Rampe wegen einem fehlenden Haken nicht betätigen kann! Ich will doch nicht auf gutmütige Mitfahrende angewiesen sein, die mich in den Bus heben! Was, wenn mal keiner da ist?» Das muss ein Einzelfall gewesen sein. Ich beruhige mich langsam. Ein paar Tage später stelle ich fest, dass es kein Einzelfall gewesen ist. Mit einem Regionalbus will ich zurück nach Bern fahren. Der Chauffeur findet die Rampe nicht 30 Behinderung und Politik 2/11 und hievt mich mithilfe zweier Fahrgäste über die hohe Stufe in den Bus. Ganz erstaunt sehe ich nun die Rampe und mache den Chauffeur darauf aufmerksam. Ja, er wisse das schon, aber es sei viel zu kompliziert diese zu gebrauchen… Anmerkung der Redaktion: Mit dieser Rubrik will AGILE an konkreten Beispielen zeigen, wie Gleichstellung geglückt ist oder wie sie verpasst wurde. Es sollen verschiedene Autoren und Autorinnen zu Wort kommen. Haben Sie etwas erlebt, das Sie gerne mit einer interessierten Leserschaft teilen möchten? Wenden Sie sich an Eva Aeschimann ([email protected]). 31 Behinderung und Politik 2/11 Arbeit Die Journalisten und die berufliche Wiedereingliederung im Rahmen der IV-Revision 6a: Worüber wird geschrieben? Die Presse hat die Botschaft der IV-Revision 6a begriffen. Sie hat zahlreiche Berichte von Betroffenen und Beispiele von Wiedereingliederung von Menschen mit Behinderung veröffentlicht. Beim Lesen dieser Artikel ergeben sich verschiedene Fragen: Über wen schreiben die Medien? Wovon ist die Rede? Der Versuch einer Antwort. Von Catherine Corbaz, Verantwortliche für das Dossier berufliche Integration, AGILE Die Debatten über die IV-Revision 6a in den beiden Räten und die Zielsetzungen im Bereich der beruflichen Integration haben grosse Beachtung in den Medien gefunden. Das ist gut so. Die Leserinnen und Leser erfahren auf diese Weise, dass Menschen mit Behinderung Arbeit finden und Unternehmen gründen oder dass Case Management ein gutes Instrument ist und Wiedereingliederung fördert. Über wen schreiben die Medien? In den Artikeln aus Deutsch- und Westschweizer Medien liest man Geschichten über verunfallte, amputierte Personen, Menschen im Rollstuhl oder Blinde. Man erfährt von erfolgreichen Beispielen von Case Management in mittelgrossen und grossen Unternehmen. Man lernt Stiftungen kennen, die geschützte Werkstätten führen, von denen einige wenige Angestellte im ersten Arbeitsmarkt eine Stelle finden. Und man liest von Geschichten mit Happy End in einigen Sozialfirmen. Passende Belege für Integration auf dem Arbeitsmarkt: Die Journalisten haben positive Beispiele gesucht und damit die These bestätigt, dass mit dem Inkrafttreten der IV-Revision 6a ein Grossteil der rund 17‘000 IV-Rentnerinnen und -rentner eine Arbeit finden wird. Wen will man wiedereingliedern? Bloss: Unter den 17‘000 künftigen Ex-Rentnerinnen und -rentnern ist aber ein nicht unwesentlicher Anteil weder verunfallt, noch blind, noch auf den Rollstuhl angewiesen. Insbesondere 4500 von ihnen erhielten eine Rente aufgrund von pathogenetisch-ätiologisch unklaren Beschwerdebildern, diese Renten werden nun gestrichen (vgl. Schlussbestimmungen des künftigen Gesetzes). Es handelt sich um Personen mit somatoformen Schmerzstörungen, Fibromyalgien, Neurasthenie und anderen psychischen Störungen mit wenig geläufigen Bezeichnungen. Was steckt also hinter diesen Begriffen? Die Schweizerische Gesellschaft für Verhaltens- und Kognitive Therapie spricht von somatoformen Störungen, «wenn ein körperliches Symptom nicht oder nicht ausreichend durch eine organische Ursache erklärt werden kann. Wenn somatoforme Symptome über einen längeren