1 DaF-Lehrer: lieber Muttersprachler? Düsseldorf, am 2. Februar 2010 Es wird behauptet, dass es besser ist, einen Muttersprachler als Lehrer zu haben, als einen Nicht-Muttersprachler. Im Folgenden stelle ich die Vor- und Nachteile der Lehrarbeit von einem Muttersprachler und einem Nicht-Muttersprachler dar. Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht mit einem Muttersprachler In den siebzieger Jahren entstand der Kommunikative-Ansatz im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts. Das Aufkommen dieser neuen pädagogischen Methode ist zum Teil als Reaktion zu den alten Methoden zu verstehen. Mit alten Methoden nehme ich Bezug auf die grammatische und die audio-linguale Methode. Die Studenten, die eine Sprache mit der grammatischen Methode lernten, kannten sehr gut die Struktur der Zielsprache und waren in der Lage, Übersetzungen von der Fremd- in die Muttersprache anzufertigen. Aber sie konnten mit keiner echten kommunikativen Situation umgehen. Sie konnten in einem konkreten kommunikativen Kontext nicht zurecht kommen. Kurz gesagt, konnten sie mit der Sprache nichts machen. Sie verstanden auch wenig von dem, was sie in der Fremdsprache hörten. Deswegen wurde eine neue Methode entwickelt: die Audio-linguale Methode. Für diese Methode steht das Hören und das Sprechen im Mittelpunkt. Es war dann weniger wichtig die Struktur der Fremdsprache zu kennen als sich in der Fremsprache ausdrücken zu können, und zu verstehen, was man hörte. Die Hauptquelle einer guten Aussprache und einer guten mündlichen Fertigkeit sei das Hören. Je gröβer der Hör-input sei, desto besser sei der Aussprache-output des Studenten. Studenten, die mit solcher Methode eine Fremdsprache lernten, hatten eine gute Aussprache, verstanden die Sendungen im Fernsehen und konnten ihre Meinungen und Bedürfnisse ausdrücken. Die Lehrer waren normalerweise Muttersprachler ohne Lehrerfahrung oder Lehrbildung. Sie waren einfach Leute, die Spaβ daran hatten, ihre eigene Sprache zu unterrichten. Danach entstand die kommunikative Methode. Diese Methode ist eine weitere Entwicklung der Audiolingualen Methode. Während in der Zeit der Grammatikübersetzungsmethode der Unterricht meistens auf der Sprache der Studenten und von einem Lehrer gehalten wurde, der kein Muttersprachler war und der die Sprache der Studenten auch als Muttersprache mitteilte, wurde der Fremdsprachenunterricht nach der kommunikativen Methode auf der Fremdsprache und von Muttersprachlern gehalten. Die Folge davon war, dass die Studenten nach einigen Monaten alles davon verstanden, was der Lehrer im Unterricht sagte und viel schneller die Sprache lernten. Deswegen wurde geglaubt, dass Fremdsprachenunterricht unter der Leitung von Muttersprachlern die Studenten zu ihren kommunikativen Zielen schneller brachte und dazu half, dass sie ein höheres Sprachniveau erreichten, das heiβt ein Niveau ähnlich zu dem von einem Muttersprachler. 2 In dieser Zeit glaubten viele daran, dass sie eines Tages wie Muttersprachler sprechen würden. Damals waren die Forschungen über die Rolle des Alters beim Fremdsprachenlernen noch in den Kinderschuhen. Heutzutage weiβt man, dass Kinder und Erwachsene Sprachen unterschiedlich lernen. Erwachsene können ein bestimmtes Niveau in der Fremdsprache erreichen, aber kaum die Perfektion des Muttersprachlers. In der heutigen Zeit hat man auch ein unfassenderes Verständnis davon, was bedeutet, eine Fremdsprache zu lernen. Ich will mich jetzt mit der Frage beschäftigen, ob es tatsächlich besser ist einen Muttersprachler als Fremdsprachenlehrer zu haben oder nicht. Einige Tatsachen sprechen dafür, andere dagegen. Es wird behauptet, dass man eine bessere Aussprache entwickelt, wenn man Unterricht mit einem Muttersprachler hört. Man wird aktentfrei sprechen, fast wie Muttersprachler. Es wird auch gesagt, dass Muttersprachler bessere Lehrer als NichtMuttersprachler sind, weil sie die Grammatik der Sprache besser kennen. Neben der Grammatik kennen Muttersprachler Redewendungen und Feinheiten der Sprache. Muttersprachler sprechen auβerdem meistens fehlerfrei. Man sagt: „Wenn du etwas lernen willst, such nach demjenigen, der das am besten kann“. Jetzt diskutieren wir über die vorigen Aussagen. Ich bin auch der Meinung, dass man eine bessere Aussprache entwickelt, wenn man Unterricht mit einem Muttersprachler hat. Das bedeutet aber nicht, dass man ohne Akzent sprechen wird. Nur wenn man als Kind die Fremdsprache lernt, wird man akzentfrei