Zeitraum (d.h. über sechs Monate) auftreten und so stark sind, dass es zu beträchtlichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität und der Leistungsfähigkeit kommt.» (Quelle: 32 Behinderung und Politik 2/11 Schweizerische Gesellschaft für Verhaltens- und Kognitive Therapie). Dazu gehören also Fibromyalgien, das Chronische Erschöpfungssyndrom etc. Ich höre hier auf, da jeder Begriff Erklärungen erfordert, ohne die der Leser dieses Artikels nicht weiterkommt. Die psychischen, unsichtbaren Behinderungen sind es, die man nicht gut versteht und die Zweifel erzeugen. Bei solchen Behinderungen tauchen unweigerlich Vorurteile auf: «Wenn er sich nur Mühe gibt, schafft er es schon», «Tut es ihm wirklich weh?». Behinderungen ohne externe Ursachen, aber mit sonderbar klingenden Diagnosen. Behinderungen, die die meisten von uns nicht verstehen. Über wen wurde schliesslich geschrieben? Die Journalistinnen und Journalisten haben es nicht gewagt, nach erfolgreichen Beispielen der beruflichen Integration von Menschen mit einer solchen Behinderung zu suchen. Weshalb? Mir fallen verschiedene Erklärungen ein. Entweder wollten sich die Betroffenen nicht äussern (da sie anonym bleiben möchten) oder es gibt nur wenige solcher Fälle. Bei meiner Lektüre habe ich nur zwei Beispiele bezüglich dieser Art von Behinderung gefunden: Im Blick, der die Kampagne «Jobs für Behinderte – Behinderte für Jobs» lanciert hat, wurden sechs Personen porträtiert, darunter eine junge Frau mit einer psychischen Behinderung (wobei man aber nicht weiss, um was für eine Behinderung es sich handelt). Sie hat nach einer Lehre in einer geschützten Werkstätte eine Anstellung gefunden. Im «Landboten» vom 18. Oktober 2010 wird die Geschichte eines jungen Mannes erzählt, der aus psychischen Gründen an Asthma leidet. Diese erfolgreiche Integration ist einem spezifischen Wiedereingliederungsprogramm zu verdanken. Die wenigen übrigen Beispiele stammen entweder aus geschützten Strukturen oder Sozialfirmen. In diesen Fällen kann nicht von echter beruflicher Wiedereingliederung gesprochen werden, da die Betroffenen weiterhin auf IV-Leistungen angewiesen sind. Welche Schlussfolgerungen kann man daraus ziehen? Ich glaube nicht, dass die Journalistinnen und Journalisten ihre Arbeit schlecht machen. Ich folgere deshalb: - Die Geschichten der Journalisten entsprechen der Realität in diesem Bereich. Es ist schwierig, Berichte über eine erfolgreiche Wiedereingliederung von Personen zu finden, die somatoforme Störungen oder vergleichbare Krankheiten haben. Diese Beispiele sind selten und wenn sie erfolgreich sind, so nicht unbedingt auf dem ersten Arbeitsmarkt. Das heisst also, dass diese Personengruppe schwierig zu integrieren ist. - Die Realität dieser Behinderungen ist nicht interessant oder zu kompliziert, um sie den Leserinnen und Lesern zu erklären. Für mich und die anderen im Behindertenwesen tätigen Personen zeigt dies, dass die berufliche Eingliederung von Menschen mit Behinderung, vor allem mit einer psychischen Behinderung, schwierig ist! Wie es auch in «Le Temps» am 10. Dezember 2010 unter dem Titel «Pour un handicapé, parvenir à sortir de l’assurance invalidité reste l’exception» (Für Behinderte bleibt der Ausweg aus der IV die 33 Behinderung und Politik 2/11 Ausnahme) geschildert wurde. In diesem Sinne gebührt den Journalisten Dank, weil sie aufzeigen, dass die Ziele der IV-Revision 6a kaum realistisch sind. Leider erreicht den durchschnittlichen Leser eine andere Botschaft. Denn mit der Thematisierung der beruflichen Integration von IV-Rentenbezügern unter dem alleinigen Gesichtspunkt der erfolgreichen Wiedereingliederung vermitteln die Medien den Eindruck, dass die Integration von 17‘000 Rentnerinnen und -rentnern möglich ist! Die Leserinnen und Leser wissen nicht, dass einige der Personen, die eine Arbeit finden müssen, «eine Behinderung mit einer ungeläufigen Bezeichnung» haben. Und wenn man von etwas spricht, das man nicht versteht, ist es einfacher, es zu banalisieren oder auf Vorurteile zurückzugreifen, als sich zu bemühen, es zu verstehen. Übersetzung: Susanne Alpiger Verkehr Mitteilungen der Fachstelle Behinderung und öffentlicher Verkehr Die Fachstelle Behinderung und öffentlicher Verkehr (BöV) gibt vierteljährlich ihre Nachrichten heraus. Sie berichtet darin über die neusten Entwicklungen im Bereich behindertengerechter öffentlicher Verkehr. http://www.boev.ch 34 Behinderung und Politik 2/11 Bildung «Meine Selbstsicherheit im Umgang mit anderen ist gestiegen» Im Herbst 2009 sind 18 politisch Interessierte in die Weiterbildung «Politische Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung» gestartet. 14 Teilnehmende haben die Ausbildung im April 2011 mit Zertifikat abgeschlossen. Ein Blick zurück mit vier der AbsolventInnen zeigt: Das Pilotprojekt hat die Teilnehmenden stärker gemacht. Von Eva Aeschimann, Bereichsleiterin Öffentlichkeitsarbeit Vier Männer und zehn Frauen haben das Fachseminar von AGILE BehindertenSelbsthilfe Schweiz in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Soziale Arbeit (Fachhochschule Nordwestschweiz) erfolgreich beendet. «Nur vier haben die Weiterbildung hauptsächlich aus beruflichen Gründen abgebrochen», sagt Projektleiterin Catherine Corbaz von AGILE. Das dreisemestrige Fachseminar «Politische Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung» basiert auf Fernunterricht mittels E-Learning und ist in der Schweiz einzigartig. «Die Weiterbildung zielt darauf ab, das Selbstbewusstsein zu stärken und Fähigkeiten zu entwickeln, sich für die eigenen Rechte einzusetzen», erklärt Corbaz. Unterricht und Betreuung erfolgten durch DozentInnen mit Behinderung. Behinderungsübergreifende Weiterbildung und persönlicher Kontakt Die AbsolventInnen der Weiterbildung leben mit unterschiedlichsten Behinderungen. Das Lernen mit- und voneinander sowie mitzubekommen, wie andere ihren Alltag erlebten und bewältigen, sei für sie wichtig gewesen, sagt die Reinacherin Meral Yldiz, «Das hat mir reiche Erfahrungen gebracht, allen Menschen offen zu begegnen». Auch Clarissa Ravasio unterstreicht den Nutzen der behinderungsübergreifenden Weiterbildung: «Ich habe erlebt, dass Behinderungen so vielfältig sind wie die Menschen selbst». Die 51-jährige hat aber auch erkannt, dass sie kein eigentlicher E-Learning Typ ist. Sie brauche die persönliche Begegnung: «Für mich sind Treffen sehr wichtig. In diesem Sinn fehlte mir der persönliche Austausch neben dem Studium». Unterstützung erhält sie dabei von Beat Fricker. Wie die meisten AbsolventInnen hätte auch er zusätzliche Präsenzseminare begrüsst. Gut fünf Monate nach Ausbildungsstart im März 2010 hatten sich die Lernenden zu einer ganztägigen Präsenzveranstaltung in Olten getroffen, bei der sie sich persönlich kennenlernten und sich gegenseitig ihre Gleichstellungsprojekte im Rahmen des Fachseminars vorstellten. Im Februar 2011, wenige Monate vor Abschluss der Ausbildung, folgte in Nottwil eine zweitägige Präsenzveranstaltung zum Thema Kommunikation. Mindestens eine weitere Präsenzveranstaltung hätte sich Beat Fricker gewünscht: «Das hätte mehr Gelegenheit für praktische Übungen gegeben», stellt der 28jährige Gelterkinder fest. 35 Behinderung und Politik 