sprechen. Ist das dann ein Grund dafür, keine Fremdsprache als Erwachsener zu lernen? Müssen alle Erwachsene auf das Lernen von Fremdsprachen verzichten, einfach weil sie sie immer mit Akzent sprechen werden? Die Antwort ist: nein. Denken wir darüber nach, wie entscheidend es tatsächlich ist, ohne Akzent zu sprechen. Kommuniziert ein Sprachlernender besser, wenn er ohne Akzent spricht? Es ist klar, dass der Akzent eine Rolle in der Kommunikation spielt, diese Rolle ist aber nicht so entscheidend wie zum Beispiel die Rolle des Wortschatzes. Ein Sprachstudent kann effektiv kommunizieren, obwohl er mit Akzent spricht. Dieser Wunsch nach einem akzentfreies Sprechen ist mehr eine ästhetische Frage als eine Voraussetzung für eine effektive Kommunikation. Als Student habe ich immer erlebt, dass alle meine Kommilitonen mit Akzent sprachen. Je nachdem welche Muttersprache man hat, hat man einen besonderen Akzent. Trotzdem konnten alle mit Muttersprachlern reden, an einer deutschen Universität studieren, Referate in Seminaren halten und Hausarbeite schreiben. Wozu dann dieser utopische Wunsch von vielen nach einer Sprache ohne Akzent, wenn der Fremdakzent keine echte Beeinträchtigung für Kommunikation darstellt, so lange sich die Person verständlich ausdrückt? Was die Grammatik angeht, ist es nicht wahr, dass ein Muttersprachler sie besser kennt als ein Nicht-Muttersprachler, der z. B. Germanistik studierte. Eine Sprache zu können bedeutet nicht, in der Lage zu sein, sie zu lehren. Ein Muttersprachler beherrscht die grammatischen Regeln seiner Sprache, aber nur wenn er sich mit ihnen wissenschaftlich beschäftigt, wird er dazu fähig sein, einem Anderen solche Regeln zu erklären. Ich habe die 3 Erfahrung gehabt, bestimmte Eigenschaften der deutschen Sprache besser zu verstehen und zu erklären, als Muttersprachler. Auf der anderen Seite ist es wahr, dass Muttersprachler Redewendungen und Feinheiten der Sprache kennen, die ein Nicht-Muttersprachler nicht kennt. Diese Kenntnisse kann ein Nicht-Muttersprachler nur schwierig und langsam erwerben. Ich habe schon mehr als 5 Jahre Deutsch gelernt, ich bin Deutschlehrerin, und trotzdem kenne ich ganz wenige Redewendungen. Solche Kenntnisse gehören meiner Meinung nach zum obersten Sprachniveau. Bevor ein Student bestimmte Feinheiten der Zielsprache lernt, muss er allerdings die Grundlagen der Sprache kennen. Bevor man weiβt, was „toll zu sein“ bedeutet, muss man wissen, dass Substantive und nominale Konstruktionen verschiedene Funktionen in einem deutschen Satz erfüllen. Aber jetzt lautet dann die Frage: Wie wichtig ist, ein Lehrer zu haben, der die Feinheiten der Sprache kennt, obwohl diese die Studenten niemals oder zu mindest nicht in den ersten fünf Jahren von seiner Beschäftigung mit der Sprache lernen werden? Der letzte Punkt, über den ich sprechen will, ist die Idee davon, dass Muttersprachler fehlerfrei sprechen. Das stimmt zu fast hundertprozentig. Das ist ein Vorteil von einem Muttersprachler-Lehrer. Lehrer, die Nicht-Muttersprachler sind, machen oft grammatikalische Fehler, sie wählen manchmal die falschen Nomen-Verb-Verbindung und benutzen einen begrenzten Wortschatz. Dennoch hängt die Sprachrichtigkeit der Studenten nicht nur und nicht vor allem von der absoluten Sprachrichtikeit des Lehrers ab. Ich habe Muttersprachler sowie Nicht-Muttersprachler als Deutschlehrer gehabt, und ich kann nicht sagen, dass die Fehler, die ich noch mache, daran liegen, dass mir Unterricht von Nicht-Muttersprachlern erteilt wurde. Die Fehler, die ich noch mache, und die bestimmt weiter machen werde, hängen davon ab, dass ich wegen meiner Muttersprache ein Gedankensmuster im Kopf habe und mich von diesem nicht entfernen kann. Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht mit einem Nicht-Muttersprachler Sehen wir uns jetzt die Vorteile von einem Unterricht mit einem Nicht-Muttersprachler an, der als Erwachsener ein Studium im Rahmen von Deutsch-als-Fremdsprache oder Germanistik absolviert hat. Der Nicht-Muttersprachler-Lehrer kennt bestimmt den Weg, den seine Studenten nehmen werden, um die Sprachziele zu erreichen. Er selbst hat diesen Weg gegangen. Deswegen kennt er auch die Schwierigkeiten, auf die alle Lernende mit der gleichen Muttersprache stoβen. Als Spanisch-Muttersprachlerin weiβ ich zum Beispiel, dass Satzkonstruktionen mit einem Teil des Verbs am Ende eine Schwierigkeit für Spanischmuttersprachlerstudenten darstellt. Das weiβ ich, weil ich die Struktur