2/11 Die Unterrichtsform des Fachseminars als Online-Fernunterricht wird aber nicht in Frage gestellt: Die Bernerin Anik Muhmenthaler bezeichnet E-Learning sogar als geniale Unterrichtsform: «Jeder kann in seinem Tempo von zu Hause aus arbeiten». Netzwerke gestärkt und persönliche Gleichstellungsprojekte umgesetzt Mit der Weiterbildung verfolgten die Lernenden die Umsetzung eines eigenen, reellen Projekts zu Behindertengleichstellung. Unter anderem lernten sie das Behindertengleichstellungsrecht in der Schweiz besser kennen. «Dies fand ich besonders interessant», sagt Meral Yldiz (28), «auf dieser Basis können wir uns für eine behindertengerechte Umwelt einsetzen». Anik Muhmenthaler wiederum berichtet, wie sie ihr Gleichstellungsprojekt erfolgreich umgesetzt hat: «Ich habe erreicht, dass bei einem Lift bei einer Haltestelle des Regionalverkehrs Bern-Solothurn (RBS) die Liftknöpfe nach unten gesetzt wurden». Die RBS-Haltestelle ist die nächstgelegene zu den Schulungs- und Wohnheimen Rossfeld in Bern. «Damit können ich und viele andere, die im Rossfeld wohnen und/oder arbeiten, den Lift nun selbständig bedienen und somit den öffentlichen Verkehr alleine benutzen», sagt die 24jährige. Weitere erfolgreiche Gleichstellungsprojekte der AbsolventInnen des Fachseminars sind beispielsweise ein Engagement in einer Organisation oder auch der Aufbau eines Internet-Blogs. Die Projektarbeit hat die Lernenden gefordert und herausgefordert. Für seine Projektarbeit hätten ihm speziell Tipps und Tricks aus dem Modul und der Präsenzveranstaltung zur Kommunikation unterstützt, betont Beat Fricker: «Eine gute Gesprächsvorbereitung und Gesprächsführung waren beispielsweise hilfreich», sagt der Baselländer. Er sei selbstsicherer geworden im Umgang mit anderen Personen, sei es im persönlichen Kontakt, am Telefon oder per Mail. «Und ich habe mit meinem Projekt ein kleines Netzwerk aufbauen können, das mir zukünftig hoffentlich weiter von Nutzen sein wird». Erste Einschätzung des Pilotprojekts fällt positiv aus Gemäss Projektleiterin Catherine Corbaz ist die Weiterbildung für die Teilnehmenden selbst aber auch für AGILE Behinderten-Selbsthilfe Schweiz praktisch gelebte Gleichstellungsarbeit. «Bei der Entwicklung und während der Weiterbildung zeigte sich rasch, dass bei Menschen mit Behinderung ein grosses Bedürfnis besteht im Bereich Gleichstellungspolitik, Wissen und Kompetenzen mit geeigneten Instrumenten auszubauen», sagt Corbaz. Und sie zeigt, wie gross das Bedürfnis nach Austausch mit anderen und gemeinsamer Lösungsfindung ist. AGILE evaluiert die Weiterbildung in den nächsten Wochen. 36 Behinderung und Politik 2/11 Behindertenszene Gelebte Selbsthilfe und Empowerment Die 60. ordentliche Delegiertenversammlung von AGILE ging am 30. April 2011 in Bern ohne Fanfaren und roten Teppich über die Bühne. Das Dach der Behinderten-Selbsthilfe plant dagegen für die Präsidentenkonferenz zum Jubiläum eine Tagung zum Thema Nachwuchsförderung. Von Eva Aeschimann, Bereichsleiterin Öffentlichkeitsarbeit Am Morgen der DV 2011 stand ein Rückblick auf den vom Parlament verabschiedeten, ersten Teil der 6. IVG-Revision (6a) auf dem Programm. Ursula Schaffner, Bereichsleiterin Sozialpolitik und Verfasserin des PolitkampagnenKonzepts 6a verband ihre Ausführungen zudem mit einem Ausblick auf den kommenden zweiten Teil dieser Revision, die 6b. Politkampagne 6a IVG-Revision – bitterer Rückblick Welche Forderungen hat der Dachverband der Behinderten-Selbsthilfe in den letzten zwei Jahren rund um die 6a IVG-Revision gegenüber den National- und StänderätInnen eingebracht und ihnen zum Durchbruch verholfen? In welchem Umfeld bewegte sich AGILE dabei? Wie haben sich Menschen mit Behinderung Gehör verschafft, sind sichtbar geworden und haben ihre Anliegen Aug in Auge mit den Damen und Herren im Bundeshaus selbst vertreten? Was konnten die Lobbyierenden in den Wandelhallen des Bundeshauses, am Telefon und Schreibtisch erreichen? Diese und weitere Fragen beantwortete Ursula Schaffner in ihrem abwechslungsreichen Rückblick auf die Politkampagne 6a. VertreterInnen der Lobby-Tandems und Mitarbeiterinnen des Zentralsekretariats zeigten den Delegierten und Gästen mittels Texten und kleiner Szenen, wie erfolgreiche und auch weniger erfolgreiche Lobby-Kontakte ablaufen können. Ursula Schaffner erläuterte Ausgangspunkt, Zielsetzungen und Etappen der Politkampagne. Sie berichtete von der Rolle der Lobby-Tandems im Bundeshaus mit mindestens einer Vertreterin/einem Vertreter mit einer Behinderung. Sie referierte über Eingaben, Hearing, informelle Gespräche und Medienarbeit. Abschliessend fasste sie das im politischen Prozess tatsächlich Erreichte zusammen: eine ernüchternde Bilanz mit Blick auf das riesige Engagement der Lobbyierenden (Lesen Sie dazu den Artikel «Zwiespältige Bilanz zur ersten Tranche 6. IVG-Revision» von Ursula Schaffner in dieser Zeitschrift). Fällt die Bilanz zur Aussenwirkung der Politkampagne auch ernüchternd aus, so bewertet Ursula Schaffner die Innenwirkung der Kampagne für die Selbsthilfe positiv: Mitgliedorganisationen seien aktiviert und über die Lobby-Tandems vielfältige Kontakte geknüpft und gepflegt worden. Das Verständnis unter- und für einander über Behinderungsgrenzen hinweg sei gewachsen. Als LobbyistInnen hätten Menschen mit Behinderung Selbsthilfe gelebt, ihr fachliches Wissen erweitern und konkrete Erfahrungen in Interessenvertretung machen können. «Mit der 37 Behinderung und Politik 2/11 Politkampagne 6a hat AGILE den Grundgedanken der Selbsthilfe und des Empowerment vollumfänglich gelebt und gestärkt», ist Ursula Schaffner überzeugt. Kein Referendum gegen 6a IVG-Revision Vorstandsmitglied Joe A. Manser begründete danach den Entscheid des Dachverbands, weder eine Unterschriftensammlung noch eine eventuelle Referendums-Abstimmung zur 6a IVG-Revision zu unterstützen. Er stellte klar, dass das BSV, der Bundesrat und eine Mehrheit des Parlaments Menschen mit Behinderung und ihre Organisationen gegeneinander ausgespielt haben. Dies indem das Bundesamt für Sozialversicherungen und der Bundesrat die Behindertenorganisationen durch die Verknüpfung des Assistenzbeitrags mit dem Abbau- und Sanierungspaket in ein Dilemma gezwungen haben. AGILE als Dachverband mit dem obersten Ziel der Stärkung der Solidarität unter allen Behinderungsgruppen sei von aussen daran gehindert worden, diese Solidarität zu leben. 6b IVG-Revision – gemeinsamer Ausblick Ursula Schaffner informierte die Delegierten und Gäste abschliessend über die zweite Etappe der 6. IVG-Revision. Bundesrat Didier Burkhalter habe im Februar verlauten lassen, dass die Veröffentlichung der Botschaft zur 6b auf Mai verschoben werde. «Offenbar haben die vielen Vernehmlassungsantworten mit Referendumsandrohungen gewirkt,» sagte Schaffner, «denn das BSV ist daran, die 6b zu überarbeiten». Es sei aber noch nicht klar, in welche Richtung diese Überarbeitung ziele, der Bundesrat wolle am Sparziel von 800 Millionen Franken pro Jahr festhalten. Klar ist aber bereits jetzt: Die von der 6b IVG-Revision betroffenen Menschen werden sich noch stärker als bisher gegen den Leistungsabbau bei der IV zur Wehr setzen, im persönlichen Kontakten mit National- und