meiner Muttersprache kenne. Im Spanischen gibt es kein Verb mit zwei Teilen. Ein Verb wird niemals getrennt. Ein Nicht-Muttersprachler-Lehrer ist dazu fähiger als ein Muttersprachler-Lehrer, zu erklären, warum seine Studenten bestimmte Probleme mit der Sprache haben und natürlich, wie solche Probleme gelöst werden können. Der Nicht-Muttersprachler kennt besser die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Zielsprache und der Muttersprache der Studenten. Eine Methode, die im Sprachunterricht immer benutzt wird, ist die kontrastive Grammatik. Alle Studenten suchen nach Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten zwischen der Sprache, die sie 4 gerade lernen, und ihrer Muttersprache. Das ist einfach so, weil es einen universalen Prozess gibt, der darin besteht, das neue Wissen mit Vorwissen zu verknüpfen, um es zu erwerben und zu behalten. Deswegen wenn ein Nicht-Mutterprachler sich mit der Grammatik seiner Muttersprache und der von ihm zu lehrenden Sprache gut auskennt, profitieren die Studenten viel davon, weil er Vergleiche zwischen den Sprachen zieht und bestimmte sprachliche Phänomene in der Fremdsprache dadurch erklärt, dass er auf ähnliche sprachliche Phänomene in der Muttersprache der Studenten Bezug nimmt. Der Nicht-Muttersprachler-Lehrer teilt den Gedankenraum seiner Studenten mit. Lehrer und Studenten denken ähnlich, weil die gleiche Sprache ihre Gedankensprozesse prägt. All diese Vorteile hat man nicht im Unterricht mit einem Muttersprachler, obwohl dieser die zu lernende Sprache sehr gut kann. Nach diesen Gegenüberstellung von Argumenten lässt sich schlieβen, dass Fremdspracheunterricht sowohl mit Muttersprachlern als auch mit Nicht-Muttersprachlern sehr wertvoll ist. Durch meine Argumentation will ich nicht die Sprachabteilungen überzeugen, dass sie keine Ausländer mehr als Lehrer anstellen. Mir selbst ist sehr bewusst, wie wichtig ist, dass in jedem Land internationale Austausche gefördert werden. Interkulturelle Austausche sind die Grundlage für viele Prozesse der heutigen und zukünftigen Gesellschaften. Sogar kann ich sagen, dass die Leute, die mir tatsächlich die Möglichkeit gegeben haben, zu arbeiten, und mir mit Gerechtigkeit behandelt haben, Deutsche sind und nicht Kolumbianer. Für Vieles bin ich bei Leuten aus anderen Kulturen dankbar. Aber was ich nicht verstehe ist, warum Berufsfähige, die ein Studium im Rahmen von Fremdsprachen absolviert haben, ganz wenige oder gar keine Chancen bekommen, an einer Universität in der Heimat zu arbeiten, einfach weil ihre Beherrschung der Lehrsprache nicht so gut wie die vom Muttersprachler ist. Die Sprachabteilungen sollten sowohl Muttersprachler als auch Nicht-Muttersprachler als Lehrkraft anstellten, weil die Kenntnisse von beiden wertvoll und sehr nützlich für die Studenten sind. Das Hauptziel des Lernens einer Fremdsprache muss nicht sein, die Sprache perfekt zu können, sondern sich darum zu bemühen, die andere sprachliche und kulturelle Welt zu verstehen, ohne die eigene zu vernachlässigen. Es ist andererseits ein Widerspruch, Studiengänge wie Germanistik, Deutsch als Fremdsprache, Romanistik oder Anglistik an Universitäten anzubieten, damit die Interessierten später Sprachlehrer werden, aber sie nicht anzustellen, weil sie NichtMuttersprachler sind. Wozu bietet man dann solche Studiengänge, wenn die Graduierten in der eigenen Heitmat nicht arbeiten dürfen? Es sollte in allen Sprachabteilungen Platz genüg für alle Lehrer geben, sowohl für Muttersprachler als auch für Nicht-Muttersprachler. Man darf nicht vergessen, dass Universitäten und Hochschulen ein Vorbild von Gleichheit und ethischem Verhalten für die Gesellschaft darstellen. Fremdsprachenunterricht kann dazu benutzt werden, dass die Studenten lernen, freundliche Beziehungen mit Leuten aus anderen Kulturen zu stellen. Die müssen aber auch sehen, dass ihre eigenen Lehrer die Arbeit der Kollegen schätzen und respektieren. Sprachlehrer haben die Verantwortung, nach Solidarität zwischen Völkern und Ländern zu suchen und nicht die Abgrenzung und Diskriminierung zu fördern. 5 Ich frage mich sehr oft warum es für viele Menschen so schwierig ist, zum Aufbau einer Gesellschaft beizutragren, wo es eine freundlichere Atmosphäre herrscht und wo alle ihre Selbstverwirklichung finden können. Eine so lange Geschichte muss bestimmt die Menschen zu etwas anderes führen, als einfach zur kapitalistischen Gier nach Geld, Vermögen und persönlischem Wohlstand. Johanna Cordoba