StänderätInnen, mit schriftlichen Eingaben an die BundesparlamentarierInnen, mit Medienarbeit. Entsprechend sind neue, am Lobbying interessierte Personen dringend gesucht. Jubiläums-PräsidentInnenkonferenz im November 2011 Beim statutarischen Teil der Delegiertenversammlung am Nachmittag standen keine aussergewöhnlichen Geschäfte an, sodass die Versammlung zügig vonstatten ging. Die Delegierten mussten jedoch vom Rücktritt von Robert Joosten als Vizepräsident Kenntnis nehmen. Joosten bleibt erfreulicherweise Mitglied des AGILE-Vorstands. Zentralsekretärin Barbara Marti informierte zum Abschluss über die im Herbst anstehende PräsidentInnenkonferenz. AGILE organisiert im Rahmen ihres 60jährigen Bestehens am 12. November 2011 eine Tagung. «Wie rüstet sich eine Behindertenorganisation für die Zukunft?» lautet die Ausgangsfrage für die Tagung, die Nachwuchsförderung in verschiedensten Aspekten in den Mittelpunkt stellt. 38 Behinderung und Politik 2/11 Eidgenössische Wahlen: ein Amt für alle zugänglich In Ausgabe 1/11 der Zeitschrift wurden die direkt oder indirekt von Behinderung betroffenen Stimmberechtigten aufgerufen, am 23. Oktober an die Urne zu gehen und für die Eidgenössischen Wahlen zu mobilisieren. Natürlich sind sie auch aufgefordert zu kandidieren. Das Parlament jedenfalls scheint bereit, sie zu empfangen! Von Mélanie Sauvain, Secrétaire romande, AGILE Menschen mit Behinderung machen rund 10% der Schweizer Bevölkerung aus. Man könnte deshalb annehmen, dass einer von zehn Parlamentariern mit einer Behinderung lebt. Das ist aber bei Weitem nicht der Fall. Nehmen wir aber mal an, dies würde Realität – wäre das Parlament dann für Menschen mit Behinderung zugänglich? Gemäss dem Verantwortlichen für Infrastruktur ist das im Prinzip der Fall. Massgeschneiderte Lösungen «Es ist Aufgabe der Parlamentsdienste, den gewählten Volksvertretern eine möglichst gute und problemlose Ausübung ihres Amtes zu ermöglichen. Das gilt selbstverständlich auch für Ratsmitglieder mit einer Behinderung», erklärt Daniele Bruno Malnati, Chef Sicherheit und Infrastruktur der Parlamentsdienste, in einer schriftlichen Antwort auf unsere Fragen. Und zitiert das Beispiel des ehemaligen Nationalrats Marc F. Suter (BE/FDP), Paraplegiker, der von 1991 bis 2003 und 2007 Mitglied des Nationalrats war. Die Parlamentsgebäude sind grundsätzlich rollstuhlgängig, «wo das der Denkmalschutz erlaubt». Die Ratsunterlagen sind ebenfalls grundsätzlich elektronisch verfügbar, präzisiert Daniele Malnati. Schliesslich steht auch eine individuelle Tonanlage zur Verfügung. Diese Massnahmen sind als Grundlage zu betrachten und müssen im Einzelfall angepasst werden. Die Parlamentsdienste möchten aber keine hypothetischen Annahmen dazu machen, was ein Ratsmitglied möglicherweise benötigen könnte. «Sollte eine Person mit einer Behinderung Einsitz in die Räte nehmen, werden im Dialog mit der betroffenen Person die notwendigen Massnahmen geprüft und umgesetzt», unterstreicht der Infrastrukturverantwortliche. «Die Lösungen müssen massgeschneidert sein». Politische Selbstvertretung Am schwierigsten bleibt es somit, dass betroffene Personen gewählt werden. Zunächst einmal müssen sie sich für eine Kandidatur entscheiden und die benötigte Kraft und den Mut aufbringen. Insbesondere zur Förderung dieses politischen Engagements hat AGILE im Herbst 2009 in der Deutschschweiz das E-LearningAngebot «Politische Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung» lanciert. Mehr darüber erfahren Sie im Artikel «Meine Selbstsicherheit im Umgang mit anderen ist gestiegen». 39 Behinderung und Politik 2/11 Übersetzung: Susanne Alpiger 40 Behinderung und Politik 2/11 Medien Freiwillig? Elfriede Polz sieht sich in der Rückschau als glückliche junge Frau: an der Seite des Mannes den sie liebt, zwei gesunde Kinder und ein stattlicher Bauernbetrieb. Dann bricht die Depression in ihr Leben ein, und nichts mehr ist wie vorher. Für Sie gelesen von Bettina Gruber In der Steiermark 1949 als jüngstes von sechs Kindern in eine Bauernfamilie geboren, erlebt Elfriede eine glückliche und kurzweilige Kindheit. Sie erlernt einen Beruf und heiratet schliesslich den Mann, in den sie sich schon als 15-Jährige verliebt hat. Sie erinnert sich noch genau an ihre Hochzeit. Ein Sohn und eine Tochter in den darauffolgenden Jahren manchen das Glück vollkommen. Die Arbeit auf dem Hof füllt die Tage aus. Dann bricht 1979 das Schicksal in ihre Familie ein. Ihr Bruder ruft plötzlich mehrmals täglich bei ihr an. Es geht ihm nicht gut. Er schläft kaum mehr. Nach mehrmaligem zureden geht er schliesslich doch zum Arzt. Aber die Medikamente scheinen ihm nicht zu helfen. Er kann nicht mehr, er will nicht mehr. Alle sind fassungslos, als er sich wenige Tage später das Leben nimmt. Und nun ist nichts mehr wie früher. Wenige Tage nach dem Begräbnis des Bruders zittert Elfriede Polz und kann kaum mehr schlafen. Sie versucht es zu vertuschen, um ja nicht solche Medikamente zu bekommen wie ihr Bruder. Schliesslich geht auch sie zum Arzt, und er muss ihr heftig zureden, bis sie nach einigen Tagen die verschriebenen Tabletten nimmt. Doch ihre Tage werden immer trüber, wie sie schreibt. Sie hofft auf baldige Besserung, aber es wird nicht besser. Und der Mann an ihrer Seite hat grosse Angst um seine Frau. Hier möchte ich nicht weitererzählen. Nur soviel: es kommt schlimmer. Lesen Sie selbst die beinahe unglaubliche Lebensgeschichte. Elfriede Polz ist keine Frau grosser Worte. Die Biografie der heute 60-Jährigen füllt gerade mal 80 grosszügig bedruckte Seiten, ist also schnell gelesen. Aber nicht schnell vergessen! Die einfache Sprache, die vieles nur andeutet, anderes einfach feststellt, geht gerade durch dieses unverschnörkelte Zeugnis zu Herzen. Wie der Untertitel sagt: Es ist eine Biografie über die Art, mit Depressionen umzugehen. Hilflosigkeit und Hoffnung werden greifbar. Auch Rückfälle und die Angst davor gehören dazu. Eine Depression kann in die Katastrophe führen, dies musste die Autorin schmerzlich miterleben. Elfriede Polz selbst hat wieder herausgefunden und ist dankbar dafür. Angaben zum Buch: Elfriede Polz, Freiwillig? Eine Biografie über die Art, mit Depressionen zu leben und gesund zu werden, Books on Demand GmbH, 2010. ISBN: 978-3-8423-0656-1, Preis: CHF 24.50. 41 Behinderung und Politik 2/11 Impressum agile – Behinderung und Politik (mit regelmässiger Beilage – in elektronischer Form – der «BÖV Nachrichten») Herausgeberin: AGILE Behinderten-Selbsthilfe Schweiz Effingerstrasse 55, 3008 Bern Tel. 031/390 39 39, Fax 031/390 39 35 Email: [email protected] Redaktion: Eva Aeschimann, Redaktionsverantwortliche deutsche Ausgabe Mélanie Sauvain, Redaktionsverantwortliche französische Ausgabe Bettina Gruber Haberditz Simone Leuenberger Ursula Schaffner Lektorat: Bettina Gruber Haberditz (deutsche Ausgabe) Sylvie Ulmann (französische Ausgabe) Neben der deutschsprachigen besteht auch eine französischsprachige Ausgabe von «agile». Ihre Inhalte sind weitgehend identisch – Übersetzungen werden als solche gekennzeichnet. Die Übernahme (mit Quellenangabe) von «agile»-Texten ist nicht nur gestattet, sondern erwünscht! Anregungen, Anfragen, Feedback, Bemerkungen usw. bitte an: [email protected] 42